T 2513/13 () of 28.5.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T251313.20150528
Datum der Entscheidung: 28 Mai 2015
Aktenzeichen: T 2513/13
Anmeldenummer: 07712458.4
IPC-Klasse: B65G 53/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 347 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR PNEUMATISCHEN FÖRDERUNG WASSERABSORBIERENDER POLYMERPARTIKEL
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - alle Anträge (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 07 712 458.4 Beschwerde eingelegt.

Sie beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Basis des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags. Hilfsweise beantragte sie eine mündliche Verhandlung.

II. In der vorliegenden Entscheidung sind die folgenden Dokumente aus dem Prüfungsverfahren zitiert:

D1 = EP-A-0 439 012

D3 = JP-A-2004 345 804 (mit automatischer Englischer Übersetzung D3a) sowie die folgenden von der Kammer in das Verfahren eingeführten Dokumente:

D5 = "Die Grundlagen der pneumatischen Förderung", K-E. Wirth, Chem.-Ing.-Tech. 55 (1983), Nr. 2, Seiten 110 bis 122

D6 = "Attrition of powders and granules at various bends during pneumatic conveying", H. Kalman, Powder Technology 112 (2000), Seiten 244 bis 250 (in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung auf Seite 2, Zeilen 1 bis 3 zitiert).

III. Die Prüfungsabteilung hatte entschieden, dass das Verfahren von Anspruch 1 des Hauptantrags vom 8. Oktober 2011 nicht neu gegenüber dem Verfahren von D1 ist. Sie entschied weiters, dass die in Anspruch 1 des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1 vorgenommenen Änderungen nach Artikel 123 (2) EPÜ zulässig sind, aber dass der Gegenstand von diesem Anspruch 1 keine erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf den Stand der Technik D3/D3a und das allgemeine Fachwissen des Fachmannes beinhaltet, da der Fachmann geeignete Parameterwerte ohne weiteres durch Experimente unter Berücksichtigung gewünschter Wirkungen bestimmen würde.

IV. Mit der Ladung für die antragsgemäß angesetzte mündliche Verhandlung, teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung im Hinblick auf die Ansprüche 1-11 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Antrags (dessen Anspruch 1 ist identisch mit jenem des Hilfsantrags der angegriffenen Entscheidung) mit.

Der Hauptantrag schien im Hinblick auf die Erfordernisse der Artikel 82 und 84 EPÜ sowie der Regel 43 (2) und (3) EPÜ nicht gewährbar zu sein.

Ungeachtet der obigen Beanstandungen nahm die Kammer zur Frage der erfinderischen Tätigkeit Stellung. Dabei wurde von ihr unter anderem festgestellt, dass sowohl D3/D3a als auch D6 als nächstkommender Stand der Technik geeignet zu sein schienen. Weiters wurde dargelegt, dass der Fachmann entweder von D3/D3a oder von D6 ausgehend, unter Berücksichtigung der unterscheidenden Merkmale und des damit erzielten Effektes gemäß der vorliegenden Anmeldung, um die zugrundeliegende objektive Aufgabe der Reduzierung bzw. Minimierung des Abriebs der transportierten Polymerpartikel zu lösen, durch Optimierung der Verfahrensparameter unter Anwendung von Routineexperimenten zum Verfahren von Anspruch 1 gelangen würde, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.

Dokument D5 werde von der Kammer als Nachweis des allgemeinen Fachwissens des Fachmannes erachtet.

V. Mit dem Schriftsatz vom 4. Mai 2015 reichte die Beschwerdeführerin einen geänderten Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 3 zusammen mit Argumenten betreffend die durchgeführten Änderungen und die Frage der erfinderischen Tätigkeit, ausgehend nur von D3/D3a als dem nächstkommenden Stand der Technik, ein.

VI. Am 28. Mai 2015 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Es wurde die Frage der erfinderischen Tätigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 des Hautantrags bzw. der Hilfsanträge 1 bis 3 gegenüber der Lehre der D3/D3a in Kombination mit dem Inhalt der D5 (entsprechend dem allgemeinen Fachwissen) und/oder D6, diskutiert.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1, 2 oder 3, sämtliche Anträge mit Schriftsatz vom 4. Mai 2015 eingereicht, zu erteilen.

Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.

VII. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrags ist (Änderungen gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags der angefochtenen Entscheidung sind in Fettdruck; Betonung von der Kammer hinzugefügt):

"1. Verfahren zur pneumatischen Förderung wasserabsorbierender Polymerpartikel, dadurch gekennzeichnet, dass die Gasanfangsgeschwindigkeit bei der Förderung von 2 bis 6 m/s und die Fördergutbeladung von 10 bis 75 kg/kg beträgt, wobei die Fördergutbeladung der Quotient aus Fördergutmassenstrom und Gasmassenstrom ist, und Polymerpartikel auf Basis von vernetzter Polyacrylsäure verwendet werden."

VIII. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des 1. Hilfsantrags ist (Änderungen gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags der angefochtenen Entscheidung sind in Fettdruck; Betonung von der Kammer hinzugefügt):

"1. Verfahren zur pneumatischen Förderung wasserabsorbierender Polymerpartikel, dadurch gekennzeichnet, dass die Gasanfangsgeschwindigkeit bei der Förderung von 2 bis [deleted: 6] 5 m/s und die Fördergutbeladung von 10 bis 75 kg/kg beträgt, wobei die Fördergutbeladung der Quotient aus Fördergutmassenstrom und Gasmassenstrom ist, und Polymerpartikel auf Basis von vernetzter Polyacrylsäure verwendet werden."

IX. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des 2. Hilfsantrags ist (Änderungen gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags der angefochtenen Entscheidung sind in Fettdruck; Betonung von der Kammer hinzugefügt):

"1. Verfahren zur pneumatischen Förderung wasserabsorbierender Polymerpartikel, dadurch gekennzeichnet, dass die Gasanfangsgeschwindigkeit bei der Förderung von [deleted: 2] 3 bis [deleted: 6] 4 m/s und die Fördergutbeladung von 10 bis [deleted: 75] 50 kg/kg beträgt, wobei die Fördergutbeladung der Quotient aus Fördergutmassenstrom und Gasmassenstrom ist, und Polymerpartikel auf Basis von vernetzter Polyacrylsäure verwendet werden."

X. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des 3. Hilfsantrags ist (Änderungen gegenüber Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags sind in Fettdruck; Betonung von der Kammer hinzugefügt):

"1. Verfahren zur pneumatischen Förderung wasserabsorbierender Polymerpartikel, dadurch gekennzeichnet, dass die Gasanfangsgeschwindigkeit bei der Förderung von 3 bis 4 m/s, bei Verwendung einer Fluidschub-Leitung von 4 bis 5 m/s, und die Fördergutbeladung von 10 bis 50 kg/kg beträgt, wobei die Fördergutbeladung der Quotient aus Fördergutmassenstrom und Gasmassenstrom ist, und Polymerpartikel auf Basis von vernetzter Polyacrylsäure verwendet werden."

XI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgende für die Entscheidung relevante Argumente vorgetragen:

Beim vorliegenden Verfahren sind sehr niedrige Gasanfangsgeschwindigkeiten eingestellt, wobei die Beispiele ein Optimum im Bereich von 2-5 m/s zeigten und der Fachmann keine Veranlassung gehabt hätte in diesem Bereich zu optimieren. Der Effekt dieser Gasgeschwindigkeit ist eine Reduzierung des Abriebs der pneumatisch geförderten Polymerpartikel.

D5 offenbart in den Abbildungen einige übliche Werte für die pneumatische Förderung. D5 lehrt, dass die Gasgeschwindigkeit wegen des Auftretens der Stopfgrenze nicht beliebig weit gesenkt werden kann (siehe Seite 117, linke Spalte, zweiter Absatz). Abbildung 14 zeigt Versuche zur Bestimmung dieser Stopfgrenze, wobei die Gasgeschwindigkeiten von ca. 7 m/s bis ca. 27 m/s und in Abbildung 15 ca. 9 m/s bis ca. 13 m/s (Seite 117, rechte Spalte) betragen. D5 zeigt in Abbildung 4 auch die Vorteile der Pfropfenförderung, da bei dieser nämlich nur die Partikel, welche direkt im Bereich der Rohrwand befördert werden, mechanisch belastet werden.

Die Geschwindigkeiten von Abbildung 6 in D6 liegen in einem ähnlichen Bereich (Seite 248, rechte Spalte) wie jene von D5. Gemäß D6 steigt die Fördergutbeladung mit fallender Geschwindigkeit. In der Abbildung 6 fällt die Gasgeschwindigkeit von 20.4 m/s über 15.6 m/s auf 10.6 m/s während gleichzeitig die Fördergutbeladung von 1.1 kg/kg über 5.0 kg/kg auf 62.3 kg/kg ansteigt. In diesem System würde eine weitere Senkung der Gasgeschwindigkeit auf Werte unter 6 m/s zu einer Steigerung der Fördergutbeladung über 75 kg/kg führen.

Ausgehend von D3/D3a, das zwar die gleiche Aufgabe (siehe Absatz [0003]) wie die vorliegende Anmeldung löst, aber die mechanische Belastung der transportierten Polymerpartikel durch andere Maßnahmen reduziert (nämlich durch zusätzliche Luft von außen und eine zusätzliche Beheizung des Rohres) und dabei eine höhere Gasgeschwindigkeiten von 7-10 m/s offenbart (siehe Absatz [0073]), würde der Fachmann daher weder D5 bzw. D6 eine Anregung zur Senkung der Gasanfangsgeschwindigkeit entnehmen.

Deshalb würde das Verfahren von Anspruch 1 des Hauptantrags erfinderische Tätigkeit aufweisen. Dieselbe Schlussfolgerung gelte für die von den Bereichen etwas weiter eingeschränkten Verfahren der Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 3.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

Da die Kammer zum Schluss kam, dass der Gegenstand von Anspruch 1 aller Anträge keine erfinderische Tätigkeit aufweist, ist die Frage, ob die in den Ansprüchen gemachten Änderungen die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ erfüllen, für die vorliegende Entscheidung unerheblich.

2. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Hauptantrag

2.1 Die Kammer betrachtet D3/D3a als nächstkommenden Stand der Technik für das Verfahren zur pneumatischen Förderung wasserabsorbierender Polymerpartikel gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags, der gegenüber jenem des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrags weiter eingeschränkt wurde (siehe Punkt VII, oben). Diese Ansicht wurde von der Beschwerdeführerin schon in der Beschwerdebegründung im Hinblick auf den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrag und den darin zitierten Dokumenten geteilt.

Im Übrigen stellt D3/D3a nach Ansicht der Kammer auch das erfolgversprechendste Sprungbrett zur Erfindung dar (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage 2013, Kapitel I.D.4.2 und I.D.3.4). Die Beschwerdeführerin hat in ihrem letzten Schriftsatz zur Frage der erfinderischen Tätigkeit (siehe Punkt V, oben) nur zu D3/D3a als Ausgangspunkt für den Fachmann, d.h. als nächstkommenden Stand der Technik, Stellung genommen und alle anderen Dokumente als weiteren Stand der Technik betrachtet.

2.2 Das Dokument D3/D3a offenbart ein pneumatisches Förderverfahren zur Förderung wasserabsorbierenden vernetzten Polyacrylatpulvers, dessen physikalische Eigenschaften bei der Förderung nicht beeinträchtigt werden sollen, und das für Hygieneartikel verwendet werden soll (siehe Absätze [0001] bis [0008], und [0039] bis [0046]). Gemäß Beispiel A wird eine wässrige Natrium-Acrylat-Lösung mit Polyethylenglykol-Diacrylat polymerisiert bzw. vernetzt. Nach dem Trocknen des resultierenden Polyacrylatpolymers und Mahlen desselben wird das erhaltene klassifizierte Pulver mit einem Teilchendurchmesser im Bereich von 150 mym bis 850 mym durch Dichtstromförderung (d.h. mittels Pfropfenförderung) mit niedriger Geschwindigkeit (7-10 m/s) in einer pneumatischen Förderanlage gemäß der Figur 1 transportiert (siehe Absätze [0068] bis [0073]).

Bei der in Figur 1 gezeigten Fördervorrichtung wird das Polymerpulver über die Aufgabeeinrichtung ("hopper" 102 und "lift tank" 103) durch mittels eines Kompressors 106 komprimierte Luft in der Förderrohrleitung 104 durch zwei Rohrbögen in den Auffangbehälter 108 ("hopper") transportiert, wobei zusätzliche Luft über die Sekundärluftrohre 110 in diese Förderrohrleitung 104 eingeleitet wird (siehe Figur 1 und Absatz [0020]). D6 macht keinerlei Aussage über die Fördergutbeladung bzw. den Gasmassenstrom bei dieser Förderung.

2.2.1 Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zugestanden, dass der untere Wert "7 m/s" des im Beispiel offenbarten Bereiches "7-10 m/s" die Gasanfangsgeschwindigkeit und der obere Wert "10 m/s" die Gasendgeschwindigkeit bei der Förderung ist.

2.3 Das pneumatische Förderverfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich somit von jenem nach D3/D3a durch die Gasanfangsgeschwindigkeit von 2-6 m/s und der Fördergutbeladung von 10-75 kg/kg.

2.3.1 Der technische Effekt dieses Bereiches der Gasanfangsgeschwindigkeit ist eine Reduzierung des bei der pneumatischen Förderung des vernetzten Polyacrylats erzeugten Abriebs (siehe Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung entsprechend der veröffentlichten WO-A-2007/104 673, Seite 2, Zeilen 23 bis 25; Seite 4, Zeilen 20 bis 28; Seite 11, Zeilen 15 bis 18; Seite 12, Zeile 13 bis Seite 14, Zeile 10 und Tabelle 1).

2.3.2 Für den Bereich der Fördergutbeladung wird in der WO-A-2007/104 673 keinerlei Effekt geltend gemacht. Daher kann dieses Merkmal bei der Formulierung der Aufgabe nicht berücksichtigt werden.

2.4 Die zu lösende technische Aufgabe, für den vom pneumatischen Förderverfahren gemäß D3/D3a ausgehenden Fachmann, wird daher darin gesehen, in dieser Vorrichtung bzw. in dem entsprechenden Verfahren dafür zu sorgen, dass der Abrieb des geförderten vernetzten Polyacrylats reduziert bzw. minimiert wird.

2.5 Zur Lösung dieser Aufgabe wird der Fachmann selbstverständlich das Dokument D6 berücksichtigen, das sich mit Untersuchungen des Abriebs von Polymerpulvern bei der pneumatischen Förderung beschäftigt. Dabei werden neben der Teilchenfestigkeit des geförderten Materials, die Betriebsparameter (z.B. der Einfluss der Luftgeschwindigkeit bzw. Teilchengeschwindigkeit, das Beladungsverhältnis der Luft) sowie die Bogenstruktur (Krümmungsradius, verschiedenen Biegungstypen, Anzahl der Bogen) im Hinblick auf den Abrieb experimentell untersucht (siehe Zusammenfassung sowie Seite 247, rechte Spalte, Absatz "Attrition mechanisms").

2.5.1 Gemäß Figur 6 von D6 wurde Celluloseacetat (d.h. ein wasserabsorbierendes Polymer mit 0.23% Wassergehalt, siehe Seite 246, Tabelle 1) in Dichtstromförderung bei drei verschiedenen Gasgeschwindigkeiten mehrmals durch eine Versuchvorrichtung befördert. Der geringste Abrieb, d.h. ohne größere Änderung des mittleren Partikeldurchmessers auch nach 10 Förderdurchgängen, wurde mit einer ersten Gasgeschwindigkeit von 10.9 m/s und einer Fördergutbeladung von 62.3 kg/kg erzielt, während bei einer erhöhten Gasgeschwindigkeit von 15.6 m/s und einer Fördergutbeladung von 5.0 kg/kg bereits eine verstärkte Änderung des mittleren Partikeldurchmessers auftrat und schließlich bei einer weiter erhöhten Gasgeschwindigkeit von 20.4 m/s und einer Fördergutbeladung von 1.1 kg/kg bereits nach 3-4 Förderdurchgängen eine signifikant starke Änderung des mittleren Teilchendurchmessers beobachtet wurde (siehe Seiten 248-249, Absatz "3.3 Operation parameters").

Dieser zitierte Absatz von D6 bzw. die dazugehörige Figur 6 lehrt somit den Fachmann, dass er, um den Abrieb des transportierten Polymers zu minimieren, die Dichtstromförderung bevorzugen soll, wobei möglichst geringe Gasgeschwindigkeiten angewandt werden sollen.

2.5.2 In der Zusammenfassung lehrt D6 den Fachmann die Notwendigkeit, dass für jedes pneumatisch zu fördernde Material eine experimentelle Analyse durchgeführt werden soll, um die bezüglich eines geringen Abriebs zweckmäßigste Bogentype bzw. die optimalen Betriebsparameter zu ermitteln, wobei im allgemeinen die Dichtstromförderung bevorzugt wird (siehe Seiten 249 bis 250, Absatz "4. Conclusions").

2.5.3 Der Fachmann wird daher, ausgehend von der Lehre der D3/D3a und der darin angewandten pneumatischen Dichtstromförderung (Pfropfenförderung) des vernetzten Polyacrylats unter Berücksichtigung der vorgenannten Lehre von D6, Versuche mit verschiedenen Gasanfangsgeschwindigkeiten und Fördergutbeladungen ausführen.

2.5.4 Bei der Durchführung dieser Versuche wird der Fachmann auch sein Fachwissen (belegt durch D5) berücksichtigen. Gemäß D5 ist eine sichere pneumatische Förderung, insbesondere von feinkörnigen Gütern, mittels Ballen- und Pfropfenförderung vielfach nur mit zusätzlichen Hilfseinrichtungen, wie z.B. einer innenliegenden Belüftungsleitung zu erreichen, während bei grobkörnigen Gütern dagegen eine problemlose Förderung zu erzielen ist. Diese Förderung wird häufig als Langsamförderung bezeichnet und Kunststoffgranulate mit Korngrößen von einigen Millimetern lassen sich mit Ballen- und Pfropfenförderung äußerst langsam, d.h. mit Leerrohr-Luftgeschwindigkeiten von 2-5 m/s problemlos auch über längere Strecken transportieren (siehe D5, Seite 112, linke Spalte, dritter Absatz sowie Abbildung 4D).

Dem Fachmann ist unter Berücksichtigung seines Fachwissens ebenfalls klar, dass eine Verringerung der Fördergeschwindigkeit um 20% eine Senkung des Produktabriebs von ca. 50% bewirkt (siehe D5, Seite 117, linke Spalte, zweiter Absatz).

Außerdem ist dabei auch zu berücksichtigen, dass der Fachmann sowohl gemäß D5 als auch gemäß D6 nach Möglichkeit in der Nähe des Arbeitspunkts des Gebläses/Verdichters arbeiten würde und daher auch aus diesem - wirtschaftlichen - Grund eine langsame Gasgeschwindigkeit auswählen würde, die in geringerem Abrieb resultiert (siehe D5, Seite 118, linke Spalte, zweiter und dritter Absatz; siehe D6, Seite 248, rechte Spalte, erster Absatz).

2.5.5 Der Fachmann wird daher schon aus diesen vorgenannten Gründen seine Routineversuche ausgehend von der Lehre nach D3/D3a mit langsameren Gasanfangsgeschwindigkeiten der Dichtstromförderung (d.h. Pfropfenförderung) als 7 m/s, d.h. im Bereich von den vorgeschlagenen 2-5 m/s durchführen (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 7. Auflage 2013, Abschnitte I.D.5 und I.D.7 bis I.D.7.2), um den Abrieb des vernetzten Polyacrylats bei der pneumatischen Förderung desselben zu minimieren und die in Punkt 2.4 definierte technische Aufgabe zu lösen. Dabei wird der Fachmann ohne erfinderisch tätig zu werden, zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags gelangen, der eine Gasanfangsgeschwindigkeit von 2-6 m/s und eine Fördergutbeladung von 10-75 kg/kg verlangt.

2.6 Die weiteren gegenteiligen Argumente der Beschwerdeführerin können aus den folgenden Gründen nicht überzeugen.

2.6.1 Das Argument, wonach die Abbildung 14 der D5 aufgrund der gemessenen Stopfgrenzen und Gasgeschwindigkeiten von ca. 7 m/s bis ca. 27 m/s den Fachmann davon abhalten würde, geringere Gasgeschwindigkeiten für eine pneumatische Förderung von vernetztem Polyacrylat auszuwählen, ist nicht haltbar. Diese Versuche gemäß Abbildung 14 wurden mit Polystyrol mit einem mittleren Durchmesser von 2.3 mm und nicht mit einem vernetzten Polyacrylat, das aber völlig andere Materialeigenschaften als Polystyrol hat, sowie mit variiertem Druckgradienten bei einem Rohrdurchmesser von 0.04 m zur Ermittlung der Stopfgrenze durchgeführt. Beide Parameter beeinflussen die Stopfgrenze, die ihrerseits mit der Gasgeschwindigkeit des Transportmediums zusammenhängt, wie dem Fachmann bekannt ist (vgl. z.B. D5, Abbildung 15 mit einem Vergleich der Stopfgrenzen von zwei verschiedenen Materialien, nämlich Bitterlupinen und Weizen in derselben Vorrichtung bei zwei verschiedenen Rohrdurchmessern von 0.05 m bzw. 0.102 m). Andererseits gehört es auch zum allgemeinen Fachwissen, dass bei einem genügend großem Druckgefälle auch bei kleineren Gasgeschwindigkeiten als der Stopfgrenze eine Förderung möglich ist, nämlich in Form der Ballen- oder Pfropfenförderung, d.h. dem Gebiet der Langsamförderer, wobei je nach gefördertem Gut auch Förderanlagen mit zusätzlichen Hilfseinrichtungen, wie z.B. einer im Förderrohr liegenden Belüftungsleitung, eingesetzt werden (siehe D5, Seite 118, linke Spalte, dritter Absatz). Aus diesen Gründen würde der Fachmann die Ergebnisse der Versuche nach der Abbildung 14 nicht auf vernetztes Polyacrylat und eine Pfropfenförderung übertragen, sondern entsprechend seinem allgemeinen und fachüblichen Handeln Routineexperimente ausführen, insbesondere in dem von D5 für Pfropfenförderung als problemlos erachteten Bereich von 2-5 m/s.

2.6.2 Das Argument, dass D3/D3a für das Problem der Reduzierung des durch die mechanische Belastung der transportierten Polymerpartikel erzeugten Abriebs bereits eine andere Lösung bietet, nämlich durch das Einblasen zusätzlicher Luft von außen und mittels einer zusätzlichen Beheizung des Rohres, kann nicht greifen, da das Verfahren von Anspruch 1 die angegebenen Merkmale nur "aufweist" und derartige von D3/D3a bekannte zusätzliche Merkmale nicht ausschließt (vgl. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 der eine optionale Verwendung einer zusätzlichen Fluidschub-Leitung definiert; siehe oberen Punkt X).

2.7 Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllt daher nicht die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ. Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.

Hilfsanträge 1 bis 3

2.8 Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 definieren gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags lediglich weiter eingeschränkte Bereiche der Gasanfangsgeschwindigkeit von 2-5 m/s und der Fördergutbeladung von 10-75 kg/kg (Hilfsantrag 1, siehe oberen Punkt VIII), oder einer Gasanfangsgeschwindigkeit von 3-4 m/s und einer Fördergutbeladung von 10-50 kg/kg (Hilfsanträge 2 und 3, siehe obere Punkte IX und X), da das in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 aufgenommene Merkmal "bei Verwendung einer Fluidschubleitung von 4-5 m/s" nur eine Alternative ist.

2.8.1 Dazu gelten die Schlussfolgerungen mangelnder erfinderischer Tätigkeit im oberen Punkt 2.7 betreffend Anspruch 1 des Hauptantrags uneingeschränkt für die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 3, da der Fachmann bei seinen Routineversuchen zu Werten dieser Parameter in den angegebenen weiter optimierten Bereichen auffinden würde.

Die Verwendung einer Fluidschub-Innenleitung bei der Pfropfenförderung ist im Übrigen dem Fachmann bereits von seinem allgemeinen Fachwissen bekannt (siehe D5, Seite 11, Abbildung 3 "Pfropfenförderung"). Dem wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen und es wurden auch keine zusätzlichen gegenteiligen Argumente vorgebracht.

2.8.2 Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 weisen daher ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit auf. Die Hilfsanträge 1 bis 3 sind daher ebenfalls nicht gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation