European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T180313.20150421 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 21 April 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1803/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08022214.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60J 7/043 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Schiebedachsystem für ein Kraftfahrzeug | ||||||||
Name des Anmelders: | Roof Systems Germany GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 5. März 2013 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung 08 022 214.4 zurückgewiesen wurde.
Dabei hat die Prüfungsabteilung die Neuheit (Artikel 54 EPÜ) des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber
(DE 10 2006 002 064 A1) D2
und das Fehlen im Anspruch 1 von technischen Merkmalen, die für die Definition der Erfindung wesentlich sind (Artikel 84 EPÜ), beanstandet.
Als obiter dictum führte die Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung aus, dass die zusätzlichen Merkmale vom abhängigen Anspruch 2 keine erfinderische Tätigkeit begründen könnten, da sie durch die Lehre von
(EP 0 638 452 A1) D1
nahegelegt seien.
II. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.
III. Es fand am 21. April 2015 eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung über die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent zu erteilen, auf der Basis des Anspruchs 1 und der Beschreibung (Seiten 1 bis 4) wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, und den ursprünglich eingereichten Figuren 1 bis 5.
Alle sonstigen Anträge wurden zurückgenommen.
IV. Der einzige Anspruch lautet wie folgt:
"Schiebedachsystem für ein Kraftfahrzeug, mit zwei zueinander zumindest annähernd parallelen Führungsschienen (10) und einem Schlitten (12) in jeder Führungsschiene (10), der in der Längsrichtung des Fahrzeugs verschiebbar ist, wobei ein vorderer Ausstellmechanismus und ein hinterer Ausstellmechanismus vorgesehen sind, die einem vorderen Rand bzw. einem hinteren Rand des Deckels des Schiebedachsystems zugeordnet sind, wobei der vordere Ausstellmechanismus einen Übersetzungshebel (20) und der hintere Ausstellmechanismus einen Ausstellhebel (32) aufweisen und wobei der Schlitten (12) bei seiner Verschiebung entlang der Führungsschiene (10) nach hinten zuerst mit dem hinteren Ausstellmechanismus und anschließend mit dem vorderen Ausstellmechanismus gekoppelt ist und wobei jeder Ausstellmechanismus einen Rasthaken (46, 72) aufweist, der automatisch an den Schlitten (12) angekoppelt werden kann."
V. Die Beschwerdeführerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu, da weder D1 noch D2 ein Schiebedachsystem zeige, in dem jeder Ausstellmechanismus einen Rasthaken aufweise, der automatisch an den Schlitten angekoppelt werden könne.
Weiterhin beruhe dieser Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Aufgabe, die sich aus den unterscheidenden Merkmale ergebe, bestehe darin, eine alternative Konstruktion zu finden, die eine geringe Bauhöhe des Schiebedachsystems ermögliche. Folglich weise insbesondere - im Gegensatz zu den Schiebedachsystemen von D1 und D2 - der erfindungsgemäße Schlitten selbst keine Führungskulisse mit unterschiedlichen Niveaustufen auf.
Dem Fachmann fehle jegliche Veranlassung den aus dem Stand der Technik gemäß D1 bzw. D2 bekannten Ausstellmechanismus mit einem Rasthaken zu versehen, der automatisch an den Schlitten angekoppelt werde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Anmeldung erfüllt die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ, weil sie so geändert wurde, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht hinausgeht.
2.1 Der Anspruch 1 des einzigen Antrags entspricht der Kombination der Ansprüchen 1 und 2 wie ursprünglich eingereicht.
2.2 Die Beschreibung wurde an die neue Anspruchsfassung angepasst und die Dokumente D1 und D2 wurden erwähnt und gewürdigt.
3. Der Anspruch 1 erfüllt die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
3.1 Die Prüfungsabteilung war in ihrer Entscheidung der Auffassung, dass der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Anspruch 1 nicht alle Merkmale enthalte, die für die Definition der Erfindung wesentlich seien.
Insbesondere fehlten die Merkmale, die das Fahren des Deckels des Schiebedachsystems nach außen über einen feststehenden Dachbereich nach hinten ermöglichen. Diese seien gemäß der Beschreibung nämlich die Merkmale, wonach durch die Kopplung des Schlittens mit dem hinteren bzw. vorderen Ausstellmechanismus der hintere bzw. der vordere Rand des Deckels nach außen ausgestellt wird.
3.2 Nach Ansicht der Kammer sind diese Merkmale für den Fachmann implizit im vorliegenden Anspruch 1 enthalten. Das beanspruchte Schiebedachsystem mit einem Deckel und einem vorderen sowie einem hinteren Ausstell-mechanismus, der einem vorderen bzw. hinteren Rand des Deckels zugeordnet ist, erfordert, dass der Deckel bei Betätigung des Dachsystems eine Ausstell- sowie eine Schiebe-Bewegung ausführt. Dieses Merkmal, wie es von der Prüfungsabteilung in der Entscheidung gefordert wird, ist im Stand der Technik bekannt und für den Fachmann selbstverständlich und muss somit nicht in den Anspruchswortlaut aufgenommen werden; schliesslich dieses Merkmal ebenfalls in den Dokumenten D1 und D2 offenbart.
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu.
4.1 Das erfindungsgemäße Schiebedach gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von denjenigen der vorliegenden Dokumente aus dem Stand der Technik mindestens dadurch,
dass jeder Ausstellmechanismus einen Rasthaken aufweist, der automatisch an den Schlitten angekoppelt werden kann.
4.2 Die Ausstellmechanismen von D2 (vgl. Figuren 3 bis 7) enthalten keine Rasthaken. Dafür weist der vordere Ausstellmechanismus (Elemente 54, 56, 52, 62) einen Kopplungshebel 52 auf, der mit einem Zapfen 48 des Schlittens 26 bei seiner Verschiebung nach hinten angekoppelt werden kann. Der hintere Ausstellmechanismus (Elemente 32, 36, 38) weist zwei Steuerelemente 36 und 38 auf, die in der Kulissenbahn 40 des Schlittens 26 verschoben werden.
Das Dokument D1 offenbart einen Rasthaken (vgl. Figuren 2 und 6, rechtes Ende des Riegelelements 18) am vorderen Ausstellmechanismus. Jedoch wird dieser Rasthaken nicht automatisch an den Schlitten 13 angekoppelt sondern an die Aussparung 19 der Führungsschiene 1. Der Bolzen 40 des Riegelelements 18, der in den Schlitz 26 des Schlittens 13 eingreift, stellt keinen Rasthaken dar.
5. Die in Anspruch 1 definierte Erfindung beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5.1 Als nächstliegender Stand der Technik wird das Schiebedachsystem für ein Kraftfahrzeug gemäß dem Dokument D2 angesehen.
5.2 Die mit den unterscheidenden Merkmalen "jeder Ausstellmechanismus einen Rasthaken aufweist, der automatisch an den Schlitten angekoppelt werden kann" (siehe Punkt 4.14.1 ) gelöste Aufgabe besteht darin, eine Alternative zum in D2 gezeigten Schiebedachsystem für ein Kraftfahrzeug vorzusehen, die eine geringe Bauhöhe des Systems ermöglicht.
5.3 Die Kammer folgt nicht der im obiter dictum der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Auffassung der Prüfungsabteilung, dass ausgehend von dem Schiebedachsystem von D2 der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Lehre von D1 nahegelegt sei.
Der Fachmann findet in D1 keine Anregung die gemäß D2 aus Kulissenbahnen und Steuerelementen bzw. Zapfen bestehenden Koppelungsmittel zwischen dem Schlitten und den Ausstellmechanismen durch Rasthaken zu ersetzen, die automatisch an den Schlitten angekoppelt werden können. Zunächst ist die kinematische Konstruktion der Schiebedachsysteme von D1 und D2 unterschiedlich.
In Dokument D1 wird erst der Deckel durch den hinteren Ausstellmechanismus in eine Schräglage gebracht. Danach wird nur der Deckel in dieser Schräglage nach hinten verschoben, wodurch der vordere Rand des Deckels ausgestellt wird.
Im Unterschied dazu wird bei D2 erst der Deckel bei den hinteren und vorderen Ausstellmechanismen nach außen in eine Flachlage verfahren und aus dieser Lage dann nach hinten verschoben, wodurch der Deckel nicht weiter ausgestellt wird. Folglich ist die Kinematik und die jeweils zugrunde liegende Mechanik in beiden Dokumenten grundsätzlich unterschiedlich. Aus diesem Grund sieht die Kammer einen erheblichen konstruktiven Aufwand, die Mechanik der Ausstellmechanismen gemäß D1, inklusive der Koppelung mit dem Schlitten, in das Schiebedachsystem gemäß D2 einzubauen.
Zudem, selbst wenn der Fachmann in der Lage wäre, den Rasthaken 20 von D1 als Koppelungsmittel für den hinteren Ausstellmechanismus in das Schiebedachsystem von D2 einzubauen, würde er nicht auch eine entsprechende Maßnahme für den vorderen Ausstellmechanismus in D1 finden, da der beanspruchte Rasthaken des vorderen Ausstellmechanismus nicht in D1 offenbart ist (siehe Punkt 4.24.2 ).
5.4 Die Kammer folgt dem Vortrag der Beschwerdeführerin, wonach die unterscheidenden Merkmale dazu führen, dass der Schlitten selbst keine Führungskulisse mit unterschiedlichen Niveaustufen aufweisen muss, so dass sich die Bauhöhe des Schiebedachsystems verringert. So wird über die Rasthaken anspruchsgemäß der jeweilige Ausstellmechanismus mit dem Schlitten gekoppelt. Insbesondere ermöglichen die Rasthaken auch dann eine Fixierung des vorderen bzw. hinteren Ausstellmechanismus in der Führungsschiene, wenn der Schlitten von dem jeweiligen Ausstellmechanismus abgekoppelt ist.
5.5 Der im Prüfungsverfahren zitierte Stand der Technik kann daher nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:
- Beschreibung: Seiten 1 bis 4 wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht;
- Anspruch: Nr. 1 wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht;
- Figuren: Blätter 1/5 bis 5/5 wie ursprünglich eingereicht.