T 2274/13 () of 13.12.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T227413.20181213
Datum der Entscheidung: 13 Dezember 2018
Aktenzeichen: T 2274/13
Anmeldenummer: 01986760.5
IPC-Klasse: G01D 3/08
G01D 18/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: POSITIONSMESSEINRICHTUNG UND VERFAHREN ZUM BETRIEB EINER POSITIONSMESSEINRICHTUNG
Name des Anmelders: Dr. Johannes Heidenhain GmbH
Name des Einsprechenden: SICK STEGMANN GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
Schlagwörter: Geänderte Patentansprüche - Klarheit (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Behauptete offenkundige Vorbenutzungen - Nachweis erforderlich - (nein) da Vorbenutzungen nicht relevant
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 327 119 in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten.

II. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat im erstinstanzlichen Verfahren nur offenkundige Vorbenutzungen geltend gemacht.

Sie hat behauptet, dass sie unter Max Stegmann GmbH firmierend im Jahre 1992 eine Positionsmesseinrichtung (Drehgeber) entwickelt habe, die sie unter der Bezeichnung "SINCOS" auf den Markt gebracht habe und in den folgenden Jahren in verschiedenen Ausführungen, wie z.B. als die SINCOS-Geber SCS60/SCM 60 und SCS-Kit 101, in großen Stückzahlen produziert und vertrieben habe.

Zum Nachweis dieser Behauptungen hat die Beschwerdegegnerin im erstinstanzlichen Verfahren die schriftlichen Beweismittel

D1: DE 42 20 502 C1,

D2: STEGMANN Antriebstechnik - Elektronik, "SINCOS - Die neue Dimension für Servomotoren", SONDERDRUCK aus Elektronik 16/1994, Franzis-Verlag, und

D3: STEGMANN: Übersichtskatalog "Angular and positional measurement", September 1998 (1998-09)

eingereicht und auch Zeugen benannt.

Des Weiteren hat die Beschwerdegegnerin im erstinstanzlichen Verfahren behauptet, dass sie 1998 eine Diagnose-Software zum digitalen Auslesen der geberinternen analogen Sinus- und Kosinus-Signale und deren Anzeige entwickelt und ihren Kunden für die Prüfung der SINCOS-Geber zur Verfügung gestellt habe. Da die SINCOS-Geber an eine Vielzahl unterschiedlicher Kunden ohne jegliche Geheimhaltungspflicht vertrieben worden seien, sei entsprechend auch die Diagnose-Software an eine Vielzahl von Kunden ausgeliefert worden.

Zum Nachweis dieser Behauptung hat sie einen Zeugen benannt.

Die Beschwerdegegnerin hat im erstinstanzlichen Verfahren beispielhaft drei Einzelfälle angegeben, durch welche die Diagnose-Software Mitarbeitern von Kundenfirmen und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, und dazu Folgendes behauptet:

a) Sie habe ohne jegliche Geheimhaltungspflicht einen Drehgeber mit der Bezeichnung "SINCOS" (SINCOS-Geber) des Typs SCM60 an die Firma ELAU AG vertrieben und danach am 16. November 1999 bei der Firma ELAU AG vier dieser SINCOS-Geber mit einer Diagnosesoftware geprüft (im Folgenden "Vorbenutzung Elau" genannt).

b) Es sei am 10. Februar 1999 bei der Firma Harmonic Drive Antriebstechnik GmbH ohne jegliche Geheimhaltungspflicht ein SINCOS-Geber des Typs SCM-Kit 101-25 montiert, in Betrieb genommen und mit der Diagnosesoftware geprüft worden (im Folgenden "Vorbenutzung Harmonic Drive" genannt).

c) Es sei die Diagnosesoftware für den SINCOS-Geber SCM-Kit 101 mit E-Mail vom 22. März 2000 von Herrn Mutschler von der Einsprechenden an Herrn Beltman von der Firma CCM Center for Concepts in Mechatronics B.V ohne jegliche Geheimhaltungspflicht ausgeliefert worden (im Folgenden "Vorbenutzung CCM" genannt).

Zum Nachweis dieser Behauptungen hat die Beschwerdegegnerin weitere schriftliche Beweismittel eingereicht und auch Zeugen benannt.

III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat im erstinstanzlichen Verfahren sämtliche behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen bestritten.

IV. Die Einspruchsabteilung hatte ihre Entscheidung insbesondere damit begründet, dass die Vorbenutzungen Harmonic Drive und CCM hinreichend bewiesen seien und daher zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehörten und dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 3 des erteilten Patents gegenüber diesen offenkundigen Vorbenutzungen nicht neu sei, das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand habe, unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin gemäß Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen jedoch den Erfordernissen des EPÜ genügten.

V. In ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) gemäß Hauptantrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch unter Aufrechterhaltung des Patents in erteiltem Umfang zurückzuweisen, hilfsweise das Patent auf der Grundlage der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche gemäß Hilfsantrag beschränkt aufrechtzuerhalten. Weiter beantragte sie hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte in ihrer Beschwerdeerwiderung, die Beschwerde zurückzuweisen. Ein Antrag auf mündliche Verhandlung wurde nicht gestellt.

VII. Mit Schreiben vom 5. August 2014 nahm die Beschwerdeführerin zu der Beschwerdeerwiderung Stellung und beantragte erneut, den Einspruch zurückzuweisen.

VIII. Am 17. Juli 2018 erging eine Ladung der Beteiligten zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 23. und 24. Oktober 2018.

IX. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK mit Datum vom 2. August 2018 vertrat die Kammer die vorläufige Meinung, dass es für die Frage der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt nach dem Vorbringen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren darauf ankomme, ob die von der Beschwerdegegnerin behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen nachgewiesen würden und damit der angeblich vorbenutzte Gegenstand zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ 1973 gehöre und ob einer der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit (Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 54 (1) EPÜ 1973) und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 56 EPÜ 1973) greife. Dabei sei zu überprüfen, ob ein vorbenutzter Gegenstand mit den von der Beschwerdegegnerin behaupteten technischen Merkmalen den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neuheitsschädlich treffen bzw. dessen Beruhen auf erfinderischer Tätigkeit ausschließen würde. Für diese Diskussion komme es auch auf die Offenbarung der Dokumente D1 und D2 an, da sich die Beschwerdegegnerin bezüglich der von ihr behaupteten technischen Merkmale des vorbenutzten Gegenstands auch auf diese Dokumente beziehe.

Bezüglich der mit der Beschwerdebegründung eingereichten geänderten Ansprüche gemäß Hilfsantrag, die neben den der erstinstanzlichen Entscheidung zugrundeliegenden Verfahrensansprüchen wieder die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Vorrichtungsansprüche 1 und 2 umfassen, vertrat die Kammer in ihrem Bescheid die vorläufige Auffassung, dass entgegen dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin der Vorrichtungsanspruch 1 hinreichend klar sei.

X. Mit Schreiben vom 14. September 2018 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche 1 - 9 gemäß einem neuen Hauptantrag ein und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im Umfang der eingereichten Ansprüche gemäß Hauptantrag beschränkt aufrechtzuerhalten. Sie führte weiter dazu aus, dass der neue Hauptantrag dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag entspreche. Sie nahm ferner ihren in der Beschwerdebegründung gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und regte an, über die Beschwerde im schriftlichen Verfahren zu entscheiden und den Termin der für den 23. Oktober 2018 anberaumten mündlichen Verhandlung aufzuheben.

XI. Auf die Mitteilung der Beschwerdekammer und die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 14. September 2018 teilte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 14. September 2018 Folgendes mit:

"Hiermit wird der Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und der Anregung der Patentinhaberin zugestimmt, über die Beschwerde im schriftlichen Verfahren zu entscheiden und den Termin der für den 23. Oktober 2018 anberaumten mündlichen Verhandlung aufzuheben."

In der Sache erhob die Beschwerdegegnerin keine weiteren Einwände.

XII. In einer weiteren Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK mit Datum vom 25. September 2018 teilte die Kammer den Beteiligten mit, dass sie davon ausgehe, dass der mit Schreiben vom 14. September 2018 gestellte Hauptantrag der einzige Antrag der Beschwerdeführerin sei und dass der vorherige, auf die Zurückweisung des Einspruchs gerichtete Hauptantrag zurückgenommen werde. Darüber hinaus stellte die Kammer fest, dass der neue Hauptantrag keine Angaben darüber mache, mit welcher Beschreibung und welchen Zeichnungen das Patent in geändertem Umfang gemäß diesem einzigen Antrag aufrechterhalten werden solle.

XIII. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2018 bestätigte die Beschwerdeführerin die Rücknahme ihres vorherigen, auf die Zurückweisung des Einspruchs gerichteten Hautantrags und reichte geänderte Beschreibungsseiten 1 - 9 ein.

Sie beantragte gemäß dem einzigen Antrag, der beschränkten Aufrechterhaltung des Patents

- die Ansprüche, eingereicht mit Schreiben vom 14. September 2018,

- die Beschreibung, eingereicht mit Schreiben vom 2. Oktober 2018, und

- die Zeichnungen des erteilten Patents

zu Grunde zu legen.

XIV. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2018 teilte die Beschwerdegegnerin mit, dass ihrerseits keine weitere Stellungnahme eingereicht werde.

XV. In einer Mitteilung vom 24. Oktober 2018, die vorab am 19. Oktober 2018 per Telefax an die Beteiligten gesendet wurde, teilte die Geschäftsstellenbeamtin der Kammer den Beteiligten mit, dass der für den 23. und 24. Oktober 2018 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben worden sei.

XVI. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 3 gemäß einzigem Antrag, eingereicht am 14. September 2018, lauten wie folgt:

"1. Anordnung, mit einer Positionsmesseinrichtung (100) mit

- Abtastelementen (6 bis 10), die zumindest einer relativ dazu beweglichen periodischen Messteilung (2, 3, 4) zugeordnet sind und diese abtasten;

- einem Baustein (11) zur Bildung eines Positionsmesswertes, wobei Abtastsignale (S6 bis S10) mehrerer Abtastelemente (6 bis 10) an diesem Baustein (11) anliegen und am Ausgang ein die Position definierendes Codewort (P) ansteht;

- einem Ausgabebaustein (14) zur digitalen Ausgabe des Codewortes (P) auf einem Datenkanal (12),

wobei an die Positionsmesseinrichtung (100) eine Folgeelektronik (300) angeschlossen ist, von der ein die Position definierendes Codewort (P) angefordert werden kann, woraufhin auf dem Datenkanal (12) das die Position definierende Codewort (P) übertragen wird,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Positionsmesseinrichtung (100) eine Umsetzeinrichtung (17, 18) zur Umsetzung mehrerer gegeneinander phasenverschobener analoger Abtastsignale (S6, S7) von Abtastelementen (6, 7) zumindest einer periodischen Messteilung (2), in jeweils ein mehrstelliges amplitudenproportionales Codewort (D6, D6', D7, D7'), aufweist, wobei diese Codeworte (D6, D6', D7, D7') ebenfalls am Ausgabebaustein (14) zur Ausgabe auf dem genannten Datenkanal (12) anliegen und über den Ausgabebaustein (14) digital auf dem Datenkanal (12) übertragbar sind, wobei auf die Anforderung eines die Position definierenden Codewortes (P) durch die Folgeelektronik (300) zusätzlich zumindest ein Teil eines der amplitudenproportionalen Codeworte (D6, D7) auf dem Datenkanal (12) übertragen wird und wobei an den Datenkanal (12) eine Diagnoseeinrichtung (200) angeschlossen ist, die aufgrund der Adressierung des auf dem Datenkanal (12) ankommenden Datenstroms die amplitudenproportionalen Codeworte (D6, D7) zur Diagnose herausfiltert."

"3. Verfahren zum Betrieb einer Positionsmesseinrichtung (100), bei dem zumindest eine periodische Messteilung (2) zur Erzeugung von positionsabhängigen Abtastsignalen (S6, S7) abgetastet wird und aus mehreren Abtastsignalen (S6 bis S10) ein Positionsmesswert gebildet wird, der als Codewort (P) auf einem Datenkanal (12) zu einer Folgeelektronik (300) übertragen wird, wobei das die Position definierende Codewort (P) von der Folgeelektronik (300) angefordert und daraufhin auf dem Datenkanal (12) übertragen wird,

dadurch gekennzeichnet,

dass mehrere gegeneinander phasenverschobene analoge Abtastsignale (S6, S7) in jeweils ein mehrstelliges amplitudenproportionales Codewort (D6, D6', D7, D7') umgesetzt werden und das die Position definierende Codewort (P) und die amplitudenproportionalen Codeworte (D6, D6', D7, D7') digital auf dem genannten Datenkanal (12) zur Folgeelektronik (300) übertragen werden, wobei auf die Anforderung eines die Position definierenden Codewortes (P) durch die Folgeelektronik (300) zusätzlich zumindest ein Teil eines der amplitudenproportionalen Codeworte (D6, D7) auf dem Datenkanal (12) übertragen wird und wobei eine Diagnoseeinrichtung (200) aufgrund der Adressierung des auf dem Datenkanal (12) ankommenden Datenstroms die amplitudenproportionalen Codeworte (D6, D7) zur Diagnose herausfiltert."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Einziger Antrag der Beschwerdeführerin

2. Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ)

2.1 Der unabhängige Anspruch 1 basiert auf dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 mit den folgenden zusätzlichen Merkmalen aus der ursprünglich eingereichten Anmeldung:

- wobei an die Positionsmesseinrichtung (100) eine Folgeelektronik (300) angeschlossen ist (vgl. Beschreibungsseite 4, Zeilen 26 - 28; Figur 1), von der ein die Position definierendes Codewort (P) angefordert werden kann, woraufhin auf dem Datenkanal (12) das die Position definierende Codewort (P) übertragen wird (vgl. Beschreibungsseite 8, Zeilen 8 - 10),

- wobei auf die Anforderung eines die Position definierenden Codewortes (P) durch die Folgeelektronik (300) zusätzlich zumindest ein Teil eines der amplitudenproportionalen Codeworte (D6, D7) auf dem Datenkanal (12) übertragen wird (vgl. Anspruch 6), und

- wobei an den Datenkanal (12) eine Diagnoseeinrichtung (200) angeschlossen ist (vgl. Figur 1), die aufgrund der Adressierung des auf dem Datenkanal (12) ankommenden Datenstroms die amplitudenproportionalen Codeworte (D6, D7) zur Diagnose herausfiltert (vgl. Beschreibungsseite 9, Zeile 32 - Beschreibungsseite 10, Zeile 1).

2.2 Der unabhängige Verfahrensanspruch 3 basiert auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 3 und 6 mit folgenden zusätzlichen Merkmalen aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung:

- Die amplitudenproportionalen Codeworte werden digital auf dem Datenkanal übertragen (vgl. Seite 5, Zeilen 17 - 22),

- wobei eine Diagnoseeinrichtung (200) aufgrund der Adressierung des auf dem Datenkanal (12) ankommenden Datenstroms die amplitudenproportionalen Codeworte (D6, D7) zur Diagnose herausfiltert (vgl. Seite 9, Zeile 32 - Seite 10, Zeile 1).

2.3 Alle Merkmale der Ansprüche 1 und 3 sind somit in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 3 erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

2.4 Im Vergleich zu dem Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 und 3 wurde der Gegenstand der vorliegenden Ansprüche 1 und 3 durch zusätzlich hinzugefügte Merkmale weiter eingeschränkt. Daher erfüllen die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 3 gemäß dem nun vorliegenden einzigen Antrag auch die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ.

2.5 Die Merkmale der abhängigen Ansprüche 2 und 4 - 9 entsprechen den Merkmalen der ursprünglich eingereichten Ansprüche 2, 4, 5 und 7 - 10.

3. Anspruch 1 - Klarheit (Artikel 84 EPÜ 1973)

3.1 Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin ist der Anspruch 1 nicht klar, da der kennzeichnende Teil des Vorrichtungsanspruchs durch Verfahrensschritte definiert sei.

3.2 Die Beschwerdeführerin vertrat die Auffassung, dass die Formulierung der Merkmale im kennzeichnenden Teil klar sei. Die Merkmale in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des ursprünglich eingereichten Anspruchs 6 seien zwar verfahrensmäßig formuliert, definierten aber gleichwohl die Vorrichtung in ihrem Betrieb. Die Positionsmesseinrichtung sei funktional zur Ausführung der im Anspruch angegebenen Handlungen ausgestaltet.

3.3 Die Kammer ist der Meinung, dass der ganze Wortlaut des Anspruchs 1 betrachtet werden muss und die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs nicht isoliert analysiert werden können. Die Definition im kennzeichnenden Teil des Anspruchs: "wobei auf die Anforderung eines die Position definierenden Codewortes (P) durch die Folgeelektronik (300) zusätzlich zumindest ein Teil eines der amplitudenproportionalen Codeworte (D6, D7) auf dem Datenkanal (12) übertragen wird" könnte als reiner Verfahrensschritt gesehen werden. In der Präambel des Anspruchs wurde jedoch bereits definiert, dass die Positionsmesseinrichtung einen Ausgabebaustein (14) zur digitalen Ausgabe des Codewortes (P) auf einem Datenkanal (12) aufweist, wobei an die Positionsmesseinrichtung (100) eine Folgeelektronik (300) angeschlossen ist, von der ein die Position definierendes Codewort (P) angefordert werden kann, woraufhin auf dem Datenkanal (12) das die Position definierende Codewort (P) übertragen wird. Dadurch wird deutlich, dass auf Aufforderung durch die Folgeelektronik die Positionsmesseinrichtung die zusätzliche Übertragung der amplitudenproportionalen Codeworte auf dem Datenkanal ausführt. Die Übertragung der amplitudenproportionalen Codeworte ist daher eine Eigenschaft der Positionsmesseinrichtung.

3.4 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Anspruch 1 die Klarheitserfordernisse des Artikels 84 EPÜ 1973 erfüllt.

4. Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ 1973)

4.1 Die Beschwerdegegnerin hat die Neuheit des Gegenstands der unabhängigen Ansprüche 1 und 3 nicht in Frage gestellt.

4.2 Die Kammer kann nicht erkennen, dass der angeblich vorbenutzte Gegenstand einer der behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen neuheitsschädlich sein könnte, selbst wenn dieser Gegenstand zum Stand der Technik gehören würde, da die von der Beschwerdegegnerin behaupteten technischen Merkmale des angeblich vorbenutzten Gegenstands nicht alle Merkmale des jeweiligen beanspruchten Gegenstands umfassen.

4.3 Nach den Behauptungen der Beschwerdegegnerin ist zunächst von einem Geber auszugehen, wie er in den Dokumenten D1 oder D2 offenbart sei.

4.4 Dokument D1 offenbart einen Singleturn-Geber mit einer Codierscheibe, auf der 4 Spuren 20, 24, 28 und 32 angeordnet sind (vgl. Figur 2), wobei jede Spur mit 4 Fotosensoren abgetastet wird, und die äußerste Spur 512 Perioden des Sinussignals und des Kosinussignals abgibt. Die Signale aller 16 Fotosensoren werden der Schaltung 36 zugeführt (Figur 1 und Figur 3). Dort gibt es Differenzverstärker 38 und zwei nachgeschaltete Sample-Hold Glieder 50, die die Signale von den Spuren seriell übernehmen und dem Mikrocontroller zur Digitalisierung bereitstellen. Das Sinus- und Kosinussignal sämtlicher Spuren wird dabei gleichzeitig abgetastet (vg. Spalte 6, Zeilen 52 - 60). Die Signale der feinsten Spur werden im normalen Betrieb unmittelbar zum Motorverstärker des Servomotors übertragen (vgl. Spalte 6, Zeilen 61 - 67). Weiter steht die sich aus sämtlichen Spuren ergebende absolute Winkelposition zur Verfügung, die in dem Mikrocontroller 52 zu einem digitalen Wort zusammengefügt wird und an einem Parameterausgang 56 zur Verfügung steht (vgl. Spalte 6, Zeile 67 - Spalte 7, Zeile 4).

4.5 Das Dokument D2 offenbart ebenfalls eine derartige Anordnung (vgl. insbesondere Figur 5 und der Kasten auf Seite 4 mit der Überschrift "Die physikalische Schnittstelle").

4.6 Keines der Dokumente D1 oder D2 offenbart jedoch eine Möglichkeit, die Kurvenverläufe der Sensorsignale bezüglich der Spuren mit gröberer Teilung in analoger Form oder in digitaler Form über den Mikrocontroller zu übertragen. Auch ist nicht vorgesehen, neben dem Motorverstärker (Folgeelektronik) eine Diagnoseeinrichtung an den Datenkanal anzuschließen, die aufgrund der Adressierung des auf dem Datenkanal ankommenden Datenstroms amplitudenproportionale Codeworte zur Diagnose herausfiltert.

4.7 Des Weiteren wurde von der Beschwerdegegnerin Folgendes behauptet:

Um die in den Dokumenten D1 und D2 offenbarten Geber auch im montierten Zustand prüfen zu können, sei gemäß den behaupteten Vorbenutzungen der Beschwerdegegnerin eine Diagnose-Software entwickelt worden, mit welcher die geberinternen analogen Sinus- und Kosinus-Signale ausgelesen und zur Prüfung hätten angezeigt werden können. Bei dieser Diagnose-Software werde über die bidirektionale digitale RS 485 - Schnittstelle des Parameterkanals des Gebers ein Anforderungssignal an den Geber geschickt, welches auch die Spur der Kodescheibe adressiere, deren Analogsignale angezeigt werden sollten. Auf dieses Anforderungssignal hin würden die analogen Sinus- und Kosinus-Signale der ausgewählten Spur geberintern amplitudenproportional digitalisiert und die jeweiligen amplitudenproportionalen Digitalwerte der Abtastsignale digital über die RS 485 - Schnittstelle des Parameterkanals übertragen. Die auf diese Weise übertragenen Sinus- und Kosinus-Signale könnten dann extern angezeigt werden. Hierzu würde insbesondere eine Bildschirmanzeige verwendet, bei welcher die Signale als Kreisdiagramm aufgetragen würden, das heißt das Sinus-Signal in der Y-Achse und das Kosinus-Signal in der X-Achse. Abweichungen des angezeigten Diagramms der Sinus- und Kosinus-Signale von der Kreisform wiesen auf Fehler in der Geberabtastung hin, während Exzentrizitäten des angezeigten Kreisdiagramms auf Justage - Fehler hinwiesen.

4.8 Gemäß diesen behaupteten weiteren technischen Merkmalen des angeblich vorbenutzten Gegenstands ist es aber nicht vorgesehen, neben der Diagnoseeinrichtung mit der Diagnosesoftware auch noch eine Folgeelektronik (Steuerung) mit dem Geber zu verbinden und die Diagnoseeinrichtung so einzurichten, dass sie aufgrund der Adressierung des auf dem Datenkanal ankommenden Datenstroms die amplitudenproportionalen Codeworte zur Diagnose herausfiltert.

4.9 Die Beschwerdeführerin hat auch im Beschwerdeverfahren die von der Beschwerdegegnerin behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen bestritten, und zwar sowohl hinsichtlich der technischen Merkmale des angeblich vorbenutzten Gegenstands als auch hinsichtlich der Offenkundigkeit dieser Vorbenutzungen.

Da der Gegenstand der von der Beschwerdegegnerin behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen, selbst wenn sie bewiesen werden würden, die Neuheit des Gegenstands der unabhängigen Ansprüche 1 und 3 wie oben dargelegt nicht vorwegnehmen würde, kommt es vorliegend auf einen Nachweis dieser behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen und auf die Frage, ob und inwieweit der Gegenstand dieser Vorbenutzungen zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ 1973 gehört, nicht an.

4.10 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 3 neu ist.

5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

5.1 Die Beschwerdegegnerin hat die erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Gegenstände nicht in Frage gestellt (vgl. insbesondere Beschwerdeerwiderung, Punkt 5).

5.2 Die Beschwerdeführerin führte in Abschnitt V der Beschwerdebegründung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands der geänderten Ansprüche gemäß ihrem damaligen Hilfsantrag Folgendes aus:

Die Einspruchsabteilung habe die Patentfähigkeit des Gegenstands des unabhängigen Verfahrensanspruchs 3 bereits festgestellt und der Vorrichtungsanspruch 1 gemäß Hilfsantrag entspreche in seinen Merkmalen diesem inhaltlich. Somit ergäben sich auch bezüglich des Vorrichtungsanspruchs keinerlei Zweifel an der Patentfähigkeit. Durch die in den unabhängigen Ansprüchen genannten Maßnahmen werde es insbesondere ermöglicht, die Diagnose einer Positionsmesseinrichtung auch bei angeschlossener und im Betrieb befindlicher Folgeelektronik durchzuführen. Dies vermöge der von der Beschwerdegegnerin behauptete Stand der Technik keinesfalls zu leisten. Es gebe auch keinerlei Hinweise, die einem Fachmann eine derartige Maßnahme nahelegen könnten.

5.3 Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beschwerdeführerin an. Auch die Kammer kann nicht erkennen, dass der angeblich vorbenutzte Gegenstand einer der behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen, selbst wenn er zum Stand der Technik gehören würde, den beanspruchten Gegenstand nahelegen könnte, da die von der Beschwerdegegnerin behaupteten technischen Merkmale des angeblich vorbenutzten Gegenstands nicht in naheliegender Weise zum jeweils beanspruchten Gegenstand führen.

5.4 Gemäß den behaupteten technischen Merkmalen des angeblich vorbenutzten Gegenstands ist es nicht vorgesehen, neben der Diagnoseeinrichtung mit der Diagnosesoftware auch noch eine Folgeelektronik (Steuerung) mit dem Geber zu verbinden und die Diagnoseeinrichtung so einzurichten, dass sie aufgrund der Adressierung des auf dem Datenkanal ankommenden Datenstroms die amplitudenproportionalen Codeworte zur Diagnose herausfiltert (vgl. Punkt 4.8 oben).

5.5 Diese Unterschiedsmerkmale bewirken, dass auch bei einer angeschlossenen Folgeelektronik eine Zustandskontrolle der Positionsmesseinrichtung möglich ist (vgl. Absatz [0039] der Patentschrift).

5.6 Ausgehend von dem angeblich vorbenutzten Gegenstand der behaupteten Vorbenutzungen als nächstliegendem Stand der Technik würde sich im Hinblick auf den beanspruchten Gegenstand somit die objektive technische Aufgabe stellen, die Diagnosemöglichkeit der Positionsmesseinrichtung weiter zu verbessern.

5.7 Der angeblich vorbenutzte Gegenstand der behaupteten Vorbenutzungen selbst legt es nicht nahe, neben der Diagnoseeinrichtung einen Motorverstärker (Folgeelektronik) an den Datenkanal anzuschließen, und die Diagnoseeinrichtung so auszulegen, dass sie aufgrund der Adressierung des auf dem Datenkanal ankommenden Datenstroms amplitudenproportionale Codeworte zur Diagnose herausfiltert. Ein weiterer Stand der Technik wurde im gesamten Einspruchsverfahren nicht zitiert.

5.8 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 3 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ 1973 beruht.

6. Die Ansprüche 2 und 4 bis 9 sind von den Ansprüchen 1 bzw. 3 abhängig und ihre Gegenstände erfüllen daher ebenso die Erfordernisse der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit. Die Kammer kann auch keine anderen Gründe erkennen, warum diese Ansprüche nicht gewährbar sein sollten.

7. Der relevante Stand der Technik ist in der Beschreibung gewürdigt, und die Beschreibung ist an die Ansprüche angepasst. Die Beschreibung erfüllt daher die Erfordernisse der Regel 27 (1) EPÜ 1973.

8. Aus den oben dargelegten Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass das Patent in der im Beschwerdeverfahren vorgelegten geänderten Fassung gemäß einzigem Antrag der Beschwerdeführerin nach Artikel 101 (3) a) EPÜ aufrechterhalten werden kann. Daher weist die Kammer die Angelegenheit an die erste Instanz zurück (Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ 1973).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Fassung mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Beschreibung:

Seiten: 1 - 9, eingereicht mit Schreiben vom 2. Oktober 2018.

Ansprüche:

Nr.: 1 - 9, eingereicht mit Schreiben vom 14. September 2018.

Zeichnungen:

Figuren: 1 - 3 der Patentschrift.

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