T 2456/13 (Umhüllte Natriumpercarbonatpartikel/EVONIK TREIBACHER GMBH) of 7.3.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T245613.20170307
Datum der Entscheidung: 07 März 2017
Aktenzeichen: T 2456/13
Anmeldenummer: 07123598.0
IPC-Klasse: C01D 5/00
C01D 7/00
C01D 7/38
C11D 3/39
C11D 17/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von umhüllten Natriumpercarbonatpartikeln
Name des Anmelders: Evonik Treibacher GmbH
Name des Einsprechenden: Kemira OYJ
Solvay (Société Anonyme)
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Bonuseffekt (ja)
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Lösung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP-B 2 080 544 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von umhüllten Natrium­percarbonat­partikeln.

Das Patent wurde im Einspruchsverfahren in geänderter Form aufrechterhalten.

II. Die von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Ansprüche gemäß zweitem Hilfsantrag lauten:

"1. Verfahren zur Herstellung von umhüllten Natriumpercarbonatpartikeln durch Aufsprühen einer Natriumsulfat enthaltenden wässrigen Lösung auf Natriumpercarbonatpartikel in einer Wirbelschicht und gleichzeitiges Verdampfen von Wasser, dadurch gekennzeichnet, dass zur Herstellung der Natriumsulfat enthaltenden wässrigen Lösung Natriumsulfat und Natriumpercarbonathaltiger Staub verwendet wird, die wässrige Lösung Natriumsulfat und Natriumcarbonat in einem Gewichtsverhältnis im Bereich von 95 : 5 bis

75 : 25 enthält und auf Natriumpercarbonatpartikel aufgesprüht wird, die durch Aufbaugranulation aus Natriumcarbonat und Wasserstoffperoxid in einer Wirbelschicht erhältlich sind."

Die Ansprüche 2 bis 6 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1.

III. Gegen diese Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung legte die Patentinhaberin (im folgenden: Beschwerdeführerin) Beschwerde ein und beantragte, das Patent mit den Ansprüchen des Hilfsantrags I, wie eingereicht mit Schreiben vom 16. Juli 2013, aufrechtzuerhalten. Eine mündliche Verhandlung beantragte sie nicht.

IV. Anspruch 1 des Hilfsantrags I lautet:

"1. Verfahren zur Herstellung von umhüllten Natriumpercarbonatpartikeln durch Aufsprühen einer Natriumsulfat enthaltenden wässrigen Lösung auf Natriumpercarbonatpartikel in einer Wirbelschicht und gleichzeitiges Verdampfen von Wasser, dadurch gekennzeichnet, dass zur Herstellung der Natriumsulfat enthaltenden wässrigen Lösung Natriumsulfat und Natriumpercarbonathaltiger Staub verwendet wird und die wässrige Lösung Natriumsulfat und Natriumcarbonat in einem Gewichtsverhältnis im Bereich von 95 : 5 bis 75 : 25 enthält."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 betreffen bevorzugte Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1.

V. Dokumente

D1: Examensarbeit "Fluid-bed granulering" von Ulrika Wine (49 Seiten), in schwedischer Sprache, Nov. 2002

&

D1a: Übersetzung der Seiten 10, 19 bis 22, und Flowcharts 1 und 2 von D1 ins Englische

D3: US-A-4 105 827

D12: Versuchsdaten zur Lagerstabilität und Silierbarkeit, 2 Seiten, eingereicht mit Schreiben vom 16. Juli 2013

D13: Versuchsbericht (2 Seiten), eingereicht mit der Beschwerdebegründung

VI. Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende II) zog ihren Einspruch mit Schreiben vom 4. April 2016 zurück. Sie ist daher nicht mehr am Verfahren beteiligt.

VII. Die Kammer erließ einen Zwischenbescheid, in dem sie das schriftliche Vorbringen der Parteien zusammenfasste und vorläufig und unverbindlich dazu Stellung nahm.

Auf den Bescheid ging keine Erwiderung ein.

VIII. Argumente der Beschwerdeführerin

Die Einspruchsabteilung habe ihre Entscheidung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber Dl in Verbindung mit D3 beruhe, damit begründet, dass ein technischer Effekt des beanspruchten Gegenstands nicht über die gesamte Breite des Anspruchs belegt sei, sondern nur für ein Verfahren, bei dem durch

Wirbel­­schicht­granulation hergestellte Natriumpercarbonatpartikel umhüllt würden. Die als Dl2 vorgelegten Versuchsdaten beträfen nur Natriumpercarbonatpartikeln, die durch Wirbelschichtgranulation hergestellt worden seien.

Mit dem Versuchsbericht D13 würden daher nun Ergebnisse vorgelegt, die die Umhüllung von durch Kristallisation hergestellten Natriumpercarbonatpartikeln zeigten. Die Versuchsdaten belegten, dass durch die Auswahl eines Gewichtsverhältnisses von Natriumsulfat und Natriumcarbonat in der Hüllstofflösung im beanspruchten Bereich die technische Wirkung einer hohen Lagerstabilität in Kombination mit einer verringerten Verbackungsneigung auch für solche, durch Kristallisation hergestellte Natriumpercarbonatpartikel erzielt werde.

Der Gegenstand des vorliegeden Hilfsantrags I löse demnach die gleiche objektive Aufgabe gegenüber Dl wie der Gegenstand des zweiten Hilfsantrags des Einspruchs­verfahrens. Die von der Einspruchsabteilung bei der Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des zweiten Hilfsantrags angeführten Gründe, warum dessen Gegenstand durch Dl in Kombination mit D3 nicht nahegelegt werde, träfen uneingeschränkt auch für den Gegenstand des vorliegenden Hilfsantrags I zu.

IX. Argumente der Beschwerdegegnerin I

Die Beschwerde sei unzulässig, da sie nicht auf die angefochtene Entscheidung eingehe und sich ausschließlich auf neue Tatsachen, wie D13, und Argumente stütze.

Der Bericht D13 sei verspätet und nicht zuzulassen.

Im Übrigen liege kein erfinderischer Schritt vor, da es ausgehend von D1 als nächstem Stand der Technik nahegelegen habe, das Verhältnis von Natriumsulfat zu Natriumcarbonat in der Umhüllungslösung zu optimieren. Die Bedeutung dieses Parameters für die Lagerstabilität von Natriumpercarbonatteilchen gehe bereits aus D3 hervor.

X. Anträge:

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche gemäß Hilfsantrag I, eingereicht mit Schreiben vom 16. Juli 2013, aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende I) beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde wurde in zulässiger Weise gestützt auf einen neu vorgelegten Versuchsbericht (D13) begründet, mit dessen Hilfe die Beschwerdeführerin versucht hat, die Einwände der Einspruchsabteilung auszuräumen. Die Beschwerdeführerin ist dabei, wenn auch in knapper, so doch ausreichender Form, auf die tragenden Gründe der angefochtenen Entscheidung eingegangen.

2. Zulässigkeit von Dokumenten

Die Kammer hat keinen Anlass, D13 nach Artikel 12(4) VOBK nicht in das Verfahren zuzulassen, da dessen Vorlage als Reaktion auf die angefochtene Entscheidung anzusehen ist und der Beschwerdeführerin daher nicht der Vorwurf zu machen ist, sie hätte einen entsprechenden Versuchsbericht bereits in erster Instanz vorzulegen gehabt.

3. Die Neuheit war nicht bestritten.

4. Zur erfinderischen Tätigkeit

4.1 Die Parteien stimmen darin überein, dass D1 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist. Die Kammer schließt sich dem an.

4.2 D1 offenbart ein gattungsgemäßes Verfahren zur Herstellung von umhüllten Natriumpercarbonatpartikeln, bei dem ebenfalls Natriumsulfat und Natriumpercarbonat enthaltender Staub zur Herstellung der aufzusprühenden Umhüllungslösung verwendet wird. Wie die Einspruchs­abteilung bereits in der angefochtenen Entscheidung (Seite 11, Punkt 3.4.4) feststellte, macht es dabei keinen Unterschied, ob zur Herstellung der Sprühlösung Natriumpercarbonat-haltiger Staub oder direkt Natriumcarbonat eingesetzt wird, da sich das Natriumpercarbonat in Wasser zu Natriumcarbonat und Wasserstoffperoxid zersetzt und dieses im alkalischen Milieu weiter zu Wasser und Sauerstoff zerfällt. Das Verfahren zum Aufbringen der Umhüllung ist somit insoweit dasselbe wie im Streitpatent, was zwischen den Parteien auch unstreitig ist.

Wie die Beschwerdegegnerin einräumt, offenbart D1 jedoch nicht das anspruchsgemäße Gewichtsverhältnis der wässrigen Lösung von Natriumsulfat und Natriumcarbonat im Bereich von 95 : 5 bis 75 : 25.

4.3 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass durch die Auswahl des Gewichtsverhältnisses von Natriumsulfat und Natriumcarbonat in der Hüllstofflösung im beanspruchten Bereich von 95 : 5 bis 75 : 25 die technische Wirkung einer hohen Lagerstabilität in Kombination mit einer verringerten Verbackungsneigung der umhüllten Natriumpercarbonatpartikel erzielt werde, und zwar nicht nur für solche Natriumpercarbonat­partikel, die durch Wirbelschichtgranulation erhalten wurden, sondern auch für durch Kristallisation erhaltene Partikel. Zum Beleg dafür verweist sie auf die Versuchsberichte D12 und D13.

Die Beschwerdegegnerin bestreitet, dass die in D13 gezeigten technischen Effekte signifikant seien. Sie unterschieden sich nicht nennenswert von den außerhalb der beanspruchten Mengenverhältnisse erzielten Ergebnissen.

4.4 Die Kammer akzeptiert zugunsten der Beschwerdeführerin, dass anhand der Versuchsdaten in D12 (Seite 6 unten, Tabelle) und D13 (Seite 4 unten, Tabelle) nachgewiesen wurde, dass innerhalb des beanspruchten Mischungsverhältnisses für die Umhüllung Natriumpercarbonatpartikel mit einer besseren Lagerstabilität und einer, wenn auch nur geringfügig, geringeren Verbackungsneigung erhalten werden. Nach Ansicht der Kammer können bei einem großtechnischen Verfahren bzw. Produkt schon geringe Verbesserungen der Produkteigenschaften einen in der Praxis nicht zu vernachlässigenden Vorteil darstellen.

4.5 Aufgabe-Lösungs-Ansatz

Die Kammer sieht folglich die technische Aufgabe, ausgehend von D1, in der Angabe eines Verfahrens zur Herstellung von ümhüllten Natriumpercarbonat­partikeln mit verbesserter Lagerstabilität und geringerer Verbackungsneigung.

4.6 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent ein Verfahren gemäß Anspruch 1 vor, dadurch gekennzeichnet, dass die zum Aufsprühen auf die Natriumpercarbonat­-partikel verwendete wässrige Lösung Natriumsulfat und Natriumcarbonat in einem Gewichtsverhältnis im Bereich von 95 : 5 bis 75 : 25 enthält.

4.7 Die gestellte Aufgabe wird nach Überzeugung der Kammer mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 erfolgreich gelöst (siehe D12, D13).

4.8 Es bleibt zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung im Hinblick auf den Stand der Technik nahegelegen hat.

Die Beschwerdegegnerin trägt dazu vor, dass der Anspruchsgegenstand ausgehend von D1 im Lichte von D3 nahegelegen habe.

4.9 D3 offenbart ein gattungsgemäßes Verfahren zur Herstellung von Natriumpercarbonat­-partikeln, die durch Aufsprühen einer Lösung von Natriumsulfat und Natriumcarbonat umhüllt werden. Das molare Verhältnis von Natriumsulfat und Natriumcarbonat in der Umhüllungslösung beträgt zwischen 1 : 0,3 und 1 : 3 (entsprechend einem Gewichtsverhältnis von 82 : 18 bis 69 : 31) (siehe Spalte 1, Zeilen 41 bis 47; Spalte 2, Zeilen 40 bis 48; Ansprüche 1, 3 und 8). Gemäß D3 verbessert die Umhüllung die Lagerstabilität (beurteilt am verringerten Verlust von aktivem Sauerstoff) (siehe Spalte 4, Zeilen 13 bis 51; Tabellen 2 bis 5).

Der in D3 offenbarte Bereich für das Gewichtsverhältnis von Natriumsulfat zu Natriumcarbonat in der Umhüllung (bzw. der Umhüllungslösung) überlappt offenkundig weitgehend mit dem anspruchsgemäßen Bereich.

Im Hinblick auf die Teilaufgabe, die Lagerstabilität zu verbessern, würde der Fachmann nach Ansicht der Kammer das einschlägige Dokument D3 heranziehen, auch wenn dort explizit keine Verbesserung der Verbackungsneigung gezeigt wird. Der Fachmann erfährt nämlich aus D3, dass mit einer Umhüllung im Zusammensetzungsbereich zwischen 82 : 18 und 69 : 31 Gewichtsanteilen von Natriumsulfat zu Natriumcarbonat besonders lagerstabile Percarbonatpartikel erhalten werden können. Er würde mangels einer entsprechenden Angabe in D1 zum Anteil an Natriumcarbonat in der Umhüllungslösung versuchen, das in D3 angegebene, vorteilhafte Verhältnis einzustellen und so zum beanspruchten Gegenstand gelangen.

Eine (geringfügige) Verbesserung der Verbackungsneigung ergibt sich dabei zwangsläufig ebenfalls. Sie stellt nach Ansicht der Kammer einen zusätzlichen bzw. Bonus-Effekt dar, der die erfinderische Tätigkeit nicht begründen kann. Die Kammer berücksichtigt dabei, dass die gezeigte Verbesserung der Verbackungsneigung nur gering ist (von Stufe 5: "verbacken, nicht einfach zerdrückbar" auf Stufe 4: "verbacken, aber nach Entfernung der Hülle leicht zerdrückbar"; siehe D13, Tabelle Seite 4 unten) und möglicherweise deswegen in D3 nicht Erwähnung fand.

4.10 Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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