T 2188/13 (Abrufbare Druckdatei/CORTADO) of 23.3.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T218813.20170323
Datum der Entscheidung: 23 März 2017
Aktenzeichen: T 2188/13
Anmeldenummer: 03090340.5
IPC-Klasse: G06F 3/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 431 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Ausgabe von Dateien in Kommunikationsnetzwerken, sowie computerlesbares Speichermedium
Name des Anmelders: Cortado AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung - Hauptantrag und Hilfsantrag II (ja)
Zulassung ins Verfahren - Hilfsantrag I (nein): verspätet und nicht prima facie gewährbar
Zulassung ins Verfahren - Hilfsantrag III (nein): verspätet und missbräuchliche Verfahrensführung
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1033/10
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung auf Zurückweisung der vorliegenden europäischen Patentanmeldung aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) gegenüber dem folgenden Stand der Technik:

D1: EP-A-1 176 502.

In einem Obiter Dictum wurden zudem verschiedene Interpretationsmöglichkeiten des Wortlauts vom damaligen Anspruch 1 angeführt.

II. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin,

a) als "Hauptantrag", die angefochtene Entscheidung aufzuheben, ein Patent auf der Grundlage des von der Prüfungsabteilung zurückgewiesenen Anspruchssatzes (Ansprüche 1 bis 17; eingereicht am 25. April 2013) zu erteilen und die Beschwerdegebühr zu erstatten;

b) als "Erster Hilfsantrag", die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des zurückgewiesenen Anspruchssatzes zu erteilen;

c) als "Zweiter Hilfsantrag", eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

III. Mit der Anlage zur Ladung für eine mündliche Verhandlung gemäß Artikel 15(1) VOBK (im Folgenden "Ladungsbescheid") teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Beschwerde mit. Hierbei erhob sie einen Einwand nach Artikel 123(2) EPÜ und bestätigte die Schlussfolgerung der Prüfungsabteilung, dass die unabhängigen Ansprüche keine erfinderische Tätigkeit gegenüber D1 aufweisen (Artikel 56 EPÜ 1973).

Der Einwand nach Artikel 123(2) EPÜ lautete folgendermaßen (vgl. Punkt 3.1 des Ladungsbescheids):

"Betreffend Merkmal C) offenbart die ursprünglich eingereichte Anmeldung, dass die Daten bzw. Dateien aus dem Kommunikationsnetzwerk abgerufen, angefordert oder ausgedruckt werden, nicht aber die aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei (vgl. Seite 3, Zeile 29 bis Seite 4, Zeile 19; Seite 9, Zeilen 10-21; Seite 10, Zeilen 9-17). Anspruch 1 scheint daher Artikel 123(2) EPÜ zu verletzen."

Zum Antrag auf Erstattung der Beschwerdegebühr merkte die Kammer abschließend an, dass eine solche Erstattung gemäß der (hier anzuwendenden) Regel 67 EPÜ 1973 nur in Frage komme, falls die Beschwerde als begründet erachtet werde und dass eine (möglicherweise) fehlerhafte Beurteilung der Neuheit bzw. erfinderischen Tätigkeit in der ersten Instanz - wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht - nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern keinen Verfahrensfehler, geschweige denn einen wesentlichen, darstelle.

IV. Mit ihrem Antwortschreiben vom 21. Februar 2017 brachte die Beschwerdeführerin Gegenargumente zu den Einwänden nach Artikel 123(2) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973 vor. Zur Frage der Erstattung der Beschwerdegebühr äußerte sie sich jedoch nicht.

V. Am 23. März 2017 fand die anberaumte mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf die Beschwerdeführerin drei neue Anspruchssätze als Hilfsanträge I, II und III einreichte. Die Zulässigkeit bzw. Gewährbarkeit aller vorliegenden Anspruchssätze wurde erörtert.

Die Beschwerdeführerin beantragte abschließend

a) als Hauptantrag, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben, ein Patent auf der Grundlage des zurückgewiesenen Anspruchssatzes (Ansprüche 1 bis 17) zu erteilen und die Beschwerdegebühr zu erstatten oder,

b) hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung als Hilfsanträge I, II oder III eingereichten Anspruchssätze zu erteilen.

Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung.

VI. Anspruch 1 des von der Prüfungsabteilung zurückgewiesenen Anspruchssatzes gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Datenausgabe/Ausgabe von Dateien in Kommunikationsnetzwerken, wobei ein Endgerät wenigstens die zum Zugriff auf zur Ausgabe bestimmte Daten/Dateien erforderlichen Informationen an eine Datenverarbeitungseinrichtung übermittelt, die Datenverarbeitungseinrichtung, gesteuert durch ein Computerprogramm, die zur Ausgabe bestimmten

Daten/Dateien von dem jeweiligen Speicherort abruft und einen Druckauftrag zum Ausdruck der Daten/Dateien startet,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Datenverarbeitungseinrichtung eine aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitstellt und dem Endgerät die zum Zugriff auf die bereitgestellte Druckdatei erforderlichen Informationen übermittelt, und- das Endgerät nach Übermittlung der zum Zugriff erforderlichen Informationen automatisch auf die Netzwerk-Adresse, unter der die aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitgestellt ist, zugreift, um die Druckdatei aus dem Kommunikationsnetzwerk abzurufen und auszudrucken, um die Daten/Dateien auszugeben, oder- die Druckdatei durch manuellen Abruf von der Netzwerk-Adresse, unter der die aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitgestellt ist, angefordert wird und die Druckdatei ausgedruckt wird, um die Daten/Dateien durch das Endgerät auszugeben."

Anspruch 1 von Hilfsantrag I hat folgenden Wortlaut (mit von der Kammer hervorgehobenen Änderungen in Bezug auf Anspruch 1 des Hauptantrags):

"Verfahren zur Datenausgabe/Ausgabe von Dateien in Kommunikationsnetzwerken, wobei ein Endgerät wenigstens die zum Zugriff auf zur Ausgabe bestimmte Daten/Dateien erforderlichen Informationen an eine Datenverarbeitungseinrichtung übermittelt, die Datenverarbeitungseinrichtung, gesteuert durch ein Computerprogramm, die zur Ausgabe bestimmten

Daten/Dateien von dem jeweiligen Speicherort abruft und einen Druckauftrag zum Ausdruck der Daten/Dateien startet,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Datenverarbeitungseinrichtung die aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei in eine Hypertext-Seite, insbesondere in eine html- oder

wml-Seite, einbettet und die die Druckdatei umfassende Hypertext-Seite in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitstellt und dem Endgerät die zum Zugriff auf die bereitgestellte Hypertext-Seite erforderlichen Informationen übermittelt, und- das Endgerät nach Übermittlung der zum Zugriff erforderlichen Informationen automatisch auf die Netzwerk-Adresse, unter der die die Druckdatei umfassende Hypertext-Seite in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitgestellt ist, zugreift, um die Hypertext-Seite aus dem Kommunikationsnetzwerk abzurufen und die (in die Hypertext-Seite eingebettete) Druckdatei auszudrucken, um die Daten/Dateien auszugeben, oder- die Hypertext-Seite durch manuellen Abruf von der Netzwerk-Adresse, unter der die die Druckdatei umfassende Hypertext-Seite in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitgestellt ist, angefordert wird, um die Daten/Dateien durch das Endgerät auszugeben." Anspruch 1 von Hilfsantrag II hat folgenden Wortlaut (mit von der Kammer hervorgehobenen Änderungen in Bezug auf Anspruch 1 des Hauptantrags):

"Verfahren zur Datenausgabe/Ausgabe von Dateien in Kommunikationsnetzwerken, wobei ein Endgerät wenigstens die zum Zugriff auf zur Ausgabe bestimmte Daten/Dateien erforderlichen Informationen an eine Datenverarbeitungseinrichtung übermittelt, die Datenverarbeitungseinrichtung, gesteuert durch ein Computerprogramm, die zur Ausgabe bestimmten

Daten/Dateien von dem jeweiligen Speicherort abruft und einen Druckauftrag zum Ausdruck der Daten/Dateien startet,

dadurch gekennzeichnet, dass

[deleted: die Datenverarbeitungseinrichtung] eine aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitstellt [sic] und dem Endgerät die zum Zugriff auf die bereitgestellte Druckdatei erforderlichen Informationen übermittelt, und- das Endgerät nach Übermittlung der zum Zugriff erforderlichen Informationen automatisch auf die Netzwerk-Adresse, unter der die bereitgestellte Datei in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitgestellt ist, zugreift, um die bereitgestellte Datei abzurufen um die

Daten/Dateien auszugeben."

Anspruch 1 von Hilfsantrag III hat folgenden Wortlaut (mit von der Kammer hervorgehobenen Änderungen in Bezug auf Anspruch 1 des Hauptantrags):

"Verfahren zur Datenausgabe/Ausgabe von Dateien in Kommunikationsnetzwerken, wobei ein Endgerät wenigstens die zum Zugriff auf zur Ausgabe bestimmte Daten/Dateien erforderlichen Informationen an eine Datenverarbeitungseinrichtung übermittelt, die Datenverarbeitungseinrichtung, gesteuert durch ein Computerprogramm, die zur Ausgabe bestimmten

Daten/Dateien von dem jeweiligen Speicherort abruft und einen Druckauftrag zum Ausdruck der Daten/Dateien startet,

dadurch gekennzeichnet, dass

[deleted: die Datenverarbeitungseinrichtung] eine aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitstellt [sic] und dem Endgerät die zum Zugriff auf die bereitgestellte Druckdatei erforderlichen Informationen übermittelt, und- das Endgerät nach Übermittlung der zum Zugriff erforderlichen Informationen automatisch auf die Netzwerk-Adresse, unter der die bereitgestellte Datei in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitgestellt ist, zugreift, um die

Daten/Dateien abzurufen um die Daten/Dateien auszugeben."

Entscheidungsgründe

1. ANSPRUCH 1 DES HAUPTANTRAGS

1.1 Anspruch 1 dieses Antrags umfasst folgende Merkmale (mit Merkmalsgliederung und Hervorhebungen durch die Kammer):

Verfahren zur Daten/Dateien-Ausgabe in Kommunikations-netzwerken, wobei

A) ein Endgerät wenigstens die zum Zugriff auf zur Ausgabe bestimmte Daten/Dateien erforderlichen Informationen an eine Datenverarbeitungs-einrichtung übermittelt;

B) die Datenverarbeitungseinrichtung, gesteuert durch ein Computerprogramm,

B1) die zur Ausgabe bestimmten Daten/Dateien von dem jeweiligen Speicherort abruft und einen Druckauftrag zum Ausdruck der Daten/Dateien startet;

B2) eine aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitstellt;

B3) dem Endgerät die zum Zugriff auf die bereitgestellte Druckdatei erforderlichen Informationen übermittelt;

C) das Endgerät nach Übermittlung der zum Zugriff erforderlichen Informationen automatisch auf die Netzwerk-Adresse, unter der die aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitgestellt ist, zugreift, um die Druckdatei aus dem Kommunikationsnetzwerk abzurufen und auszudrucken, um die Daten/Dateien auszugeben oder die Druckdatei durch manuellen Abruf von besagter Netzwerk-Adresse angefordert und die Druckdatei ausgedruckt wird, um die Daten/Dateien durch das Endgerät auszugeben.

1.2 Unzulässige Erweiterung (Artikel 123(2) EPÜ)

1.2.1 Die Kammer beanstandete in ihrem Ladungsbescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK, dass die ursprünglich eingereichte Anmeldung das Merkmal C) von Anspruch 1 nicht offenbart (vgl. Punkt III oben). Die ursprüngliche Anmeldung lehrt nämlich, dass das Endgerät unter Zugriff auf die betreffende Netzwerk-Adresse die Daten bzw. Dateien aus dem Kommunikationsnetzwerk abruft, nicht aber die aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei. Dies wird insbesondere durch die folgenden Passagen der ursprünglichen Beschreibung belegt (Hervorhebungen durch die Kammer):

Seite 3, Zeile 29 bis Seite 4, Zeile 19: "Es ist hierfür vorgesehen, dass ein Endgerät wenigstens die zum Zugriff auf zur Ausgabe bestimmte

Daten/Dateien erforderlichen Informationen an eine Datenverarbeitungseinrichtung übermittelt, die Datenverarbeitungseinrichtung, gesteuert durch ein Computerprogramm, die zur Ausgabe bestimmten

Daten/Dateien von dem jeweiligen Speicherort abruft, einen Druckauftrag zum Ausdruck der

Daten/Dateien startet und die aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei ... und/oder die, erforderlichenfalls konvertierten, Daten/Dateien an das Endgerät übermittelt und das Endgerät die übermittelten Daten/Dateien ausgibt ... und/oder die aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei und/oder die, erforderlichenfalls konvertierten, Daten/Dateien in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitstellt und dem Endgerät die zum Zugriff auf die bereitgestellten Daten/Dateien erforderlichen Informationen übermittelt, und das Endgerät nach Übermittlung der zum Zugriff erforderlichen Informationen automatisch die

Daten/Dateien aus dem Kommunikationsnetzwerk abruft und ausgibt oder die zur Ausgabe bestimmten

Daten/Dateien durch manuellen Abruf angefordert und ausgegeben werden."

- Seite 5, Zeilen 12-17; Seite 6, Zeilen 11-15; Seite 7, Zeilen 8-13; Ansprüche 1, 14, 15 und 16, letzter Absatz: "..., und das Endgerät nach Übermittlung der zum Zugriff erforderlichen Informationen automatisch die Daten/Dateien aus dem Kommunikationsnetzwerk abruft und ausgibt oder die zur Ausgabe bestimmten Daten/Dateien durch manuellen Abruf angefordert und ausgegeben werden."

1.2.2 In ihrem Antwortschreiben vom 21. Februar 2017 argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die Textpassage von Seite 3, Zeile 29 bis Seite 4, Zeile 19 der ursprünglichen Beschreibung offenbare, dass zuerst die Druckdatei abrufbar bereitgestellt, dann die zum Zugriff auf die bereitgestellten Daten/Dateien erforderlichen Informationen übermittelt und schließlich die Daten/Dateien abgerufen und ausgegeben werden. Daher sei keine andere Interpretation dieser Textpassage möglich als eine, in der "die bereitgestellten Daten/Dateien" die abrufbar bereitgestellte resultierende Druckdatei referenziere und "die Daten/Dateien" eben jene "bereitgestellten Daten/Dateien" seien, die die resultierende Druckdatei referenzierten. Daher ließe sich aus der zitierten Textpassage eindeutig und unmittelbar entnehmen, dass das Endgerät nach Übermittlung der zum Zugriff erforderlichen Informationen automatisch die aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei aus dem Kommunikationsnetzwerk abrufe und ausgebe.

1.2.3 Zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde dem Vertreter mitgeteilt, dass die Kammer nach wie vor der Auffassung sei, dass das Merkmal C) nicht eindeutig und unmittelbar aus der ursprünglichen Offenbarung hervorgehe und somit Artikel 123(2) EPÜ verletze. Die zitierte Passage von Seite 3, Zeile 29 bis Seite 4, Zeile 19 lehre bestenfalls, dass die Druckdatei "abrufbar bereitgestellt" wird, wobei dem Endgerät die "zum Zugriff auf die bereitgestellten Daten/Dateien erforderlichen Informationen" übermittelt werden, um dann letztendlich die Daten/Dateien aus dem Netzwerk abzurufen bzw. anzufordern. In der ursprünglichen Anmeldung werde auch keine - wie auch immer geartete - Referenzierung einer Druckdatei durch die Daten/Dateien in irgendeiner Weise offenbart.

1.2.4 Der Vertreter erwiderte in der mündlichen Verhandlung, dass er diesen Einwand nach Artikel 123(2) EPÜ und die entsprechende Argumentation der Kammer nicht verstehe und machte geltend, dass der vorliegende generische Ausdruck "Daten/Dateien" in sprachlicher wie auch technischer Hinsicht eine spezielle "Druckdatei" umfasse und daher der Fachmann wüsste, dass unter "Daten/Dateien" auch die "Druckdatei" gemäß Merkmal C) zu verstehen sei. Folglich sei dieses Merkmal sehr wohl gestützt im Sinne von Artikel 123(2) EPÜ. Auf Nachfrage räumte er jedoch ein, dass er keine explizite Stütze in der Anmeldung für eine Referenzierung der Druckdatei durch die Daten/Dateien anzugeben vermöge.

1.2.5 Die Kammer merkte hierzu an, dass sie dieser Sichtweise nicht zustimmen könne. Auch wenn zugegebenermaßen eine "Druckdatei" - rein sprachlich und losgelöst vom Kontext der vorliegenden Anmeldung - als eine spezielle Form von "Daten/Dateien" verstanden werden könnte, unterscheidet gerade die vorliegende Anmeldung selbst in folgender Weise ganz bewusst und durchgängig zwischen diesen Ausdrücken:

- siehe Seite 3, Zeile 32 bis Seite 4, Zeile 3; Seite 4, Zeilen 29-35; Seite 5, Zeilen 28-34; Seite 6, Zeilen 26-31; Ansprüche 1, 14, 15 und 16, erster Absatz:

"... die Datenverarbeitungseinrichtung ... einen Druckauftrag zum Ausdruck der Daten/Dateien startet und die aus dem Druckauftrag resultierende Druckdatei in eine Hypertext-Seite ... einbettet".

Somit wird laut der beschriebenen Lehre die erfindungsgemäße "Druckdatei" als Resultat eines für die vorab vom entsprechenden Speicherort abgeholten "Daten/Dateien" gestarteten Druckauftrags generiert und bereitgestellt. Folglich entnimmt nach Auffassung der Kammer der fachkundige Leser der vorliegenden Anmeldung, dass eine "Druckdatei", die aus einem Druckauftrag resultiert (z.B. als Datei im PDF oder

PS-Format), und "Daten/Dateien", die lediglich vom jeweiligen Speicherort abgeholt werden (als Rohdaten), im Lichte dieser Anmeldung verschiedene Datenobjekte darstellen. Dies macht auch technisch durchaus Sinn, da gemäß der vorliegenden Anmeldung sowohl eine bloße Ausgabe (von Daten/Dateien) auf dem Display eines Endgeräts als auch das Ausdrucken (einer Druckdatei) in verschiedenen (mit "und/oder"-Verknüpfungen dargestellten) Ausführungsformen beschrieben wird (siehe z.B. Seite 8, Zeilen 29-31 bzw. Seite 10, Zeilen 16-17). Mit anderen Worten: wenn ein Datenobjekt aus einem anderen Datenobjekt über einen technischen Vorgang (Starten des Druckauftrags) erst abgeleitet werden muss, können diese Datenobjekte logischerweise nicht identisch sein.

1.3 Nichtsdestotrotz beteuerte der Vertreter weiterhin in der mündlichen Verhandlung, dass er diese Argumentation nicht verstehe und mithin auch nicht überzeugt sei, dass das Merkmal C) gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoße. Daher beantragte er, einen neuen Anspruchssatz ausfertigen und einreichen zu dürfen. Da er diesen nicht vorbereitet hatte, wurde die mündliche Verhandlung für 45 Minuten unterbrochen (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung).

2. ANSPRUCH 1 VON HILFSANTRAG I

2.1 Anspruch 1 dieses Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags im Wesentlichen darin, dass die resultierende Druckdatei nun in eine Hypertextseite eingebettet und weiterverarbeitet wird (siehe Punkt VI oben). Insbesondere wurde hierbei das Merkmal C) des Hauptantrags wie folgt geändert (mit Hervorhebungen durch die Kammer):

C') das Endgerät nach Übermittlung der zum Zugriff erforderlichen Informationen automatisch auf die Netzwerk-Adresse, unter der die die Druckdatei umfassende Hypertextseite in dem Kommunikations-netzwerk abrufbar bereitgestellt ist, zugreift, um die Hypertextseite aus dem Kommunikationsnetzwerk abzurufen und die (in die Hypertextseite eingebettete) Druckdatei auszudrucken, um die Daten/Dateien auszugeben oder die Hypertextseite durch manuellen Abruf von der Netzwerk-Adresse, unter der die die Druckdatei umfassende Hypertextseite in dem Kommunikationsnetzwerk abrufbar bereitgestellt ist, angefordert wird, um die Daten/Dateien durch das Endgerät auszugeben.

2.2 Zulassung in das Beschwerdeverfahren

2.2.1 Im Beschwerdeverfahren wird die Zulassung des nach Einreichung der Beschwerdebegründung eingereichten Vorbringens prinzipiell durch Artikel 13(1) VOBK geregelt, wonach bei der Ausübung der diesbezüglichen Ermessensbefugnis der Kammer "insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie" zu berücksichtigen sind.

2.2.2 Im vorliegenden Fall wurde der Anspruchssatz von Hilfsantrag I als Reaktion auf die Diskussion von Anspruch 1 des Hauptantrags nach der Unterbrechung der mündlichen Verhandlung vom Vertreter eingereicht. Der Vertreter räumte hierbei ein, dass der vorliegende Anspruchssatz - mit dem einzigen Unterschied, dass eine "oder"-Option gestrichen wurde - auf denjenigen zurückgeht, der am 15. November 2011 im Prüfungsverfahren eingereicht und später ersetzt wurde.

2.2.3 Die Kammer teilte hierzu mit, dass die Änderung den Einwand nach Artikel 123(2) EPÜ nicht ausräumen könne, da ja auch laut dem neuen Merkmal C') das Endgerät nicht die bereitgestellten "Daten/Dateien" abruft bzw. anfordert, sondern nunmehr eine Hypertextseite, die ihrerseits wieder die "Druckdatei" beinhaltet.

2.2.4 Die Kammer ließ, in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(1) VOBK, den Anspruchssatz von Hilfsantrag I aus den folgenden Gründen nicht in das Beschwerdeverfahren zu:

- dieser Anspruchssatz hätte schon als Reaktion auf den Einwand im Ladungsbescheid der Kammer (vgl. Punkt III oben) vor der anberaumten mündlichen Verhandlung eingereicht werden können und sollen;

- er geht auf den im Prüfungsverfahren am 15. November 2011 bereits eingereichten und nicht weiterverfolgten Anspruchssatz zurück (siehe Punkt 2.2.2 oben);

- Anspruch 1 dieses Anspruchssatzes räumt zudem prima facie den Einwand nach Artikel 123(2) EPÜ nicht aus (siehe Punkt 2.2.3 oben).

2.3 Nichtsdestotrotz beteuerte der Vertreter weiterhin in der mündlichen Verhandlung, dass er diese Argumentation nicht verstehe und daher auch nicht überzeugt sei, dass Merkmal C) gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoße. Daher beantragte er erneut, einen neuen Anspruchssatz ausfertigen und einreichen zu dürfen. Da er diesen nicht vorbereitet hatte, wurde die mündliche Verhandlung abermals für 30 Minuten unterbrochen (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung).

3. ANSPRUCH 1 VON HILFSANTRAG II

3.1 Anspruch 1 dieses Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags im Wesentlichen darin, dass Merkmal C) nun wie folgt lautet (mit Hervorhebungen durch die Kammer):

C'') das Endgerät nach Übermittlung der zum Zugriff erforderlichen Informationen automatisch auf die Netzwerk-Adresse, unter der die bereitgestellte Datei in dem Kommunikations-netzwerk abrufbar bereitgestellt ist, zugreift, um die bereitgestellte Datei abzurufen um die Daten/Dateien auszugeben.

3.2 Zulassung in das Beschwerdeverfahren

Auch wenn die Kammer auch hier die Ansicht vertritt, dass der vorliegende Anspruchssatz bereits als Reaktion auf den Ladungsbescheid nach Artikel 15(1) VOBK hätte eingereicht werden können, betrachtet sie die hier gemachten Änderungen durchaus als ernsthaften Versuch, den Einwand nach Artikel 123(2) EPÜ auszuräumen. Daher hat die Kammer die Ansprüche von Hilfsantrag II ins Verfahren zugelassen.

3.3 Unzulässige Erweiterung (Artikel 123(2) EPÜ)

Die Kammer sieht jedoch auch das neue Merkmal C'') als nicht gestützt im Sinne von Artikel 123(2) EPÜ an, da das Endgerät die "bereitgestellte Datei" und damit auch wieder die "Druckdatei" abzurufen hat.

3.4 Der Vertreter merkte abermals an, dass er diese Argumentation nicht verstehe und daher auch nicht überzeugt sei, dass das Merkmal C) gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoße. Daher beantragte er erneut, einen neuen Anspruchssatz ausfertigen und einreichen zu dürfen. Da er auch diesen nicht vorbereitet hatte, wurde die mündliche Verhandlung für 10 Minuten unterbrochen (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung).

4. ANSPRUCH 1 VON HILFSANTRAG III

4.1 Anspruch 1 dieses Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags im Wesentlichen darin, dass Merkmal C) folgendermaßen geändert wurde (mit Hervorhebungen durch die Kammer):

C''') das Endgerät nach Übermittlung der zum Zugriff erforderlichen Informationen automatisch auf die Netzwerk-Adresse, unter der die bereitgestellte Datei in dem Kommunikations-netzwerk abrufbar bereitgestellt ist, zugreift, um Daten/Dateien abzurufen um die Daten/Dateien auszugeben.

4.2 Zulassung in das Beschwerdeverfahren

4.2.1 Die Kammer stellt fest, dass nach dem erstmalig in ihrem Ladungsbescheid erhobenen Einwand nach Artikel 123(2) EPÜ und nach längeren Unterbrechungen in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer (vgl. Punkte 1.3, 2.32.3 und 3.4 oben) eingereichten zwei weiteren Anspruchssätzen (Hilfsanträge I und II) der Vertreter durch das Ersetzen von "Druckdatei" durch "Daten/Dateien" in Merkmal C''') das allererste Mal dem entsprechenden Einwand Rechnung trug, und dies nachdem die mündliche Verhandlung auf Antrag des Vertreters erneut unterbrochen wurde. Die Einreichung dieses Hilfsantrags ist nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall mit seinen spezifischen Umständen zu spät.

4.2.2 Diese spezifischen Umstände beruhen darauf, dass der Vertreter vor und während der mündlichen Verhandlung zahlreiche Gelegenheiten hatte, den Einwand nach Artikel 123(2) EPÜ durch das bloße Ersetzen von "Druckdatei" durch "Daten/Dateien" auszuräumen. Diese Gelegenheiten hat er jedoch - bis zum Zeitpunkt des Einreichens von Hilfsantrag III in der mündlichen Verhandlung - anscheinend bewusst ungenutzt gelassen und stattdessen in der Verhandlung betont, dass er es für ihn und den Mandanten unbefriedigend halte, falls aufgrund formaler Hürden nicht in die Diskussion über Neuheit und erfinderische Tätigkeit eingestiegen werden könnte. Die Möglichkeit der Beseitigung solcher "formaler Hürden" durch Einreichen geänderter Ansprüche in Reaktion auf den Ladungsbescheid stand jedoch dem Vertreter ab dem Empfang des Ladungsbescheids völlig offen. Im Hinblick auf die Verfahrensökonomie wäre es mithin geboten gewesen, einen derart geänderten Antrag - zumindest als Hilfsantrag - rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung einzureichen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt. In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, dass mangelndes Verständnis hinsichtlich eines Einwands allein nicht die Einreichung von Änderungen des Vorbringens in einem späteren Verfahrensstadium rechtfertigen kann (siehe z.B. T 1033/10 vom 21. März 2013, Gründe 5.9).

Während der mündlichen Verhandlung erwähnte der Vertreter zudem, dass er erst dann tatsächlich bereit wäre, den erhobenen Einwand im Sinne der Kammer zu beheben, wenn er von dessen Notwendigkeit auch überzeugt werden konnte. Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass der Einwand selbst und dessen Behebung (d.h. Ersetzen von "Druckdatei" durch "Daten/Dateien") für einen zugelassenen Vertreter ohne größere Probleme nachvollzogen werden konnte, unabhängig davon, ob dieser auch subjektiv davon überzeugt ist oder nicht. Für eine Vorgehensweise, wonach ein Anspruch erst dann zur Behebung eines Einwands geändert werden muss, wenn dieser Einwand für den Vertreter auch überzeugend ist, findet sich im EPÜ oder in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern keine Stütze. Nach Ansicht der Kammer kann vielmehr von allen Beteiligten eine redliche und verfahrensökonomische Verfahrensführung erwartet werden. Nach Auffassung der Kammer war es im vorliegenden Fall ausreichend, während der Verhandlung zumindest zwei längere Unterbrechungen zur Ausfertigung den Einwand behebender Änderungen der Ansprüche zu gewähren, ohne die gebotene Verfahrensökonomie zu beeinträchtigen. Gestützt auf Artikel 13(1) VOBK kommt die Kammer daher zu dem Schluss, dass der Anspruchssatz von Hilfsantrag III nicht in das Verfahren zuzulassen ist.

4.2.3 Das in der Verhandlung vorgebrachte Argument des Vertreters, dass die Kammer den Hilfsantrag III zulassen müsse, da sie den Vertreter diesen Antrag mittels einer weiteren Unterbrechung der Verhandlung ausarbeiten lassen habe, überzeugt die Kammer nicht. Die Kammer weist darauf hin, dass der Vertreter selbst die Unterbrechung zur Ausarbeitung des Antrags beantragt hatte, dass die Unterbrechung gewährt wurde und dem Vertreter dadurch die Gelegenheit gegeben wurde, den Antrag vorzubereiten und einzureichen. Damit wurde das rechtliche Gehör nach Artikel 113(1) EPÜ gewährt. Eine Verpflichtung, den Antrag dann automatisch zuzulassen, entsteht dadurch nicht.

5. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

5.1 Die Beschwerdeführerin beantragte auch die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aufgrund einer angeblich fehlerhaften Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit durch die Prüfungsabteilung.

5.2 Die Kammer weist darauf hin, dass nach der hier anzuwendenden Regel 67 EPÜ 1973 die Beschwerdegebühr nur dann zurückzuerstatten ist, falls sie die Beschwerde für begründet erachtet. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Folglich ist die Beschwerdegebühr schon deshalb nicht zurückzuerstatten.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation