T 1888/13 (Illit-, smektit- und attapulgithaltige Mischungen/ASK) of 17.4.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T188813.20150417
Datum der Entscheidung: 17 April 2015
Aktenzeichen: T 1888/13
Anmeldenummer: 04721529.8
IPC-Klasse: C09D 5/04
C04B 26/28
C04B 40/00
C04B 41/50
C04B 41/85
B22C 3/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: RHEOLOGISCHES ADDITIV
Name des Anmelders: ASK Chemicals GmbH
Name des Einsprechenden: Hüttenes-Albertus
Chemische-Werke GmbH
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 108
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
European Patent Convention R 99(2)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde -Beschwerde hinreichend begründet (ja)
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
J 0003/06
T 0213/85
T 1404/05
T 0063/06
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 611 211 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.

II. Das Streitpatent in der erteilten Fassung enthält 29 Ansprüche. Die unabhängigen Ansprüche 1, 4 und 29 lauten wie folgt:

"1. Rheologisches Additiv, umfassend einen illithaltigen Ton, ein Smektit und Attapulgit in einem Verhältnis von illithaltiger Ton : Smektit : Attapulgit von 1 bis 100 : 1 bis 100 : 1 bis 100."

"4. Beschichtungsmasse, umfassend ein rheologisches Additiv nach einem der Ansprüche 1 bis 3."

"29. Verwendung eines rheologischen Additivs nach einem der Ansprüche 1 bis 3 zur Steuerung des Auftragsverhaltens einer Beschichtungsmasse für poröse Körper."

Weitere unabhängige Ansprüche sind auf die Herstellung und Verwendung der Beschichtungsmasse, ein Verfahren zum Beschichten von porösen Körpern und den so beschichteten Körper gerichtet.

III. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgenden Druckschriften Bezug genommen:

(1) Datenblatt "Kärlicher Blauton gelbbrennend",

Kärlicher Ton- und Schamottewerke Mannheim & Co. KG

(9) S. Rudolph, H. Förster, "Beitrag zur Kenntnis des

Aufbaus und der Zusammensetzung von Form- und

Kernschwärzen", Gießerei-Praxis 22, 1992, 347

bis 358

IV. Mit dem Einspruch war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Neuheit, mangelnder erfinderischer Tätigkeit, unzureichender Offenbarung und Erweiterung des Gegenstands über die ursprünglich eingereichte Fassung hinaus angegriffen worden (Artikel 100 a), b) und c) EPÜ 1973).

V. Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags (erteilte Fassung) und der Hilfsanträge 1 bis 6 nicht ausreichend offenbart sei, da der Fachmann zwischen dem Smektit, der als natürlicher Bestandteil der im Streitpatent verwendeten illithaltigen Tone vorhandenen sei, und dem extern zugesetzten Smektit im fertigen Produkt nicht unterscheiden könne. Dies sei jedoch erforderlich, da der Zusatz externen Smektits nach Angaben der Patentinhaberin ein wesentliches Merkmal der Erfindung sei. Darüber hinaus seien die im Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1, 2 und 5 beanspruchten Beschichtungsmassen nicht herstellbar, da sie das rheologische Additiv nicht mehr in der ursprünglichen Zusammensetzung enthielten. Des Weiteren entschied die Einspruchsabteilung, dass die Hilfsanträge 1, 2 und 4 nicht die gemäß Artikel 84 EPÜ geforderte Klarheit aufwiesen und die Ansprüche 1 und 12 des Hilfsantrags 1 und der jeweils geänderte Anspruch 1 der Hilfsanträge 2-4 und 6 keine Basis in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen haben.

VI. Mit der Beschwerdebegründung verfolgte die Beschwerdeführerin das Streitpatent auf der Grundlage der erteilten Fassung weiter. Gleichzeitig reichte sie neue Hilfsanträge 1 bis 11 ein.

VII. Mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung erhob die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) Einwände gegen die Zulässigkeit der Beschwerde. Die Beschwerde sei nicht ausreichend begründet und entspreche damit nicht den Erfordernissen des Artikels 108 und der Regel 99(2) EPÜ und des Artikel 12(2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK).

VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin zu den entscheidungserheblichen Sachverhalten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Zulässigkeit der Beschwerde

Die in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Argumente gälten gleichermaßen für die unter Punkt 4.1 bis 4.3 und die unter Punkt 4.4 der angefochten Entscheidung erhobenen Einwände. Weitere Gründe gegen die Einwände unter Punkt 4.4 fänden sich zudem im vorletzten Absatz auf Seite 6 der Beschwerdebegründung. Für die Zulässigkeit der Beschwerde sei es erforderlich sich mit den tragenden Gründen der Entscheidung auseinanderzusetzen. Neuheit und erfinderische Tätigkeit seien in der angefochtenen Entscheidung nicht diskutiert worden.

- Unzureichende Offenbarung

Anspruch 1 des Streitpatents umfasse ein Additiv aus mindestens drei Komponenten und sei im Sinne eines Product-by-Process Anspruchs zu lesen. Eine Mischung aus illithaltigem Ton mit Attapulgit, wie im Beispiel 4 in der Tabelle 2 des Streitpatents beschrieben, falle daher nicht unter den Anspruch, da kein Smektit zugesetzt worden sei. Werde ein illithaltiger Ton, der Smektit enthalte, verwendet, so sei der Smektit dem illithaltigen Ton zuzurechnen. Dies zeige auch die Verwendung des Begriffs "illithaltiger Ton". Das Streitpatent unterscheide in den Absätzen [0027] und [0028] zwischen illithaltigen Tonen und Smektiten. Mit letzterem seien keine Tone gemeint, die Smektit nur als mindere Beimischung enthielten.

Die von der Beschwerdegegnerin aufgeworfenen Fragen zur Ausführbarkeit beträfen, wenn überhaupt, ausschließlich Klarheitseinwände. Das Additiv lasse sich durch einfaches Abwiegen und Mischen der drei Komponenten, die an sich bekannt seien, herstellen. Der im Streitpatent genannte Kärlicher Blauton werde vom Fachmann eindeutig den illithaltigen Tonen und nicht den Smektiten zugeordnet. Ein Zuordnungsproblem und ein damit verbundener Mangel an Ausführbarkeit liege daher nicht vor. Der Begriff "rheologisches Additiv" im Anspruch 1 bezeichne lediglich die Eignung als solches.

Die erfindungsgemäßen Beschichtungsmassen seien ebenfalls herstellbar. Zum einen enthielten diese nicht zwingend eine Trägerflüssigkeit. Darüber hinaus blieben die Tone auch in der aufgeschlossenen Form die gleichen Tone. Ihre Kristallstruktur ändere sich nicht. Einen Widerspruch zwischen aufgeschlossener und nicht aufgeschlossener Form gebe es daher nicht. Der Fachmann kenne seine Ausgangsstoffe und könne somit die Beschichtungsmassen ohne Weiteres herstellen. Eine nachträgliche Analyse sei für die Ausführbarkeit nicht erforderlich. Im Übrigen sei eine solche bei Kenntnis der Ausgangsstoffe möglich.

IX. Die Argumente der Beschwerdegegnerin zu den entscheidungserheblichen Sachverhalten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde sei nicht ausreichend begründet. Insbesondere setze sich die Beschwerdeführerin nicht mit den tragenden Gründen in Punkt 4.4 der angefochtenen Entscheidung auseinander. Darüber hinaus habe sich die Beschwerdeführerin, die die Aufrechterhaltung des Streitpatent in der erteilten Fassung beantrage, nicht bezüglich der Einspruchsgründe mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit geäußert.

- Unzureichende Offenbarung

Der Anspruch 1 des Streitpatents sei gemäß seinem Wortlaut kein Product-by-Process Anspruch, sondern eine Mischung per se. Die Beschwerdeführerin versuche mit ihrer Interpretation unter den Anspruch fallende Gegenstände, wie zum Beispiel das Beispiel 4 in der Tabelle 2, auszuschließen.

Der Einspruchsabteilung sei darin zuzustimmen, dass die mangelnde Klarheit in der Zuordnung des streitpatentgemäß verwendeten Kärlicher Blauton kein Einwand unter Artikel 84 EPÜ sei, sondern einen Offenbarungsmangel unter Artikel 83 EPÜ darstelle, insbesondere da der Fachmann nicht verifizieren könne, ob er ein erfindungsgemäßes rheologisches Additiv vor sich habe oder nicht. Die Frage der Zuordnung bestimmter Tonmaterialien zu einer der beanspruchten Komponenten sei für das Offenbarungserfordernis relevant, da dies darüber entscheide, welches Verhältnis der Komponenten vorliege. Darüber hinaus verlange die Bezeichnung "rheologisches Additiv" besondere Eigenschaften. Die Mischung der anspruchsgemäßen Tone an sich sei noch kein rheologisches Additiv. Wie ein solches hergestellt werden könne werde dem Fachmann nicht offenbart.

Die anspruchsgemäßen Beschichtungsmassen seien nicht herstellbar, da durch den für die Verwendung der Beschichtungsmassen notwendigen Aufschluss die Tone durch Wasseraufnahme und Ionenaustauschreaktionen verändert würden. Dabei gehe die Kontrolle über die eingesetzten Tone und folglich die Kontrolle über deren Verhältnis verloren. Ein uneingeschränkter qualitativer Nachweis sei nach Angaben der Beschwerdeführerin nur bei Kenntnis der eingesetzten Tonmaterialien möglich. Ein quantitativer Nachweis zur Verifizierung des anspruchsgemäßen Verhältnisses sei nicht möglich.

X. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz.

XI. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde nach Regel 101(1) EPÜ als unzulässig zurückzuweisen. Für den Fall, dass die Beschwerde zulässig ist und die Kammer zu der Entscheidung kommt, dass die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 b) und c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht entgegenstehen, beantragte die Beschwerdegegnerin, die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen. Des Weiteren beantragte die Beschwerdegegnerin die Hilfsanträge 1, 2, 4-9 und 11 nicht in das Verfahren zuzulassen.

XII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

1.1 Gemäß Artikel 108 und Regel 99(2) EPÜ ist die Beschwerde innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung zu begründen. Eine für die Zulässigkeit einer Beschwerde ausreichende Begründung muss sich gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen (T 213/85, ABl. EPA 1987, 482). Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin ist dies vorliegend nicht der Fall, da sich die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht mit dem tragenden Grund unter Punkt 4.4 der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt hat.

1.2 In Punkt 4.4 der Entscheidungsgründe kommt die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass die Beschichtungsmassen des erteilten Anspruchs 4 nicht herstellbar seien, da sie das anspruchsgemäß erforderliche rheologische Additiv, das durch Einbringen in eine Trägerflüssigkeit gequollen werde, nicht mehr in seiner ursprünglichen Zusammensetzung enthielten.

1.3 In ihrer Beschwerdebegründung führt die Beschwerdeführerin zunächst aus, warum das anspruchsgemäße rheologische Additiv herstellbar sei. Des Weiteren brachte sie auf Seite 6 der Beschwerdebegründung vor, dass sich die Kristallstrukturen (der Tone des rheologischen Additives) durch das Einbringen in Wasser nicht zerstören ließen. Im gleichen Absatz weist die Beschwerdeführerin zudem darauf hin, dass die nach Auffassung der Einspruchsabteilung für die Erfindung notwendige, aber nicht durchführbare nachträgliche Analyse der Zusammensetzungen hinsichtlich der Bestandteile - dies gilt nach Überzeugung der Kammer gleichermaßen für die Additive wie für die Beschichtungsmassen - nicht notwendig, bei Kenntnis der Ausgangsstoffe jedoch möglich sei. Damit hat die Beschwerdeführerin, wenigsten ansatzweise, Gründe angegeben, warum die Beschichtungsmassen herstellbar sind und die diesbezügliche Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben ist.

1.4 Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass die Beschwerde unzulässig sei, da sich die Beschwerdeführerin, obwohl sie die Aufrechterhaltung des Streitpatents beantrage, nicht zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit äußere, überzeugt die Kammer nicht. Eine für die Zulässigkeit ausreichende Begründung muss sich mit den tragenden Gründen der Entscheidung auseinandersetzen. Über Neuheit und erfinderische Tätigkeit hat die Einspruchsabteilung jedoch nicht entschieden.

1.5 Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen des Artikels 108 und der Regel 99(2) EPÜ. Sie ist zulässig, da auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind

Hauptantrag

2. Änderungen (Artikel 100 c) EPÜ 1973)

Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass der Aufrechterhaltung des Streitpatents keine Gründe unter Artikel 100 c) EPÜ 1973 entgegenstehen. Das Verhältnis der Tone finde seine Grundlage auf Seite 7, dritter Absatz der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen. Die Kammer hat keinen Grund von der Auffassung der Einspruchsabteilung abzuweichen, so dass sich weitere Angaben dazu erübrigen.

Die Beschwerdegegnerin hat im Beschwerdeverfahren diesbezüglich keine Einwände vorgebracht.

3. Unzureichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ 1973)

3.1 Anspruch 1 des Streitpatents betrifft ein rheologisches Additiv, umfassend einen illithaltigen Ton, ein Smektit und ein Attapulgit in bestimmten Mengenverhältnissen (siehe Punkt II oben).

3.2 Bevor sich die Kammer mit dem Einwand unzureichender Offenbarung auseinandersetzt, sieht sie es im Hinblick auf die unterschiedlichen Auffassungen der Parteien zum Verständnis des Anspruchs 1 (siehe Punkt VIII und IX oben) als angemessen an, zu diesem Punkt Stellung zu nehmen.

Anspruch 1 des Streitpatents ist auf ein Erzeugnis gerichtet, dass einzig durch das Vorhandensein bestimmter Bestandteile/Komponenten, unter anderem Smektit, charakterisiert ist. Der Anspruch enthält weder Verfahrensschritte noch einen Verweis auf ein bestimmtes Herstellungsverfahren. Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin ist der Anspruch 1 daher nicht im Sinne eines Product-by-Process-Anspruchs zu lesen. Eine in diesem Sinne von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Unterscheidung von Smektit, der in illithaltigen Tonen als Beimischung vorkommen kann (in der angefochtenen Entscheidung als interner Smektit bezeichnet), und anderweitig zugesetztem Smektit (in der angefochtenen Entscheidung als externer Smektit bezeichnet) und die Zuordnung des ersteren zum Bestandteil "illithaltiger Ton" ist aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 nicht ableitbar. Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin zielt darauf ab, in unzulässiger Weise Beschränkungen in den Anspruch 1 hineinzulesen, die dessen Wortlaut nicht zu entnehmen sind (siehe T 1404/05, Orientierungssatz). Eine solche Beschränkung ist allenfalls durch eine Änderung des Wortlauts, soweit dies mit den Erfordernissen des Artikels 123(2) und (3) EPÜ vereinbar ist, nicht jedoch durch bloße Interpretation möglich.

3.3 Die im Anspruch 1 genannten Tonmaterialien (illithaltiger Ton, Smektit, Attapulgit) sind dem Fachmann bekannte, natürlich vorkommende, kommerziell erhältliche Materialien. Dies wurde nicht bestritten. Besonders geeignete Tonmaterialien werden darüber hinaus in den Absätzen [0027] bis [0029] des Streitpatents beschrieben. Geeignete illithaltige Tone weisen einen Illitgehalt von mindestens 5 % auf. Als Beispiel für einen illithaltigen Ton wird im Absatz [0027] ein Tonmaterial genannt, das unter der Bezeichnung "Kärlicher Blauton" im Handel ist (bei dem im Streitpatent verwendeten Begriff "Klärlicher Blauton" handelt es sich, wie bereits von der Einspruchsabteilung festgestellt, offensichtlich um einen Schreibfehler). Dieses Tonmaterial wird in allen Beispielen des Streitpatents als illithaltige Tonkomponente eingesetzt. Als geeignete Smektite werden im Absatz [0028] des Streitpatents unter anderem Hectorit, Saponit, Sauconit, Montmorillonit sowie allgemein smektithaltige Tonmaterialien genannt. Ein geeignetes Attapulgit ist beispielweise ein Attapulgit, das unter dem Namen Attagel 40 im Handel ist. Weitere Details werden in den Beispielen des Streitpatents beschrieben.

3.4 Das rheologische Additiv gemäß Anspruch 1 lässt sich durch einfaches Mischen der dem Fachmann an sich bekannten Tonmaterialien in den beanspruchten Verhältnissen herstellen. Nach Überzeugung der Kammer gilt dies selbst dann, wenn, wie vorliegend geltend gemacht, der patentgemäß bevorzugt verwendete illithaltige Ton eine bestimmte Menge an Smektit (Montmorillonit) als Beimischung enthält (siehe Druckschrift (1), erste Seite unter dem Punkt "Mineralanalyse"; Druckschrift (9), Seite 350, Tafel 2). Diesen bekannten Gehalt an Smektit kann der Fachmann bei Einstellung des anspruchsgemäßen Mengenverhältnisses der Komponenten berücksichtigen, und damit sicherstellen, dass auch für die Fälle, in denen der illithaltige Ton Beimischungen von Smektit enthält, der Anteil an Smektit innerhalb des anspruchsgemäßen Verhältnisses liegt. Die in der angefochtenen Entscheidung bemängelte fehlende Unterscheidbarkeit zwischen internem und externem Smektit ist im Hinblick auf den anspruchsgemäßen Gegenstand (siehe Punkt 3.2 oben) für die Ausführbarkeit unerheblich. Im Übrigen ist es für den Fachmann, da er seine Ausgangsstoffe kennt, jederzeit möglich, zuverlässig zwischen internem und externem Smektit unterscheiden zu können. Der Einwand der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin, dass es für den Fachmann nicht möglich sei, zu entscheiden, ob er ein Erzeugnis gemäß Anspruch 1 vor sich habe, überzeugt daher nicht.

3.5 Auch die von der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin gerügte mangelnde Klarheit bezüglich der Zuordnung der Klärlicher Blautone zu den illithaltigen Tonen einerseits oder den smektithaltigen Tommaterialien andererseits ist nach Überzeugung der Kammer für die Ausführbarkeit nicht von Bedeutung. Anspruch 1 ist auf Erzeugnis mit drei Komponenten gerichtet. Ein Produkt, das diese Komponenten in den beanspruchten Mengen enthält, fällt unter den Anspruch, unabhängig davon wie es hergestellt wurde. Die diesbezüglich von der Einspruchsabteilung angeführte theoretische Mischung zweier Kärlicher Blautone gemäß Druckschrift (1) mit Attapulgit führt zu einem Erzeugnis, dass illithaltigen Ton, Smektit und Attapulgit enthält. Liegen die anspruchsgemäßen Mengenverhältnisse vor, fällt ein solches Erzeugnis unter den Anspruch, unabhängig davon, ob man die Blautone als illithaltige Tone oder smektithaltige Tonmaterialien betrachtet.

3.6 Die Beschwerdegegnerin hat darüber hinaus vorgebracht, dass ein rheologisches Additiv eine Mischung mit besonderen Eigenschaften sei, nämlich der Fähigkeit das Auftragsverhalten einer Beschichtungsmasse zu steuern und die rheologischen Eigenschaften vorteilhaft einzustellen (siehe Streitpatent Absätze [0001] und [0018]; Anspruch 29). Eine Mischung aus den mindestens drei Tonmaterialien an sich sei noch kein rheologisches Additiv. Dazu müssten die Komponenten zunächst verändert werden, wie sich aus den Absätzen [0010] und [0011] des Streitpatents ergebe. Ein rheologisches Additiv, umfassend die mindestens drei Komponenten des Anspruchs 1 sei damit nicht herstellbar.

3.7 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht. Der Anspruch 1 bezieht sich wie bereits in Punkt 3.2 oben erläutert auf ein Erzeugnis aus mindestens drei Komponenten, das sich zweifelsfrei herstellen lässt (siehe Punkt 3.4. oben). Die Bezeichnung "rheologisches Additiv" besagt, dass dieses Erzeugnis sich dazu eignet, die rheologischen Eigenschaften eines Systems, dem es zugesetzt wird, zu verändern. Diese Eignung beruht auf der unbestritten bekannten Quellfähigkeit der eingesetzten Tone, insbesondere des Smektits und Attapulgits, wie sie auch in den Absätzen [0010] und [0011] des Streitpatents erwähnt wird. Dadurch wird dem System Wasser/Lösungsmittel entzogen und als Folge die Rheologie des Systems verändert. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, dass der Fachmann nicht wisse, wie er ein rheologisches Additiv gemäß Anspruch 1 erhalten könne, überzeugt die Kammer daher nicht.

Im Hinblick auf die Quellfähigkeit der Tone und der daraus resultierenden Veränderung in der Rheologie, gibt es nach Überzeugung der Kammer auch keine Zweifel daran, dass sich die anspruchsgemäßen Additive gemäß Anspruch 29 dazu verwenden lassen, das Auftragsverhalten einer Beschichtungsmasse zu beeinflussen/steuern.

3.8 Anspruch 4 bezieht sich auf Beschichtungsmassen, die das anspruchsgemäße Additiv umfassen (siehe Punkt II oben). Nach Auffassung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin sind solche Beschichtungsmassen nicht herstellbar, da das Additiv dazu in eine Trägerflüssigkeit eingebracht, gequollen und damit die Schichtstruktur der Tone aufgelöst werde. Das Additiv liege somit nicht länger in unverändertem Zustand vor und Beschichtungsmassen, die ein solches Additiv umfassen, ließen sich folglich nicht herstellen.

3.9 Dazu ist zunächst festzustellen, dass die anspruchsgemäßen Beschichtungsmassen nicht zwingend eine Trägerflüssigkeit enthalten. Selbst wenn dies der Fall ist, müssen die Tone nicht zwangsläufig in aufgeschlossener Form vorliegen. Das bloße Einbringen in eine Trägerflüssigkeit (z. B. für das Herstellen einer Paste), ohne die Einwirkung ausreichend hoher Scherkräfte, bewirkt offensichtlich keinen Aufschluss (siehe Streitpatent, Absätze [0041] und [0063]). Zudem können die Beschichtungsmassen als pulverförmige Feststoffgemische vorliegen, die erst für die Herstellung gebrauchsfähiger Beschichtungsmassen in die Trägerflüssigkeit eingebracht und aufgeschlossen werden (siehe Streitpatent Absatz [0042]). Erfindungsgemäße Beschichtungsmassen, die das Additiv in unveränderter Form enthalten, sind daher nach Überzeugung der Kammer herstellbar.

Darüber hinaus geht die Kammer ohne Gegenbeweis davon aus, dass es sich bei den eingesetzten Tonen auch in gequollenem, i. e. aufgeschlossenem, Zustand noch immer um die gleichen Tone handelt, d. h. ein gequollener Smektit, Attapulgit oder illithaltiger Ton ist noch immer ein Smektit, Attapulgit oder illithaltiger Ton. Ähnliches gilt auch im Hinblick auf die vorgeblich stattfindenden Ionenaustauschreaktionen. Der Kammer liegen keine Beweise vor, dass solche Austauschreaktionen in nennenswertem Umfang stattfinden, noch dass sich dadurch die eingesetzten Tonmaterialien umwandeln. Es ist daher davon auszugehen, dass sich durch den Aufschluss am Verhältnis der eingesetzten Tone nichts ändert.

Die von der Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang geforderte und vorgeblich nicht durchführbare nachträgliche qualitative und quantitative Analyse der Tone in der Beschichtungsmasse ist nach Überzeugung der Kammer für die Ausführbarkeit nicht erforderlich, da der Fachmann bei der Nacharbeitung der Erfindung, d. h. der Herstellung der anspruchsgemäßen Beschichtungsmassen seine Ausgangsstoffe, insbesondere das Additiv, das er zusetzt, kennt und somit zweifelsfrei feststellen kann, wann er sich innerhalb oder außerhalb des Schutzbereiches der Ansprüche bewegt. Die Frage, ob sich an einer Beschichtungsmasse unbekannten Ursprungs verifizieren lässt, ob sie unter den Anspruch fällt, ist keine Frage, die unter Artikel 100 b) EPÜ 1973 abzuhandeln ist, sondern unter Artikel 54 EPÜ 1973 zu berücksichtigen wäre.

3.10 Die Beschwerdegegnerin hat unter Berufung auf die Entscheidung T 63/06 auch geltend gemacht, dass im vorliegenden Fall, die beschwerdeführende Patentinhaberin beweispflichtig sei, für die Behauptung, dass der Fachmann die Erfindung tatsächlich ausführen kann. Gemäß dieser Entscheidung genüge es unter bestimmten Umständen, i. e. wenn im Patent keine Information vorhanden sei, wie ein Merkmal der Erfindung in die Praxis umgesetzt werden kann, dass die Einsprechende glaubhaft mache, dass das allgemeine Fachwissen es dem Fachmann nicht ermögliche, dieses Merkmal in die Praxis umzusetzen. Vorliegend hätte die Beschwerdegegnerin glaubhaft gemacht, dass der Fachmann die Erfindung auf Grund der mangelnden Zuordnung der streitpatentgemäßen Tone wie Kärlicher Blauton zu den illithaltigen Tonen und Smektiten nicht ausführen könne. Zudem wäre es im Hinblick auf die angefochtene Entscheidung die Sache der Beschwerdeführerin gewesen, die Nachweisbarkeit der einzelnen Komponenten durch Vorlage von Versuchsdaten zu belegen.

3.11 Da es für die Ausführbarkeit auf die Zuordnung der einzusetzenden Tone wie Kärlicher Blautons nach Überzeugung der Kammer nicht ankommt (siehe die Ausführungen unter den Punkten 3.4 und 3.5), ist dieses Argumente der Beschwerdegegnerin nicht überzeugend. Ebenso wenig ist es entscheidend für die Ausführbarkeit, dass der Fachmann nachträglich die von ihm eingesetzten Tone in seinem hergestellten Produkt quantitativ und qualitativ identifizieren kann (siehe Punkt 3.9). Der vorliegende Fall unterscheidet sich damit deutlich von demjenigen, der der Entscheidung T 63/06 zugrunde liegt. Unter diesen Umständen kann keine Umkehr der Beweislast zu Lasten der Beschwerdeführerin stattfinden.

3.12 Aus den gleichen Gründen wie vorstehend erläutert (siehe die Punkte 3.4, 3.5, 3.7 und 3.9 oben) ist auch der Gegenstand der Ansprüche 2-3 und 5 bis 28, die sich auf das rheologische Additiv des Anspruchs 1 und die Beschichtungsmassen des Anspruchs 4, deren Herstellung, Verwendung und damit beschichtete Körper beziehen, ausführbar.

3.13 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass keine Gründe gemäß Artikel 100 b) EPÜ 1973 der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung entgegenstehen.

3.14 Eine Entscheidung über die Hilfsanträge 1 bis 11 ist nicht erforderlich.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren

Entscheidung zurückverwiesen.

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