T 2108/13 (Osmolyte/BITOP) of 7.5.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T210813.20190507
Datum der Entscheidung: 07 Mai 2019
Aktenzeichen: T 2108/13
Anmeldenummer: 08843988.0
IPC-Klasse: A61K 31/185
A61K 31/205
A61K 31/505
A61K 31/66
A61P 11/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: OSMOLYTHALTIGE ZUBEREITUNG ZUR ANWENDUNG BEI TROCKENEN SCHLEIMHÄUTEN
Name des Anmelders: bitop AG
Name des Einsprechenden: Merck Patent GmbH
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein), Hilfsantrag 1 (ja)
Zurückverweisung - Hilfsantrag 1 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1 (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das Europäische Patent Nr. 2 214 658 wurde mit 15 Patentansprüchen erteilt.

Die Ansprüche 1 und 13 lauten wie folgt:

"1. Zusammensetzung enthaltend als Wirkstoff mindestens einen Osmolyt zur Behandlung von trockenen Schleimhäuten, wobei es sich bei dem Osmolyt um 1,4,5,6-Tetrahydro-2-methyl-pyrimidin-4-carbonsäure (Ectoin), 4,5,6,7-Tetrahydro-2-methyl-1H-[1,3]-diazepin-4-S-carbonsäure (Homoectoin), S,S-ß-Hydroxy-1,4,5,6-Tetrahydro-2-methyl-pyrimidin-4-carbonsäure (Hydroxyectoin), Di-myo-Inositolphosphat (DIP), zyklisches 2,3-Diphosphoglycerat (cDPG), 1,1-Di-Glycerinphosphat (DGP), ß-Mannosylglycerat (Firoin), ß-Mannosylglyceramid (Firoin A), Di-Mannosyl-di-inositolphosphat (DMIP), Glucosylglycerin und/oder ein Salz oder einen Ester dieser Verbindungen handelt."

"13. Verwendung mindestens eines Osmolyts zur Herstellung eines Mittels zur prophylaktischen und/oder kurativen topischen Behandlung von trockenen Schleimhäuten, insbesondere Nasenschleimhäuten, wobei es sich bei dem Osmolyt um 1,4,5,6-Tetrahydro-2-methyl-pyrimidin-4-carbonsäure (Ectoin), 4,5,6,7-Tetrahydro-2-methyl-1H-[1,3]-diazepin-4-S-carbonsäure (Homoectoin), S,S-ß-Hydroxy-1,4,5,6-Tetrahydro-2-methyl-pyrimidin-4-carbonsäure (Hydroxyectoin), Di-myo-Inositolphosphat (DIP), zyklisches 2,3 Diphosphoglycerat (cDPG), 1,1-Di-Glycerinphosphat (DGP), ß-Mannosylglycerat (Firoin), ß-Mannosylglyceramid (Firoin A), Di-Mannosyl-di-inositolphosphat (DMIP), Glucosylglycerin und/oder ein Salz oder einen Ester dieser Verbindungen handelt."

II. Gegen die Erteilung des Patents wurde ein Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit unter Artikel 100 a) EPÜ angeführt.

III. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens wurden unter anderem die folgenden Beweismittel genannt:

D1: WO 02/19978 A2

D2: WO 2005/094771 A1

D3: DE 100 40 933 A1

D5: DE 20 2006 011 920 U1

D6: Fachinformation "Otriven**(®) gegen Schnupfen 0,1%", Novartis. Stand August 2007

D7: WO 2005/018601 A1

D8: US 4,826,683

D9: J. Johnsen et al., Arch. Otolaryngol. Head Neck Surg., 2001, 127, 1353-1356

D10: C. Morgenstern, Der Arzneimittelbrief, 25(10), Oktober 1991, 73-77

D11: X.Y. Su et al., International Journal of Pharmaceutics, 1995, 123, 47-51

D12: WO 02/24116 A1

D13: A.R. Talbot et al., The Laryngoscope, 1997, 107, 500-503

IV. Die vorliegende Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 18. Juli 2013, die am 29. Juli 2013 zur Post gegeben wurde und mit welcher ihrem Hauptantrag auf Zurückweisung des Einspruchs nicht stattgegeben wurde.

In der Sache kam die Einspruchsabteilung diesbezüglich zu dem Ergebnis, dass der in den unabhängigen Ansprüchen der erteilten Fassung des Streitpatents definierte Gegenstand nicht neu gegenüber dem Inhalt der Entgegenhaltung D1 sei.

Weiter wurde entschieden, dass das Streitpatent in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 1 den Erfordernissen des EPÜ genüge.

V. Mit ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten (Hauptantrag). Zusätzlich legte sie zwei Hilfsanträge (Anspruchssätze und geänderte Beschreibungsseiten) vor.

VI. Mit Schriftsatz vom 7. August 2017 nahm die Beschwerdeführerin ihre Hilfsanträge 1 und 2 zurück und reichte neue Anspruchssätze als Hilfsanträge 1 bis 5 ein.

Der neue Hilfsantrag 1 enthält 4 unabhängige Ansprüche, und zwar die Ansprüche 1, 2, 14 und 15. Diese Ansprüche lauten wie folgt:

"1. Zusammensetzung enthaltend als Wirkstoff mindestens einen Osmolyt zur kurativen topischen Behandlung von trockenen Schleimhäuten, wobei es sich bei dem Osmolyt um 1,4,5,6-Tetrahydro-2-methyl-pyrimidin-4-carbonsäure (Ectoin), S,S-ß-Hydroxy-1,4,5,6-Tetrahydro-2-methyl-pyrimidin-4-carbonsäure (Hydroxyectoin) und/oder ein Salz oder einen Ester dieser Verbindungen handelt."

"2. Zusammensetzung enthaltend als Wirkstoff mindestens einen Osmolyt zur Behandlung von trockenen Schleimhäuten, wobei es sich bei dem Osmolyt um 4,5,6,7-Tetrahydro-2-methyl-1H-[1,3]-diazepin-4-S-carbonsäure (Homoectoin), Di-myo-Inositolphosphat (DIP), zyklisches 2,3-Diphosphoglycerat (cDPG), 1,1-Di-Glycerinphosphat (DGP), ß-Mannosylglycerat (Firoin), ß-Mannosylglyceramid (Firoin A), Di-Mannosyl-di-inositolphosphat (DMIP), Glucosylglycerin und/oder ein Salz oder einen Ester dieser Verbindungen handelt."

"14. Verwendung mindestens eines Osmolyts zur Herstellung eines Mittels zur kurativen topischen Behandlung von trockenen Schleimhäuten, insbesondere Nasenschleimhäuten, wobei es sich bei dem Osmolyt um 1,4,5,6-Tetrahydro-2-methyl-pyrimidin-4-carbonsäure (Ectoin), S,S-ß-Hydroxy-1,4,5,6-Tetrahydro-2-methyl-pyrimidin-4-carbonsäure (Hydroxyectoin) und/oder ein Salz oder einen Ester dieser Verbindungen handelt."

"15. Verwendung mindestens eines Osmolyts zur Herstellung eines Mittels zur prophylaktischen und/oder kurativen topischen Behandlung von trockenen Schleimhäuten, insbesondere Nasenschleimhäuten, wobei es sich bei dem Osmolyt um 4,5,6,7-Tetrahydro-2-methyl-1H-[1,3]-diazepin-4-S-carbonsäure (Homoectoin), Di-myo-Inositolphosphat (DIP), zyklisches 2,3 Diphosphoglycerat (cDPG), 1,1-Di-Glycerinphosphat (DGP), ß-Mannosylglycerat (Firoin), ß-Mannosylglyceramid (Firoin A), Di-Mannosyl-di-inositolphosphat (DMIP), Glucosylglycerin und/oder ein Salz oder einen Ester dieser Verbindungen handelt."

Dabei entsprechen die Ansprüche 14 und 15, die in der sogenannten schweizerischen Anspruchsform abgefasst sind, im Wesentlichen jeweils den Ansprüchen 1 und 2.

VII. In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 11. Januar 2019 erläuterte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung. Sie wies unter anderem darauf hin, dass die Lehre der Entgegenhaltung D1 die prophylaktische Behandlung gemäß Anspruch 13 des Streitpatents neuheitsschädlich vorwegnehme. Der in Hilfsantrag 1 beanspruchte Gegenstand sei jedoch neu.

VIII. Mit Schriftsatz vom 7. März 2019 reichte die Beschwerdeführerin einen weiteren Anspruchssatz als Hilfsantrag 2a ein.

IX. Am 7. Mai 2019 fand eine mündliche Verhandlung in der Beschwerdesache statt. Wie mit Schreiben vom 25. März 2019 angekündigt, nahm die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) an der mündlichen Verhandlung nicht teil.

X. Die Beschwerdegegnerin äußerte sich im Beschwerdeverfahren weder zur Sache noch legte sie Anträge vor.

XI. Die für diese Entscheidung maßgeblichen Argumente, die von der Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren sowie während der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurden, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen.

Neuheit - Hauptantrag

Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 13 des Streitpatents sei neu gegenüber dem Inhalt der Entgegenhaltung D1, denn D1 befasse sich nicht mit der Behandlung von trockenen Schleimhäuten, sondern mit dem Schutz der Mundflora, die das Ansiedeln von pathogenen Bakterien auf den Mundschleimhäuten erschwere (siehe Seite 2, Zeilen 26 bis 29). Die Behauptung auf Seite 3, Absatz 2 von D1, dass Ectoin die Mundschleimhaut gegen Austrocknung schütze, sei nicht buchstäblich auszulegen. Darüber hinaus spreche D1 im genannten Absatz nicht von einem "Moisturizer"-Effekt von Ectoin auf der Schleimhaut, sondern auf der Haut.

Neuheit - Hilfsantrag 1

Die kurative Behandlung der Ansprüche 1 und 14 sei neu, denn bei der Entgegenhaltung D1 gehe es ausschließlich um eine prophylaktische Behandlung. Dies sei aus Anspruch 4 und den folgenden Passagen von D1 ersichtlich: Seite 4, Zeile 31 bis Seite 5, Zeile 7, Seite 14, Zeilen 21 bis 23.

Der Gegenstand der Ansprüche 2 und 15 sei ebenfalls neu, weil D1 keinen der in den Ansprüchen 2 und 15 genannten Osmolyte erwähne.

Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1

Der nächste Stand der Technik für die in den Ansprüchen 1 und 14 definierte Behandlung bleibe die auch in der angefochtenen Entscheidung zugrundegelegte Entgegenhaltung D5. Diese Entgegenhaltung betreffe die Behandlung von trockenen Nasenschleimhäuten mit einer Formulierung, die Natriumchlorid und einen Pflanzenextrakt enthalte. Die Verwendung von Ectoin oder Hydroxyectoin werde in D5 weder offenbart noch vorgeschlagen.

Die Entgegenhaltung D1 könne den Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 auch nicht nahelegen, weil sie sich mit der Stabilisierung der Mundflora beschäftige und trockene Schleimhäute nur indirekt betreffe. Darüber hinaus offenbare D1 keine kurative Behandlung.

Die Entgegenhaltung D2 befasse sich mit der Behandlung von Haut mit einer Zusammensetzung enthaltend einen Osmolyten und ein ungesättigte Fettsäuren enthaltenes Öl, wie z.B. Nachtkerzenöl. Bei D2 sei die Rede nicht von Schleimhaut, sondern von Haut, und die Funktion des Osmolyten sei nicht die Behandlung der Haut, sondern die Stabilisierung der im Öl enthaltenen ungesättigten Fettsäuren. Daher lege auch D2 den Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 nicht nahe.

In den Entgegenhaltungen D3 sowie D6 bis D13 seien Ectoin und Hydroxyectoin weder erwähnt noch vorgeschlagen.

Der nächste Stand der Technik im Hinblick auf die Ansprüche 2 und 15 sei ebenfalls die Entgegenhaltung D5. Diese Entgegenhaltung offenbare jedoch keinen der in den Ansprüchen genannten Osmolyte, was ebenso auf die Entgegenhaltungen D1, D2 und D6 bis D13 zutreffe.

Die Entgegenhaltung D3 beschreibe die Verwendung von Firoin und Firoin A als Feuchtigkeitsregulatoren der Haut. Der Unterschied zwischen Haut und Schleimhäuten erlaube es jedoch nicht ohne weiteres, die Wirkung auf die Haut von Firoin oder Firoin A auf Schleimhäute zu übertragen. Demzufolge lege auch D3 den Gegenstand der Ansprüche 2 und 15 nicht nahe.

XII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage eines der folgenden Anspruchssätze:

- Hilfsanträge 1 oder 2 eingereicht mit Schreiben vom 7. August 2017, oder

- Hilfsantrag 2a eingereicht am 7. März 2019, oder

- Hilfsanträge 3 oder 4 eingereicht am 7. August 2017.

Hilfsweise beantragte die Beschwerdeführerin die Zurückweisung der Beschwerde (Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des am 7. August 2017 eingereichten Hilfsantrags 5).

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Wie vorab schriftlich angekündigt, nahm die ordnungsgemäß geladene Beschwerdegegnerin nicht an der mündlichen Verhandlung in der Beschwerdesache teil. Gemäß Regel 115(2) EPÜ und Artikel 15(3) VOBK wurde das Verfahren ohne die Beschwerdegegnerin fortgesetzt.

3. Hauptantrag - Neuheit

3.1 Weder die Parteien noch die Einspruchsabteilung haben bestritten, dass die in den erteilten Ansprüchen definierten Behandlungen therapeutische Behandlungen sind, die durch Artikel 53(c) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgenommen sind. Die Kammer hat auch keinen Anlass, dies in Frage zu stellen.

Demgemäß sind diese Behandlungen als funktionelle technische Merkmale mit einschränkender Wirkung anzusehen.

3.2 Die Entgegenhaltung D1 bezieht sich auf die Verwendung von Ectoin oder dessen Derivaten zur Mundpflege. Gemäß Anspruch 4 wird eine Zubereitung, die mindestens eine solche Verbindung enthält, zum prophylaktischen Schutz der Mund- und Rachenschleimhaut eingesetzt. Insbesondere gibt D1 an (Seite 3, Zeile 6), dass Ectoin die Mundschleimhaut gegen Austrocknung schütze. Da diese Passage die Verwendung von Ectoin zur prophylaktischen Behandlung der Schleimhaut gegen Austrocknung offenbart, nimmt sie den Gegenstand der Ansprüche 1 und 13 neuheitsschädlich vorweg.

3.3 Diesbezüglich argumentierte die Beschwerdeführerin, dass der Satz "Ectoin schützt die Mundschleimhaut gegen Austrocknung" nicht wörtlich genommen werden könne, sondern nur im Kontext der Erfindung von D1 zu lesen sei. Aus diesem Kontext sei zu entnehmen, dass der Schutz der Mundschleimhaut nicht durch eine direkte Wirkung von Ectoin auf der Mundschleimhaut erreicht werde, sondern durch die Stabilisierung der residenten Mundflora, die eine Besiedlung der Mundschleimhaut durch Pathogene erschwere. Daher offenbare D1 keine Behandlung, bei der Ectoin direkt auf der Mundschleimhaut wirke (siehe D1, Seite 2, Zeilen 26 bis 30 und Seite 3, Zeilen 1 bis 4 und 7 bis 12).

Die Kammer kann diesen Argumenten allerdings nicht folgen und schließt sich diesbezüglich der Begründung der Einspruchsabteilung auf Seite 6 der angefochtenen Entscheidung an, wonach D1 ectoinhaltige Zubereitungen zum prophylaktischen Schutz der Mund- und Rachenschleimhaut offenbart und ausdrücklich darauf hinweist, dass Ectoin die Mundschleimhaut gegen Austrocknung schützt. Selbst wenn dies indirekt durch eine Beeinflussung der residenten Mikroflora bewirkt würde, wird dieser Gegenstand von der Definition der Ansprüche 1 und 13 des Streitpatents eindeutig mit umfasst.

In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass "Haut" im Sinne von D1, insbesondere auf Seite 3, Zeilen 10 bis 12, nur "Mundschleimhaut" bedeuten kann, denn D1 befasst sich ausschließlich mit der Pflege der Mundschleimhaut.

3.4 Demzufolge fehlt dem Gegenstand der Ansprüche 1 und 13 des Hauptantrags die Neuheit gegenüber D1 (Artikel 54 EPÜ).

4. Hilfsantrag 1 - Zulassung

Mit Hilfsantrag 1 wird die in den Ansprüchen 1 und 13 des Hauptantrags definierte Behandlung auf eine kurative topische Behandlung eingeschränkt, insofern Ectoin und Hydroxyectoin betroffen sind. Die eingeführten Änderungen sind leicht verständlich und zielen darauf ab, den gegen den Hauptantrag vorgebrachten Einwand fehlender Neuheit zu beheben. Es liegt also kein Grund vor, den Antrag unter Artikel 13(1) VOBK nicht zuzulassen.

5. Hilfsantrag 1 - Änderungen

Die Ansprüche 1 und 14 basieren auf den Ansprüchen 1, 2 und 14 sowie auf der Passage auf Seite 7, Zeilen 29 bis 31 der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung. Die Ansprüche 2 und 15 basieren ebenfalls auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 2.

Die übrigen Ansprüche sind durch die abhängigen Ansprüche der ursprünglichen eingereichten Fassung der Patentanmeldung gestützt.

Die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ sind daher erfüllt.

6. Hilfsantrag 1 - Neuheit

D1 ist die einzige Entgegenhaltung, die für die Prüfung der Neuheit im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren in Frage gekommen ist.

D1 beschreibt Ectoin-Derivate der Formeln (Ia) und (Ib), insbesondere Ectoin und Hydroxyectoin (siehe D1: Anspruch 7; Seite 5, Zeile 35 bis Seite 6, Zeile 2). Diese Entgegenhaltung offenbart keine kurative Behandlung der Schleimhaut, wie aus ihrer allgemeinen Lehre zu entnehmen ist, wo es nur um Mundpflege (d.h. Prävention) und Prophylaxe geht (siehe Anspruch 4; Seite 4, Zeile 23 bis Seite 5, Zeile 7, und Seite 14, Zeilen 20 bis 23). Dies wird bestätigt durch die Lehre auf Seite 3, Zeile 6 und Zeilen 10 bis 12, wonach Ectoin die Mundschleimhaut gegen Austrocknung schützt und die Besiedlung der Mundschleimhaut durch pathogene Bakterien erschwert. Denn solche Wirkungen können nur als präventiv angesehen werden - eine kurative Behandlung erfordert, dass die Mundschleimhaut bereits trocken ist. Somit ist die in den Ansprüchen 1 und 14 definierte Behandlung neu.

Keiner der in den Ansprüchen 2 und 15 aufgelisteten Osmolyte - und zwar Homoectoin, DIP, cDPG, DGP, Firoin, Firoin A, DMIP und Glucosylglycerin - wird in D1 erwähnt. Dies wurde bereits in der Begründung des Einspruchs (siehe Punkt 1.2, Absatz 1) anerkannt. Der Gegenstand dieser Ansprüche ist daher auch neu.

Folglich ist der in Hilfsantrag 1 beanspruchte Gegenstand neu gegenüber dem Inhalt von D1 (Artikel 54 EPÜ).

7. Zurückverweisung

In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK wies die Kammer darauf hin, dass bei Annerkennung der Neuheit des mit dem Hilfsantrag 1 beanspruchten Gegenstands eine mögliche Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung diskutiert werden könnte.

Auf Nachfrage der Kammer während der mündlichen Verhandlung stellte die Beschwerdeführerin diesbezüglich keinen Antrag und überließ die Entscheidung über eine Zurückverweisung dem Ermessen der Kammer.

Angesichts der Tatsache, dass seitens der Parteien keine Zurückverweisung beantragt wurde, und da die Kammer auf der Grundlage des Hilfsantrags 1 in der Lage war, eine endgültige Entscheidung zu treffen, ohne einen völlig neuen Sachverhalt zu prüfen, hat die Kammer eine Zurückverweisung zur weiteren Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nicht als notwendig oder sogar angemessen erachtet, wenn sie gegen das Interesse der Verfahrensökonomie abgewogen wird (Artikel 111(1) EPÜ).

8. Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit

8.1 Ansprüche 1 und 14

8.1.1 Diese Ansprüche betreffen Zubereitungen zur kurativen topischen Behandlung von trockenen Schleimhäuten mit den Osmolyten Ectoin, Hydroxyectoin oder deren Salzen und Estern.

8.1.2 Anders als D1 offenbart die Entgegenhaltung D5 die kurative Behandlung von Schleimhäuten, nämlich die Behandlung von Rhinitis.

D5 offenbart (siehe Anspruch 1 und Absätze [0007] und [0021]) die Behandlung der Nasenschleimhaut mit einer Zusammensetzung enthaltend eine Kombination von einer wässrigen Kochsalzlösung und einer Schleimdroge, insbesondere einem wässrigen Extrakt von isländischem Moos. Bei dieser Zusammensetzung soll das isländische Moos eine entzündungshemmende, antiphlogistische und desinfizierende Wirkung aufweisen, während die Kochsalzlösung die Sekretbildung der Nasenschleimhaut anregt und einer Austrocknung entgegenwirkt.

8.1.3 Die in den Ansprüchen 1 und 14 definierte Behandlung unterscheidet sich von derjenigen in D5 dadurch, dass die gegen Austrocknung wirkende Komponente Ectoin, Hydroxyectoin oder ein Salz oder Ester davon ist.

Die zu lösende technische Aufgabe besteht daher darin, eine alternative kurative Behandlung von trockenen Schleimhäuten zur Verfügung zu stellen.

8.1.4 Die Anwendungsstudien im Streitpatent betreffen die Verwendung einer Ectoin-Lösung bei der kurativen Behandlung von Rhinitis sicca (trockene Nasenschleimhaut). Die Beschwerdegegnerin hat nicht bestritten, dass die technische Aufgabe durch den Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 die zu lösende Aufgabe gelöst wird.

8.1.5 Der beanspruchte Gegenstand wird vom Stand der Technik nicht nahegelegt, da keine der zitierten Entgegenhaltungen darauf hinweist, dass Ectoin, Hydroxyectoin oder deren Salze und Ester für die kurative topische Behandlung von trockenen Schleimhäuten geeignet sind.

Die einzigen Entgegenhaltungen im Verfahren, die Ectoin oder Hydroxyectoin erwähnen, sind D1 und D2. Diese Entgegenhaltungen weisen jedoch nicht darauf hin, dass Zubereitungen von Ectoin oder Hydroxyectoin eine geeignete Lösung der technischen Aufgabe darstellen:

Wie im Rahmen der Neuheitsprüfung bereits erörtert (siehe Punkt 6), offenbart D1 eine prophylaktische Behandlung der Mundschleimhaut. Diese Behandlung legt jedoch keine kurative Behandlung nahe. Wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht (siehe z.B. die Beschwerdebegründung, Seite 7, Absatz 3, aber auch D5, Seite 5, Zeilen 4 bis 5), erfordert die kurative Behandlung von trockenen Schleimhäuten eine Anregung der gestörten Sekretbildung, während eine prophylaktische Behandlung lediglich eine feuchtigkeitsspendende Wirkung benötigt. Dementsprechend legen der in D1 offenbarte "Moisturizer-Effekt" von Ectoin oder die Beeinflussung der residenten Mundflora keine kurative Wirkung nahe.

Die Entgegenhaltung D2 (siehe Seite 1, Zeile 8 bis 18) befasst sich mit der Herstellung einer topischen Formulierung enthaltend Nachtkerzenöl und einen Osmolyten (z.B. Ectoin oder Hydroxyectoin) zur äußerlichen Behandlung, Prophylaxe oder Pflege der Haut. In dieser Formulierung dient der Osmolyt dazu, die Stabilität des Öls zu erhöhen (siehe Seite 5, Zeile 30 bis Seite 6, Zeile 10). Eine eventuelle Behandlung der Schleimhaut wird nicht angesprochen. Diese Lehre weist daher nicht auf eine kurative Wirkung von Ectoin oder Hydroxyectoin im Hinblick auf die Schleimhäute hin.

Im Rückblick auf den Stand der Technik erwähnt die Entgegenhaltung D2 aber auch, dass Ectoin als Feuchtigkeitsspender bei der kosmetischen Behandlung von gesunder Haut (siehe Seite 4, Zeilen 8 bis 11) und als Arzneimittel zur Behandlung von Hauterkrankungen bekannt ist (siehe Seite 4, Zeilen 20 bis 22). Diese Lehre kann allerdings die kurative Behandlung von Schleimhäuten im Falle der Austrocknung mit Ectoin oder Hydroxyectoin nicht nahelegen, denn eine Behandlung auf der Haut ist nicht ohne weiteres auf Schleimhäute zu übertragen. Dies folgt aus dem grundsätzlichen Unterschied zwischen Haut und Schleimhäuten, da die in den Schleimhäuten kontinuierliche Sekretproduktion, die die Schleimhäute feucht hält, bei der Haut nicht gleichermaßen stattfindet. Da bei trockenen Schleimhäuten genau diese Sekretproduktion gestört ist, kann die Pflege trockener Haut nicht mit der kurativen Behandlung trockener Schleimhäute gleichgesetzt werden.

8.2 Ansprüche 2 und 15

8.2.1 Diese Ansprüche betreffen die topische Behandlung von trockenen Schleimhäuten mit einem der folgenden Osmolyten: Homoectoin, DIP, cDPG, DGP, Firoin, Firoin A, DMIP, Glucosylglycerin oder deren Salzen und Estern.

8.2.2 In Vergleich mit den Ansprüchen 1 und 14 sind die Ansprüche 2 und 15 nicht auf eine kurative Behandlung limitiert, betreffen aber andere Osmolyte als Ectoin und Hydroxyectoin. Da nur die beiden zuletzt genannten Osmolyte in der Entgegenhaltung D1 konkret offenbart sind, sinkt somit die Relevanz von D1 auch bezüglich der Ansprüche 2 und 15.

8.2.3 Im Verfahren wurde nicht bestritten, dass die Entgegenhaltung D5 sich auch als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der Ansprüche 2 und 15 eignet.

Die Behandlung der Ansprüche 2 und 15 unterscheidet sich von derjenigen in D5 dadurch, dass die gegen Austrocknung wirkende Komponente eine der folgenden ist: Homoectoin, DIP, cDPG, DGP, Firoin, Firoin A, DMIP, Glucosylglycerin oder ein Salz oder Ester davon.

Ausgehend von D5 besteht die zu lösende technische Aufgabe daher darin, eine alternative Behandlung von trockenen Schleimhäuten zur Verfügung zu stellen.

8.2.4 Wie bei den Ansprüchen 1 und 14 wurde nicht bestritten, dass diese Aufgabe durch den Gegenstand der Ansprüche 2 und 15 gelöst wird.

8.2.5 Dieser Gegenstand wird auch nicht von den zitierten Entgegenhaltungen nahegelegt:

Die Entgegenhaltung D1 erwähnt keinen der in den Ansprüchen 2 und 15 aufgelisteten Osmolyten, wie in der Begründung des Einspruchs (siehe Punkt 1.2, Absatz 1) bereits anerkannt wurde. Bei diesen Osmolyten handelt es sich um strukturell durchaus unterschiedliche Substanzen. Der Begriff "Osmolyt" ist in D1 ebenfalls nicht zu finden. Auch wenn Ectoin in D1 als Feuchtigkeitsspender bezeichnet wird, kann diese Eigenschaft anhand der Angaben in D1 somit nicht der Tatsache zugeschrieben werden, dass Ectoin ein "Osmolyt" ist.

Die Verwendung der in den Ansprüchen 2 und 15 genannten Substanzen zur Behandlung von trockenen Schleimhäuten ist daher aus D1 nicht offenkundig.

Wie vorstehend erörtert (siehe Punkt 8.1.5), lässt die Entgegenhaltung D2 nicht auf eine Eignung von Osmolyten für die Behandlung trockener Schleimhäute schließen und hat daher keine besondere Relevanz.

Die Entgegenhaltung D3 (siehe Zusammenfassung) nennt zwei der in den Ansprüchen 2 und 15 zitierten Osmolyte, und zwar Firoin und Firoin A, die als Verbindungen zum Schutz der Haut vor Umwelteinflüssen und zur Steigerung der Regenerationsfähigkeit der Haut offenbart werden. Allerdings ist bei D3 nicht von Schleimhäuten die Rede, noch weniger von trockenen Schleimhäuten. Folglich wird der Gegenstand der Ansprüche 2 und 15 durch D3 auch nicht nahegelegt.

8.3 Vollständigkeitshalber ist anzumerken, dass sich die Entgegenhaltungen D6 bis D13 zwar mit der Behandlung von Nasenschleimhäuten befassen. Keine von diesen Entgegenhaltungen schlägt jedoch die Verwendung von Osmolyten vor. D6 bis D13 legen daher die Behandlungen in den Ansprüchen 1, 2, 14 und 15 auch nicht nahe.

8.4 Demzufolge ist der Gegenstand, der in Hilfsantrag 1 beansprucht wird, erfinderisch (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche Nr. 1 bis 17 des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schreiben vom 7. August 2017.

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