European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T168513.20190311 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 März 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1685/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08736008.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01B 11/24 G01B 11/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VORRICHTUNG UND VERFAHREN ZUR FORMMESSUNG VON FREIFORM-FLÄCHEN | ||||||||
Name des Anmelders: | Taylor Hobson Ltd. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulassung neuer Anträge (ja) Klarheit (zweiter Hilfsantrag: nein) Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag und erster Hilfsantrag: nein; dritter Hilfsantrag: ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) richtet ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 08736008.7 zurückgewiesen worden ist.
II. In der angefochtenen Entscheidung hat die Prüfungsabteilung in Bezug auf die damals geltenden Anträge u.a. entschieden, dass
- der Hauptantrag und die Hilfsanträge I bis IV unter Regel 137 (3) EPÜ nicht ins Verfahren zugelassen werden,
- der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag V nicht klar sei (Artikel 84 EPÜ) und dessen Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (Artikel 123 (2) EPÜ), und der unabhängige Anspruch 4 gemäß Hilfsantrag V unter Regel 137 (3) EPÜ nicht zulässig sei, und
- im Verfahren kein Hilfsantrag VI vorliege.
Während des erstinstanzlichen Verfahrens wurden folgende Dokumente genannt:
D1: WO 02 40 936 A
D2: DE 198 08 273 A
D3: EP 0 317 967 A.
III. Mit einer Mitteilung, die der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung beigefügt war, hat die Kammer folgende Dokumente ins Verfahren eingeführt:
A1: DE 33 22 714 A1
A2: DE 35 11 611 A1
und ihre vorläufige Auffassung zu der Sach- und Rechtslage dargelegt.
IV. Mit Schreiben vom 7. März 2019, eingegangen per Fax am gleichen Tag, hat die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche gemäß einem als "Hilfsantrag 7" bezeichneten und einem als "Hilfsantrag 8" bezeichneten Hilfsantrag eingereicht.
V. Am 11. März 2019 wurde mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der Patentansprüche gemäß Hauptantrag, der mit Schreiben vom 7. März 2019 als Hilfsantrag 7 eingereicht wurde, oder hilfsweise auf der Grundlage der Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 1, der mit Schreiben vom 7. März 2019 als Hilfsantrag 8 eingereicht wurde, oder gemäß Hilfsantrag 2, der in der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2019 als Hilfsantrag 3 eingereicht wurde, oder mit folgender Fassung gemäß Hilfsantrag 3:
- Ansprüche: Anspruch 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2019 als Hilfsantrag 5.
- Beschreibung: Beschreibungsseiten 1 bis 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2019; Beschreibungsseiten 4 bis 7 wie ursprünglich eingereicht.
- Zeichnungen: Blatt 1/1 wie ursprünglich eingereicht.
Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
VI. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"1. Vorrichtung zur Formmessung von Freiform-Flächen (10, 40) an Messobjekten mit einem punktmessenden optischen und interferometrischen Tastarm (21, 31, 51, 61), welcher entlang einer vorgegebenen Bahnlinie (11, 41) bewegbar ist, mit einem auf die zu messende Freiform-Fläche fokussierten Messstrahl (22, 32, 52, 62), wobei der Tastarm (21, 31, 51, 61) bezogen auf seinen Abtastpunkt (24, 34, 54, 64) in zumindest einer Ebene derart drehbar ist, dass der Messstrahl (22, 32, 52, 62) senkrecht oder innerhalb eines Akzeptanzwinkels des Tastarms (21, 31, 51, 61) auf die zu messende Freiform-Fläche (10, 40) trifft."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:
"1. Vorrichtung zur Formmessung von Freiform-Flächen (10, 40) an Messobjekten mit einem punktmessenden optischen und interferometrischen Tastarm (21, 31, 51, 61), welcher entlang einer an die Freiform-Fläche (10, 40) angepassten vorgegebenen Bahnlinie (11, 41) bewegbar ist, mit einem während der Bewegung des Tastarms (21, 31, 51, 61) über die vorgegebene Bahnlinie (11, 41) in einem Abtastpunkt (24, 34, 54, 64) auf die zu messende Freiform-Fläche fokussierten Messstrahl (22, 32, 52, 62), wobei der Tastarm (21, 31, 51, 61) bezogen auf seinen Abtastpunkt (24, 34, 54, 64) in zumindest einer Ebene, in der auch die Bewegung des Tastarms (21, 31, 51, 61) entlang der Bahnlinie (11, 41) liegt, derart um den Abtastpunkt (24, 34, 54, 64) um einen Drehwinkel (25, 35, 55, 65) drehbar ist, dass der Messstrahl (22, 32, 52, 62) senkrecht oder innerhalb eines Akzeptanzwinkels des Tastarms (21, 31, 51, 61) auf die zu messende Freiform-Fläche (10,40) trifft."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch das folgende Merkmal, das zwischen den Ausdrücken "fokussierten Messstrahl (22, 32, 52, 62)," und "wobei der Tastarm (21, 31, 51, 61)" eingefügt wurde:
"wobei die Bahnlinie (11, 41) so gewählt ist, dass der Messstrahl (22, 32, 52, 62) immer auf die Freiform-Fläche (10, 40) fokussiert ist,"
Der einzige Anspruch gemäß Hilfsantrag 3 lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Formmessung von Freiform-Flächen (10, 40) an Messobjekten mit einem punktmessenden optischen interferometrischen Tastarm (21, 31, 51, 61), welcher entlang einer an die Freiform-Fläche (10, 40) angepassten vorgegebenen Bahnlinie (11, 41) bewegt wird, mit einem während der Bewegung des Tastarms (21, 31, 51, 61) über die vorgegebene Bahnlinie (11, 41) in einem Abtastpunkt (24, 34, 54, 64) auf die zu messende Freiform-Fläche fokussierten Messstrahl (22, 32, 52, 62), wobei die Bahnlinie (11, 41) so gewählt ist, dass der Messstrahl (22, 32, 52, 62) immer auf die Freiform-Fläche (10, 40) fokussiert ist, wobei der Tastarm (21, 31, 51, 61) bezogen auf seinen Abtastpunkt (24, 34, 54, 64) in zumindest einer Ebene, in der auch die Bewegung des Tastarms (21, 31, 51, 61) entlang der Bahnlinie (11, 41) liegt, derart um den Abtastpunkt (24, 34, 54, 64) um einen Drehwinkel (25, 35, 55, 65) gedreht wird, dass der Messstrahl (22, 32, 52, 62) senkrecht oder innerhalb eines Akzeptanzwinkels des Tastarms (21, 31, 51, 61) auf die zu messende Freiform-Fläche (10,40) trifft."
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1 Zulassung - Artikel 13 (1) VOBK
Der Anspruchssatz gemäß Hauptantrag wurde am 7. März 2019 eingereicht. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich inhaltlich von dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 nur durch die Streichung des Ausdrucks "/oder" in der Formulierung "mit einem punktmessenden optischen und/oder interferometrischen Tastarm".
Mit der Mitteilung, die der Ladung zur anberaumten mündlichen Verhandlung beigefügt war, hatte die Kammer die Druckschriften A1 und A2 ins Verfahren eingeführt und die vorläufige Auffassung vertreten, dass die Variante des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß den damals geltenden Anträgen - insbesondere des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 gemäß dem damals geltenden Hauptantrag - betreffend die Verwendung eines punktmessenden optischen Tastarmes nicht neu gegenüber der Offenbarung der Druckschriften A1 und A2 zu sein scheine. Die Änderung des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 durch Streichung des Ausdrucks "/oder" ist daher als unmittelbare Reaktion auf die Einführung der Druckschriften A1 und A2 ins Verfahren durch die Kammer anzusehen.
Auch wenn der Anspruchssatz gemäß dem geltenden Hauptantrag in einem späten Stadium der Verfahrens - und zwar nur zwei Arbeitstage vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer - eingereicht wurde, ließ die Kammer während der mündlichen Verhandlung in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (1) VOBK diesen Antrag in das Verfahren zu, weil die Änderung als sachdienliche Reaktion auf die Mitteilung der Kammer anzusehen war, geringfügig war, und keine neuen und komplexen Fragen aufwarf.
2.2 Neuheit
2.2.1 Die Druckschrift A1 offenbart eine Vorrichtung (Fig. 1 und Zusammenfassung), die einen punktmessenden optischen Tastarm (Messtastkopf 1 in Fig. 1, und Seite 13, Zeilen 7 bis 9) aufweist und die dazu geeignet ist, die Form von Freiform-Flächen mittels eines auf die zu messende Freiform-Fläche fokussierten Messstrahls (Messstrahl 7 in Fig. 1) zu messen (Seite 9, Zeilen 17 bis 21, Seite 10, Zeilen 15 bis 19, Seite 12, Zeilen 32 bis 34, und Seite 16, Zeilen 17 bis 23). Die Vorrichtung weist folgende Merkmale auf:
- der Messstrahl wird während der Bewegung des Tastarms in einem Abtastpunkt auf die Freiform-Fläche fokussiert (Fig. 1, Seite 13, Zeilen 7 bis 9, und Seite 17, Zeilen 10 bis 12);
- der Tastarm ist entlang einer vorgegebenen Bahnlinie bewegbar (Seite 12, Zeilen 32 bis 34 i.V.m. Seite 16, Zeilen 17 bis 31);
- der Winkel zwischen der Flächennormale der zu messenden Oberfläche im Abtastpunkt und der optischen Achse des Tastarms ist über eine Drehbewegung des Tastarms einstellbar (Zusammenfassung, dritter Satz, Seite 12, Zeilen 19 bis 24, und Seite 17, Zeile 27 bis Seite 18, Zeile 2), sodass der Tastarm bezogen auf seinen Abtastpunkt (Seite 18, Zeile 25 bis Seite 19, Zeile 29) in zumindest einer Ebene (Seite 12, Zeilen 19 bis 24, und Anspruch 4) derart drehbar ist, dass der Messstrahl senkrecht (Seite 9, Zeilen 27 bis 30, Seite 12, Zeilen 19 bis 24, Seite 17, Zeile 27 bis Seite 18, Zeile 2, und Seite 18, Zeilen 18 bis 21) bzw. innerhalb eines Akzeptanzwinkels des Tastarms, innerhalb dem eine Messung möglich ist (Fig. 5 und 6, Seite 16, Zeilen 5 bis 15, und Seite 17, Zeilen 12 bis 18), auf die zu messende Freiform-Fläche trifft (Zusammenfassung, dritter Satz), wobei die Drehung des Tastarms um den Abtastpunkt um einen begrenzten Drehwinkel durchgeführt wird (Seite 9, Zeilen 27 bis 30);
- die Drehbewegung wird u.a. senkrecht zu der optischen Achse des Tastarms (Rotationsachse 4 in Fig. 1) und für jeden der abzutastenden Abtastpunkte durchgeführt (Seite 10, Zeilen 15 bis 19, und Seite 16, Zeilen 17 bis 23), sodass die Drehbewegung des Tastarms bei gleichzeitiger Bewegung des Tastarms (Seite 18, Zeile 25 bis Seite 19, Zeile 2) entlang der Bahnlinie (Seite 10, Zeilen 15 bis 19) durchgeführt wird und der Abtastpunkt überlagert mit der vorgegebenen Bahnbewegung des Tastarms über die Freiform-Fläche bewegt wird bzw. die Drehbewegung des Tastarms mit seiner vorgegebenen Bahnbewegung überlagert ist.
Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass in der Druckschrift A1 der Tastarm mit jeder Schwenkbewegung zur Ausrichtung des Tastarms der Winkeländerung entsprechend translatorisch bewegt werden müsse, damit der Abtastpunkt beibehalten werden könne (Seite 18, Zeilen 25 bis 34), sodass der Tastarm bezogen auf den Abtastpunkt nicht wie beansprucht drehbar sei.
Die Kombination der Schwenkbewegung des Tastarms mit einer der Winkeländerung entsprechenden translatorischen Bewegung des Tastarms zur Beibehaltung des Abtastpunkts kommt aber mathematisch gesehen einer direkten Drehung des Tastarms um den Abtastpunkt um den entsprechenden Winkel gleich. Daher ist das beanspruchte Merkmal, wonach der Tastarm bezogen auf seinen Abtastpunkt drehbar ist, nach Auffassung der Kammer durch die Druckschrift A1 vorweggenommen.
Die Vorrichtung der Druckschrift A1 basiert allerdings auf einem nach dem Fokussierungs- (Fig. 2, 3, 5 und 6 i.V.m. der entsprechenden Beschreibung) oder dem Triangulationsmessverfahren (Fig. 4 i.V.m. der entsprechenden Beschreibung) berührungslos optisch arbeitenden Verfahren zur Abstandsmessung der Freiform-Fläche (Zusammenfassung).
Somit unterscheidet sich die beanspruchte Vorrichtung von der Vorrichtung der Druckschrift A1 dadurch, dass der punktmessende optische Tastarm aus einem optischen interferometrischen Tastarm besteht.
2.2.2 Die Druckschrift A2 offenbart eine Vorrichtung (Zusammenfassung, Seite 4, erster Absatz, und Fig. 2 und 3 i.V.m. der entsprechenden Beschreibung) zur Formmessung einer Freiform-Fläche (S) mit einer Positionsabtasteinrichtung (1) zum Tasten der dreidimensionalen Koordinatenpositionen der zu messenden Fläche, einem berührungslosen Verschiebungsmessgerät (2), einem Messfühler (3) zur Kontrolle der Stellung des Verschiebungsmessgeräts, und einer Verarbeitungseinheit (4) zum Umwandeln der Daten der Positionsabtasteinrichtung, des Verschiebungsmessgeräts und des Messfühlers in dreidimensionale Koordinaten der Messfläche. Die Positionsabtasteinrichtung besteht aus einer linearen Skala oder aus einem linearen Maßstab, und der Messfühler besteht aus einem Winkelanzeigemessfühler (Seite 4, erster Absatz, bis Seite 5, zweiter Absatz, und Seite 7, zweiter und dritter Absatz).
Die beanspruchte Vorrichtung unterscheidet sich von der Vorrichtung der Druckschrift A2 zumindest durch die Verwendung eines punktmessenden optischen interferometrischen Tastarms.
2.2.3 Die Druckschrift D1 offenbart eine Vorrichtung zur Messung der rotationssymmetrischen bzw. zylindrischen inneren Oberfläche von Hohlräumen (Fig. 1 und 2 und die entsprechende Beschreibung, insbesondere der die Seiten 1 und 2 überbrückende Satz, und Seite 2, vierter Absatz) mit einem optischen Tastarm. Der Tastarm weist einen rotierbaren punktmessenden interferometrischen Sondenteil auf, der derart ausgestaltet ist, dass nach Einführung des Sondenteils in den rotationssymmetrischen bzw. zylindrischen Hohlraum der Messstrahl senkrecht auf die zu messende innere Oberfläche trifft und auf sie fokussiert wird, sodass die rotationssymmetrische bzw. zylindrische innere Oberfläche durch Rotation des Sondenteils in Bezug auf das Hohlraum abgetastet wird.
In der Druckschrift D1 ist der Tastarm bzw. dessen rotierbares Sondenteil mechanisch und optisch aber derart ausgestaltet, dass durch Rotation des Sondenteils nur rotationssymmetrische bzw. zylindrische innere Oberflächen von Hohlräumen abgetastet und gemessen werden können. Die Vorrichtung der Druckschrift D1 ermöglicht daher keine Formmessung von Freiform-Flächen im Sinne von Anspruch 1.
2.2.4 Die Druckschrift D2 offenbart ebenfalls eine Vorrichtung zur Messung der rotationssymmetrischen bzw. zylindrischen inneren Oberfläche von Hohlräumen, die im Wesentlichen die oben unter Nr. 2.2.3 aufgelisteten Merkmale der Vorrichtung der Druckschrift D1 aufweist (D2, Fig. 1 und die entsprechende Beschreibung, insbesondere Spalte 3, Zeilen 47 bis 53).
In der Vorrichtung der Druckschrift D2 ist der Tastarm bzw. dessen rotierbares Sondenteil mechanisch und optisch wie in der Druckschrift D1 so ausgestaltet, dass die Vorrichtung ebenfalls keine Formmessung von Freiform-Flächen im Sinne von Anspruch 1 ermöglicht.
2.2.5 Die Druckschrift D3 offenbart eine Dreh-Schwenk-Einrichtung für mechanische Tastköpfe von Koordinatenmessgeräten (Zusammenfassung und Fig. 3, 5, 7, 11 und 12). Es wird in dieser Druckschrift vorgeschlagen, den mechanischen Tastkopf durch einen optischen Triangulationstaster zu ersetzen, der u.a. eine zum Beleuchtungsstrahl geneigte Optik ausweist (Seite 4, Zeilen 46 bis 51, und Fig. 4).
Der Druckschrift D3 ist aber kein interferometrischer Tastarm zu entnehmen. Es ist auch keine Offenbarung zu entnehmen, bei der Messung von Freiform-Flächen den optischen Triangulationstaster so auszugestalten und bezogen auf seinen Abtastpunkt derart drehbar anzuordnen, dass der Messstrahl senkrecht oder innerhalb eines Akzeptanzwinkels des Triangulationstasters auf die zu messende Freiform-Fläche treffen würde. Bereits aus diesen Gründen ist die beanspruchte Vorrichtung neu gegenüber der Druckschrift D3.
2.2.6 Die übrigen, im Recherchenbericht zitierten Druckschriften sind weniger relevant als die obengenannten Druckschriften.
2.2.7 Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag neu ist (Artikel 54 EPÜ).
2.3 Erfinderische Tätigkeit
2.3.1 Nach Auffassung der Kammer stellt die Variante der Vorrichtung der Druckschrift A1, die auf dem Fokussierungsmessverfahren basiert (Fig. 2, 3, 5 und 6 und entsprechende Beschreibung), den nächstkommenden Stand der Technik dar.
Die beanspruchte Vorrichtung unterscheidet sich von der Vorrichtung der Druckschrift A1 dadurch, dass der optische Tastarm ein optischer interferometrischer Tastarm ist (vgl. Nr. 2.2.1 oben).
2.3.2 Die Verwendung eines interferometrischen Tastarms ermöglicht eine auf dem interferometrischen Messverfahren basierende Formmessung der Freiform-Fläche und damit eine genauere Messung der Fläche als bei der Formmessung mit der Vorrichtung der Druckschrift A1.
2.3.3 Die Druckschrift D1 offenbart eine Technik zur Formmessung der inneren Oberfläche eines Hohlraums, die auf dem interferometrischen Messverfahren basiert und bei der ein interferometrischer Tastarm eingesetzt wird (vgl. Nr. 2.2.3 oben).
Dem Fachmann ist daher aus der Druckschrift D1 bekannt, bei der Formmessung einer Fläche durch optische Abtastung der Fläche mit einem optischen Tastarm eine auf dem interferometrischen Messverfahren basierte Technik anzuwenden und dabei einen Tastarm vom interferometrischen Typ einzusetzen, wobei das interferometrische Messverfahren ihrer Natur nach eine genauere Messung der Fläche ermöglicht als bei der Anwendung von Techniken, die auf dem Fokussierungsmessverfahren basieren. Der Fachmann wird daher diese Maßnahme ohne erfinderische Leistung in der Vorrichtung der Druckschrift A1 vorsehen und auf diese Weise in naheliegender Weise zu dem Gegenstand gemäß Anspruch 1 gelangen.
2.3.4 Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass eine Messung der Fläche mittels eines interferometrischen Messverfahrens eine hohe Reflexion des Messstrahls durch die Fläche erfordere, damit die Phase des Strahls nach der Reflexion erhalten bleibe, und dass das Messverfahrens der Druckschrift A1 auf rückgestreutem Licht (Streukeule 14 in Fig. 2 bis 4) basiere und daher raue Flächen voraussetze, die nicht für interferometrische Messverfahren geeignet seien. Daher werde der Fachmann nicht auf die Idee kommen, in der Vorrichtung der Druckschrift A1 das Fokussierungsverfahren durch ein interferometrisches Messverfahren auszutauschen, da dabei das interferometrische Messverfahren keine genaue Messung ermöglichen würde.
Dieser Argumentation kann die Kammer nicht folgen, weil das interferometrische Messverfahren nach der Druckschrift D1 einen bestimmten Grad an rückgestreutem Licht zulässt, solange ein wesentlicher Teil des Lichts reflektiert wird. Außerdem wird in der Druckschrift A1 die Formmessung von spiegelnden Oberflächen mit einem kleineren Streukegelwinkel explizit erwähnt (der die Seiten 6 und 7 überbrückende Satz) und damit ein bestimmter Grad an Reflektivität des Lichtes implizit erfordert (siehe Fig. 2 bis 6 und die entsprechende Beschreibung).
2.3.5 Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nach Auffassung der Kammer nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).
3. Hilfsantrag 1
3.1 Zulässigkeit - Artikel 13 (1) VOBK
Der Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 1 wurde ebenfalls am 7. März 2019 eingereicht. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem Anspruch 1 gemäß dem bisherigen, in der Beschwerdebegründung als Hilfsantrag 4 bezeichneten Hilfsantrag nur durch die Streichung des Ausdrucks "/oder" in der Formulierung "mit einem punktmessenden optischen und/oder interferometrischen Tastarm". Außerdem wurde die Neuheit der Variante des erwähnten Anspruchs 1 gemäß dem bisherigen Hilfsantrag 4 betreffend die Verwendung eines punktmessenden optischen Tastarmes mit der Mitteilung, die der Ladung zur anberaumten mündlichen Verhandlung beigefügt war, ebenfalls gegenüber den Druckschriften A1 und A2 beanstandet.
Auch wenn der Anspruchssatz gemäß dem geltenden Hilfsantrag 1 ebenfalls in einem späten Stadium des Verfahrens eingereicht wurde, ließ die Kammer in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (1) VOBK aus denselben Gründen, die oben unten Nr. 2.1 für den Hauptantrag angegeben worden sind, diesen Antrag in das Verfahren zu.
3.2 Neuheit und erfinderische Tätigkeit
3.2.1 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die folgenden, durch Unterstreichen gekennzeichneten zusätzlichen Merkmale:
a) der Tastarm ist "entlang einer an die Freiform-Fläche (10, 40) angepassten vorgegebenen Bahnlinie (11, 41) bewegbar";
b) der Messstrahl wird "während der Bewegung des Tastarms (21, 31, 51, 61) über die vorgegebenen Bahnlinie (11, 41) in einem Abtastpunkt (24, 34, 54, 64) auf die zu messende Freiform-Fläche" fokussiert; und
c) der Tastarm ist bezogen auf seinen Abtastpunkt "in zumindest einer Ebene, in der auch die Bewegung des Tastarms (21, 31, 51, 61) entlang der Bahnlinie (11, 41) liegt, derart um den Abtastpunkt (24, 34, 53, 64) um einen Drehwinkel" drehbar, dass der Messstrahl senkrecht oder innerhalb eines Akzeptanzwinkels des Tastarms auf die zu messende Freiform-Fläche trifft.
3.2.2 Das Merkmal b) wird in der Druckschrift A1 offenbart, siehe Nr. 2.2.1 oben, erster Absatz, erster Unterabsatz.
3.2.3 In der Druckschrift A1 wird der Tastarm derart um den Abtastpunkt um einen Drehwinkel gedreht, dass der Messstrahl senkrecht bzw. innerhalb eines Akzeptanzwinkels des Tastarms auf die zu messende Freiform-Fläche trifft, siehe Nr. 2.2.1 oben, erster Absatz, dritter und vierter Unterabsatz.
Außerdem findet die Drehung des Tastarms in einer Ebene statt, die gewährleistet, dass der Messstrahl senkrecht bzw. innerhalb eines Akzeptanzwinkels des Tastarms auf die zu messende Freiform-Fläche trifft (siehe Nr. 2.2.1 oben, erster Absatz, dritter und vierter Unterabsatz), was voraussetzt, dass der Tastarm in jegliche Ebene, und somit auch in der Ebene, in der die Bewegung des Tastarms entlang der Bahnlinie liegt, drehbar ist.
Daher ist auch das Merkmal c) von der Druckschrift A1 vorweggenommen.
3.2.4 Hinsichtlich des Merkmals a) hat die Beschwerdeführerin auf die Passage auf Seite 4, letzter Absatz, und Seite 5, dritter Absatz, der Beschreibung der Anmeldung hingewiesen und geltend gemacht, dass der Anspruch 1 erfordere, dass der Tastarm entlang der Solllinien, d.h. entlang an die Freiform-Fläche genau angepassten vorgegebenen Bahnlinien bewegbar sei. Der Anspruch 1 definiere deshalb ein deterministisches System, bei dem die Form der Freiform-Fläche vorbekannt sei und nur Abweichungen der Oberfläche von der vorgegebenen Fläche gemessen würden.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin basiert aber auf Merkmalen, die nicht im Anspruch 1 definiert sind, und die Kammer kann dieser Argumentation nur insoweit folgen, als der Druckschrift A1 nicht zu entnehmen ist, dass die vorgegebene Bahnlinie, entlang der die linienweise Abtastung der Freiform-Fläche erfolgt (Seite 16, Zeilen 17 bis 23), an die Freiform-Fläche angepasst ist.
Daraus folgt, dass das Merkmal a) gegenüber der Druckschrift A1 neu ist. Diesem Merkmal kann aber nach Auffassung der Kammer keine erfinderische Tätigkeit zuerkannt werden, weil der Fachmann erkennen würde, dass die vorgegebenen Bahnlinien in A1 zumindest zu einem gewissen Grad an die Freiform-Flächen angepasst sein müssen, um eine technisch sinnvolle Abtastung der Fläche zu ermöglichen, und dass der Anspruch 1 - anders als von der Beschwerdeführerin vorgetragen - keine erhöhte bzw. optimale Anpassung der Bahnlinie an die Freiform-Fläche - z.B. durch Solllinien oder dergleichen - erfordert.
3.2.5 Die beanspruchte Vorrichtung unterscheidet sich von der Vorrichtung der Druckschrift A1 auch dadurch, dass der optische Tastarm ein optischer interferometrischer Tastarm ist. Dieses Merkmal ist aber aus denselben Gründen, wie oben unter Nr. 2.3 für den Hauptantrag bereits dargelegt, naheliegend.
3.2.6 Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 nach Auffassung der Kammer nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
4. Hilfsantrag 2
4.1 Zulässigkeit - Artikel 13 (1) VOBK
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 nur durch die Einfügung des Merkmals "wobei die Bahnlinie (11, 41) so gewählt ist, dass der Messstrahl (22, 32, 52, 62) immer auf die Freiform-Fläche (10, 40) fokussiert ist". Dieses Merkmal wurde während der mündlichen Verhandlung in den Anspruch 1 als Reaktion auf die Diskussion hinsichtlich der Auslegung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 (siehe Nr. 3.2.4 oben) hinzugefügt.
Während der mündlichen Verhandlung ließ die Kammer in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (1) VOBK diesen Antrag in das Verfahren zu, weil die Änderung als eine sachdienliche Reaktion auf die vorangegangene Diskussion anzusehen war, geringfügig war, und keine neuen und komplexen Fragen aufwarf.
4.2 Klarheit
Aus dem im Anspruch 1 hinzugefügten Merkmal "wobei die Bahnlinie so gewählt ist, dass der Messstrahl immer auf die Freiform-Fläche fokussiert ist" geht nicht klar und eindeutig hervor, ob das Merkmal ein Merkmal der beanspruchten Vorrichtung oder - wie von der Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung bereits bemängelt - nur der beabsichtigen Verwendung der Vorrichtung darstellt. Außerdem ist in keiner dieser beiden Auslegungen des Anspruchs 1 klar, welche strukturellen und/oder funktionellen Merkmale der Vorrichtung durch das hinzugefügte Merkmal bestimmt werden sollen.
Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass das hinzugefügte Merkmal die Abtastung der Freiform-Fläche in der beanspruchten Vorrichtung auf auszuwählende Bahnlinien einschränkt, die gewährleisten, dass der Tastarm auf Sollpositionen gebracht wird, in denen der Messstrahl immer auf die Freiform-Fläche fokussiert ist.
Es ist aber der Formulierung des Anspruchs 1 nicht klar und eindeutig zu entnehmen, ob die von der Beschwerdeführerin angesprochene Einschränkung auf auszuwählende Bahnlinien - soweit eine solche Einschränkung durch den Anspruch gestützt ist - in dem Sinne auszulegen ist, dass die an die Freiform-Fläche angepassten Bahnlinien in der Vorrichtung bereits vorausgewählt - z.B. vorprogrammiert - sind, oder vielmehr nur in dem Sinne, dass die Abtastung-Bahnlinien während der Steuerung der Vorrichtung so auszuwählen sind, dass die übrigen beanspruchten Merkmale bzw. Bedingungen erfüllt sind.
Der geänderte Anspruch 1 ist damit unklar und erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
5. Hilfsantrag 3
5.1 Zulässigkeit - Artikel 13 (1) VOBK
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2, der auf eine Vorrichtung zur Formmessung von Freiform-Flächen gerichtet ist, durch die Umformulierung des Vorrichtungsanspruchs in einen Verfahrensanspruch, der auf ein Verfahren zur Formmessung von Freiform-Flächen gerichtet ist.
Die Umformulierung des Vorrichtungsanspruchs in einen Verfahrensanspruch erfolgte als unmittelbare Reaktion auf die während der mündlichen Verhandlung erhobenen Beanstandungen hinsichtlich der Klarheit des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 (vgl. Nr. 4.2 oben). Während der mündlichen Verhandlung ließ die Kammer in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (1) VOBK diesen Antrag in das Verfahren zu, weil die Änderung als unmittelbare und sachdienliche Reaktion auf die vorangegangene Diskussion anzusehen war, geringfügig war, und keine neuen und komplexen Fragen aufwarf.
5.2 Artikel 123 (2) EPÜ
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ergibt sich aus einer Umformulierung des ursprünglich eingereichten Vorrichtungsanspruchs 1 in einen Verfahrensanspruch, unter Streichung des Ausdrucks "und/oder" und in Kombination mit zusätzlichen Merkmalen aus den folgenden Passagen der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung: Seite 3, erster Absatz, Seite 4, letzter Absatz, und Seite 5, dritter Absatz (siehe auch Seite 6, erster und zweiter Absatz). | |
Die Änderungen der Beschreibung betreffen die Anpassung an die beanspruchte Erfindung (Artikel 84 und Regel 42 (1) c) EPÜ) und die Würdigung des Standes der Technik (Regel 42 (1) b) EPÜ).
Daraus folgt, dass die geänderten Anmeldungsunterlagen gemäß Hilfsantrag 3 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllen.
5.3 Regel 137 (5) EPÜ
Während des erstinstanzlichen Verfahrens wurde die im internationalen Recherchenbericht festgestellte mangelnde Einheitlichkeit der ursprünglichen Vorrichtungsansprüche und des ursprünglichen Verfahrensanspruchs 4 von der Prüfungsabteilung bestätigt und in Bezug auf die Vorrichtungsansprüche und auf die Verfahrensansprüche der während des erstinstanzlichen Verfahrens geltenden Anträge weiter aufrechterhalten (Artikel 82 EPÜ). Außerdem vertrat die Prüfungsabteilung die Auffassung, dass diese Verfahrensansprüche als nicht recherchiert galten (Regel 164 (2) bzw. 137 (5) EPÜ), weil die Verfahrensansprüche gemäß den damals geltenden Anträgen auf dem ursprünglich eingereichten unabhängigen Verfahrensanspruch 4 basierten und für das entsprechende Verfahren keine Recherche durchgeführt worden sei.
Der geltende Verfahrensanspruch 1 basiert nicht auf dem Verfahren gemäß dem ursprünglich eingereichten unabhängigen Verfahrensanspruch 4, sondern beinhaltet eine Umformulierung des ursprünglich eingereichten und recherchierten Vorrichtungsanspruchs 1 in einen Verfahrensanspruch (vgl. Nr. 5.2 oben) in Kombination mit zusätzlichen Merkmalen aus der Beschreibung, die auch als recherchiert gelten (Artikel 92 EPÜ). Bereits aus diesem Grund - und unabhängig davon, dass nach Auffassung der Kammer ein Einheitlichkeitsmangel der ursprünglich eingereichten Ansprüche, wie bereits in der Mitteilung zur Ladung der mündlichen Verhandlung ausgeführt, nicht vorlag - gilt der Gegenstand des geltenden Verfahrensanspruchs 1 als recherchiert.
5.4 Neuheit und erfinderische Tätigkeit
Durch die Umformulierung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 in einen auf ein Verfahren gerichteten Anspruch, in dem der Tastarm entlang einer "an die Freiform-Fläche [...] angepassten vorgegebenen Bahnlinie bewegt wird" und "die Bahnlinie so gewählt ist, dass der Messstrahl [...] immer auf die Freiform-Fläche [...] fokussiert ist", wird nunmehr zum Ausdruck gebracht, dass - wie von der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Hilfsanträge 1 und 2 bereits ausgeführt, vgl. oben Nr. 3.2.4, erster Absatz, und Nr. 4.2, zweiter Absatz - die Bahnlinie eine vorgewählte Bahnlinie bzw. eine Solllinie ist, die an die Freiform-Fläche bereits angepasst ist. Daraus folgt auch, dass die Form der Freiform-Fläche einer vorgegebenen bzw. bereits bekannten Form entspricht und dass mit dem Verfahren die Abweichungen der Freiform-Fläche von der vorgegebenen Soll-Form gemessen werden, wobei gewährleistet wird, dass der Tastarm auf Sollpositionen gebracht wird, in denen der Messstrahl auf die Freiform-Fläche fokussiert ist.
Im Gegensatz hierzu sind die Verfahren zur Formmessung von Freiform-Flächen gemäß den Druckschriften A1 und A2 nicht auf die Formmessung von Flächen, deren Form bereits bekannt ist, gerichtet, sondern auf die Formmessung von Freiform-Flächen unbekannter Form, was eine kontinuierliche Bestimmung der Form der zu messenden Portion der Freiform-Fläche und eine entsprechende Justierung der Position und der Orientierung des Tastarms erfordert.
Das beanspruchte Verfahren ermöglicht daher eine verbesserte und schnellere Kontrolle der Bewegung des Tastarms bei der Messung von Form-Abweichungen einer Freiform-Fläche in Bezug auf eine vorgegebene Soll-Form, und daher eine präzisere Messung solcher Abweichungen (vgl. Beschreibung, Seite 5, Zeilen 22 bis 27, Seite 6, Zeilen 17 bis 22, und Seite 7, Zeilen 9 bis 12).
Keines der vorhandenen Dokumente gibt einen Hinweis auf das beanspruchte Verfahren. Insbesondere ermöglichen die Verfahren gemäß den Druckschriften D1 und D2 zwar eine präzise Messung der Abweichungen einer Oberfläche in Bezug auf eine vorgegebene Form, wobei diese Verfahren aber auf eine rotationssymmetrische bzw. zylindrische innere Oberfläche von Hohlräumen beschränkt sind, bei der eine angepasste Bewegung des Tastarms und die Fokussierung des Messstrahls auf die Oberfläche aufgrund der einfachen und symmetrischen Geometrie bereits mit einfachen Mitteln erreicht werden können.
Das Verfahren nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist somit neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 54 und 56 EPÜ).
6. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der Hilfsantrag 3 gewährbar ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
- Ansprüche: Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2019 als Hilfsantrag 5.
- Beschreibung: Beschreibungsseiten 1 bis 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2019; Beschreibungsseiten 4 bis 7 wie ursprünglich eingereicht.
- Zeichnungen: Blatt 1/1 wie ursprünglich eingereicht.