T 2492/13 (Personalisieren von Chipkarten / Giesecke+Devrient) of 22.10.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T249213.20191022
Datum der Entscheidung: 22 October 2019
Aktenzeichen: T 2492/13
Anmeldenummer: 01902418.1
IPC-Klasse: G06K 17/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUM PERSONALISIEREN VON CHIPKARTEN
Name des Anmelders: Giesecke+Devrient Mobile Security GmbH
Name des Einsprechenden: Bundesdruckerei GmbH
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag 1 (nein)
Änderungen Hilfsanträge 1 bis 5
Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen das europäische Patent Nr. 1 261 936 wurde im gesamten Umfang Einspruch eingelegt auf der Basis von Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ (mangelnde Neuheit) und Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) sowie auf der Basis von Artikel 100 b) EPÜ. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ wurde zwar auf dem Einspruchsformular angekreuzt, aber nicht substantiiert. In der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung wurde dieser Einspruchsgrund zurückgenommen.

II. Die Einspruchsabteilung wies den Einspruch zurück.

III. Gegen diese Zurückweisung des Einspruchs legte die Einsprechende Beschwerde ein und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im gesamten Umfang zu widerrufen, da es nicht ausführbar sei (Artikel 100 b) EPÜ) und die Erfordernisse der Artikel 54(1),(2) und 56 EPÜ nicht erfülle (Artikel 100 a) EPÜ).

IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte mit der Beschwerdeerwiderung die Zurückweisung der Beschwerde. Hilfsweise wurde beantragt, die Sache zur Prüfung der anhängigen Hilfsanträge 1 bis 5 an die erste Instanz zurückzuverweisen, bzw. weiter hilfsweise, das Patent in geänderter Fassung nach einem der Hilfsanträge aufrechtzuerhalten.

V. Beide Parteien beantragten hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

VI. Mit einer Ladung zur mündlichen Verhandlung versendete die Kammer ihre vorläufige Meinung in einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK. Dabei wies sie auf zu diskutierende Punkte hinsichtlich des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin hin und nannte zusätzlich ihre vorläufigen Einwände nach Artikeln 83, 84 und 123(2) EPÜ gegen die in den Hilfsanträgen 1 bis 5 vorgenommenen Änderungen.

VII. Die Beschwerdegegnerin teilte mit, dass sie an der Verhandlung nicht teilnehmen werde und zog ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich zurück.

VIII. Die Beschwerdeführerin reichte keine Eingabe in Antwort auf die vorläufige Meinung der Kammer ein.

IX. Die mündliche Verhandlung fand nur mit der Beschwerdeführerin statt. Wie angekündigt war die Beschwerdegegnerin nicht vertreten.

X. Während der mündlichen Verhandlung diskutierte die Kammer mit der Beschwerdeführerin den Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ gegen das erteilte Patent (Hauptantrag der Beschwerdegegnerin) im Hinblick auf mangelnde Neuheit gegenüber den Dokumenten D1 (US-A-5,799,316) und D6 (US-A-4,772,782) sowie auf mangelnde erfinderische Tätigkeit. Ferner wurden die Hilfsanträge 1 bis 5 erörtert mit Verweis auf die in der Mitteilung der Kammer geschilderte vorläufige Meinung.

XI. Anspruch 1 des Hauptantrags (Patent wie erteilt) lautet in der seitens der Einspruchsabteilung in der angegriffenen Entscheidung benutzten Merkmalsanalyse:

Verfahren zum Personalisieren von tragbaren Datenträgern,

1.a

wobei die Datenträger eine zumindest teilweise ebene Oberfläche zum sichtbaren Aufbringen von Daten und

1.b

die Datenträger einen integrierten Schaltkreis mit Speicher enthalten,

1.c

wobei die im Speicher abgelegten Daten und die sichtbar auf den Kartenkörper aufgebrachten Daten korreliert sind und

1.d

die integrierten Schaltkreise und der Kartenkörper getrennt voneinander personalisiert werden,

1.e

wobei bei der Erzeugung der Personalisierungsdatensätze zu den einzelnen Datensätzen jeweils eine Referenznummer gebildet wird,

1.f

welche bei der Personalisierung des Kartenkörpers nicht sichtbar aufgebracht wird,

1.g

wobei die Daten für die optische Personalisierung sowie die Daten für die elektrische Personalisierung in einer gemeinsamen Datenbank abgelegt und

1.h

die Daten für die optische Personalisierung und die Daten für die elektrische Personalisierung mit der Referenznummer versehen werden,

1.i

die Daten für die optische Personalisierung und die Daten für die elektrische Personalisierung werden an getrennten Speicherbereichen abgelegt und

1.k

die Daten für die optische Personalisierung und die Daten für die elektrische Personalisierung sind über die jeweils zugeordnete, gleiche Referenznummer verbunden.

XII. In Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurde das Merkmal 1.e dahingehend umformuliert und ergänzt, dass es lautet (Änderungen hervorgehoben):

1.e

wobei bei der Erzeugung [deleted: der] von Personalisierungsdatensätzen für die optische Personalisierung und die elektrische Personalisierung zu den einzelnen Datensätzen jeweils eine Referenznummer gebildet wird

XIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch eine Neuformulierung des Merkmals 1.f:

1.f

welche [deleted: bei] gleichzeitig mit der Personalisierung des Kartenkörpers nicht sichtbar auf den Kartenkörper aufgedruckt [deleted: aufgebracht] wird

XIV. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 durch eine weitere Änderung (Änderung gegenüber Hilfsantrag 2 hervorgehoben):

1.f

welche gleichzeitig mit der Personalisierung des Kartenkörpers mit fluoreszierenden Stoffen nicht sichtbar auf den Kartenkörper aufgedruckt wird

XV. Die Änderungen in Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 sind eine Kombination der Änderungen in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 und 2.

XVI. Die Änderungen in Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 sind eine Kombination der Änderungen in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 und 3.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag: Neuheit (Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit

Artikel 54 EPÜ)

1. Es ist unstreitig, dass aus den Dokumenten D1 und D6 Verfahren zum Personalisieren von Datenträgern bekannt waren, die die Merkmale 1.a bis 1.c und 1.f bis 1.h aufwiesen.

2. In der angefochtenen Entscheidung sah die Einspruchsabteilung die Unterschiede zu den Dokumenten D1 und D6 in den Merkmalen 1.i und 1.k (vgl. Punkte 11.3 mit Bezug auf D6 und 15.3 mit Bezug auf D1). In der Beschwerdeerwiderung argumentierte die Beschwerdegegnerin zusätzlich, dass auch das Merkmal 1.e weder in den Dokumenten D1 und D6 offenbart sei (Abschnitt B.II.5.a), Seite 11 und Abschnitt B.II.5.b), Seite 12) und dass Dokument D6 das Merkmal 1.d nicht zeige (Abschnitt B.II.5.c), Seiten 12 bis 13).

Neuheit gegenüber Dokument D1

3. Die im Hinblick auf Dokument D1 streitigen Merkmale 1.e, 1.i und 1.k betreffen die Zuordnung einer Referenznummer zu Daten für die optische Personalisierung und Daten für die elektrische Personalisierung sowie die Abspeicherung dieser Daten.

4. In D1 wird ein Verfahren für die Personalisierung von Karten als Datenträger offenbart, welches mehrere Schritte umfasst, die jeweils an unterschiedlichen Stationen ausgeführt werden (Abstract, Figure 1). Die für die Personalisierung benötigten Daten sind in Dateien in einer Datenbank abgespeichert (Abstract), wobei die jeweiligen Dateien jeweils die Daten einer Person beinhalten (Spalte 1, Zeilen 57 bis 58). Damit die richtige Zuordnung der Karten zu den Personen in den einzelnen Stationen sichergestellt ist, wird in einem Vorbereitungsschritt ein Identifikationsmerkmal auf der jeweiligen Karte aufgebracht ("recorded"), das mit einer der Dateien korreliert ist und welches in jedem Schritt von der Karte gelesen wird, um die jeweils richtige zugeordnete Datei (und damit die richtige zugeordnete Person) in der Datenbank zu finden und die Datei oder die für den jeweiligen Schritt benötigten Teile der Datei im Speicher der für diesen Schritt vorgesehenen Station zu speichern (Abstract, Spalte 4, Zeilen 36 bis 48). Dabei wird in einer ersten Station P1 eine elektrische Personalisierung ("step E1", Spalte 3, Zeilen 38 bis 49) vorgenommen und in weiteren Stationen P2, P3 eine optische Personalisierung ("steps E2, E3", Spalte 4, Zeilen 1 bis 4).

5. Das mit der jeweiligen personenindividuellen Datei korrelierte und auf der Karte aufgebrachte Identifikationsmerkmal entspricht der "Referenznummer" des Anspruchs 1. In der Datei sind die Daten für die optische Personalisierung und die Daten für die elektrische Personalisierung gespeichert. Die Daten selber sind in D1 nicht näher spezifiziert, insbesondere ist D1 nicht zu entnehmen, ob es Daten gibt, die nur für die optische Personalisierung oder nur für die elektrische Personalisierung benutzt werden, oder ob es Daten gibt, die sowohl für die optische als auch für die elektrische Personalisierung verwendet werden. Da das Identifikationsmerkmal mit der einzelnen Datei und damit sowohl zu den Daten der optischen als auch der elektrischen Personalisierung korreliert ist, ist das Merkmal 1.e offenbart. Da es nur ein Identifikationsmerkmal gibt, sind die Daten für die optische Personalisierung und die Daten für die elektrische Personalisierung mit der jeweils zugeordneten, gleichen Referenznummer verbunden. Damit ist auch das Merkmal 1.k realisiert.

6. Demgegenüber ist das Merkmal 1.i in Dokument D1 nicht offenbart. Die verwendete Formulierung mit dem direkten Artikel "die Daten für die optische Personalisierung" und "die Daten für die elektrische Personalisierung" ist nicht anders interpretierbar, als dass damit sämtliche Daten gemeint sein müssen, die für den jeweiligen Zweck benutzt werden. Dabei sind die beiden von der Beschwerdeführerin unterschiedenen Fälle umfasst: "Disjunkte Daten", also Daten, die jeweils nur für einen der beiden Personalisierungsschritte benutzt werden und "überlappende Daten", also Daten, die sowohl für die optische als auch für die elektrische Personalisierung benutzt werden. Damit gemäß Merkmal 1.i jeweils sämtliche Daten der jeweiligen Personalisierungsschritte an getrennten Speicherbereichen abgelegt werden können, müssen überlappende Daten gedoppelt werden, damit in jedem der beiden getrennten Speicherbereiche die Daten vorhanden sind. Da Dokument D1 über die Daten selber keine Aussage trifft, ist nicht feststellbar, ob die darin benutzten Daten disjunkt sind (dann wäre ein Ablegen in getrennten Speicherbereichen trivialerweise erfüllt) oder nicht. Da auch eine Doppelung der Daten in D1 nicht offenbart ist und somit die in D1 vorgesehene Lösung auch das Vorsehen einer Datei ohne Doppelungen und mit Mehrfachnutzung der Daten in unterschiedlichen Stationen umfasst, lässt sich Merkmal 1.i nicht eindeutig der D1 entnehmen.

7. Die Einspruchsabteilung argumentierte (Entscheidungsgründe, Abschnitt 15.3), dass Merkmal 1.k in D1 nicht offenbart sei, da durch das Fehlen des Merkmals 1.i in D1 auch die Zuordnung von getrennten Speicherbereichen in D1 nicht gezeigt sei.

Merkmal 1.k nimmt zwar auf die Daten für die elektrische und optische Personalisierung Bezug, aber nicht auf "in getrennten Speicherbereichen abgelegt" des Merkmals 1.i. Die Daten für die elektrische und optische Personalisierung und ihre Korrelation zum Identifikationsmerkmal existieren in D1 auch ohne deren getrennte Speicherung und sind der Referenznummer zugeordnet.

8. Ebenso ist das Merkmal 1.e entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin in D1 gezeigt. Dieses Merkmal setzt einen Datensatz und eine Referenznummer in Beziehung. Der einzige Datensatz, der im Anspruch definiert ist (auch Merkmal 1.e) ist der (gesamte) Personalisierungsdatensatz. Damit geht dieses Merkmal nicht über die Offenbarung in der D1 hinaus. Die seitens der Beschwerdegegnerin herangezogene Argumentation, dass die Daten für die optische Personalisierung einen Datensatz bilden und die Daten für die elektrische Personalisierung einen weiteren Datensatz, denen jeweils die Referenznummer zugeordnet wird, findet weder im Anspruch 1 noch in der Patentbeschreibung eine Stütze.

9. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist somit neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1.

Neuheit gegenüber Dokument D6

10. Auch Dokument D6 behandelt die Personalisierung von Karten als Datenträgern an unterschiedlichen Arbeitsstationen für die optische und elektrische Personalisierung (Abstract; Spalte 3, Zeilen 24 bis 32). Die Daten für die Personalisierung werden dabei in einer zentralen Datei vorgehalten, die Gruppen von Daten enthält, jeweils eine Gruppe pro Person (Spalte 3, Zeilen 33 bis 40). Als Beispiel für eine solche Datei ist eine Tabelle mit unterschiedlichen Daten je Person offenbart (Tabelle in Spalte 3, Zeilen 46 bis 55). Bei der Personalisierung der jeweiligen Karten an den einzelnen Stationen wird jeweils die Datengruppe der Person in einen Speicher 22 der jeweiligen Station geladen und die Daten extrahiert, mit denen die Karte im jeweiligen Prozess personalisiert wird (Spalte 4, Zeilen 43 bis 51; Spalte 5, Zeilen 40 bis 54).

11. Als "Referenznummer" im Sinne der Merkmale 1.e, 1.f, 1.h, 1.k des Anspruchs 1 wird dabei die "IsoNo" oder "ISO number" verwendet, die Teil der jeweiligen Datengruppe ist (siehe Tabelle in Spalte 3 und Spalte 5, Zeilen 40 bis 54). Da die "IsoNo" Teil der gesamten Daten der jeweiligen Gruppe ist, ist diese "IsoNo" auch den Daten für die optische Personalisierung und den Daten für die elektrische Personalisierung zugeordnet und da es nur eine "IsoNo" gibt, ist es auch die gleiche Referenznummer, die den Daten für die optische Personalisierung und den Daten für die elektrische Personalisierung zugeordnet ist. Damit sind die Merkmale 1.e und 1.k in D6 offenbart. Wie oben im Zusammenhang mit D1 erläutert, kommt es dafür nicht darauf an, wie diese Daten genau aussehen oder wo sie abgespeichert sind.

12. Auch das Merkmal 1.d ist in D6 offenbart. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin ist der Begriff "auf den Kartenkörper aufgebracht" nicht gleichbedeutend mit "auf den Kartenkörper aufgedruckt". Die Beschwerdegegnerin argumentiert insbesondere: "Das Einschreiben einer Kodierung in einen Magnetstreifen einer Karte kann nicht unter diesen Wortlaut fallen, da der Magnetstreifen nicht Teil des Kartenkörpers ist, sondern ein separater, auf den Kartenkörper aufgebrachter Bestandteil der Karte". (Beschwerdeerwiderung, Seite 13, Absatz 1).

13. Dieses Argument kann nicht überzeugen. Die Patentschrift selber (Absatz [0004]) ist so zu interpretieren, dass die Personalisierung des Magnetstreifens ebenfalls eine Personalisierung des Kartenkörpers ist.

14. D6 ist allerdings weder eine Offenbarung für disjunkte Daten, noch für eine Doppelung bei überlappenden Daten zu entnehmen. Wie von der Beschwerdeführerin ausgeführt ist in der zweiten Variante des ersten Ausführungsbeispiels zwar davon die Rede, dass im zweiten Personalisierungssystem insbesondere die PIN und der geheime Code S in den elektrischen Speicher der Karte eingeschrieben werden (Spalte 5, Zeilen 52 bis 54: "in particular including the PIN and the secret code S"), die im ersten Personalisierungssystem nicht benutzt wurden (siehe Spalte 4, Zeilen 48 bis 51). Allerdings wird ebenfalls ausgesagt, dass alle Daten der jeweiligen Gruppe in den Speicher eingeschrieben werden (Spalte 5, Zeile 50: "the second phase comprises writing all the data, for example, from groups in the corresponding zones of the memory 5"), so dass ein Überlapp der Daten für die optische und elektrische Personalisierung vorliegt. Eine Doppelung dieser überlappenden Daten ist nicht offenbart. Entsprechend der Argumentation hinsichtlich D1 ist daher das Merkmal 1.i auch der D6 nicht zu entnehmen.

15. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist somit auch neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D6.

Hauptantrag: Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ)

16. Gegenüber beiden Dokumenten D1 und D6 ist das Merkmal 1.i das Unterscheidungsmerkmal. Da sich beide Dokumente mit der Personalisierung von tragbaren Datenträgern befassen, eignen sich beide Dokumente D1 und D6 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

17. Bei der Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist der technische Effekt zu bestimmen, den das Unterscheidungsmerkmal bewirkt.

18. Die Beschwerdeführerin bezweifelt, dass es durch das Unterscheidungsmerkmal überhaupt einen technischen Effekt gebe. Es handle sich nur um die Ordnung von Daten ohne einen technischen Effekt. Da das Unterscheidungsmerkmal keinen technischen Effekt bewirke, würde der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

19. Seitens der Beschwerdegegnerin wurde der technische Effekt bzw. Vorteil des Unterscheidungsmerkmals gegenüber dem Stand der Technik angesehen als: "das die jeweils benötigten Daten nicht aus einem einzigen Speicherbereich bzw. aus einer einzigen Datei herausgetrennt werden müssen, so dass ein schnellerer und einfacherer Zugriff über die Adressierung durch die Referenznummer möglich ist" (Eingabe vom 4. April 2008 im Prüfungsverfahren des Patents, Seite 3, Absatz 1). In der angegriffenen Entscheidung wird kein technischer Effekt der (dort diskutierten) Unterscheidungsmerkmale definiert, sondern nur damit argumentiert, dass die Unterscheidungsmerkmale im dort im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit diskutierten Dokument D9 (DE-A-197 34 483) nicht vorhanden seien.

20. Es ist zweifelhaft, ob der angegebene technische Effekt bzw. Vorteil des Unterscheidungsmerkmals tatsächlich existiert. Ohne weitere Details über einen Zugriff auf die abgelegten Daten ist der oben angegebene technische Effekt reine Spekulation. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass weder die Beschreibung des Patents noch der Anspruch 1 den Zugriff auf die Daten beschreibt und auch den angeblichen Vorteil selbst nicht erwähnt.

21. Selbst wenn allerdings zugunsten der Beschwerdegegnerin von dem genannten technischen Effekt des Unterscheidungsmerkmals ausgegangen wird, so beruht die beanspruchte Lösung jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Fachperson - ein mit Datenbanken vertrauter Informatiker - kennt sowohl relationale Datenbanken, deren Vorteil beispielsweise in der größeren Konsistenz und geringerem Pflegeaufwand liegt, als auch die zuvor bekannten Datenbanken, in denen redundante Daten vorgehalten wurden, mit dem damit verbundenen, bekannten, zusätzlichen Pflegeaufwand bei der Datenhaltung. Welche Art der Datenspeicherung die Fachperson in der Datenbank vorsieht, hängt dabei von der Anwendung der Datenbank ab. Ist der Aspekt der Datenpflege vorrangig, wird eine entsprechende nicht-redundante Datenbank gewählt werden; ist der Aspekt des schnellen Zugriffs vorrangig, so werden die Daten in einer Form bereitgestellt werden, dass eben dieser schnelle Zugriff gewährleistet ist, beispielsweise in einer entsprechenden Zusammenstellung der Daten, was mit einer Doppelung von Daten einhergehen kann. Es handelt sich somit um eine nicht erfinderische Auswahl aus der Fachperson bekannten Alternativen je nach Anwendungszweck und nicht nur um die Akzeptierung von Nachteilen (Beschwerdeerwiderung, Abschnitte B.III. 1d) und 1f), Seiten 14 und 15).

22. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Fachperson beide Möglichkeiten kennt und je nach Anwendung ohne erfinderisches Zutun eine davon auswählt ist auch darin zu sehen, dass das Patent selber diese beiden Möglichkeiten ohne weitere Details nebeneinanderstellt (Absatz [0017]), und somit selbst davon ausgeht, dass die Fachperson je nach Anwendungsanforderung die gewählte Form der Datenabspeicherung auswählen kann.

23. Die Argumentation der Beschwerdegegnerin für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit beruht teilweise (Schriftsatz vom 12.4.2013, Seiten 6 bis 7; Beschwerdeerwiderung, Seiten 14 bis 15) darauf, dass die Merkmale 1.i und 1.k zwei separate Datensätze für die optische und die elektrische Personalisierung erforderten und die Referenznummer im Stand der Technik immer nur dem Gesamtdatensatz, aber nicht den einzelnen Teildatensätzen für die optische bzw. elektrische Personalisierung zugeordnet sei.

24. Diese Argumentation ist nicht überzeugend. Nach Figur 2, oben, weist das in dem Patent beschriebene Ausführungsbeispiel der Erfindung ebenfalls nur eine Referenznummer 11 auf für die Daten für die optische Personalisierung 12 und die Daten für die elektrische Personalisierung 13. Auch dort ist die Referenznummer daher dem Gesamtdatensatz aus den Daten für die optische Personalisierung und den Daten für die elektrische Personalisierung zugeordnet.

25. Anspruch 1 des Hauptantrags beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 oder D6 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen der Fachperson.

26. Auf die seitens der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände unter Artikel 100 b) EPÜ kommt es daher für die vorliegende Entscheidung nicht an.

27. Der Hauptantrag ist mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar.

Hilfsantrag auf Zurückverweisung an die erste Instanz für die Prüfung der Hilfsanträge 1 bis 5

28. Nach Artikel 111(1) EPÜ ist es in das Ermessen der Kammer gestellt, selbst im Rahmen der Zuständigkeit der Einspruchsabteilung zu entscheiden oder die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

29. Im vorliegenden Fall ist die maximale Laufzeit des Patents, welches am 6. Februar 2001 angemeldet wurde, bereits in naher Zukunft erreicht, so dass es sehr fraglich ist, ob ein fortgeführtes erstinstanzliches Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen würde.

30. Die Hilfsanträge waren daher in der Sache im Beschwerdeverfahren zu behandeln.

Hilfsantrag 1

31. Die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 vorgenommenen Änderungen sind unklar (Artikel 84 EPÜ), da die Formulierung offen lässt, ob die einzelnen Personalisierungsdatensätze jeweils Daten für die optische und die elektrische Personalisierung aufweisen, oder ob die Daten für die optische und die elektrische Personalisierung jeweils für sich Personalisierungsdatensätze bilden. Je nachdem ändert sich dann auch die Anzahl der Referenznummern in der Datenbank. Für die zweite Interpretation ist auch keine Basis in den ursprünglichen Unterlagen enthalten, so dass die Änderung nicht die Anforderungen nach Artikel 123(2) EPÜ erfüllt.

Hilfsantrag 1 ist daher nicht gewährbar.

Hilfsantrag 2

32. Die Änderung in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist nicht ursprünglich offenbart (Artikel 123(2) EPÜ). In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ist nur geschildert, dass ein Aufbringen der Referenznummer als "Aufdrucken" mittels eines Barcodedruckers geschehen kann (Seite 6, Zeilen 7 bis 9). Ein entsprechend dem neuen Anspruchswortlaut auch mögliches Aufdrucken der Referenznummer auf den Kartenkörper als "Nicht-Barcode" ist den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht zu entnehmen.

Hilfsantrag 2 ist daher nicht gewährbar.

Hilfsantrag 3

33. Für die Änderungen in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 gelten die Einwände hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags, da ebenfalls nicht ursprünglich offenbart ist, dass die Referenznummer mit fluoreszierenden Stoffen als "Nicht-Barcode" auf den Kartenkörper aufgedruckt werden kann (Artikel 123(2) EPÜ).

Hilfsantrag 3 ist daher nicht gewährbar.

Hilfsanträge 4 und 5

34. Die Änderungen in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 4 und 5 sind nur Kombinationen der Änderungen in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 bis 3, die - wie oben erläutert - nicht die Anforderungen der Artikel 84 bzw. 123(2) EPÜ erfüllen.

Die Hilfsanträge 4 und 5 sind daher ebenfalls nicht gewährbar.

Rechtliches Gehör

35. Die Einwände hinsichtlich der Hilfsanträge 1 bis 5 wurden den Parteien in der vorläufigen Meinung der Kammer nach Artikel 15(1) VOBK mitgeteilt. Die Patentinhaberin hatte daher sowohl schriftlich als auch während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer Gelegenheit zur Stellungnahme (Artikel 113 EPÜ). Sie nahm beides nicht wahr, so dass die Kammer keinen Grund sieht, von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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