T 0002/14 () of 13.12.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T000214.20171213
Datum der Entscheidung: 13 Dezember 2017
Aktenzeichen: T 0002/14
Anmeldenummer: 05801418.4
IPC-Klasse: A61F 13/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VORRICHTUNG ZUR WUNDBEHANDLUNG UNTER EINSATZ VON UNTERDRUCK
Name des Anmelders: BSN medical GmbH
Name des Einsprechenden: Paul Hartmann AG
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(3)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Spät eingereichtes Dokument - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 807 031 zurückzuweisen.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents und nahm auf folgende für die Entscheidung relevante Dokumente Bezug:

D1 WO-A-2005/123170

D2 DE-A-100 59 439

D3 US-A-2004/0054338

D4 WO-A-03/094813

D5 WO-A-96/05873

D6 WO-A-01/89431

D7 WO-A-99/01173

D8 EP-A-1 129 734

D9 DE-A-195 17 699

III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat zu den Beschwerdegründen der Beschwerdeführerin Stellung genommen. Sie beantragte die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent im Umfang der Hilfsanträge 1 bis 5 aufrechtzuerhalten.

IV. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer geladen. In einer Mitteilung der Beschwerdekammern wurde ihnen die vorläufige Auffassung der Kammer zur Sache mitgeteilt. Darin wurde dargestellt, dass die Kammer den Fachmann für fähig erachten würde, die Größe der Hülle und des Absorptionskörpers aufeinander abgestimmt auszuwählen. Ferner sah die Kammer nicht alle beanspruchten Merkmale in D1 als offenbart an. D3 wie auch D7 wurden jeweils als geeigneter Ausgangspunkt für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit betrachtet, jedoch nicht die weiteren diesbezüglich genannten Dokumente. In Bezug auf die vorliegenden Hilfsanträge wurden Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ, 84 EPÜ sowie 56 EPÜ diskutiert.

V. Als Reaktion darauf hat die Beschwerdegegnerin die bis dahin vorliegenden Hilfsanträge 1 bis 5 zurückgenommen und neue Hilfsanträge 1 bis 8 vorgelegt.

VI. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 13. Dezember 2017 statt, an deren Ende die Kammer ihre Entscheidung verkündete.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin nahm ihren Hauptantrag zurück und beantragte, das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des mit Schreiben vom 28. November 2017 eingereichten Hilfsantrags 1 (samt der unveränderten Beschreibungsseiten sowie Zeichnungen) aufrecht zu erhalten.

VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hat folgenden Wortlaut:

"Vorrichtung (100; 200; 300; 400) zur Wundbehandlung des menschlichen oder tierischen Körpers unter Einsatz von Unterdruck, aufweisend:

- ein gasdichtes Wundabdeckungselement (4), das im am Körper des Patienten angelegten Zustand einen zwischen der jeweiligen Wunde und dem Wundabdeckungselement verbleibenden Wundraum (10) bildet,

- wenigstens eine Anschlussstelle (5.1; 5.2), die mit dem Wundraum 10 in Kontakt steht und über welche die im Wundraum (10) befindliche Luft evakuiert werden kann,

- wenigstens einen flächenhaften Absorptionskörper (2), der im Wundraum (10) unterhalb des Wundabdeckungselementes (4) anzuordnen ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

- der Absorptionskörper (2) wenigstens eine in eine Hülle (11) eingefasste Lage (22) eines mit superabsorbierenden Partikeln durchsetzten Textilabschnittes (2) ist, wobei die Hülle (11) flüssigkeitsdurchlässig ist und Poren aufweist, deren Größe die der superabsorbierenden Partikeln im Wesentlichen nicht überschreitet,

- der in den Wundraum (10) einzulegende Absorptionskörper (2) ein Anfangsvolumen (V1) aufweist, das sich im Laufe des Absorptionsprozesses vergrößert und ein Endvolumen (V2) annimmt, so dass die absorbierten Wundsekrete - bedingt durch die Porengröße der Hülle (11) - innerhalb des Absorptionskörpers (2) und damit unterhalb des Wundabdeckungselementes bis zur Entfernung des Absorptionskörpers aus dem Wundraum verbleiben,

- die Lage (22) in Draufsicht auf ihre Flachseite eine Flächenausdehnung hat, die um 3% bis 90% kleiner ist als die der flachgelegten Hülle (11)."

VIII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Das Merkmal des Anspruchs 1, dass "die Lage (22) in Draufsicht auf ihre Flachseite eine Flächenausdehnung hat, die um 3% bis 90% kleiner ist als die der flachgelegten Hülle (11)" führe dazu, dass zumindest im unteren Randbereich die Erfindung nicht ausführbar sei.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber D1 (Artikel 54 (3) EPÜ). D1 offenbare, dass superabsorbierende Partikel (SAP) auf ein Textil-Filament oder eine Trägerschicht aufgebracht sein könnten.

Sowohl D3 wie auch D7 könnten den nächstliegenden Stand der Technik darstellen. Alle Merkmale des Oberbegriffs seien darin jeweils offenbart. Die Aufgabe sei, einen geeigneten Absorptionskörper auszuwählen. Das Drainagesystem der D3 wie auch dasjenige der D7 offenbarten die Anwendung eines porösen Schaums auf der Wunde als Absorptionskörper. Um die Wundheilung zu verbessern, würde der Fachmann alternative Absorptionskörper einsetzen.

D2 wie auch D4 offenbarten geeignete flächenhafte Absorptionskörper. Dies sei für den Fachmann offensichtlich, da sowohl in D2 wie auch in D4 auf die Verwendung in Drainage-Systemen hingewiesen werde. Eine erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) sei daher im Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht erkennbar.

D13 solle nicht zum Verfahren zugelassen werden. D13 sei ein aktueller Ausdruck aus dem Internet, dessen Verfügbarkeit und Aussage zum Prioritätszeitpunkt unklar sei. Insbesondere könne D13 nicht klären, ob das in D7 exemplarisch genannte Material "Simpatex" mit dem in D13 beworbenen "Sympatex"-Material identisch sei.

Auf die weiteren im schriftlichen Verfahren genannten Dokumente träfen die dort vorgebrachten Argumente zu.

Diese waren im Wesentlichen folgende:

D6 könne ebenfalls den nächstliegender Stand der Technik bilden. Das in D6 offenbarte Drainagesystem ermögliche das Ableiten von Wundflüssigkeit. Der Fachmann würde auch hier die auf die Wunde aufgebrachte SIS-Lage (small intestine submucosa-layer, a tissue engineered collagen matrix) durch einen SAP-haltigen Absorptionskörper aus D2 bzw. D4 ersetzen.

Ebenso könne der beanspruchte Gegenstand in naheliegender Weise aus einer Kombination der D8 mit D2 bzw. D4 entnommen werden. Figur 1 der D8 zeige ein Drainagesystem mit einem in der Wunde angeordneten Schwamm, wobei eine Abdeckung des Systems die Aufrechterhaltung eines Vakuums erlaube. Auch hier könne der Fachmann alternativ einen SAP-haltigen Absorptionskörper verwenden.

D9 beschreibe eine Vorrichtung zur Vakuumversiegelung einer Wunde, wobei ein Sekretauffangbehälter über einen Drainageschlauch an das System angeschlossen ist. Dabei sei eine Schaumstoffeinlage auf der Wunde vorgesehen, welche auch als flächenhafter Absorptionskörper angesehen werden könne. Der Fachmann könne auch hier den Absorptionskörper aus D2 oder D4 als Alternative verwenden, wodurch sich der beanspruchte Gegenstand in naheliegender Weise ergeben würde.

IX. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Fachmann könne die Erfindung gemäß Anspruch 1 ausführen und dabei die Größe der Hülle und des Absorptionskörpers aufeinander abgestimmt auswählen. Im unteren Randbereich spiele die Materialauswahl sowie die Flächengröße eine größere Rolle wie im übrigen Bereich. Dies bedeute aber nicht, dass der Fachmann nicht imstande wäre, eine Abstimmung diesbezüglich durchzuführen. Insbesondere wäre im unteren Randbereich eine Verbindung der Hüllnähte mittels Ultraschall möglich.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber D1.

D1 offenbare zumindest keine Verwendung von superabsorbierenden Partikeln (SAP) im Textilabschnitt.

Weder D3 noch D7 könnten als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden. Beide Druckschriften offenbarten eine Drainagetechnik, welche die kontinuierliche Anwendung von Unterdruck beinhalte und somit grundsätzlich von der Drainagetechnik abweichen würde, auf welche in D2 bzw. D4 hingewiesen werde. Diese Drainagetechnik erlaube keine Verwendung von SAP/Textilmaterial im Absorptionskörper, da ein derartiges Material eine Blockade der Absaugung verursachen würde. Das in D3 bzw. D7 zur Abdeckung der Wunde offenbarte Schaummaterial könne zwar zwischenzeitlich Wundsekret speichern, würde dieses aber auch wieder abgeben und durch Absaugen nach außen ableiten. Dies sei bei einer Verwendung von SAP/Textilmaterial (wie in D2 bzw. D4) so nicht möglich.

Insbesondere verweise D3 auch auf die Möglichkeit, die Wunde unter Umkehr der Druckverhältnisse zu spülen. Ausgehend von der Vorrichtung der D3 oder der D7 würde der Fachmann eine Kombination mit den Absorptionskörpern der D2 oder D4 daher nicht in Betracht ziehen.

D13 solle zugelassen werden. D13 zeige, dass das Merkmal einer gasdichten Abdeckung des Wundabdeckungselements nicht aus D7 bekannt sei. Ob das Merkmal "gasdicht" auf ein bestimmtes Material zutreffen würde, sei aber nicht wesentlich für den Problem-Lösungs-Ansatz als solchen.

D9 offenbare eine Vorrichtung zur Vakuumversiegelung einer Wunde welche einer Drainagetechnik der D3 bzw. D7 entspräche. Auch dieses Dokument könnte daher in Bezug auf erfinderische Tätigkeit aus den genannten Gründen keine Rolle spielen.

Das in D6 offenbarte Drainagesystem ermögliche das Ableiten von Wundflüssigkeit, allerdings ausgehend von einer Vorrichtung, welche eine Kollagenmatrix enthält. Es sei kein Grund ersichtlich oder vorgebracht, warum der Fachmann hier alternativ einen SAP-haltigen Absorptionskörper vorsehen sollte.

Das Drainagesystem der D8 müsse sowohl zur Aufrechterhaltung eines Vakuums, wie auch zum Spülen der Wunde geeignet sein. Auch hier würde der Fachmann einen SAP-haltigen Absorptionskörper wie in D2 oder D4 offenbart, aus den bereits für D3 bzw. D7 vorgebrachten Gründen nicht verwenden.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 83 EPÜ

1.1 Anspruch 1 beinhaltet das Merkmal, dass

"die Lage (22) in Draufsicht auf ihre Flachseite eine Flächenausdehnung hat, die um 3% bis 90% kleiner ist als die flachgelegte Hülle".

1.2 Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdebegründung Berechnungen vorgelegt, welche zeigen sollten, dass die gewählte untere Grenze von 3% nicht ausführbar sei. Diesen Berechnungen liegen bestimmte Flächen-Annahmen zugrunde. Es wird dazu ausgeführt, dass ein Überstand der Hülle von 3% nicht ausreichend sei um einen Saugkörper in die Hülle einzubringen, auch wenn dieser lediglich eine Dicke von etwa 1 mm aufweisen würde.

1.3 Die Beschwerdegegnerin hat diesbezüglich vorgebracht, dass durch Verbinden der Nähte mittels Ultraschall eine Verbindung der Hüllmaterialien möglich sei. Diesem Vorbringen wurde nicht weiter entgegnet.

1.4 Demzufolge könnte der Fachmann die Dicke des Absorptionskörpers auch derartig gering wählen. Zudem kann es dem Fachmann überlassen bleiben, die Dicke des Saugkörpers im Verhältnis zur Größe der Hülle so zu wählen, dass eine Ausdehnung des Absorptionskörpers möglich ist. Auch wenn die untere Grenze von 3% sehr klein ist, und die Absorptionsleistung eines dementsprechend wählbaren Absorptionskörpers sehr klein wäre, so bedeutet das nicht, dass die Erfindung gemäß Anspruch 1 (d.h. die Vorrichtung) nicht ausführbar wäre. Dies hatte die Kammer in ihrer der mündlichen Verhandlung vorausgehenden Mitteilung bereits so gesehen, und im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurden diesbezüglich keine weiteren Argumente vorgetragen.

1.5 Das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ ist somit erfüllt.

2. Neuheit - Anspruch 1 - D1

2.1 D1 offenbart eine Wundauflage zur Anwendung bei Vakuumtherapie. Die Wundauflage beinhaltet im Gegensatz zu der anspruchsgemäßen Vorrichtung keinen Absorptionskörper, welcher wenigstens eine in eine Hülle eingefasste Lage eines mit superabsorbierenden Partikeln (SAP) durchsetzten Textilabschnittes aufweist.

2.2 D1 offenbart allgemein für die Wundauflage die Verwendung von "screen structures", welche Hydrogele enthalten können (S. 8, Z. 4-15). Dieses Material wird auf der Wunde platziert. Das Hydrogel kann durch eine Lage aus Textilfilamenten verstärkt oder unterstützt sein (S. 9, Z. 1-5). Dazu ist es möglich, superabsorbierende Polymerfasern in eine gewebte Struktur oder ein Nonwoven einzubringen (S. 8, Z. 32 - S. 9, Z. 7). In der weiteren Beschreibung der D1 wird darauf hingewiesen, dass die Hydrogel-Schicht (S. 9, Z. 15-29) die Durchlässigkeit der Flüssigkeit über ein Netzwerk von Kanälen ermöglicht.

2.3 In der Beschreibung der D1 (Seite 19, Z. 13-15) findet sich zwar ein Hinweis auf aktive Polymere in Partikelform, dieser Hinweis bezieht sich jedoch nicht klar und eindeutig auf SAPs, worauf die Kammer bereits in ihrer vorläufigen Meinung (Punkt 2.2) hingewiesen hatte. Darauf, wie auch auf den dementsprechenden, erneuten Verweis der Kammer während der mündlichen Verhandlung, wurde lediglich mit dem Hinweis auf die zuvor schriftlich eingereichten Argumente geantwortet.

2.4 Eine Offenbarung, superabsorbierende Polymere in Partikelform in einem Textilabschnitt für die absorbierende Schicht zu verwenden, liegt in D1 nicht vor.

2.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu (Artikel 54 (1) EPÜ).

3. D13 - Zulassung

3.1 Die Beschwerdegegnerin reichte während der mündlichen Verhandlung

D13 © SympaTex - Unternehmensprofil

"www.sympatex.com/de/company/8/unternehmensprofil"

ein, um zu zeigen, dass in D7 kein gasdichtes Wundabdeckungselement vorhanden sei. D13 wurde somit nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder der Erwiderung darauf eingereicht und stellt eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdegegnerin dar (Artikel 13 (1) VOBK). Die Zulassung in das Verfahren liegt damit im Ermessen der Kammer. Bei der Ausübung des Ermessens ist unter anderem die gebotene Verfahrensökonomie zu berücksichtigen. Dieses Kriterium wird von den Beschwerdekammern in dem Sinne angewendet, dass ein derartiges Dokument prima facie erkennbar relevant sein sollte.

3.2 Da dieses Dokument ein aktueller Ausdruck (aus dem Jahr 2017) aus dem Internet ist, und ein Zusammenhang mit dem in der Beschreibung der D7 offenbarten bevorzugten Abdeckungsmaterial "Simpatex" (und nicht "Sympatex" wie in D13) nicht nachgewiesen wurde, ist prima facie eine Relevanz jedoch nicht erkennbar und die Kammer hat ihr Ermessen gemäß Artikel 13 (1) VOBK ausgeübt, D13 nicht in das Verfahren zuzulassen.

4. Erfinderische Tätigkeit - D7

4.1 D7 offenbart eine Vorrichtung, welche die Wundbehandlung unter kontrollierter Anwendung von Unterdruck über einen ausgewählten Zeitraum betrifft (Figur 1, S. 1, Z. 5-8). Dazu wird ein Drainage-System offenbart, wobei ein poröses und flüssigkeits-absorbierendes Material in Form eines Schaumblocks auf der Wunde platziert und durch eine Folie abgedeckt wird. Durch die Anwendung von Unterdruck wird die Wundflüssigkeit über eine über dem Schaumblock platzierte Saugleitung aus der Wunde entfernt. Bei der Charakterisierung des porösen Materials als "flüssigkeitsabsorbierend" handelt es sich um das Ausnützen der Eigenschaften der Poren des beispielhaft offenbarten Schaummaterials, die Wundflüssigkeit temporär aufzunehmen, aber diese auch - insbesondere unter Druck - wieder abzugeben. Dieses Prinzip wird in der Weise verfolgt, dass eine Verbindung über die Saugleitung mit einer Pumpe besteht (Anspruch 1, Figuren 1, 4). Die Saugleitung weist mehrere Öffnungen zur Aufnahme des Wund-Exsudats auf (Figur 4). Bei dem mikroporösen Schaumblock der D7 muss es sich in Anbetracht der Funktion, das Exsudat an die Drainageleitung abzugeben, welche mit der Pumpe verbunden ist, um einen Schaumblock handeln, dessen Porosität dies zulässt. Dies trifft im Wesentlichen auf einen offenporigen Schaumblock zu.

4.2 D7 offenbart sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 und kann daher - wie von der Kammer in ihrem der mündlichen Verhandlung vorausgehenden Bescheid dargestellt - entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden.

4.3 Es wurde von der Beschwerdegegnerin zusätzlich vorgebracht, dass D7 das Merkmal eines "gasdichten" Wundabdeckungselements nicht offenbaren würde. D7 offenbart jedoch (S. 3, Z. 24; S. 4, Z. 8; S. 5, Z. 19/20), dass Unterdruck verwendet werden kann. Eine gewisse Abdichtung, bzw. "Gasdichtheit" durch die Abdeckfolie ("foil 5") ist daher auch in D7 vorhanden. Zudem ist anspruchsgemäß nicht der Absorptionskörper als "gasdicht" charakterisiert, sondern das Wundabdeckungselement als solches. Insofern kommt es in Bezug auf das erfinderische Konzept auf den Grad der Gasdichtheit des Materials nicht an, was auch von der Beschwerdegegnerin so gesehen wurde.

4.4 D7 offenbart die Merkmale im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 nicht, insbesondere keinen Absorptionskörper, welcher einen mit SAP durchsetzten Textilabschnitt in einer in eine Hülle eingefassten Lage beinhalten soll.

4.5 Ausgehend von der Vorrichtung der D7 kann es auf der Grundlage dieses unterscheidenden Merkmals als die objektive Aufgabe angesehen werden, einen geeigneten Absorptionskörper für die Drainagevorrichtung zu verwenden, wie bereits im Bescheid der Kammer (siehe Punkt 3.4) angegeben.

4.6 D2 sowie D4 wurden von der Beschwerdeführerin genannt, einen Absorptionskörper als Alternative zum mikroporösen Schaumblock der D7 zu offenbaren.

4.7 D2 - wie auch D4 - offenbaren Absorptionskörper, welche Superabsorber-Granulate in Verbindung mit einer inneren textilen Zwischenlage aus Zellstoff (Ansprüche 1, 6, 8 in D2) (Anspruch 1, S. 3, Z. 23 - 30 in D4) enthalten. Ferner verweisen D2 wie D4 darauf, diese Absorptionskörper in Verbindung mit einem Drainagesystem zum Einsatz zu bringen (D4: S. 7, Z. 9/10, bzw. D2: Sp. 4, Z. 23/25).

4.8 Eine Offenbarung von exakt gleichen Drainagesystemen wie in D7 ist zumindest nicht eindeutig erkennbar in D2/D4. Die Absorptionskörper der D2 bzw. D4 sind insbesondere nicht geeignet in Drainagesystemen eingesetzt zu werden, welche, wie in D7 offenbart, auf die kontinuierliche Anwendung von Unterdruck zur Absaugung des Wund-Exsudats gerichtet sind. Die Absorptionskörper der D2 bzw. D4 werden hingegen in Drainagesystemen verwendet, bei denen eine Speicherung des Exsudats erfolgt.

4.9 Der Fachmann würde daher in einer Vorrichtung der D7 die Absorptionskörper der D2 bzw. D4 üblicherweise nicht einsetzen, da ein kontinuierliches Absaugen der Wund-Sekrete nicht gewährleistet werden könnte. Die Exsudat-Aufnahme der SAP-enthaltenden Textilschicht würde den Abtransport des Wund-Exsudats erschweren; dies könnte sogar dazu führen, dass die SAPs vernetzen und eine Blockade verursachen würden, ("gel-blocking") und damit das Absaugen be- bzw. verhindern. Die in D2 bzw. D4 offenbarten Absorptionskörper sind somit nicht geeignet, in Verbindung mit der Vorrichtung nach D7 eingesetzt zu werden.

4.10 Ausgehend von D7 und in Bezug auf die zu lösende Aufgabe ist es für den Fachmann daher nicht naheliegend einen Absorptionskörper einzusetzen, welcher eine mit superabsorbierenden Partikeln (SAP) durchsetzten Textilabschnitt - wie in D2 oder D4 offenbart - umfasst. Daher ist die beanspruchte Vorrichtung diesbezüglich nicht naheliegend (Artikel 56 EPÜ).

5. Erfinderische Tätigkeit - D3

5.1 Auch D3 wurde von der Kammer bereits in ihrem Bescheid als nächstliegender Stand der Technik in Betracht gezogen. D3 offenbart ebenfalls ein Wunddrainage-System (Absatz 12) mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin nicht anders gesehen.

5.2 Auch D3 offenbart ein Wunddrainage-System (CWDS ("closed wound dressing system") basiert auf VAC principles ("vacuum assisted closure"), Absätze 12, 21-23), welches für den Einsatz mit Unterdruck geeignet ist (Absätze 35, 36). Dazu wird ein absorbierendes poröses Material innerhalb einer Hülle auf der Wunde platziert, und durch die Anwendung von Unterdruck die Wundflüssigkeit aus der Wunde entfernt. Die Figuren 3 und 4 zeigen einen flächenhaften Absorptionskörper zur Abdeckung der Wunde (Absatz 12, Figur 4), dessen absorbierendes poröses Material nicht weiter beschrieben ist. Es wird in der Beschreibung darauf verwiesen, dass die Vorrichtung in zwei Richtungen betrieben werden kann, in dem Sinne, dass nicht nur die Absaugung des Exsudats durchgeführt werden kann, sondern auch eine kontinuierliche Spülung der Wunde mit Flüssigkeit oder Gas (Absatz 28) möglich ist.

5.3 Die Vorrichtung der D3 unterscheidet sich von der beanspruchten Vorrichtung somit dadurch, dass das absorbierende poröse Material innerhalb der Hülle nicht weiter definiert wird, sondern lediglich in allgemeiner Form offenbart wird (Absatz 26).

5.4 Ausgehend von der Vorrichtung der D3 kann es auf der Grundlage dieses unterscheidenden Merkmals ebenso wie auch ausgehend von der Drainagevorrichtung der D7 als die objektive Aufgabe angesehen werden, einen geeigneten Absorptionskörper für die Drainagevorrichtung zu verwenden.

5.5 Auch die in D3 offenbarten Drainagesysteme eignen sich wiederum nicht zur Anwendung von SAP-haltigen Absorptionskörpern, wie sie in D2 bzw. D4 offenbart sind, da sie auf die kontinuierliche Absaugung des Wund-Exsudats ausgerichtet sind. Wie bereits unter Punkt 4 in Bezug auf D7 dargestellt, würde der Fachmann daher auch ausgehend von D3 eine Kombination dieses Drainagesystems mit den in D2 oder D4 offenbarten Absorptionskörpern nicht in Betracht ziehen, da die Verwendung von Absorptionskörpern, welche SAP im Verbund mit textilem Absorptionsmaterial enthalten, in Drainagesystemen angezeigt ist, in denen eine direkte Speicherung des Exsudats gewünscht wird. Die Kenntnis, dass die SAP-haltigen Absorptionskörper der D2 bzw. D4 die Ableitung des Wundsekrets mittels Unterdrucks erschweren oder blockieren würden ("gel-blocking", wie bereits unter Punkt 4.9 in Bezug auf die Kombination dieser SAP-haltigen Absorptionskörper mit D7 bereits erläutert), führt dazu, dass deren Anwendung in einem Unterdrucksystem wie in D3 offenbart, von einem Fachmann nicht in Erwägung gezogen würde.

5.6 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass die Absätze 26 bis 28 der D3 zwar auf die wechselseitige Anwendung von Drainage und Spülung der Wunde hinweisen würden, aber dass die Wundauflage der D3 trotzdem als in Verbindung mit anderen kommerziell erhältlichen Wundauflage-Materialien zu verwenden offenbart sei. Daher sei diese Wundauflage auch mit den Absorptionsmaterialien, welche in D2 bzw. D4 vorgeschlagen seien, verwendbar.

5.7 Dazu ist festzustellen, dass nicht jedes Absorptionsmaterial für die wechselseitige Anwendung geeignet ist und, dass in D2 bzw. D4 kein Hinweis auf eine Verwendung des darin jeweils offenbarten Absorptionsmaterials sowohl für Absorption wie auch für Spülung oder auch für die Entfernung infektiösen Materials angegeben wurde. Eine Auswahl eines dafür geeigneten Absorptionsmaterials ergibt sich daraus nicht. Insbesondere müsste dann auf das Material, die Größe der Partikel, sowie die Menge der im Textilabschnitt verwendeten SAPs explizit eingegangen werden. Das Entfernen infektiösen Materials durch Spülen der Wunde erfordert somit weitere Überlegungen in Bezug auf die Gestaltung der Vorrichtung, bzw. die zu verwendenden Materialien, die sich weder aus D3 noch aus den in D2 oder D4 offenbarten Absorptionskörpern herleiten ließen.

5.8 Eine Kombination der Lehre der D3 mit den Absorptionskörpern aus D2 bzw. D4 würde daher für den Fachmann nicht naheliegend sein. Ausgehend von D3 führt somit auch die Kombination mit der Lehre der D2 bzw. der D4 nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auch diesbezüglich auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

6. Erfinderische Tätigkeit - D5 / D9 - D6 / D8

6.1 In Bezug auf D5 bzw. D9 wurde im schriftlichen Verfahren von der Beschwerdeführerin ausgeführt, dass diese Dokumente in gleicher Weise wie D3 oder D7 als nächstliegender Stand der Technik geeignet seien.

6.2 Die Kammer hatte jedoch bereits in ihrem Bescheid darauf hingewiesen, dass D5 oder D9 nicht in gleicher Weise wie D3 oder D7 als nächstliegender Stand der Technik geeignet zu sein scheinen, da jeweils das Sammeln der abgesaugten Flüssigkeit in einem Behälter erreicht werden sollte und eine Verwendung eines SAP-haltigen Absorptionskörpers damit für den Fachmann nicht nahezuliegen schien.

6.3 Auch D6 und D8 wurden von der Kammer bereits in ihrem Bescheid nicht - wie von der Beschwerdeführerin angezeigt - als geeignet erachtet, als nächstliegender Stand der Technik betrachtet zu werden.

6.3.1 Dazu verwies die Kammer auf die Offenbarung der D8, welche zusätzlich zur Drainage des Exsudats mittels Vakuum die Versorgung (Spülung) der Wunde mit geeigneten Flüssigkeiten bzw. Sauerstoff vorsieht. Der Einsatz SAP-haltiger Absorptionskörper ausgehend von diesem Dokument ist - aus den oben genannten Gründen in Bezug auf D7 bzw. D3 - auch hier für den Fachmann nicht angezeigt.

6.3.2 In Bezug auf D6 verwies die Kammer darauf, dass hier ein Drainagesystem zur Ableitung von Wundflüssigkeit offenbart wird, wobei die Vorrichtung eine Kollagenmatrix als Wundauflage enthält. Eine Kombination mit den Absorptionskörpern wie in D2 oder D4 offenbart, würde eine Abkehr vom in D6 verfolgten Prinzip einer SIS (small intestine submucosa) Wundversorgung bedeuten. Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt.

6.4 Diese Stellungnahmen der Kammer wurden weder schriftlich noch mündlich kommentiert. Die Kammer hat daher keine Gründe vorliegen, eine Kombination dieser Dokumente mit den Absorptionskörpern wie in D2 oder D4 offenbart, als naheliegend zu betrachten.

6.5 Keiner der vorgebrachten Angriffe in Bezug auf erfinderische Tätigkeit ist daher erfolgreich. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in folgender geänderter Fassung aufrecht zu erhalten:

Ansprüche: Nr. 1 bis 24 des Hilfsantrags 1 vom 28. November 2017

Beschreibung: Seiten 2 bis 6 der Patentschrift

Zeichnungen: Figuren 1 bis 10 wie erteilt

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