European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T166013.20181116 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 November 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1660/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07004484.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | H01T 13/32 H01T 13/20 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Zündkerze | ||||||||
Name des Anmelders: | Federal-Mogul Ignition GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Lorenz Seidler Gossel Rechtsanwälte Patentanwälte Partnerschaft mbB |
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Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Einspruchsgründe - mangelnde Patentierbarkeit (ja) Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 850 433 aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit widerrufen wurde.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrecht zu erhalten (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des mit Schreiben vom 29. August 2014 eingereichten Hilfsantrags 1 oder des mit Schreiben vom 6. Mai 2015 eingereichten Hilfsantrags 2 aufrecht zu erhalten.
III. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Die folgenden während des Einspruchsverfahrens genannten Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:
D3 : US 2001/0004183 A1
D4 : EP 1 544 969 A1.
V. In einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK hatte die Kammer den Parteien mitgeteilt, dass aller Voraussicht nach der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und die Kammer dazu neige, die Hilfsanträge 1 und 2 nicht in das Verfahren zuzulassen.
VI. Eine mündliche Verhandlung fand am 16. November 2018 vor der Kammer statt.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Zündkerze mit
- einem Körper (1),
- einem im Körper (1) angeordneten Isolator (2),
- einer im Isolator angeordneten Mittelelektrode (3) und
- einer am Körper angebrachten und aus einem Metalldraht gebildeten Körperelektrode (4), wobei die Querschnittsform des Metalldrahtes, aus dem die Körperelektrode (4) gebildet ist, aus einer Geraden auf der der Mittelelektrode (3) zugewandten Seite und einer Kurvenform besteht, die an die Gerade anschließt und Abrundungen auf der der Mittelelektrode (3) abgewandten Seite aufweist; dadurch gekennzeichnet dass die Zündkerze ein M12 Gewinde umfasst und
der Querschnitt des Metalldrahtes eine Breite (L) von 2,4 bis 2,6 mm, eine Höhe (H) von 1,2 bis 1,4 mm und einen Radius der Abrundungen von 0,5 bis 0,7 mm aufweist."
VIII. Die unabhängigen Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 und 2 enthalten im Vergleich zu Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lediglich Änderungen im Oberbegriff.
IX. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents unterscheide sich nicht nur durch das M12 Gewinde von der Offenbarung des Dokuments D4, sondern auch dadurch, dass die Körperelektrode aus einem Metalldraht gebildet sei und ein optimiertes Verhältnis von Wärme aufnehmender Oberfläche zu Wärme abgebender Oberfläche aufweise, wodurch einerseits die Abbrandzeit verlängert werde und andererseits die Elektrodentemperatur im Betrieb gesenkt werde. Insbesondere bestehe die der Mittelelektrode zugewandte Seite der Körperelektrode aus einer Geraden. Hierdurch seien Abrundungen auf dieser Seite ausgeschlossen. Dokument D4 zeige jedoch solche Abrundungen und könne somit die Querschnittsform nach dem Patent nicht vorwegnehmen. Darüber hinaus seien die Höhe und Breite der Körperelektrode in Absatz [0037] einerseits und der Radius der Abrundungen in Spalte 10, Zeile 10 andererseits nicht in Kombination miteinander offenbart. Es sei in Absatz [0031] angegeben, dass lediglich die Form der Körperelektrode in Figur 4 anders als in Figur 2 sei. Daher könnten die Maße aus Absatz [0037] nicht auf die Körperelektrode nach Figur 4 übertragen werden.
Die im ersten und zweiten Hilfsantrag durchgeführten Änderungen seien lediglich Klarstellungen. Hierdurch entstünden keinerlei Benachteiligungen für die Verfahrensbeteiligten.
X. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D4. Das einzige nicht explizit aus D4 bekannte Merkmal, das M12 Gewinde, sei ein generisches Merkmal, das zwingend zum Gegenstück in einem Motorblock passen müsse und insofern implizit aus D4 bekannt sei. Sofern der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 als neu angesehen werde, beruhe er jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Hilfsanträge der Beschwerdeführerin seien nicht zuzulassen, da sich die Beschwerdeführerin während des gesamten Verfahrens vor der Einspruchsabteilung in keiner Weise zu den erhobenen Einwänden geäußert habe, obwohl hierfür Zeit zur Verfügung stand.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht und ist daher zulässig.
2. Hauptantrag (Artikel 100 a) EPÜ)
Es ist nicht bestritten, dass das Dokument D4 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
Dokument D4 offenbart eine Zündkerze mit einem Körper (Absatz [0019] und Figur 1, Bez. 1), einem im Körper angeordneten Isolator (Absatz [0019] und Figur 1, Bez. 2), einer im Isolator angeordneten Mittelelektrode (Absatz [0019] und Figur 1, Bez. 3) und einer am Körper angebrachten und aus einem Metalldraht gebildeten Körperelektrode (Figur 4, Bez. 4a), wobei die Querschnittsform des Metalldrahtes, aus dem die Körperelektrode gebildet ist, aus einer Geraden auf der der Mittelelektrode zugewandten Seite und einer Kurvenform besteht, die an die Gerade anschließt und Abrundungen auf der der Mittelelektrode abgewandten Seite aufweist (Figur 4, Bez. 4a), wobei die Zündkerze ein Gewinde (Absatz [0020] und Figur 1, Bez. 12) umfasst und
der Querschnitt des Metalldrahtes eine Breite (L) von 2,4 bis 2,6 mm, eine Höhe (H) von 1,2 bis 1,4 mm (2,5 mm bzw. 1,4 mm, s. Absatz [0037])und einen Radius der Abrundungen von 0,5 bis 0,7 mm aufweist (0,5 mm, s. Absatz [0032], insbesondere Spalte 10, Zeile 10 und Figur 4, Bez. 4a).
Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass in D4 eine Körperelektrode aus einem Metalldraht, die beanspruchte Querschnittsform sowie ein M12 Gewinde offenbart ist.
D4 offenbart jedoch mit INCONEL 600 in Absatz [0032] ein Metall als Material der Körperelektrode und die Form der in D4 abgebildeten Körperelektrode kann durchaus als Draht angesehen werden.
Zur Beurteilung der Frage, ob, wie von der Beschwerdegegnerin behauptet, die in Figur 4 des Dokuments D4 gezeigte Querschnittsform unter den Wortlaut des Anspruchs 1 fällt, ist eine Auslegung des Anspruchswortlauts erforderlich.
Die Beschwerdeführerin scheint davon auszugehen, die sich an die Gerade anschließende Kurvenform des Querschnitts schließe sich rechtwinklig an die Gerade an, da sie die in Dokument D4 in Figur 4 gezeigten abgerundeten Ecken der Körperelektrode 4a nicht als unter den Anspruch fallend ansieht.
Während des Prüfungsverfahrens wurde eine Änderung in Anspruch 1 von einer Querschnittsform, gemäß der sich die Abrundung explizit an die Gerade anschließt, in eine Querschnittsform, die nur allgemein eine Kurvenform mit Abrundungen auf der der Mittelelektrode abgewandten Seite definiert, durchgeführt. Hierdurch fällt jedenfalls die in der Figur 2 des Patents gezeigte Ausführungsform, nach der sich die Kurvenform rechtwinklig an die Gerade anschließt, nicht mehr unter den Anspruchswortlaut. Die Figur 2 ist daher ungeeignet, um die Querschnittsform nach Anspruch 1 mit jener nach Dokument D4 zu vergleichen.
Ferner stellt sich auch die Frage, wie weit sich die Gerade auf der der Mittelelektrode zugewandten Seite erstrecken muss, um funktional noch als "der Mittelelektrode zugewandt" angesehen werden zu können, d.h. ob eine Erstreckung über nur einen Teil der Breite der Elektrode ausreichend ist, wie dies von der Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz vom 5. Februar 2015 unter I.1 vertreten wird.
Angesichts des geringen Durchmessers der Mittelelektrode und der Tatsache, dass die Abrundungen der Körperelektrode nach Figur 4 der D4 durchaus als von der Mittelelektrode abgewandt angesehen werden können, hält die Kammer das Argument der Beschwerdegegnerin für einschlägig. Die der Mittelelektrode zugewandte Gerade der Körperelektrode 4a in Figur 4, die sich nicht über die gesamte Breite der Körperelektrode erstreckt, fällt daher unter das beanspruchte Merkmal "Gerade" des Anspruchs 1.
Hinsichtlich der beanspruchten Querschnittsform ist die Kammer zu der folgenden Auffassung gelangt.
Der Satz in Absatz [0031], wonach die zweite Ausführungsform, und damit auch deren Körperelektrode, mit Ausnahme der Form der Körperelektrode, auf gleiche Weise aufgebaut ist, wie die erste Ausführungsform ("The embodiment [Embodiment 2] is configured in the same manner as Embodiment 1, except for the shape of the first ground electrode 4") stellt klar, dass mit Ausnahme der Form der Körperelektrode alle anderen Elemente der ersten und zweiten Ausführungsform identisch sind. Hierunter fallen auch die angegebenen Maße. Somit gelten die in Absatz [0037] angegebenen Maße der ersten Ausführungsform auch für die in Figur 4 gezeigte und in den Absätzen [0031] und [0032] beschriebene zweite Ausführungsform.
Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass die in Anspruch 1 beanspruchte Querschnittsform einschließlich der beanspruchten Maße in Dokument D4 in den Absätzen [0032] und [0037] sowie in der Figur 4 offenbart ist.
Als einziges Unterscheidungsmerkmal des Anspruchs 1 gegenüber der Offenbarung des Dokuments D4 verbleibt folglich die Tatsache, dass das in D4 nicht weiter spezifizierte Gewinde als M12 Gewinde ausgebildet ist.
Dieses einzige Unterscheindungsmerkmal hat den technischen Effekt, die Kompatibilität der beanspruchten Zündkerze zu einem M12 Gewinde herzustellen.
Als objektive Aufgabe ergibt sich somit, die aus D4 bekannte Zündkerze derart anzupassen, dass sie für ein entsprechendes M12 Gewinde geeignet ist.
Die Lösung dieser Aufgabe liegt nach Auffassung der Kammer im Belieben des Fachmanns. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass ein M12 Gewinde ein weit verbreitetes Standardgewinde für Zündkerzen ist, das beispielsweise aus Absatz [0004] des Dokuments D3 bekannt ist.
Der Fachmann hätte daher sein allgemeines Fachwissen oder die entsprechende Offenbarung des Dokuments D3 mit der Lehre des Dokuments D4 kombiniert und wäre in naheliegender Art und Weise zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gelangt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
Folglich steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegen.
3. Hilfsanträge - Zulässigkeit (Artikel 12 (4) VOBK)
Die Patentinhaberin hat sich im Rahmen des Einspruchsverfahrens zu den von der Einsprechenden vorgebrachten Einspruchsgründen weder in schriftlicher Weise geäußert noch hat sie eine geänderte Fassung der Ansprüche vorgelegt. Erst mit der Beschwerdebegründung hat sich die Beschwerdeführerin mit den erhobenen Einspruchsgründen auseinandergesetzt und neben einem Hauptantrag auf Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung auch zwei Hilfsanträge eingereicht.
Im Hinblick auf diese verfahrensrechtliche Vorgangsweise der Beschwerdeführerin hat die Kammer bereits in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK auf den Artikel 12 (4) VOBK hingewiesen, wonach es im Ermessen der Kammer liegt, Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.
Nach Ansicht der Kammer sind keine Gründe aktenkundig, die gegen die Möglichkeit der Einreichung des ersten und zweiten Hilfsantrags im erstinstanzlichen Verfahren sprechen.
Für die Ausübung des Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK sind nach vorläufiger Ansicht der Kammer insbesondere die folgenden Umstände von maßgebender Bedeutung:
Die Beschwerdeführerin hat sich im Einspruchsverfahren weder zu den detailliert vorgetragenen Einspruchsgründen geäußert noch hat sie eine geänderte Fassung der Ansprüche eingereicht. Sie hat sich somit nicht aktiv am Einspruchsverfahren beteiligt und damit das Einspruchsverfahren umgangen und auf diese Weise offenbar versucht, den Fall vollständig in die zweite Instanz zu verlagern, um die Kammer zu zwingen, entweder erstmalig über ihre Sache zu entscheiden, oder die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Beide Verfahrensoptionen würden die Beschwerdegegnerin ungerechtfertigt benachteiligen, da eine Zurückverweisung an die erste Instanz zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führen würde bzw. eine Entscheidung über einen der neuen Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin die Möglichkeit nehmen würde, die Sache von zwei Instanzen prüfen zu lassen.
Der Vollständigkeit halber ist zu bemerken, dass die Entscheidungsbegründung der Einspruchsabteilung völlig auf den von der Einsprechenden vorgetragenen Argumenten beruht, sodass sich für die Beschwerdeführerin durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung auch keine neue Sachlage ergab, auf die sie erst im Beschwerdeverfahren hätte reagieren können.
Die Kammer übt daher ihr Ermessen nach Artikel 12 (4) VOBK dahingehend aus, den ersten und zweiten Hilfsantrag nicht in das Verfahren zuzulassen.
4. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegen (Hauptantrag der Beschwerdeführerin). Die Hilfsanträge 1 und 2 wurden nicht zugelassen. Dem Antrag der Beschwerdegegnerin, die Beschwerde zurückzuweisen, war folglich stattzugeben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.