T 1900/13 () of 1.7.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T190013.20160701
Datum der Entscheidung: 01 Juli 2016
Aktenzeichen: T 1900/13
Anmeldenummer: 07015262.4
IPC-Klasse: A61G 13/08
A61G 13/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Operationstisch
Name des Anmelders: TRUMPF Medizin Systeme GmbH
Name des Einsprechenden: Berchtold Holding GmbH
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin ist gegen die am 12. Juli 2013 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung gerichtet. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen gemäß dem zweiten Hilfsantrag das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen würden.

Der Hauptantrag (Patent in der erteilten Fassung) und der Hilfsantrag 1 wurden wegen mangelnder Neuheit des Gegenstands gemäß Anspruch 1 gegenüber D7 als nicht gewährbar erachtet.

II. Anspruch 1 des Patents in seiner erteilten Fassung lautet wie folgt:

"Operationstisch mit einer Tragsäule (12), einer auf der Tragsäule (12) gelagerten Tischplatte (14), die verschwenkbar und/oder verschiebbar ist, und einem Kraftmesssystem zur Bestimmung des Gewichts der Tischplatte (14) und eines auf der Tischplatte (14) befindlichen Patienten, dadurch gekennzeichnet, dass der maximale Schwenkwinkel bzw. der maximale Verschiebeweg bezogen auf eine Nullstellung der Tischplatte (14) in Abhängigkeit von einem Ausgangssignal des Kraftmesssystems steuerbar ist."

III. Die Beschwerdeschrift wurde am 6. September 2013 eingereicht, und die Beschwerdegebühr am selben Tag bezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde am 29. Oktober 2013 eingereicht.

IV. Am 1. Juli 2016 fand eine mündliche Verhandlung statt.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in beschränktem Umfang auf der Grundlage der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 4.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Folgende Dokumente sind für die Entscheidung von Bedeutung:

D2: WO-A-2006/089399

D7: US-A-5428851.

VI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) sind im Wesentlichen die der Entscheidungsgründe.

VII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 sei gegenüber D7 nicht neu. D7 offenbare eine Tischplatte in Form von parallel zueinander angeordneten Zinken und ein Steuersystem, welches in Abhängigkeit eines Ausgangssignals eines Kraftmesssytems der maximale Verschiebeweg bzw. der maximale Schwenkwinkel steuere. Letzteres sei insbesondere von Spalte 3, Zeile 65 bis Spalte 4, Zeile 19 offenbart. Der Begriff "Tischplatte" lasse sich nicht auf einstückige massive Platten reduzieren, wie z.B. die Benutzung dieses Begriffs im Zusammenhang mit Tischplatten von Gartentischen zeige, die ebenfalls aus einer Vielzahl von nebeneinander angeordneten Leisten bestünden.

Auch D2 offenbare alle Merkmale von Anspruch 1. Insbesondere sei ein Operationstisch mit einer Tragsäule und einer darauf befindlichen Tischplatte offenbart. Der Gegenstand gemäß D2 werde als "patient support" bezeichnet, was einem Operationstisch gleichzustellen sei, und es gäbe nicht nur eine, sondern vier Tragsäulen in Form von Tragstreben 600 unter der Tischplatte. Im Übrigen habe selbst die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) in Absatz [0002] des Streitpatents Krankenbette des zitierten Stands der Technik als Operationstische bezeichnet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Erfindung

Die Erfindung betrifft einen Operationstisch, bei dem der maximale Schwenkwinkel bzw. der maximale Verschiebeweg der Patientenauflage in Abhängigkeit von einem Ausgangssignal eines Kraftmesssystems steuerbar ist. Dies ermöglicht eine Berücksichtigung des Patientengewichts bzw. des Gewichts der Auflageplatten bei der Bestimmung der maximalen Schwenkung bzw. des maximalen Verschiebeweges, wodurch die Kippstabilität des Tisches verbessert wird.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

3. Neuheit - Hauptantrag

3.1 Neuheit gegenüber D7

Der in D7 offenbarte Gegenstand wird als Transfer-Wagen ("transfer trolley") bezeichnet, der insbesondere zum Transport eines Patienten von einem Bett zu einem anderen Ort benutzt werden kann; siehe zum Beispiel Spalte 1, Zeilen 7 bis 9; Spalte 2, Zeilen 35 bis 38. Der Wagen besteht im Wesentlichen aus einem Fahrgestell mit Rädern und einer seitlichen Säule, an der im oberen Teil eine verstellbare Aufnahme angebracht ist, die aus einer Vielzahl von senkrecht zur Längsrichtung ausgerichteten parallelen Zinken gebildet wird, die aus hohlen Rohren mit rundem oder elliptischem Querschnitt bestehen (Spalte 5, Zeilen 43 bis 46).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Nach Auffassung der Kammer stellt eine solche Aufnahme keine Tischplatte eines Operationstisches dar, wie der Wortlaut von Anspruch 1 verlangt.

Wie die Figur 1 des Streitpatents zeigt (siehe obiger Punkt 2.), besteht die Tischplatte eines Operationstisches üblicherweise aus mehreren Plattensegmenten (Kopfsegment, Rückensegment, Basissegment, Beinsegment, etc.), die es erlauben, einerseits den Patienten schonend zu tragen und andererseits dessen Liegeposition an die durchzuführende Operation anzupassen. In der Beschreibung des Streitpatents befindet sich übrigens auch kein Hinweis auf eine anderweitige Bedeutung des Begriffs Tischplatte im Rahmen des beschriebenen Operationstisches. Auch wenn die in D7 beschriebene aus parallel nebeneinander angeordneten Zinken bestehende Aufnahme die Eignung besitzt, einen Patienten zu tragen, würde der Fachmann eine derartige aus einzelnen Rohrelementen bestehende Aufnahme nicht als eine Tischplatte eines Operationstisches im Sinne des Streitpatents ansehen.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) war der Auffassung, dass zum Beispiel Tischplatten von Gartentischen häufig aus nebeneinander angeordneten Leisten bestünden, und ebenfalls als Tischplatten bezeichnet würden.

Die Kammer ist jedoch der Meinung, dass die Gestaltung von Tischoberflächen von Gartentischen im Rahmen der vorliegenden, auf einen Operationstisch gerichteten Erfindung keine Rolle spielt, zumal im Streitpatent, wie oben schon erwähnt, der Fachmann keinen Hinweis auf eine andere als die fachübliche Deutung des Begriffs "Tischplatte" eines Operationstisches findet.

Ferner verlangt der erteilte Anspruch, dass der Operationstisch mit "einem Kraftmesssystem zur Bestimmung des Gewichts der Tischplatte (14) und eines auf der Tischplatte befindlichen Patienten" ausgerüstet ist, und "dass der maximale Schwenkwinkel bzw. der maximale Verschiebeweg bezogen auf eine Nullstellung der Tischplatte (14) in Abhängigkeit von einem Ausgangssignal des Kraftmesssystems steuerbar ist".

Nach Auffassung der Kammer bedeutet dies, dass der maximal mögliche Schwenkwinkel und der maximal mögliche Verschiebeweg in Abhängigkeit des erwähnten Gewichts bestimmt werden und die Bewegung der Tischplatte ausgehend von einer Nullstellung begrenzen.

Beim Wagen gemäß D7 sind die vier Räder des Wagens zwar mit Gewichts- oder Belastungssensoren ("load sensors") ausgerüstet. Es wird aber ein Absenken auf Null eines von den einzelnen Sensoren ausgehenden Signals, das als Auslöser für eine Handlung, die ein Kippen vermeiden soll, benutzt (siehe Spalte 3, Zeile 65 bis Spalte 4, Zeile 19), nicht jedoch die Bestimmung eines Gewichts, schon gar nicht das Gewicht des Patienten zusammen mit dem der Tischplatte. Beim erfindungsgemäßen Operationstisch werden die maximal möglichen Bewegungswerte bestimmt und die Steuerung der Bewegungen der Tischplatte vorab begrenzt und eine instabile Position vermieden. Dies ist im Gegensatz zum Transportwagen gemäß D7, bei dem ein Messwert für das Erreichen oder zumindest für eine Annäherung an eine solche, die Bewegung stoppt oder korrigiert.

Allein schon wegen der oben erwähnten Unterschiede ist der Gegenstand gemäß Anspruch 1 neu gegenüber D7, so dass sich im Rahmen der Prüfung der Neuheit eine Analyse etwaiger weiterer Unterschiede erübrigt.

3.2 Neuheit gegenüber D2

D2 offenbart eine Patientenauflage für ein Krankenhaus ("hospital patient support") mit einer Patientenauflage ("patient support").

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die Patientenauflage liegt auf einem Hebemechanismus 600 auf, der zum Beispiel auf den Figuren 1 und 3 zu sehen ist, und der aus drehbar gelagerten beweglichen Armen besteht, die sich an der Vorder- und Rückseite des Bettes befinden. Derartige Gelenkarme stellen nach Meinung der Kammer keine Tragsäule gemäß Streitpatent dar. Das Argument der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden), wonach in D2 mehrere "Tragsäulen" eine Tischplatte tragen würden, ist nicht überzeugend, da der Fachmann drehbare Gelenkarme weder als eine noch als mehrere Tragsäulen ansehen würde. Auch im Rahmen des Streitpatents wird der Begriff "Säule" im üblichen Sinne eines senkrecht stehenden Tragelements, eines Pfeilers, benutzt, so dass der Fachmann in dem Streitpatent keinen Anlass findet, diesen Begriff anders zu deuten.

Schon allein deswegen ist der Gegenstand gemäß Anspruch 1 gegenüber D2 neu, so dass sich im Rahmen der Prüfung der Neuheit eine Analyse etwaiger weiterer Unterschiede erübrigt.

3.3 Der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit nach Artikel 100(a) EPÜ steht daher nicht der Aufrechterhaltung des Patents entgegen.

4. Zusätzliche Einwände wurden von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) nicht vorgetragen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.

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