T 1882/13 () of 7.7.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T188213.20170707
Datum der Entscheidung: 07 Juli 2017
Aktenzeichen: T 1882/13
Anmeldenummer: 04405137.3
IPC-Klasse: B32B 27/32
B65D 65/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verpackungsfolie
Name des Anmelders: Amcor Flexibles Kreuzlingen Ltd.
Name des Einsprechenden: Huhtamaki Flexible Packaging Germany GmbH & Co. KG
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Überprüfung der Entscheidung der Einspruchsabteilung, verspätetes Dokument nicht zuzulassen
Zulassung eines mit der Beschwerdebegründung eingereichten Dokumentes
Erfinderische Tätigkeit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0007/93
T 0640/91
T 2020/09
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde des Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Patent EP 1 574 329 zurückzuweisen.

II. Der Einsprechende hatte den Widerruf des Patentes im gesamten Umfang auf der Grundlage des Einspruchsgrundes gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) beantragt.

Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem vorgelegt:

E1: EP 0 870 695 A1;

E4: EP 0 990 596 A1;

E7: DE 102 21 141 A1; und

E10: WO 96/34740 A1.

III. Der Entscheidung der Einspruchsabteilung lagen die erteilten Ansprüche zugrunde, wobei der einzige unabhängige Anspruch 1 wie folgt lautet:

"1. Verpackungsfolie auf der Basis eines Kunststofffilms (12) zum Verpacken von quaderförmigen Nahrungsmittelprodukten,

dadurch gekennzeichnet, dass

auf dem Kunststofffilm (12)

- eine Barriereschicht (14) gegen den Durchtritt von Wasserdampf und Gasen,

- gegebenenfalls auf der Barriereschicht (14) eine erste Schutzlackschicht (16),

- auf der Barriereschicht (14) oder auf der ersten Schutzlackschicht (16) eine Bedruckung (18) und

- auf der Bedruckung (18) eine zweite Schutzlackschicht (20) sowie an vorbestimmten Positionen eine Heisssiegelschicht (22) und

- auf der Bedruckung (18), auf der zweiten Schutzlackschicht (20) oder auf der Heisssiegelschicht (22) an vorbestimmten Positionen eine Kaltsiegelschicht (23)

angeordnet ist."

Eine bevorzugte Ausführungsform wird in Abbildung 1 gezeigt:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

10: Verbundmaterial

12: Kunststofffilm

14: Barriereschicht

16: erste Schutzlackschicht (optional in Anspruch 1)

18: Bedruckung

20: zweite Schutzlackschicht

22: Heißsiegelschicht

23: Kaltsiegelschicht.

IV. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung kann wie folgt zusammengefasst werden:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei erfinderisch gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik E1 bzw. E4. Von der Offenbarung dieser Dokumente unterscheide sich der Anspruchsgegenstand u. a. dadurch, dass die Heißsiegelschicht, wie alle anderen Schichten, zusammen mit der Kalt- oder Niedrigtemperatursiegelschicht statt auf der Innenseite auf der Außenseite der Folie (12) aufgebracht sei. Die Aufgabe bestehe in der Bereitstellung einer alternativen Verpackungsfolie. Der Stand der Technik gebe keinen Hinweis, auf der Außenseite des Kunststofffilms neben einer Kalt- oder Niedrigtemperatursiegelschicht zusätzlich noch eine Heißsiegelschicht anzubringen. Zudem erscheine es im Lichte der speziellen Klebstoffanordnung, die gemäß E1 bzw. E4 das Anordnen der Heißsiegelschicht ausdrücklich auf der Innenseite vorsehe, zweifelhaft, dass der Fachmann alternativ ein Aufbringen der Heißsiegelschicht auf der Seite der Kaltsiegelschicht in Erwägung gezogen hätte. Auch der Behauptung der Einsprechenden, dass die verminderte Produktkontamination durch Klebstoff einen Anlass zur Umgestaltung der Folie gegeben hätte, sei nicht zuzustimmen, da bei der Folienanordnung gemäß E1 die Heißsiegelschicht nicht mit dem Lebensmittel, sondern ausschließlich mit der Verpackungsfolie selbst in Berührung komme.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei auch erfinderisch, wenn E7 als nächstliegender Stand der Technik gewählt würde. Die in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer eingereichte E10 wurde wegen fehlender Relevanz nicht in das Verfahren zugelassen. Insbesondere hätte der Fachmann dieses Dokument nicht herangezogen, um ausgehend von E7 als dem nächstliegenden Stand der Technik eine Aufgabe auf dem Gebiet der Lebensmittelverpackungen zu lösen.

V. Gegen diese Entscheidung legte der Einsprechende (nachfolgend "Beschwerdeführer") Beschwerde ein, wobei die mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 vorgelegte Beschwerdebegründung das folgende Dokument enthielt:

E11: WO 93/08982 A2.

VI. Nach dem Eingang der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung durch den Patentinhaber (nachfolgend: "Beschwerdegegner") und einer weiteren Eingabe seitens des Beschwerdeführers teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit.

VII. Am 7. Juli 2017 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

VIII. Die im schriftlichen Verfahren und der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente des Beschwerdeführers können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, E10 wegen fehlender Relevanz nicht in das Verfahren zuzulassen, sei aufzuheben. Ausgehend von E7 als dem nächstliegenden Stand der Technik bestehe die objektive technische Aufgabe darin, die aus E7 bekannte Verpackungsfolie derart weiterzubilden, dass sie vor einem Heißsiegelschritt eine stabile Faltung gewährleiste. Das in E7 fehlende und diese Aufgabe lösende Anspruchsmerkmal einer zusätzlichen Kaltsiegelschicht hätte der Fachmann der E10 entnommen und in E7 eingesetzt. Hierbei hätte der Fachmann E10 entgegen der Entscheidung der Einspruchsabteilung berücksichtigt, da die in E7 genannten Materialien auch in E10 offenbart seien. Ferner betreffe E10 eine IPC-Klasse, die der streitpatentlichen IPC-Klasse unmittelbar übergeordnet sei. Schließlich sei die in Anspruch 1 vorhandene Eignungsangabe zur Verpackung von Lebensmitteln ohnehin unbeachtlich und unabhängig hiervon die Verbundfolie der E10 ohnehin zum Verpacken von Lebensmitteln geeignet.

Auch das mit der Beschwerdebegründung eingereichte Dokument E11 sei in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. So sei dieses Dokument erst jetzt im Rahmen einer zusätzlichen Literaturrecherche aufgefunden worden. Ferner sei E11 hochrelevant. Im Hinblick auf dieses Dokument könne eine weitere objektive technische Aufgabe darin gesehen werden, die aus der E7 bekannte Verpackungsfolie derart weiterzubilden, dass sie wiederverschließbar sei. Der mit dieser Aufgabe betraute Fachmann würde das in E7 nicht offenbarte Anspruchsmerkmal einer zusätzlichen Kaltsiegelschicht der E11 entnehmen.

Schließlich mangele es dem Anspruchsgegenstand auch an erfinderischer Tätigkeit gegenüber E1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von diesem Dokument u. a. dadurch, dass bei E1 der Heißkleber auf der Innen- und der Kaltkleber auf der Außenseite der Verpackungsfolie aufgebracht sei. Dieses Unterscheidungsmerkmal könne jedoch die erfinderische Tätigkeit nicht begründen. So weise der Anspruchsgegenstand gegenüber E1 den Vorteil auf, das Risiko eines Kontaktes von Heißkleber und Lebensmittel zu vermeiden. Es sei für den Fachmann zur Vermeidung dieses Risikos naheliegend gewesen, den Heißkleber von der Innen- auf die Außenseite zu verlagern. Ferner sei das Unterscheidungsmerkmal durch E7 nahegelegt, wo eine komplementäre Auftragung von Heißsiegellack und Antihaftmaterial zum Erreichen einer gleichmäßigen Foliendicke offenbart sei.

Die Offenbarung der E4 sei derjenigen der E1 sehr ähnlich, so dass es aus analogen Gründen dem Anspruchsgegenstand auch an erfinderischer Tätigkeit gegenüber diesem Dokument mangele.

IX. Die im schriftlichen Verfahren und der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente des Beschwerdegegners können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, E10 wegen fehlender Relevanz nicht in das Verfahren zuzulassen, sei zu bestätigen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der Offenbarung der E7 durch das Vorhandensein einer zusätzlichen Kaltsiegelschicht. Die gegenüber E7 gelöste Aufgabe bestehe darin, zu vermeiden, dass sich die Verpackungsfolie vor dem nachfolgenden Heißsiegeln selbsttätig wieder entfalte und so den weiteren Verarbeitungsprozess störe. Der Fachmann hätte zur Lösung dieser Aufgabe E10 nicht zu Rate gezogen, da dieses Dokument ein völlig andersgeartetes technisches Gebiet betreffe und sich nicht mit dieser Aufgabe befasse.

Auch das verspätet eingereichte Dokument E11 sei wegen fehlender Relevanz nicht in das Verfahren zuzulassen. Insbesondere habe der Beschwerdeführer bezüglich dieses Dokumentes die gegenüber E7 zu lösende Aufgabe in unzulässiger Weise dahingehend umformuliert, dass sie in der Bereitstellung eines wiederverschließbaren Verpackungsverschlusses bestehe. Diese Aufgabe gehe aus dem Streitpatent überhaupt nicht hervor.

Die erfinderische Tätigkeit sei ausgehend von E1 oder E4 als dem nächstliegenden Stand der Technik anzuerkennen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von diesen Dokumenten u. a. dadurch, dass sowohl die Heiß- als auch die Kaltsiegelschicht auf der gleichen Seite der Verpackungsfolie angeordnet seien. Es läge kein Hinweis im Stand der Technik vor, die in E1 bzw. E4 offenbarte auf der Innenseite liegende Heißsiegelschicht auf die Außenseite zu verlagern. Auch lösten der Anspruchsgegenstand und E1 bzw. E4 die Aufgabe, eine stabilere Faltung vor dem Heißsiegeln zu erreichen, in völlig verschiedener Weise. Anspruchsgemäß stabilisiere der Kaltkleber die Faltung lediglich und sei nicht so stark, dass man danach keine weitere Siegelung mehr durch den auf der gleichen Folienseite befindlichen Heißkleber bräuchte. Somit unterstütze der Kaltkleber den Heißkleber lediglich. Im Gegensatz hierzu sei in E1 eine zusätzliche Fixierung der kaltgesiegelten Stellen durch den Heißkleber nicht erforderlich. Die anspruchsgemäße Lösung sei auch durch E7 nicht nahegelegt. So offenbare E7 überhaupt keine Kombination von Kalt- und Heißkleber, geschweige denn, dass beide auf der gleichen Seite der Verpackungsfolie anzuordnen seien.

X. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie den Widerruf des Streitpatents.

Der Beschwerdeführer beantragte ferner, die Entscheidung der Einspruchsabteilung, Dokument E10 nicht in das Verfahren zuzulassen, aufzuheben, entsprechend einer Zulassung von E10, und auch das mit der Beschwerdebegründung (Schreiben vom 30. Oktober 2013) eingereichte Dokument E11 in das Verfahren zuzulassen.

XI. Der Beschwerdegegner beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Ferner beantragte der Beschwerdegegner, E10 und E11 nicht in das Verfahren zuzulassen.

Entscheidungsgründe

Erteilte Ansprüche (einziger Antrag)

1. Vom Beschwerdeführer wurde das Streitpatent ausschließlich auf der Grundlage mangelnder erfinderischer Tätigkeit angegriffen. Dieser Einwand beruhte auf drei Argumentationslinien, nämlich ausgehend von E7, E1 oder E4 als dem nächstliegenden Stand der Technik.

2. Im Rahmen der ersten Argumentationslinie wurde vom Beschwerdeführer vorgetragen, dass es dem Anspruchsgegenstand an erfinderischer Tätigkeit gegenüber E7 in Kombination mit E10 oder E11 mangelt.

2.1 E10 wurde aber von der Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zugelassen. Vom Beschwerdeführer wurde beantragt, diese Entscheidung aufzuheben und E10 entsprechend in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

E11 wurde erstmals mit der Beschwerdebegründung, und damit außerhalb der in Artikel 99(1) und Regel 76(2)(c) EPÜ definierten Frist eingereicht.

Um die erste Argumentationslinie des Beschwerdeführers überhaupt beurteilen zu können, ist zunächst über die Zulässigkeit von E10 und E11 zu entscheiden.

2.2 Zulassung von E10

2.2.1 Die Einreichung von E10 erfolgte im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 4. März 2013, d. h. ungefähr drei Monate vor der mündlichen Verhandlung. E10 wurde somit verspätet vorgebracht. Es stand daher im Ermessen der Einspruchsabteilung, dieses Dokument nicht zu berücksichtigen (Artikel 114 EPÜ).

2.2.2 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. die im Amtsblatt des EPA veröffentlichten Entscheidungen G 7/93, ABl. EPA 1994, 775, und T 640/91, ABl. EPA 1994, 918) ist dem Organ der ersten Instanz ein gewisser Freiraum in der Ermessensausübung zu lassen und Ermessensentscheidungen nur dann aufzuheben, wenn das Ermessen (i) gemäß falscher Kriterien, (ii) ohne Berücksichtigung der richtigen Kriterien oder (iii) in unangemessener bzw. willkürlicher Weise ausgeübt wurde. Bei den vorstehend angeführten zwei Entscheidungen wird die Bedingung (iii) in der englischsprachigen Originalfassung übereinstimmend mit "in an unreasonable way" umschrieben, während dieser Begriff in den veröffentlichten deutschen Übersetzungen einmal als "in unangemessener Weise" und einmal als "in willkürlicher Weise" erscheint (G 7/93, Punkt 2.6; T 640/91, Leitsatz II und Punkt 6.3).

2.3.3 Unabhängig von der verwendeten Begrifflichkeit in den verschiedenen Amtssprachen gilt, dass der Freiraum der ersten Instanz zu respektieren ist und dass daher auch unterschiedliche, in der gleichen Situation getroffene Ermessensentscheidungen nicht willkürlich oder angemessen im Sinne der genannten Rechtsprechung sein können.

2.2.4 Im vorliegenden Fall begründet die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung mit der fehlenden Relevanz der E10. Dies stellt das richtige Kriterium für die Zulassung verspätet vorgelegter Dokumente im Einspruchsverfahren dar. Es bleibt zu prüfen, ob die Einspruchsabteilung dieses Kriterium nicht in unangemessener bzw. willkürlicher Weise angewendet hat. Es ist insbesondere zu prüfen, ob die Entscheidung, dass eine Kombination von E7 mit E10 für die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 nicht relevant war, als unangemessen bzw. willkürlich anzusehen ist.

2.2.5 Wie von beiden Parteien anerkannt wurde, kann E7 als der nächstliegende Stand der Technik angesehen werden, gegenüber dem sich die Verpackungsfolie des Anspruchs 1 dadurch unterscheidet, dass sie neben einer Heißsiegelschicht zusätzlich eine Kaltsiegelschicht aufweist.

2.2.6 Gemäß Streitpatent (Absatz [0019]) löst der Anspruchsgegenstand die Aufgabe, eine Verpackungsfolie bereitzustellen, die sich vor dem nachfolgenden Heißsiegeln nicht selbsttätig wieder entfaltet und so den weiteren Verarbeitungsprozess stört.

2.2.7 Vom Beschwerdeführer wurde argumentiert, dass die anspruchsgemäße Lösung durch E10 nahegelegt sei. Insbesondere würde der von E7 ausgehende und mit der oben definierten Aufgabe betraute Fachmann die in E10 offenbarte Kaltsiegelschicht ("pressure sensitive adhesive"; Seite 3, Zeile 18 bis 31) in E7 verwenden und so zum Anspruchsgegenstand gelangen. Somit sei E10 hochrelevant und damit in das Verfahren zuzulassen.

Die Einspruchsabteilung war jedoch der Auffassung, dass der von E7 ausgehende und mit einer Aufgabe aus dem Gebiet der Lebensmittelverpackungen konfrontierte Fachmann die E10 nicht herangezogen hätte. Dem stimmt die Kammer vollumfänglich zu. So ist E10 (Seite 1, Zeile 5 bis 9 und 20 bis 21) nicht auf Verpackungen, und schon gar nicht auf Lebensmittelverpackungen gerichtet. Im Gegenteil betrifft E10 Verbundfolien für Substrate, welche organischen Lösungsmitteln und insbesondere Benzindämpfen und Benzin- oder Erdölrückständen ausgesetzt sind, beispielsweise Benzin- oder Dieselzapfsäulen, Autos, Lastwagen oder Tankwagen. Auch die zu lösende Aufgabe ist eine völlig andere, nämlich zu vermeiden, dass durch Kontakt mit Treibstoff sich die Kanten der Verbundfolie vom Substrat lösen oder dass die Verbundfolie quillt und sich schließlich komplett vom Substrat löst (Seite 1, Zeile 21 bis 23).

Der Beschwerdeführer argumentierte in diesem Zusammenhang, dass der Fachmann E10 berücksichtigt hätte, da die dem Streitpatent zugeordneten IPC-Klassen keinerlei Einschränkung auf eine Verwendung zur Verpackung von Lebensmitteln aufwiesen und die der E10 zugeordnete IPC-Klasse den streitpatentlichen

IPC-Klassen unmittelbar übergeordnet sei. Dieses Argument kann jedoch nicht durchgreifen. Bei der Betrachtung der erfinderischen Tätigkeit ist der Inhalt des Streitpatents maßgeblich und im vorliegenden Fall richtet sich das Streitpatent eindeutig auf Verpackungen für Nahrungsmittelprodukte (Absatz [0001]). So ist der einzige unabhängige Anspruch 1 entsprechend auf eine "Verpackungsfolie ... zum Verpacken von quaderförmigen Nahrungsmittelprodukten" beschränkt.

Der Beschwerdeführer argumentierte darüber hinaus, dass die Eignung für Nahrungsmittelprodukte in Anspruch 1 nicht näher eingegrenzt sei, diese Eignungsangabe daher unbestimmt und somit unbeachtlich sei. Auch dem ist nicht zu folgen. Eine Eignung einer Verpackung für Nahrungsmittelprodukte schließt beispielsweise die Migration unerwünschter Stoffe aus der Verpackung in das Nahrungsmittel aus und stellt daher eine Einschränkung dar.

Schließlich argumentierte der Beschwerdeführer, dass der Filmverbund der E10 eine Polymerfolie, Naturkautschuk oder Kunstkautschuk und eine flexible Metallfolie umfasse und daher implizit als Lebensmittelverpackung geeignet sei. Auch dies muss fehlgehen, da nicht jede Polymerfolie, jeder Kautschuk und jede Aluminiumfolie lebensmitteltauglich ist.

2.2.8 Die Einspruchsabteilung hat somit das richtige Kriterium korrekt angewendet. Die Kammer hat daher in der mündlichen Verhandlung entschieden, die Entscheidung der Einspruchsabteilung, E10 nicht in das Verfahren zuzulassen, zu bestätigen.

2.3 Zulassung von E11

2.3.1 Wie oben erwähnt, wurde E11 erstmals mit der Beschwerdebegründung, und damit außerhalb der in Artikel 99(1) und Regel 76(2)(c) EPÜ definierten Frist eingereicht. Wie in der Entscheidung T 2020/09 (Punkt 6.2) dargelegt, ist ein derart verspätet eingereichtes Dokument bei fehlender Relevanz nicht in das Verfahren zuzulassen.

Der Beschwerdeführer begründete die Relevanz der E11 damit, dass im Hinblick auf dieses Dokument die zu lösende Aufgabe darin bestehe, die dort beschriebene Verpackungsfolie derart weiterzubilden, dass sie wiederverschließbar sei und dass ausgehend von dieser Aufgabe die anspruchsgemäße Lösung nahelag.

Dieses Argument muss fehlgehen. So ist die objektive technische Aufgabe im Hinblick auf den nächstliegenden Stand der Technik, vorliegend E7, und nicht auf der Grundlage des mit dem nächstliegenden Stand kombinierten Dokumentes zu definieren. Ferner muss sie aus dem Streitpatent zumindest ableitbar sein. Die vom Beschwerdeführer formulierte Aufgabe ist jedoch von der im Streitpatent genannten Aufgabe (Punkt 2.2.6) völlig verschieden und kann hieraus in keiner Weise abgeleitet werden. Somit fehlt es dem Angriff auf der Grundlage von E7 in Kombination mit E11 an Relevanz. Daher hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung entschieden, E11 nicht in das Verfahren zuzulassen.

2.4 Da somit E10 und E11 nicht in das Verfahren zugelassen wurden, war der Angriff auf die erfinderische Tätigkeit auf der Grundlage der Kombination von E7 mit E10 bzw. E11 gegenstandslos. Der Beschwerdeführer hat nach der Entscheidung der Kammer, E10 und E11 nicht zuzulassen, diesen Angriff auch nicht weiter verfolgt.

3. Erfinderische Tätigkeit gegenüber E1

3.1.1 Gemäß Beschwerdeführer mangelte es dem Gegenstand des Anspruchs 1 an erfinderischer Tätigkeit gegenüber E1 als nächstliegendem Stand der Technik.

3.1.2 E1 liegt auf dem Gebiet der Verpackungsfolien für Nahrungsmittelprodukte (Spalte 1, Zeile 5 bis 9) und kann daher im Einklang mit dem Vorbringen beider Parteien als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden.

3.1.3 E1 offenbart eine Verpackungsfolie auf Basis eines Kunststofffilms zum Verpacken von quaderförmigen Nahrungsmittelprodukten, wobei auf der Außenseite des Kunststofffilms eine Metallisierung (Barriereschicht) aufgebracht sein kann, auf der an vorbestimmten Positionen eine Kaltsiegelschicht (20, 21) angeordnet ist. Auf der Innenseite des Kunststofffilms befindet sich zudem an vorbestimmten Stellen eine Heißsiegelschicht (4) (Abbildungen 1 und 2 in Verbindung mit Spalte 1, Zeile 5 bis 9; Spalte 2, Zeile 18 bis 24; Spalte 4, Zeile 9 bis 11, Zeile 20 bis 24 und Zeile 40 bis 50).

Wie von beiden Parteien anerkannt wurde, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von E1 u. a. dadurch, dass die Kalt- und Heißsiegelschicht auf der gleichen Folienseite aufgebracht ist, während in E1 beide Schichten auf gegenüberliegenden Seiten liegen.

3.1.4 Wie oben ausgeführt wurde, besteht gemäß Streitpatent (Absatz [0019]) die Aufgabe darin, zu vermeiden, dass sich die Folie vor dem nachfolgenden Heißsiegeln selbsttätig wieder entfaltet und so den weiteren Verarbeitungsprozess stört.

3.1.5 Diese Aufgabe wird in Anspruch 1 dadurch gelöst, dass die Folie auf einer Seite an vorbestimmten Positionen eine Kaltsiegelschicht aufweist, die beim Verpackungsprozess zu einer Vorfixierung der Folie führt, so dass ein Entfalten vor dem vollständigen Verkleben durch Heißsiegeln verhindert wird. Bei dem nachfolgenden Heißsiegelschritt werden die durch die Vorfixierung in Kontakt stehenden Folienflächen endgültig verklebt, d. h. die durch die Vorfixierung erfolgte Verklebung vervollständigt.

3.1.6 E1 löst diese Aufgabe ebenfalls, jedoch mit völlig anderen Mitteln. So werden in E1 die Stellen der Folie, auf denen sich Kaltkleber befindet (schraffierte Bereiche 20 und 21 in Abbildung 1) durch den Kaltkleber selbst bereits endgültig fixiert. Der auf der gegenüberliegenden Seite befindliche Heißkleber (Dreieck 4 in Abbildung 2) dient lediglich dazu, den nach der Kaltsiegelung noch nicht fixierten letzten Folienteil zu fixieren.

3.1.7 In E1 findet sich keinerlei Hinweis darauf, dass die streitpatentgemäße Aufgabe auch dadurch gelöst werden kann, dass die Heißsiegelschicht in E1 statt auf der Innenseite auf der Außenseite, und damit der Seite mit der Kaltsiegelschicht, angeordnet ist. Im Gegenteil lehrt E1 explizit das Gegenteil, nämlich dass die Kaltsiegelschicht (20, 21) auf der Außen- und die Heißsiegelschicht (4) auf der Innenseite zu liegen hat (Spalte 3, Zeile 30 bis 40 in Verbindung mit Abbildung 2). Der von E1 ausgehende Fachmann wäre auch überhaupt nicht geneigt gewesen, die Heißsiegelschicht (4) von der Innen- auf die Außenseite zu verlagern, da dann der noch nicht fixierte letzte Folienteil offenbleiben würde, und die Verpackung damit unvollständig wäre. Gleiches gilt für die Verlagerung der Kaltsiegelschicht von der Außen- auf die Innenseite. Auch hierzu wäre der Fachmann nicht geneigt gewesen, da dann alle ursprünglich durch die Kaltsiegelschicht fixierten Folienteile unfixiert bleiben würden.

3.1.8 Vom Beschwerdeführer wurde argumentiert, dass der Anspruchsgegenstand gegenüber E1 den Vorteil aufweise, und damit die Aufgabe löse, das Risiko eines Kontaktes von Heißkleber und Lebensmittel zu vermeiden. Es ist jedoch weder ersichtlich, aus welcher Offenbarung des Streitpatents diese Aufgabe zumindest ableitbar ist, noch, wo ein mit dieser Aufgabe konfrontierter Fachmann aus E1 einen Hinwies erhält, diese Aufgabe durch den Anspruchsgegenstand, insbesondere durch das Anbringen von Kalt- und Heißkleber auf der gleichen Folienseite, zu lösen.

3.1.9 Gemäß Beschwerdeführer war die anspruchsgemäße Lösung ferner durch E1 in Kombination mit E7 nahegelegt. Dieses Dokument offenbare in den Absätzen [0007] und [0008] eine komplementäre Auftragung von Heißsiegellack und Antihaftmaterial, so dass eine gleichmäßige Foliendicke erhalten werde. Dieses Argument muss jedoch fehlgehen. E7 offenbart überhaupt keine Folie mit Heißsiegel- und Kaltsiegelschicht, geschweige denn, dass beide Schichten auf der gleichen Folienseite zu liegen haben. Daher kann E7 auch keinerlei Hinweis dahingehend entnommen werden, die Heißsiegelschicht in E1 auf die gleiche Folienseite wie die Kaltsiegelschicht zu verlagern.

3.1.10 Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber E1 als dem nächstliegenden Stand erfinderisch. Das gleiche gilt für den Gegenstand aller übrigen, von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche.

4. Erfinderische Tätigkeit gegenüber E4

Der Beschwerdeführer erhob noch einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber E4 als nächstliegendem Stand der Technik.

Wie vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung anerkannt, ist die Offenbarung der E4 derjenigen der E1 sehr ähnlich, so dass die zu E1 gemachten Betrachtungen analog gelten. Daher ist auch die erfinderische Tätigkeit gegenüber E4 als dem nächstliegenden Stand der Technik zu bejahen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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