T 2316/13 () of 6.10.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T231613.20161006
Datum der Entscheidung: 06 October 2016
Aktenzeichen: T 2316/13
Anmeldenummer: 07703176.3
IPC-Klasse: C09J 175/00
C08G 18/10
C08G 18/76
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: KLEB-/DICHTSTOFFZUSAMMENSETZUNG MIT DOPPELTEM HÄRTUNGSMECHANISMUS
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: Sika Technology AG
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit
Erfinderische Tätigkeit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0279/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde des Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass das Patent EP 2 024 457 in geänderter Form den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Der Einsprechende hatte den Widerruf des Patentes im gesamten Umfang auf der Grundlage des Einspruchsgrundes gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) beantragt.

Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem vorgelegt:

D1: EP 0 431 412 A2;

D2: EP 0 255 572 A1;

D3: EP 0 757 067 A1;

D4: WO 88/09712 A1;

D5: WO 01/30116 A1;

D6: DE 37 34 340 A1; und

D9: Produktbeschreibung "Caytur**(®) 21 Urethane Curative".

III. Der Entscheidung der Einspruchsabteilung lag der mit Schreiben vom 14. März 2012 eingereichte Hauptantrag zugrunde, der die folgenden unabhängigen Ansprüche enthielt:

"1. Verwendung einer hitze- and feuchtigkeitshärtenden Zusammensetzung enthaltend

a) mindestens ein isocyanatfunktionelles Prepolymer mit im Wesentlichen endständigen Isocyanatgruppen, herstellbar durch Reaktion eines Polyols mit einem stöchiometrischen Überschuss einer Polyisocyanatverbindung und

b) mindestens ein Polyamin mit mindestens zwei primären oder sekundären Aminogruppen pro Molekül und einem Schmelzpunkt oberhalb von 55°C

wobei das feste Polyamin eine mittlere Teilchengröße von 5 bis 50 µm hat, bei Temperaturen unter 40°C unlöslich in der Prepolymer-Zubereitung ist und im stöchiometrischen Unterschuss zu den Isocyanatgruppen des Prepolymers vorliegt,

zum Kleben von Bauteilen oder Baugruppen in der Fahrzeugindustrie, insbesondere zum Kleben von feststehenden Scheiben an den Flansch einer Fahrzeugkarosserie, zum Kleben von Außenblechen an den Rahmen von Anbauteilen, insbesondere von Türen, zum Kleben von Dachmodulen oder Fahrzeughimmeln an die Karosserie oder zum Kleben von Cockpitmodulen in den Fahrzeugrahmen,

dadurch gekennzeichnet, dass der stöchiometrische Unterschuss der Aminogruppen zu den Isocyanatgruppen 30 bis 10% beträgt."

"4. Verfahren zum Kleben von Bauteilen oder Baugruppen in der Fahrzeugindustrie, bei denen mindestens ein Bauteil oder eine Baugruppe im Fügebereich transparent für Mikrowellenstrahlung ist, gekennzeichnet durch die folgenden wesentlichen Schritte

i) Aufbringen eines Klebstoffstranges auf Basis einer hitze- und feuchtigkeitshärtenden Zusammensetzung enthaltend

a) mindestens ein isocyanatfunktionelles Prepolymer mit im Wesentlichen endständigen Isocyanatgruppen, herstellbar durch Reaktion eines Polyols mit einem stöchiometrischen Überschuss einer Polyisocyanatverbindung und

b) mindestens ein Polyamin mit mindestens zwei primären oder sekundären Aminogruppen pro Molekül und einem Schmelzpunkt oberhalb von 55°C

wobei das feste Polyamin eine mittlere Teilchengröße von 5 bis 50 µm hat, bei Temperaturen unter 40°C unlöslich in der Prepolymer-Zubereitung ist und im stöchiometrischen Unterschuß zu den Isocyanatgruppen des Prepolymers vorliegt, auf die Oberfläche eines Bauteils,

ii) Fügen des zweiten Bauteils, gegebenenfalls unter Zusammenpressen der Bauteile, bis die vorbestimmte Schichtdicke der Klebstoffschicht in der Klebefuge erreicht ist,

iii) Bestrahlen der Klebefuge mit Mikrowellenstrahlung durch das transparente Bauteil,

iv) gefolgt von einer Feuchtigkeitshärtung der verbliebenen Isocyanatgruppen des Klebstoffes mit der Luftfeuchtigkeit der Umgebung."

"6. Verfahren zum Kleben von Bauteilen oder Baugruppen in der Fahrzeugindustrie, bei denen die zu fügenden beiden Baugruppen oder Bauteile im Fügebereich aus metallischen Substraten bestehen, gekennzeichnet durch die folgenden wesentlichen Verfahrensschritte

i) Aufbringen eines Klebstoffstranges auf Basis einer hitze- und feuchtigkeitshärtenden Zusammensetzung enthaltend

a) mindestens ein isocyanatfunktionelles Prepolymer mit im Wesentlichen endständigen Isocyanatgruppen, herstellbar durch Reaktion eines Polyols mit einem stöchiometrischen Überschuss einer Polyisocyanatverbindung und

b) mindestens ein Polyamin mit mindestens zwei primären oder sekundären Aminogruppen pro Molekül und einem Schmelzpunkt oberhalb von 55°C

wobei das feste Polyamin eine mittlere Teilchengröße von 5 bis 50 µm hat, bei Temperaturen unter 40°C unlöslich in der Prepolymer-Zubereitung ist und im stöchiometrischen Unterschuss zu den Isocyanatgruppen des Prepolymers vorliegt, auf die Oberfläche eines Bauteils,

ii) Fügen des zweiten Bauteils, gegebenenfalls unter Zusammenpressen der Bauteile, bis die vorbestimmte Schichtdicke der Klebstoffschicht in der Klebefuge erreicht ist,

iii) Erwärmen des Fügebereichs mit einer geeigneten Induktionsheizungsspule,

iv) gefolgt von einer Feuchtigkeitshärtung der verbliebenen Isocyanatgruppen des Klebstoffes mit der Luftfeuchtigkeit der Umgebung."

"7. Verfahren zum Kleben von Bauteilen oder Baugruppen in der Fahrzeugindustrie, bei denen die zu fügenden beiden Baugruppen oder Bauteile im Fügebereich aus metallischen Substraten bestehen, gekennzeichnet durch die folgenden wesentlichen Verfahrensschritte

i) Aufbringen eines Klebstoffstranges auf Basis einer hitze- und feuchtigkeitshärtenden Zusammensetzung enthaltend

a) mindestens ein isocyanatfunktionelles Prepolymer mit im Wesentlichen endständigen Isocyanatgruppen, herstellbar durch Reaktion eines Polyols mit einem stöchiometrischen Überschuss einer Polyisocyanatverbindung und

b) mindestens ein Polyamin mit mindestens zwei primären oder sekundären Aminogruppen pro Molekül und einem Schmelzpunkt oberhalb von 55°C

wobei das feste Polyamin eine mittlere Teilchengröße von 5 bis 50 µm hat, bei Temperaturen unter 40°C unlöslich in der Prepolymer-Zubereitung ist und im stöchiometrischen Unterschuss zu den Isocyanatgruppen des Prepolymers vorliegt, auf die Oberfläche eines Bauteils,

ii) Fügen des zweiten Bauteils, gegebenenfalls unter Zusammenpressen der Bauteile, bis die vorbestimmte Schichtdicke der Klebstoffschicht in der Klebefuge erreicht ist,

iii) Erwärmen des Fügebereichs mit Hilfe von Heizzangen,

iv) gefolgt von einer Feuchtigkeitshärtung der verbliebenen Isocyanatgruppen des Klebstoffes mit der Luftfeuchtigkeit der Umgebung."

"11. Hitze- und feuchtigkeitshärtende Zusammensetzung enthaltend

a) mindestens ein isocyanatfunktionelles Prepolymer mit im Wesentlichen endständigen Isocyanatgruppen, herstellbar durch Reaktion eines Polyols mit einem stöchiometrischen Überschuss einer Polyisocyanatverbindung und

b) mindestens ein Polyamin mit mindestens zwei primären oder sekundären Aminogruppen pro Molekül und einem Schmelzpunkt oberhalb von 55°C

wobei das feste Polyamin eine mittlere Teilchengröße von 5 bis 50 µm hat, bei Temperaturen unter 40°C unlöslich in der Prepolymer-Zubereitung ist und im stöchiometrischen Unterschuss zu den Isocyanatgruppen des Prepolymers vorliegt,

dadurch gekennzeichnet, dass der Unterschuss der Aminogruppen 30% bis 20 % beträgt."

IV. In ihrer Entscheidung führte die Einspruchsabteilung aus, dass der Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 123(2) und (3) EPÜ erfüllt. Die Neuheit gegenüber D1 und D3 sei anzuerkennen, da keines der Dokumente den anspruchsgemäßen stöchiometrischen Unterschuss offenbare und da D3 kein Polyamin beschreibe, welches bei Temperaturen unterhalb von 40°C im Prepolymer unlöslich sei. Schließlich sei auch die erfinderische Tätigkeit anzuerkennen. Der Anspruchsgegenstand unterscheide sich vom nächstliegenden Stand der Technik D2 hinsichtlich der Teilchengröße, der Unlöslichkeit des Polyamins und des anspruchsgemäßen Unterschusses. Die Aufgabe bestehe in der Bereitstellung einer einkomponentigen hitze- und feuchtigkeitshärtenden Zusammensetzung, die als Montageklebstoff in der Fahrzeugendmontage geeignet sei. Die anspruchsgemäße Lösung werde weder in D2 noch einem der weiteren zitierten Dokumente vorgeschlagen.

V. Gegen diese Entscheidung legte der Einsprechende (Beschwerdeführer) Beschwerde ein. Die mit Schreiben vom 22. Januar 2014 eingereichte Beschwerdebegründung enthielt:

D13: B. Müller et al., "Formulierung von Kleb- und Dichtstoffen", Vincentz Network, Hannover 2004, 31 Seiten; und

D14: EP 0 823 446 A2.

VI. Mit Schreiben vom 25. Juli 2014 beantragte der Patentinhaber (Beschwerdegegner) D13 und D14 nicht in das Verfahren zuzulassen.

VII. Mit Schreiben vom 13. November 2014 reichte der Beschwerdeführer folgendes Dokument ein:

D15: US 3,426,097 A.

VIII. Während der am 6. Oktober 2016 stattgefundenen mündlichen Verhandlung vor der Kammer zog der Beschwerdegegner seinen Antrag zurück, D13 und D14 nicht in das Verfahren zuzulassen, beantragte jedoch D15 nicht in das Verfahren zuzulassen.

IX. Die schriftlich und mündlich vorgetragenen Argumente des Beschwerdeführers können wie folgt zusammengefasst werden:

Dem Gegenstand des Anspruchs 11 mangele es an Neuheit gegenüber D1. Entgegen der Entscheidung der Einspruchsabteilung offenbare dieses Dokument einen breiten Bereich für den Aminogruppenunterschuss, der den anspruchsgemäßen Bereich umfasse und diesen damit neuheitsschädlich vorwegnehme. Ferner mangele es dem Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 an Neuheit gegenüber D3. Analog zu D1 offenbare auch dieses Dokument den anspruchsgemäßen Aminogruppenunterschuss. Auch weise das dort beschriebene Polyamin infolge seiner Beschichtung die anspruchsgemäße Unlöslichkeit auf.

Dem Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 mangele es an erfinderischer Tätigkeit gegenüber D2 als dem nächstliegenden Stand der Technik. Die anspruchsgemäß geforderte Unlöslichkeit des Polyamins sei gegenüber D2 kein Unterscheidungsmerkmal, da dort eine Unlöslichkeit durch die Komplexierung des Polyamins bereits gegeben sei. Die gegenüber D2 vorliegenden Unterscheidungsmerkmale des Aminogruppenunterschusses und der Teilchengröße könnten die erfinderische Tätigkeit nicht begründen, da diese durch D13 und D14 (Unterschuss) bzw. D3 (Teilchengröße) nahegelegt seien. Ferner mangele es dem Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 an erfinderischer Tätigkeit gegenüber D1 und D3, da das einzige Unterscheidungsmerkmal des Aminogruppenunterschusses die erfinderische Tätigkeit nicht begründen könne. Gleiches gelte gegenüber D15 als dem nächstliegenden Stand der Technik, welcher wegen seiner Prima-Facie-Relevanz in das Verfahren zuzulassen sei. Auch dem Gegenstand der Ansprüche 4, 6 und 7 mangele es an erfinderischer Tätigkeit, da die dort geforderten speziellen Erhitzungsmethoden ausgehend von D2 in Kombination mit D4 bis D6 nahegelegt seien.

X. Die schriftlich und mündlich vorgetragenen Argumente des Beschwerdegegners können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Neuheit gegenüber D1 sei gegeben, da dieses Dokument den anspruchsgemäßen Aminogruppenunterschuss nicht offenbare. Auch die Neuheit gegenüber D3 sei anzuerkennen, da das beschichtete Amin der D3 kein festes Polyamin im Sinne der Ansprüche 1 und 11 sei. Insbesondere beziehe sich dieser Ausdruck in den Ansprüchen 1 und 11 nach gängiger chemischer Nomenklatur auf ein festes Polyamin als solches. Diese Lesart sei auch im Einklang mit der Beschreibung. Ferner offenbare D3 nicht den anspruchsgemäßen Aminogruppenunterschuss sowie dessen Kombination mit den übrigen Anspruchsmerkmalen.

Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit sei D2 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen, von dem sich der Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 hinsichtlich des Aminogruppenunterschusses sowie der Unlöslichkeit und der mittleren Teilchengröße des Polyamins unterscheide. Gegenüber D2 liege dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein einfacheres lagerstabiles Klebstoffsystem bereitzustellen, welches nach kurzer thermischer Aushärtung bereits eine hohe Reißfestigkeit aufweist. D2 enthalte keinerlei Hinweis darauf, zur Vereinfachung des Klebstoffsystems anstelle des komplexierten Polyamins das Polyamin als solches einzusetzen oder einen geringeren Aminogruppenunterschuss zum Erzielen einer hohen Reißfestigkeit nach thermischer Härtung einzusetzen. D3 lehre in seinen Referenzbeispielen sogar von der Verwendung von reinen Polyaminen weg und es fehle ein Hinweis darauf, dass in einem hitze- und feuchtigkeitshärtenden System eine gute Reißfestigkeit bereits nach der Hitzehärtung durch einen anspruchsgemäßen Aminogruppenunterschuss erhalten werde. Auch D13 offenbare lediglich ein Klebstoffsystem, welches ein komplexiertes Polyamin mit einem Aminogruppenunterschuss oberhalb der anspruchsgemäßen Obergrenze aufweise und nach der Hitzehärtung noch plastisch verformbar sei. Auch der Gegenstand der übrigen unabhängigen Verfahrensansprüche 4, 6 und 7 sei ausgehend von D2 erfinderisch, da dieses Dokument von der in diesen Ansprüchen geforderten Applikation des Klebstoffsystems vor der Hitzehärtung weglehre. Schließlich sei D15 und der damit verbundene Angriff auf die erfinderische Tätigkeit nicht in das Verfahren zuzulassen, da dieses Dokument verspätet vorgebracht und nicht relevant sei.

XI. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

XII. Der Beschwerdegegner beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (entsprechend Aufrechterhaltung in der Form des von der Einspruchsabteilung für gewährbar befundenen Hauptantrages) sowie hilfsweise, das Patent gemäß einem der mit Schreiben vom 14. März 2012 eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Neuheit

1.1 Gemäß Beschwerdeführer mangelt es dem Gegenstand des Anspruchs 11 an Neuheit gegenüber D1.

D1 (Anspruch 1) offenbart eine Einkomponentenzusammensetzung enthaltend

- Verbindungen mit mindestens zwei gegenüber Isocyanatgruppen reaktionsfähigen Gruppen,

- Polyisocyanate,

- aromatische Diaminoverbindungen und

- in der Polyurethanchemie an sich bekannte Hilfs- und Zusatzstoffe.

Neben einer direkten Reaktion der oben genannten Verbindungen miteinander offenbart D1 auch eine Variante, bei der das Polyisocyanat zunächst mit Verbindungen mit gegenüber Isocyanaten reaktionsfähigen Gruppen zu einem Isocyanatvoraddukt umgesetzt wird, und dieses dann mit der Diaminoverbindung reagiert (Seite 2, Zeile 1 bis 3 und Seite 4, Zeile 39 bis 40). Bei dieser Variante entspricht das Isocyanatvoraddukt dem anspruchsgemäßen isocyanatfunktionellen Prepolymer.

Bei der Diaminoverbindung der D1 handelt es sich um eine feste, hochschmelzende als Kettenverlängerer fungierende Verbindung mit einer durchschnittlichen Teilchengröße von 1 bis 100 mym, vorzugsweise 1 bis 50 mym, die bei niedriger Temperatur eine nur minimale Löslichkeit im Isocyanatvoraddukt aufweist (Seite 3, Zeile 43 bis 45 und 51 sowie Seite 5, Zeile 53 bis 55). Somit kann die Diaminoverbindung der D1 als dem anspruchsgemäßen Polyamin entsprechend angesehen werden.

Anspruch 11 erfordert einen Unterschuss an Aminogruppen des Polyamins von 20 bis 30% bezogen auf die Isocyanatgruppen des Prepolymers. In D1 wird ein Verhältnis von Isocyanatvoraddukt zu Kettenverlängerer und Verbindung mit reaktionsfähigen OH-Gruppen zwischen 0.7 und 1.5, vorzugsweise zwischen 0.90 und 1.15 offenbart (Seite 9, Zeile 25 bis 27). Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers kann aus diesen Bereichen nicht auf einen anspruchsgemäßen Aminogruppenunterschuss geschlossen werden. Insbesondere bezieht sich der Bereich der D1 nicht, wie vom Beschwerdeführer angegeben, auf das Verhältnis von Isocyanatvoraddukt zu Aminogruppen, sondern auf das Verhältnis von Isocyanatvoraddukt zu Kettenverlängerer und der Verbindung mit reaktiven OH-Gruppen. Außerdem kann der Kettenverlängerer neben der Diaminoverbindung noch Diole enthalten (Seite 9, Zeile 31 bis 32). Ein Verhältnis von Isocyanat zu Aminogruppen kann daher aus dem angegebenen Verhältnis in Unkenntnis der Menge an Verbindung mit reaktiven OH-Gruppen und Diolen nicht abgeleitet werden. Somit stellt dieses Verhältnis und damit einhergehend der anspruchsgemäße Aminogruppenunterschuss ein Unterscheidungsmerkmal dar, so dass der Gegenstand des Anspruchs 11 neu gegenüber D1 ist.

1.2 Gemäß Beschwerdeführer mangelt es dem Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 an Neuheit auch gegenüber D3.

1.2.1 D3 offenbart eine hitze- und feuchtigkeitshärtende Zusammensetzung umfassend (i) eine Polyisocyanatkomponente und/oder ein Urethanprepolymer mit Isocyanatendgruppen und (ii) ein beschichtetes Amin mit einem Schmelzpunkt von mindestens 50°C und einer mittleren Teilchengröße von höchstens 20 µm (Seite 2, Zeile 37 bis 44).

1.2.2 Das Urethanprepolymer entspricht dem anspruchsgemäßen isocyanatfunktionellen Prepolymer.

1.2.3 Es war zwischen den Parteien strittig, ob das beschichtete Amin der D3 dem in den Ansprüchen 1 und 11 geforderten festen Polyamin entspricht. Es war insbesondere ein Diskussionspunkt, ob die in D3 zwingend vorhandene Beschichtung durch den Ausdruck "festes Polyamin" in den Ansprüchen eingeschlossen ist.

Der Ausdruck "festes Polyamin" in den Ansprüchen 1 und 11 bedeutet bei wörtlicher Auslegung, dass dieses als solches vorliegt, d. h. an seiner Oberfläche nicht durch beispielsweise Verkapselung, Salzbildung oder Komplexierung mit einer Fremdsubstanz deaktiviert ist. Diese Interpretation folgt gängiger chemischer Nomenklatur, gemäß der beispielsweise der Ausdruck "Carbonsäure" die Säure als solches bezeichnet, und nicht ihr Metallsalz. Ferner wird diese wörtliche Auslegung auch durch die Beschreibung des Streitpatents gestützt. So diskutiert das Streitpatent in den Absätzen [0010] bis [0012] Stand der Technik, welcher das Polyamin in einer mit einer Fremdsubstanz deaktivierten Form einsetzt (Absatz [0010]: mikroverkapseltes Polyamin, Absatz [0011]: mit anorganischen Deaktivatoren deaktiviertes Polyamin und Absatz [0012]: mit feinen Teilchen beschichtetes Polyamin). Auch wird in Absatz [0041] nach Beschreibung der erfindungsgemäßen Zusammensetzungen festgestellt, dass diese einen wesentlichen Vorteil gegenüber den aus dem Stand der Technik bekannten oberflächenverkapselten oder oberflächendeaktivierten Aminen aufweisen. Somit wird in der Beschreibung klar zwischen einem festen Polyamin als solchem, wie in den Ansprüchen gefordert, und einem oberflächenverkapselten oder oberflächendesaktivierten Amin unterschieden.

Daher schließen die Ansprüche 1 und 11 die in D3 (unabhängige Ansprüche 1 und 5 und Seite 2, Zeile 37 bis 44) offenbarte Beschichtung des Amins mit feinen Teilchen aus. Das in den Ansprüchen geforderte feste Polyamin stellt somit ein erstes Unterscheidungsmerkmal dar.

1.2.4 Es war auch strittig, ob D3 den anspruchsgemäßen Unterschuss an Aminogruppen von 10 bis 30% (Anspruch 1) bzw. 20% bis 30% (Anspruch 11) offenbart.

1.2.5 Wie vom Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung anerkannt, ist das Verhältnis von Aminogruppen zu Isocyanatgruppen in allen Beispielen der D3 nahezu äquimolar, entsprechend keinem Aminogruppenunterschuss, und damit nicht anspruchsgemäß.

1.2.6 Lediglich auf Seite 3, Zeile 55 bis 56 der D3 wird ein Bereich für das Verhältnis von Aminogruppen zu Isocyanatgruppen von 1:0.5 bis 2.0 offenbart, der einem 50%igen Überschuss bis zu einem 50%igen Unterschuss an Aminogruppen gegenüber Isocyanatgruppen entspricht. Vom Beschwerdeführer wurde argumentiert, dass dieser Bereich Werte zwischen 10% und 30% bzw. 20% und 30% umfasst und damit die anspruchsgemäßen Bereiche neuheitsschädlich vorwegnimmt.

Allerdings bezieht sich der Bereich in D3 auf alle in der Zusammensetzung befindlichen Isocyanatgruppen, d.h. die der Polyisocyanat- und/oder Urethanprepolymerkomponente. Somit umfasst der in D3 offenbarte Bereich die anspruchsgemäßen Bereiche nur dann, wenn man die Alternative auswählt, dass sich dieser Bereich der D3 ausschließlich auf die in der Urethanprepolymerkomponente befindlichen Isocyanatgruppen bezieht.

Ferner besteht lediglich eine Überlappung des in D3 angegebenen Bereiches (50%iger Überschuss bis 50%iger Unterschuss) mit den anspruchsgemäßen Bereichen (10-30% bzw. 20-30%). Somit müsste neben der Wahl der oben diskutierten Alternative eine zweite Auswahl dahingehend erfolgen, dass aus dem breiten in D3 offenbarten Bereich Werte ausgewählt werden, die in den engeren anspruchsgemäßen Bereichen liegen.

Schließlich überlappen auch die in D3 offenbarten Bereiche für den Schmelzpunkt (mindestens 50°C) und die mittlere Teilchengröße (höchstens 20 µm) lediglich mit den in den Ansprüchen 1 und 11 angegebenen Bereichen (Schmelzpunkt: oberhalb von 55°C; Teilchengröße: 5-50 µm).

Somit ist, selbst wenn man den oben diskutierten Unterschied hinsichtlich des festen Polyamins außeracht lässt, eine Vierfachauswahl erforderlich, um zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 zu gelangen. In D3 liegt jedoch keinerlei Hinweis auf eine solche Vierfachauswahl vor. Daher begründet auch die Notwendigkeit dieser Vierfachauswahl die Neuheit gegenüber D3.

Diesbezüglich ist die vom Beschwerdeführer zitierte Entscheidung T 279/89 nicht einschlägig, da diese Entscheidung keine Mehrfachauswahl aus verschiedenen Bereichen betrifft, sondern sich lediglich mit der Neuheit eines mit einem im Stand der Technik offenbarten Bereich überlappenden Bereiches befasst.

1.2.7 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 ist daher neu gegenüber D3.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Das Streitpatent befasst sich mit einkomponentigen Kleb- und Dichtstoffen, die sowohl hitze- als auch feuchtigkeitshärtbar sind, für die Verwendung als Montageklebstoff in der Fahrzeugindustrie (Absatz [0001]). Durch die zwei Härtungsmechanismen können nach einer Hitzehärtung noch unvollständig ausgehärtete Bereiche durch anschließende Feuchtigkeitshärtung vollständig durchgehärtet werden (Absatz [0009]).

2.2 Gemäß Beschwerdeführer mangelt es dem Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 an erfinderischer Tätigkeit gegenüber den Dokumenten D1, D2 oder D3, die alle als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden können.

2.2.1 D2 ist wie das Streitpatent auf Klebstoffsysteme für die Verwendung im Fahrzeugbereich gerichtet (Seite 7, Zeile 19 bis 21 und Anspruch 13 der D2). Wie das Streitpatent beschäftigt sich D2 insbesondere mit hitze- und feuchtigkeitshärtenden Klebstoffsystemen, in denen nach einer Hitzehärtung noch unvollständig ausgehärtete Stellen durch anschließende Feuchtigkeitshärtung vollständig ausgehärtet werden können (Seite 5, Zeile 2 bis 13 und Seite 7, Zeile 4 bis 8).

D3 offenbart hitzehärtbare Zusammensetzungen zur Verwendung als Klebstoff, Dichtstoff, Beschichtungsmittel oder zur Herstellung anderer geformter Produkte (Seite 2, Zeile 5 bis 7). D3 offenbart keinerlei Feuchtigkeitshärtung, geschweige denn, dass dadurch eine vollständige Aushärtung vorher nicht vollständig durchgehärteter Bereiche erreicht werden soll.

D1 bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Elastomeren, die als Formkörper, beispielsweise Reifen oder Rollen, Keilriemen, Dichtungen, Folien, Textilbeschichtungen, Polyurethanpulvern oder Schaumstoffe eingesetzt werden können (Seite 10, Zeile 21 bis 33). Ein hitze- und feuchtigkeitshärtendes Kleb- oder Dichtstoffsystem wird nicht beschrieben. Somit ist D1 noch weiter als D3 vom Gegenstand des Streitpatentes entfernt.

Daher ist D2 im Einklang mit dem Vorbringen des Beschwerdegegners und der Entscheidung der Einspruchsabteilung als der nächstliegende Stand der Technik zu betrachten.

2.2.2 D2 (Seite 4, Zeile 24 bis 29 und Anspruch 1) offenbart eine Einkomponenten-Klebstoffzusammensetzung enthaltend ein isocyanatfunktionelles Prepolymer und wenigstens einen mit Wärme aktivierbaren Härter. Das stöchiometrische Verhältnis zwischen genanntem Prepolymer und genanntem Härter ist hierbei derart gewählt, dass bei einer Erwärmung der genannten Zusammensetzung auf 60°C bis 180°C lediglich eine Teilvernetzung erfolgt (Seite 4, Zeile 30 bis 34, Seite 5, Zeile 1 bis 10 und Anspruch 1). Durch die anschließende Einwirkung von Wasser, z.B. Luftfeuchtigkeit, wird eine vollständige Vernetzung erreicht (Seite 5, Zeile 11 bis 13).

Nach der Wärmehärtung wird eine bei erhöhter Temperatur förderbare und standfeste Masse mit hochviskosen und plastischen Eigenschaften erhalten (Seite 4, Zeile 34 bis 35, Seite 5, Zeile 10 bis 11 und Zeile 21 bis 23), welche einen in situ hergestellten reaktiven Schmelzklebstoff darstellt (Seite 5, Zeile 24 bis 26).

Durch die nachfolgende vollständige Vernetzung mit Feuchtigkeit wird ein Produkt erhalten, welches elastische Eigenschaften aufweist (Seite 5, Zeile 14 bis 15).

Als besonders geeigneter Härter wird das Natriumschlorid-Komplex-Salz von

4,4'-Diaminodiphenylmethan beschrieben (Seite 6, Zeile 31 bis Seite 7, Zeile 1), beispielsweise Caytur**(®) 21 (Beispiel 1 und 2). Durch die Komplexbildung mit Natriumchlorid sind die Aminogruppen inaktiviert und werden erst durch Hitzeeinwirkung reaktiv (Seite 6, Zeile 26 bis 35). Somit liegt das Amin in D2 komplexiert und damit nicht als festes Polyamin im Sinne der Ansprüche 1 und 11 vor (siehe Punkt 1.2.3).

D2 nennt die Teilchengröße des Härters nicht. Das Caytur**(®) 21 weist gemäß D9 eine Teilchengröße von maximal 4 mym auf, was unterhalb der anspruchsgemäßen Untergrenze von 5 mym liegt.

Als stöchiometrisches Verhältnis zwischen Prepolymer und Härter wird in D2 (Anspruch 2) 20:1 bis 100:95, vorzugsweise 10:1 bis 2:1 angegeben, entsprechend einem Aminogruppenunterschuss von 95% bis 5%, bevorzugt 90% bis 50%. Der breite Bereich umfasst die in den Ansprüchen 1 und 11 geforderten Bereiche von 10% bis 30% bzw. 20% bis 30%, der bevorzugte Bereich liegt oberhalb der anspruchsgemäßen Obergrenzen.

Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 unterscheidet sich von D2 somit dadurch, dass das unlösliche Amin als festes unkomplexiertes Polyamin vorliegt und eine mittlere Teilchengröße von 5-50 mym aufweist und dass ein Unterschuss an Aminogruppen von 10-30% bzw. 20-30% aus dem in D2 offenbarten Bereich von 5-95% ausgewählt wurde, der unterhalb des in D2 bevorzugten Bereiches von 50-90% liegt.

2.2.3 Vom Beschwerdegegner wurde ausgeführt, dass dem Streitpatent gegenüber D2 die Aufgabe zugrunde liegt, ein einfacheres lagerstabiles Klebstoffsystem bereitzustellen, welches nach kurzer thermischer Aushärtung bereits eine hohe Reißfestigkeit aufweist (siehe auch Absatz [0047] des Streitpatents).

2.2.4 Anspruchsgemäß wird ein festes Polyamin als solches eingesetzt, welches bei Temperaturen unter 40°C in der Prepolymerzubereitung unlöslich ist. Die Unlöslichkeit bedingt, dass das Polyamin nicht reaktiv und das Klebstoffsystem damit lagerstabil ist. Ferner besitzt das Polyamin einen einfachen Aufbau, da auf eine Komplexierung verzichtet werden kann.

Wie oben ausgeführt, wird aus dem breiten in D2 offenbarten Bereich von 5-95% anspruchsgemäß gezielt ein Unterschuss an Polyamin von 10-30%, bzw. 20-30% ausgewählt, der unterhalb des in D2 bevorzugten Bereiches von 50-90% liegt. Dieser im Vergleich zum bevorzugten Bereich der D2 gewählte geringere Unterschuss impliziert das Vorhandensein einer größeren Anzahl von Aminogruppen, die dann während der Hitzehärtung mit den Isocyanatgruppen reagieren können. Infolge dessen wird durch die Hitzehärtung eine weitgehende Vernetzung und dadurch bedingt eine gute Reißfestigkeit erhalten. Im Gegensatz hierzu ist in D2 ein höherer Unterschuss und dadurch bedingt ein geringerer Aminogruppengehalt bevorzugt. Wie oben ausgeführt (Punkt 2.2.2) stellt D2 eigentlich auf ein Klebstoffsystem ab, das nach der Hitzehärtung noch plastisch und bei höheren Temperaturen sogar noch pumpbar ist. Daher kann in D2 nach der Hitzehärtung noch nicht von einer Reißfestigkeit ausgegangen werden. Tatsächlich wird der Kleber in D2 nach der Hitzehärtung als in situ hergestellter Schmelzklebstoff bezeichnet (Seite 5, Zeile 25), was impliziert, dass die eigentliche Härtung erst nach der Hitzehärtung in Form der Feuchtigkeitshärtung stattfindet und erst dann eine entsprechende Reißfestigkeit erreicht wird.

Schließlich wird in Beispiel 1 des Streitpatents auch gezeigt, dass ein anspruchsgemäßes Klebstoffsystem bei üblichen Lagertemperaturen bis zu 40°C lagerstabil ist und nach kurzer thermischer Aushärtung bei 70°C bereits eine hohe Reißfestigkeit aufweist (Absatz [0047]).

Es ist somit glaubhaft, dass die vom Beschwerdegegner genannte Aufgabe gegenüber D2 gelöst wurde. Diese Aufgabe stellt daher die objektive technische Aufgabe dar.

2.2.5 D2 enthält keinerlei Hinweis, zur Vereinfachung des Klebstoffsystems anstelle des komplexierten Polyamins das Polyamin als solches einzusetzen oder den anspruchsgemäßen Aminogruppenunterschuss zum Erzielen einer hohen Reißfestigkeit nach thermischer Härtung gezielt auszuwählen.

2.2.6 Wie oben ausgeführt wurde, verwendet auch D3 das Polyamin nicht als solches sondern in beschichteter Form. Gemäß den Referenzbeispielen 1 und 2 der D3 führt die Verwendung von reinem Polyamin (Dodecandiamin) zu einer fehlenden Lagerstabilität des Klebstoffsystems. So ist die Viskosität in diesen Referenzbeispielen bereits nach einem Tag gegenüber Systemen mit beschichtetem Polyamin erhöht (Tabelle 1). Vom Beschwerdeführer wurde diesbezüglich argumentiert, dass nicht klar sei, ab welcher Viskositätserhöhung ein System nicht mehr lagerstabil sei. Daher könne das Klebstoffsystem des Referenzbeispiels 1 der D3 noch als lagerstabil angesehen werden. Dem steht jedoch entgegen, dass der Begriff "lagerstabil" in Absatz [0040] des Streitpatents dahingehend definiert ist, dass keinerlei Reaktion des Härters mit dem Prepolymeren während der Lagerung stattfindet, was eine Viskositätserhöhung klar ausschließt. D3 lehrt daher von der Verwendung von Polyamin als solchem weg. Aus diesem Grund hätte der mit der Aufgabe betraute Fachmann, ein einfacheres lagerstabiles Klebstoffsystem bereitzustellen, bei Berücksichtigung der D3 keine Veranlassung gehabt, anstelle des in D3 offenbarten beschichteten festen Polyamins das feste Polyamin als solches in D2 einzusetzen.

Ferner fehlt in D3 ein Hinweis darauf, dass in einem hitze- und feuchtigkeitshärtenden System eine gute Reißfestigkeit bereits nach der Hitzehärtung dadurch erhalten wird, dass ein Aminogruppenunterschuss im anspruchsgemäßen Bereich gewählt wird.

2.2.7 Wie D2 lehrt auch das vom Beschwerdeführer genannte D13 ein Klebstoffsystem, welches ein komplexiertes Polyamin mit einem Aminogruppenunterschuss oberhalb der anspruchsgemäßen Obergrenze aufweist und nach der Hitzehärtung noch plastisch verformbar und damit nicht reißfest ist (Seite 252 bis 253). Daher würde der von D2 ausgehende und mit der objektiven technischen Aufgabe betraute Fachmann auch unter Berücksichtigung von D13 nicht zum Anspruchsgegenstand gelangen.

Vom Beschwerdeführer wurde noch schriftlich vorgetragen, dass ein anspruchsgemäßer Unterschuss bereits aus D14 bekannt sei und dieser, da kein unerwarteter Effekt belegt worden sei, die erfinderische Tätigkeit nicht begründen könne. Dieses Argument muss jedoch fehlgehen, da es, wie oben ausgeführt, glaubhaft ist, dass ein unerwarteter Effekt dahingehend vorliegt, dass bereits nach der Hitzehärtung eine guten Reißfestigkeit erhalten wird.

Somit ist der Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 sowohl gegenüber D2 allein, als auch in Kombination mit dem weiteren zitierten Stand der Technik D3, D13 und D14 erfinderisch.

2.3 Vom Beschwerdeführer wurde auch der Gegenstand der übrigen unabhängigen Verfahrensansprüche 4, 6 und 7 ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik für nicht erfinderisch betrachtet.

Diese Ansprüche sind aber hinsichtlich des Härters in gleicher Weise wie Ansprüche 1 und 11 auf ein festes Polyamin als solches beschränkt. Aus den hinsichtlich dieser Ansprüche genannten Gründen würde der von D2 ausgehende Fachmann solche Härter nicht einsetzen.

Ferner erfordern die Ansprüche 4, 6 und 7 eine Applikation des Klebstoffsystems vor der Hitzehärtung (im Streitpatent wird nach der Hitzehärtung ein reißfestes und damit nicht mehr applizierbares System angestrebt), während in D2 wie oben ausgeführt die Klebstoffzusammensetzung nach der Hitzehärtung noch pumpbar ist und entsprechend erst nach der Hitzehärtung appliziert wird. Es fehlt in D2 jeglicher Hinweis auf ein Verfahren, bei dem die Applikation bereits vor der Hitzehärtung erfolgt. Im Gegenteil liegt, wie oben bereits dargestellt, die Zielsetzung in D2 gerade darin, einen in situ hergestellten Schmelzklebstoff bereitzustellen, der erst nach der Hitzehärtung appliziert und durch Feuchtigkeit ausgehärtet wird (Seite 5, Zeile 24 bis 27). Ein Hinweis auf eine Applikation vor der Hitzehärtung ist auch im übrigen zitierten Stand der Technik nicht zu finden. Somit ist auch der Gegenstand der Ansprüche 4, 6 und 7, und damit einhergehend der Gegenstand aller übrigen Ansprüche erfinderisch.

3. Zulässigkeit der D15

Der Beschwerdeführer reichte mit seinem Schreiben vom 13. November 2014, d. h. nach der Beschwerdebegründung, ein neues Dokument D15 ein, von dem ausgehend ein neuer Angriff auf die erfinderische Tätigkeit vorgetragen wurde. Zwischen den Parteien war die Relevanz und damit einhergehend die Zulässigkeit dieses Dokuments strittig.

D15 stellt wie D2 auf Klebstoffsysteme mit festen deaktivierten Polyaminhärtern ab, nämlich solchen, die durch Reaktion mit Formaldehyd deaktiviert sind (Anspruch 1). Es lehrt sogar von den anspruchsgemäßen festen Polyaminen weg, da es in den Beispielen I und II offenbart, dass ein unbehandelter Orthotolidinhärter im Gegensatz zu mit Formaldehyd behandeltem Orthotolidin zu keiner ausreichenden Lagerstabilität führt. Ferner enthält D15 analog zu D2 keinerlei Hinweis, dass in einem hitze- und feuchtigkeitshärtenden Klebstoffsystem durch den in Anspruch 1 und 11 geforderten Aminogruppenunterschuss eine gute Reißfestigkeit bereits nach der Hitzehärtung erhalten wird und dass entsprechend die Applikation des Klebstoffsystems vor der Hitzehärtung erfolgt. Somit fügt D15 der Offenbarung der D2 nichts hinzu. Daher hat die Kammer entschieden, D15 nicht in das Verfahren zuzulassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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