T 2065/13 (Hauterkennung / FACHHOCHSCHULE BONN-RHEIN-SIEG) of 20.5.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T206513.20190520
Datum der Entscheidung: 20 Mai 2019
Aktenzeichen: T 2065/13
Anmeldenummer: 08718387.7
IPC-Klasse: G06K 9/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VORRICHTUNG ZUR AUTHENTIFIKATION EINER PERSON ANHAND MINDESTENS EINES BIOMETRISCHEN PARAMETERS
Name des Anmelders: Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Anmeldung 08718387.7 zurückgewiesen wurde.

II. Die angefochtene Entscheidung stützte sich darauf, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung eines Haupt- und eines Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.

III. In zwei Mitteilungen hat die Kammer in der Sache Stellung genommen, u.a. zur erfinderischen Tätigkeit.

IV. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 20. Mai 2019 statt. Im Laufe der mündlichen Verhandlung legte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche vor und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 8 zu erteilen.

V. Am Ende der Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

VI. Anspruch 1 lautet:

Vorrichtung zur Authentifikation einer Person anhand mindestens eines biometrischen Parameters, insbesondere anhand eines Fingerabdrucks, mit

- einem Biometrie-Detektor (20) zur Detektion eines biometrischen Parameters und

- einer mit dem Biometrie-Detektor (20) verbundenen Signalauswerteeinheit (22) zur Auswertung der Intensität der von der Empfangseinheit (30) empfangenen reflektierten Strahlungen der Strahlungseinheit (26,28),

gekennzeichnet durch

- einen Haut-Detektor (24) zur berührungslosen Erkennung lebender menschlicher Haut innerhalb eines Erfassungsbereichs,

- wobei der Haut-Detektor (24) mit der Signalauswerteeinheit (22) verbunden ist und mindestens eine Gruppe aus mindestens einer Strahlungseinheit (26,28) und mindestens einer Empfangseinheit (30) aufweist,

- wobei die mindestens eine Strahlungseinheit (26,28) in Richtung auf den Erfassungsbereich Strahlung bei zwei Wellenlängen von 950 nm und 1050 nm oder 950 nm und 1200 nm oder 1050 nm und 1200 nm oder 1050 nm und 1300 nm abgibt und die mindestens eine Empfangseinheit (30) aus dem Erfassungsbereich reflektierte Strahlung empfängt,

- wobei die Signalauswerteeinheit (22) anhand des Quotienten oder der Differenz der Intensitäten der von der Empfangseinheit (30) empfangenen Strahlungen bei den zwei unterschiedlichen Wellenlängen lebende Haut von Hautnachbildungen unterscheidet und damit ermittelt, ob der Haut-Detektor (24) lebende menschliche Haut erkennt, und

- wobei die Ausgabe eines Authentifikationssignals die Detektion lebender menschlicher Haut und die Detektion eines zur Person gehörenden biometrischen Parameters voraussetzt.

VII. Auf die folgenden Druckschriften wird in dieser Entscheidung Bezug genommen:

D1: Kristin A. Nixon et al: "Novel spectroscopy-based technology for biometric and liveness verification", Proceedings of SPIE, Vol. 5404, S. 287 - 295;

D4: US 2003/0053664 A1; und

D5: US 4,500,784.

Entscheidungsgründe

1. Die Erfindung betrifft die Detektion von lebender Haut und die Unterscheidung dieser von Hautnachbildungen.

2. Eine zuverlässige Unterscheidung zwischen lebender Haut und einer Hautnachbildung, welche beispielsweise aus künstlichem Gewebe hergestellt ist, ist notwendig, wenn eine Person mit Hilfe von biometrischen Charakteristika wie beispielsweise einem Fingerabdruck oder Gesichtsmerkmalen mit hoher Zuverlässigkeit authentifiziert werden soll. Gelingt es nämlich einer Person, die für die Authentifizierung betrachteten biometrischen Parameter so nachzubilden, dass die Nachbildung als authentisch erkannt wird, kann die Authentifizierung leicht umgangen werden.

3. Lebende Haut hat, wie jedes sonstige Material, einen charakteristischen spektralen Verlauf der Reflektanz. D4 zeigt beispielsweise in der Fig. 14 die folgenden spektralen Verläufe der Reflektanz für Hauttypen "light and dark complexions of black males":

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

4. Die Reflektanz eines für eine Hautnachbildung in Frage kommenden Materials oder Gewebes hat ebenfalls einen jeweils charakteristischen spektralen Verlauf.

5. Zur Erkennung von lebender Haut ist es bekannt, deren Charakteristika der Reflektanz für Licht im sichtbaren und nahen Infrarotbereich auszunutzen. Eine Unterscheidung lebender Haut von Hautnachbildungen ist daher durch eine Betrachtung der jeweiligen charakteristischen spektralen Verläufe denkbar. Andererseits weist, wie auch die Figur oben zeigt, die Reflektanz der Haut verschiedener Individuen gewisse Schwankungen insbesondere im Bereich sichtbarer Wellenlängen auf. Ein System zur zuverlässigen Detektion von lebender Haut unterliegt daher der grundsätzlichen Anforderung, dass diese "natürlichen" Schwankungen berücksichtigt werden und nicht zu einer fehlerhaften Detektion führen.

6. D4 offenbart hierzu ein System, mit dem eine Person mit Hilfe der Gesichtserkennung authentifiziert wird (Absätze 5 und 6). Das System umfasst einen Biometrie-Detektor in Form eines Infrarot-Kamerasystems (12, Fig. 1) und eine Signalauswerteeinheit in Form eines Computersystems 12 mit entsprechender Erkennungssoftware 22. Weiterhin umfasst das System einen mit der Signalauswerteeinheit verbundenen Hautdetektor 22. Der Hautdetektor umfasst eine Strahlungseinheit 68 (Fig. 4) und eine Empfangseinheit 60. Die Strahlungseinheit ist dazu eingerichtet, Licht in zwei Wellenlängenbändern von 900 nm bis 1400 nm und 1400 nm bis 1700 nm abzugeben (Anspruch 4 von D4). Aus den empfangenen Lichtpegeln der beiden Wellenlängenbänder wird eine gewichtete Differenz gebildet (Absatz 96) und einer Schwellwertbildung unterzogen (Absatz 125). Dadurch wird lebende menschliche Haut erkannt und vom Hintergrund unterschieden (Absätze 126 und Figur 22c).

7. Die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von der in D4 offenbarten Vorrichtung dadurch, dass die Strahlungseinheit Strahlung bei zwei Wellenlängen von 950 nm und 1050 nm, oder 950 nm und 1200 nm, oder 1050 nm und 1200 nm oder 1050 nm und 1300 nm abgibt, und dass die Signalauswerteeinheit anhand des Quotienten oder der Differenz der Intensitäten des von der Empfangseinheit empfangenen Strahlungen bei den zwei unterschiedlichen Wellenlängen Haut von Hautnachbildungen unterscheidet.

8. Ein von der Beschwerdeführerin vorgetragener technischer Effekt dieser Merkmale liegt darin, dass aufgrund der Feinstruktur des spektralen Verlaufs der Reflektanz von Haut bei den spezifizierten Wellenlängenpaaren lebendige Haut von anderen Materialien besonders effektiv unterschieden werden kann. Ausgehend von D4 kann die durch die beanspruchte Vorrichtung gelöste technische Aufgabe daher darin gesehen werden, die Unterscheidung von lebender Haut und Hautnachbildungen weiter zu verbessern.

9. Aus D4 selbst wird der Fachmann dazu angeleitet, Strahlung in einem spektralen Bereich unterhalb von 1400 nm, in dem die Reflektanz der Haut relativ hoch ist, und einem Bereich oberhalb von 1400 nm, in dem die Reflektanz der Haut relativ gering ist, zu verwenden und so eine intrinsische abrupte Änderung der Reflektanz menschlicher Haut bei 1400 nm auszunutzen (D4, Absatz 87). Der Fachmann erhält aus D4 jedoch keinen Hinweis, Strahlung nur bei den im Anspruch 1 definierten Wellenlängenpaaren, die allesamt unterhalb von 1400 nm liegen, zu verwenden. Der Fachmann gelangt daher ausgehend von D4 nicht in naheliegender Weise zu der beanspruchten Vorrichtung.

10. Auch gelangt der Fachmann bei Berücksichtigung der weiteren Schriften D5 und D1 nicht in naheliegender Weise zu der beanspruchten Vorrichtung.

11. D5 lehrt, das zu untersuchende Objekt mit Licht bei den Wellenlängen 1220 nm , 1500 nm und 1700 nm zu bestrahlen und zur Detektion menschlicher Haut die bei diesen Wellenlängen ermittelten Reflektanzen in Relation zueinander zu setzen. Das aus D5 bekannte Verfahren geht daher, was die Auswahl von spektralen Bereichen der verwendeten Strahlung betrifft, nicht weiter als D4 und spezifiziert lediglich die unterhalb von 1400 nm und oberhalb von 1400 nm verwendeten Wellenlängen genauer.

12. D1 offenbart einen Fingerabdrucksensor mit einer Vorrichtung zur Detektion von lebender Haut, bei welcher der zu überprüfende Finger mit Licht bei einer oder mehreren Wellenlängen zwischen 450 nm und 940 nm beleuchtet wird. Zur Beleuchtung sind 32 einzeln ansteuerbare Leuchtdioden zusammen mit 5 Photodioden zur Detektion des reflektierten Lichts in einem vorgegebenen flächigen Muster angeordnet (Fig. 4). Mit der individuellen Ansteuerung der Leuchtdioden und Detektion durch jede der Photodioden wird ein Reflexionsmuster erhalten, welches mit einem vorab bestimmten Reflexionsmuster eines "echten" Fingers verglichen wird. Der Grad der Nichtübereinstimmung der Reflexionsmuster gibt an, ob der untersuchte Finger ein "echter" Finger oder eine Nachbildung ist. D1 gibt dem Fachmann jedoch keinen Hinweis auf die im Anspruch 1 spezifizierten Wellenlängenpaare zur Beleuchtung oder die spezifizierte Auswertung des reflektierten Lichts.

13. Die beanspruchte Vorrichtung ist folglich nicht durch D4 für sich genommen oder in Verbindung mit D5 oder D1 dem Fachmann nahegelegt. Daher sind die Gründe für die Zurückweisung der Anmeldung entfallen.

14. Die Kammer erachtet es nicht als notwendig, auf die weiteren in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Druckschriften näher einzugehen, da sich zum einen die Entscheidungsgründe nicht auf diese Druckschriften stützen und diese zum anderen für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht relevanter sind als die oben genannten Druckschriften.

15. Weitere Mängel in den vorliegenden Ansprüchen, die einer Erteilung entgegenstehen würden, bestehen nicht. Insbesondere geht der Anspruch 1 zurück auf Merkmale der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 3 sowie der Beschreibung (siehe die A2-Veröffentlichung WO 2008/125491, Seite 8, Zeilen 8 bis 20) und erfüllt daher das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ. Weiterhin ist die Kammer der Auffassung, dass die Angabe einer Wellenlänge ohne die Angabe einer Bandbreite die Strahlung der Strahlungsquelle im Rahmen der beanspruchten Erfindung klar im Sinne des Artikels 84 EPÜ spezifiziert.

16. Die Kammer hat jedoch nicht überprüft, inwieweit die Erfordernisse der Regel 42 EPÜ erfüllt sind und verweist daher die Angelegenheit mit der Anordnung gemäß der Entscheidungsformel an die Prüfungsabteilung zurück.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:

- in der mündlichen Verhandlung eingereichte Ansprüche 1 bis 8,

- Figuren 1 und 2 in der ursprünglich eingereichten Fassung,

- und eine noch anzupassende Beschreibung.

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