European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T153213.20190228 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 28 Februar 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1532/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99910166.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B41M 3/14 B42D 15/00 B42D 15/10 G07D 7/00 G06K 19/14 G09F 3/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Bedrucktes Wertdokument mit einem lumineszierenden Echtheitsmerkmal | ||||||||
Name des Anmelders: | Giesecke+Devrient Currency Technology GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Bundesdruckerei GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja: Hauptantrag) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 975 469 (im Nachfolgenden als "das Patent" bezeichnet) zurückzuweisen.
II. Von den von der Einspruchsabteilung berücksichtigten Druckschriften sind folgende für das Beschwerdeverfahren besonders relevant:
E1: WO 81/03507;
E3: W. Nie et al, "Zero-Phonon Lines and Energy Transfer Between Chromium (III) and Neodymium (III) Multisites in Yttrium Aluminium Garnet (YAG)", Chem. Phys. Lett. 164(1) (1989) 106-112;
E5: US 3,725,811;
E6: Z. J. Kiss et al, "Cross-Pumped Cr3+-Nd3+:YAG Laser System", Appl. Phys. Lett. 5(10) (1964) 200-202.
III. Es handelt sich um die zweite Beschwerde in diesem Fall. Nach dem Widerruf des Patents durch die Einspruchsabteilung wegen fehlender Neuheit gegenüber der Lehre der Druckschrift E1 hatte die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt. In ihrer Entscheidung T 1176/08 vom 16. Januar 2012 hat diese Kammer (in anderer Besetzung) festgestellt, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 20 gegenüber der Lehre der Druckschrift E1 neu ist. Sie hat daher die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen.
IV. In der nun angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung daraufhin den Einspruch zurückgewiesen.
V. Das Patent ist nach Ablauf seiner Laufzeit gemäß Artikel 63 (1) EPÜ 1973 am 29. Januar 2019 erloschen.
VI. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer hat am 28. Februar 2019 stattgefunden, zusammen mit dem Fall T 1534/13. Die Parteien hatten zuvor der Verbindung der beiden Verfahren gemäß Artikel 10 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) zugestimmt.
VII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Grundlage der Hilfsanträge 1 bis 6 (eingereicht mit Schreiben vom 15. Dezember 2011) oder des Hilfsantrags 7 (eingereicht mit Schreiben vom 13. Januar 2012) aufrechtzuerhalten.
VIII. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 20 des Patents lauten wie folgt:
"1. Bedrucktes Wertdokument mit zumindest einem Echtheitsmerkmal in Form einer lumineszierenden Substanz auf der Basis von mit wenigstens einem Seltenerdmetall dotierten Wirtsgitter, das im Wesentlichen im gesamten sichtbaren Spektralbereich absorbiert, in wesentlichen Teilen des sichtbaren Spektralbereichs anregbar und zumindest im Wellenlängenbereich zwischen 0,8mym und 1,1mym wenigstens teilweise transparent ist, wobei das Seltenerdmetall im Wellenlängenbereich von 0,8mym und 1,1mym emittiert, und das Wirtsgitter als absorbierende Substanz Chrom in einer solchen Konzentration enthält, dass eine Verstärkung der Emission der lumineszierenden Substanz auftritt."
"20. Sicherheitselement, welches zumindest ein Träger material und eine lumineszierende Substanz auf der Basis von mit wenigstens einem Seltenerdmetall dotierten Wirtsgitter aufweist, das im Wesentlichen im sichtbaren Spektralbereich absorbiert, in wesentlichen Teilen des sichtbaren Spektralbereichs anregbar und zumindest im Wellenlängenbereich zwischen 0,8 mym und 1,1 mym wenigstens teilweise transparent ist, wobei das Seltenerdmetall im Wellenlängenbereich von 0,8 mym und 1,1 mym emittiert, und das Wirtsgitter als absorbierende Substanz Chrom in einer solchen Konzentration enthält, dass eine Verstärkung der Emission der lumineszierenden Substanz auftritt."
IX. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 20 sei nicht erfinderisch gegenüber der Lehre der Druckschrift E1 bzw. der Kombination der Druckschriften E1 und E2.
Die Druckschrift E1 enthalte einen Abschnitt, in dem der Stand der Technik beschrieben wird. Abstrakt gesprochen, werde dort eine gewisse Merkmalskombination (A-B-C-D) als bekannt offenbart. Die Druckschrift E1 stelle sich eine Aufgabe und beschreibe ihre Lösung durch eine andere Merkmalskombination (A-B-C-E), bei der ein als abträglich verstandenes Merkmal (D) des Stands der Technik durch ein anderes Merkmal (E) ersetzt worden sei. Der Fachmann würde aber verstehen, dass das "abträgliche" Merkmal (D) nicht intrinsisch nachteilig ist, sondern nur im Zusammenhang mit der von der Druckschrift E1 gelösten Aufgabe. Zur Lösung einer anderen Aufgabe würde der Fachmann dieses Merkmal durchaus in Betracht ziehen.
Konkret unterscheide sich das Wertdokument gemäß Anspruch 1 des Patents durch drei Merkmale von der Offenbarung der Druckschrift E1, denen zufolge:
(1) das Wirtsgitter zumindest im Wellenlängenbereich zwischen 0,8 mym und 1,1 mym wenigstens teilweise transparent ist;
(2) das Seltenerdmetall in diesem Wellenlängenbereich emittiert; und
(3) das Wirtsgitter als absorbierende Substanz Chrom in einer solchen Konzentration enthält, dass eine Verstärkung der Emission der lumineszierenden Substanz auftritt.
Die Unterscheidungsmerkmale (1) und (2) einerseits und das Unterscheidungsmerkmal (3) andererseits würden unabhängig voneinander zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe beitragen und seien somit gesondert zu untersuchen (siehe Seite 3 der Beschwerdebegründung).
Die objektive technische Aufgabe bestehe darin, ein Wertdokument mit einer alternativen lumineszierenden Substanz zur Verfügung zu stellen, die eine hohe Emissionsintensität aufweist, so dass sie auch bei geringen Konzentrationen der lumineszierenden Substanz im Wertdokument nachweisbar ist.
Wie von der Beschwerdekammer im Ladungsbescheid festgestellt wurde, stellt sich die Druckschrift E1 eine andere Aufgabe als das Patent; zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe könne der Fachmann, der von der Lehre der Druckschrift E1 ausgeht, also durchaus Maßnahmen ergreifen, die der Lösung der in der Druckschrift E1 gelösten Aufgabe zuwiderlaufen würden. Der Fachmann könne die nachteilige Bewertung der Druckschrift E1 bezüglich der Lumineszenz im nahen IR-Bereich (siehe Seite 3, Zeilen 18 bis 27) nachvollziehen und würde verstehen, dass die nachteilige Bewertung nicht für die von ihm zu lösende objektive technische Aufgabe gelte. Er würde diese Offenbarung deshalb aufgreifen und als Möglichkeit verstehen, die sich ihm stellende Aufgabe zu lösen. Deshalb sei das Unterscheidungsmerkmal (2) durch die besagte Stelle der Druckschrift E1 nahegelegt.
Die Beschwerdeführerin verwies auch auf Seite 4, Zeilen 29 bis 33, der Druckschrift E1. Dieser Stelle zufolge komme es auch in den Leuchtstoffen, die in der Druckschrift E1 zum Einsatz kämen, zur Emission im nahen IR-Bereich, aber diese Strahlung werde vom Wirtsgitter absorbiert. Dem Fachmann werde hier vermittelt, dass diese Emissionen leicht zugänglich sind (siehe Seite 3, Zeile 22). Dass diese Emissionen nicht vernachlässigbar gering sind, das gehe implizit aus dem Aufwand hervor, der getrieben wird, um sie zu unterdrücken. Es handle sich also um relevante, technisch verwertbare Emissionen.
Der Beschwerdegegnerin sei zuzustimmen, dass sich die Feststellung "leicht zugänglich" auf die handelsüblichen Bildwandler beziehe, aber im ersten Teil des Satzes sei klar gesagt, dass Lumineszenz im IR-Bereich auftrete. Der Hinweis der Beschwerdegegnerin, dass es sich um einen frühen Stand der Technik handle, zeige gerade, dass damals schon entsprechende Leuchtstoffe verfügbar waren, die im nahen IR-Bereich emittieren konnten.
Auch das Unterscheidungsmerkmal (1) könne keine erfinderische Tätigkeit gegenüber der Druckschrift E1 begründen. Auf Seite 4, Zeilen 25 bis 27, werde für das Wirtsgitter ein bevorzugtes optisches Fenster "zwischen 1,1 und 10 mym oder 0,7 und 10 mym" offenbart. Somit würden zwei Fälle unterschieden, nämlich ein Bereich zwischen 1,1 und 10 mym und ein Bereich zwischen 0,7 und 10 mym. Letzterer Fall schließe den nahen IR-Bereich zwischen 0,8 und 1,1 mym ein, was das Unterscheidungsmerkmal (1) nahelege.
Wenn die Emissionen in diesem Bereich nicht relevant wären, würde man sie nicht unterdrücken wollen. Die Emissionen können also nicht vernachlässigbar sein. Ihre Erwähnung gibt dem Fachmann einen Hinweis, wie er die objektive technische Aufgabe lösen könne.
Auf Seite 4, Zeilen 29 bis 32, beschreibe die Druckschrift E1 die Unterdrückung von Emissionen im sichtbaren Bereich oder im nahen IR-Bereich. In ersterem Fall unterdrücke das Wirtsgitter Emissionen im nahen IR-Bereich nicht. Deshalb werde das Unterscheidungsmerkmal (1) auch durch diese Offenbarungsstelle nahegelegt.
Laut Ladungsbescheid weise dieses Unterscheidungsmerkmal im Kontext der Offenbarung der E1 die unmittelbare technische Wirkung auf, dass die Lumineszenz nur im sichtbaren Bereich unterbunden ist, nicht aber im nahen IR-Bereich; anders ausgedrückt, dass die Lumineszenz für das unbewaffnete Auge nicht erkenntlich ist, während sie mit gängigen Hilfsmitteln nachgewiesen werden könne. Auch die so formulierte Wirkung führe zu einer objektiven technischen Aufgabe, welche der in der E1 gestellten Aufgabe zuwiderläuft. Die objektive technische Aufgabe sei aber wiederum darin zu sehen, ein Wertdokument mit einer alternativen lumineszierenden Substanz zur Verfügung zu stellen, die eine hohe Emissionsintensität aufweist, so dass sie auch bei geringen Konzentrationen der lumineszierenden Substanz im Wertdokument nachweisbar ist. Da der Unterschied in der Emission und optischen Transparenz im nahen IR-Bereich bestehe, sei die Wirkung die erleichterte Nachweisbarkeit, so dass die in der E1 angestrebte erschwerte Nachweisbarkeit gerade nicht mehr erreicht werden solle. Dementsprechend könne die erschwerte Nachweisbarkeit nicht Teil der objektiven technischen Aufgabe sein.
Bezüglich des Unterscheidungsmerkmals (3) merkte die Beschwerdeführerin an, dass der Fachmann wusste, dass Chrom (Ordnungszahl 24) in diesem Zusammenhang ähnliche Eigenschaften wie die besonders bevorzugten, einzeln angeführten Übergangsmetalle Kobalt, Nickel, Mangan und Eisen (Ordnungszahlen 25 bis 28) aufweist, sodass der Fachmann es neben diesen besonders bevorzugten Übergangsmetallen als vorrangig geeignet ansehen musste.
Die Austauschbarkeit der geeigneten Elemente werde dem Fachmann bereits dadurch aufgezeigt, dass die Elemente mehrerer Nebengruppen als geeignet beschrieben werden (Seite 4, Zeilen 17 bis 20) und beispielhaft eine Auflistung besonders bevorzugter Elemente angegeben ist (Seite 4, Zeilen 20 bis 21).
Wenn die Auswahl von Chrom nicht durch die in der E1 angeführten Gruppen von Elementen nahegelegt gewesen wäre, so müssten die Kriterien einer Auswahlerfindung erfüllt sein (Richtlinien für die Prüfung, Teil G, Kapitel VI, Abschnitt 8). Demnach genüge eine Auswahl aus einer einzelnen Liste konkret offenbarter Elemente noch nicht. Stattdessen wäre die Auswahl aus zwei oder mehr Listen erforderlich, beispielsweise die Auswahl chemischer Einzelverbindungen aus einer bekannten generischen Formel, wobei die ausgewählte Verbindung aus der Auswahl spezifischer Substituenten aus zwei oder mehr "Listen" von Substituenten in der bekannten generischen Formel hervorgehe (Richtlinien für die Prüfung, Teil G, Kapitel VI, Abschnitt 8, i., a). Somit werde dem Fachmann auch das Unterscheidungsmerkmal 3 durch die E1 nahgelegt.
Die von der Einspruchsabteilung formulierte objektive technische Aufgabe - bezüglich derer die Beschwerdeführerin auf Anfrage der Kammer explizit erklärte, dass sie damit einverstanden sei - enthalte unbestimmte Begriffe wie die "hohe" Emissionsintensität und "geringe" Konzentrationen, die in Patentansprüchen gar nicht zulässig wären. Diese Begriffe seien auch bei der Diskussion der Offenbarung der Druckschrift verwendet worden (Wurden damals große Mengen von Leuchtstoff verwendet? Bewirkte der Leuchtstoff große Emissionsintensitäten?) Derart unbestimmte Begriffe würden sich im Lauf der Zeit wandeln. Die relevante Frage sei aber, ob der Fachmann durch den Stand der Technik einen ausreichenden Hinweis bekommen habe. Der Fachmann würde die unbestimmten Begriffe entsprechend interpretieren bzw. sich die Frage stellen, ob sie ihm einen Hinweis liefern. Wenn eine Emission erwähnt werde, müsse sie eine Relevanz haben. Ob sie für seine Anwendung ausreiche, würde sich später zeigen, aber ihre Erwähnung gibt zumindest eine Anregung, die Idee aufzugreifen.
Dass der Fachmann Chrom als absorbierenden Gitterbestandteil wählen würde, gehe zum Beispiel aus der Druckschrift E3, E5 und E6 hervor.
X. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat Folgendes vorgetragen:
Die Offenbarung der Seite 3, Zeilen 18 bis 27, der Druckschrift E1 sei von der Beschwerdeführerin zu Unrecht so ausgelegt worden, dass es starke Emissionen gebe, die schon in geringen Konzentrationen nachgewiesen werden könnten. Die Anmeldung stamme aus dem Jahr 1980 und erwähne den Stand der Technik vor 1980. Damals seien Bildwandler üblich gewesen, die den nahen IR-Bereich abdeckten. Deshalb seien zu dieser Zeit solche Lumineszenzstoffe verwendet worden. Es sei daraus nicht abzulesen, wie stark die Emission war und in welchen Konzentrationen diese Stoffe eingesetzt wurden bzw. nachgewiesen werden konnten. Es gebe keinen Hinweis für den Fachmann, dass man dieses alte Konzept wieder aufnehmen sollte. Ganz im Gegenteil werde dieses Konzept als unvorteilhaft vorgestellt. Die Patentinhaberin sei zum alten Konzept zurückgekehrt und habe festgestellt, dass gerade dieser Bereich Vorteile habe, denn es ließen sich Lumineszenzstoffe finden, die in so geringen Mengen eingesetzt werden können, dass ein Nachweis über chemische Analysen kaum noch möglich ist.
Dadurch, dass in der Druckschrift lumineszierende Substanzen verwendet würden, die auch seltene Erden umfassen, welche im nahen IR-Bereich Emissionen haben können, sei das Merkmal nicht nahegelegt. Es gehe auch um die Konzentration und den Nachweis, wohingegen die Druckschrift E1 den Nachweis gerade nicht zulasse. Die Offenbarung der Seite 4, Zeilen 29 bis 32, sage nichts darüber aus, wie stark die Emissionen wären, wenn man ein "falsches" Wirtsgitter verwenden würde. Ihre Lehre beschränke sich darauf, dass eventuell vorhandene Emissionen, wie stark auch immer sie sein mögen, zu unterdrücken sind.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin beruhe auf einer ex post Überlegung. Die Druckschrift E1 offenbare nichts zur Stärke der Emission. Es sei möglich, dass der Nachweis damals schwierig war und dass große Mengen des Leuchtstoffes verwendet werden mussten. Auch die Beschaffenheit des Leuchtstoffes sei nicht offenbart. Die Tatsache, dass die Emission im nahen IR-Bereich nachweisbar war, bedeute nicht, dass der Nachweis gut möglich war und dass die Stoffe in geringen Mengen verwendet werden konnten. Die Tatsache, dass man in einem Bereich etwas nachweisen konnte, stelle keinen Hinweis dar, diesen Bereich zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe in Betracht zu ziehen.
Unbestimmte Begriffe wie "hoch", "gering", etc. seien problematisch, wenn sie im Anspruchswortlaut verwendet werden, aber das sei hier nicht der Fall. In der Aufgabenstellung könnten solche Begriffe durchaus ihre Berechtigung haben. Man wolle Verbesserungen erzielen und sei daher immer im relativen Bereich.
Auf die Frage der Kammer hin bejahte die Beschwerdegegnerin, dass sie mit der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe durch die Einspruchsabteilung einverstanden sei.
Das Unterscheidungsmerkmal (3) sei im Hinblick auf die zu lösende Aufgabe untrennbar mit den Unterscheidungsmerkmalen (1) und (2) verbunden. Wäre nämlich das Wirtsgitter im Wellenlängenbereich zwischen 0,8 mym und 1,1 mym nicht wenigstens teilweise transparent, so hätte die Konzentration von Chrom im Wirtsgitter keinen Einfluss auf die Verstärkung der Emission der lumineszierenden Substanz.
Entscheidungsgründe
1. Anzuwendendes Recht
Die Anmeldung, auf deren Grundlage das Patent erteilt wurde, wurde am 29. Januar 1999 eingereicht. Deshalb ist im vorliegenden Fall in Anwendung von Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 217) und des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 219) der Artikel 56 EPÜ 1973 anzuwenden.
2. Anspruchsauslegung
Beide unabhängigen Ansprüche enthalten das Merkmal, dass "das Wirtsgitter als absorbierende Substanz Chrom in einer solchen Konzentration enthält, dass eine Verstärkung der Emission der lumineszierenden Substanz auftritt". Dieses Merkmal wirft einige Fragen auf, die im Folgenden untersucht werden.
2.1 "das Wirtsgitter ... Chrom ... enthält"
Es stellt sich die Frage, wie das Merkmal, dass "das Wirtsgitter als absorbierende Substanz Chrom ... enthält", zu verstehen ist. Ist Chrom notwendigerweise Teil des Wirtsgitters (wie z.B. in Y3Cr3Al2O12)? Oder würde auch eine Dotierung eines an sich nicht chromhaltigen Wirtsgitters (z.B. Y3Al5O12) mit Chrom (Cr**(3+)-Ionen) von diesem Merkmal erfasst werden? Der Unterschied liegt hier im Wesentlichen in der Chrom-Konzentration. Der Anspruchswortlaut als solcher lässt beide Deutungen zu, weshalb es notwendig erscheint, die Beschreibung des Patents zur Deutung heranzuziehen.
Die Offenbarung der Beschreibung des Patents ist in dieser Hinsicht klar. In Absatz [0006] wird festgestellt, "dass die Emissionsintensität erhöht werden kann, wenn das Wirtsgitter selbst absorbierende Bestandteile aufweist" (Hervorhebung durch die Kammer). Darüber hinaus offenbart Absatz [0011], dass der erfindungsgemäße Lumineszenzstoff "aus einem mit zumindest einem Seltenerdmetall dotiertem, chromhaltigen Wirtsgitter" besteht. Dotierung und Gehalt werden hier sprachlich unterschieden. Auch Absatz [0007] unterscheidet sprachlich Elemente, die das Wirtsgitter "enthält" von Dotierungen, die es aufweist.
Das Merkmal, dass "das Wirtsgitter als absorbierende Substanz Chrom ... enthält", ist also so zu verstehen, dass Chrom notwendigerweise Teil des Wirtsgitters ist und nicht nur als Dotierung vorliegt.
2.2 "in einer solchen Konzentration ..., dass eine Verstärkung der Emission der lumineszierenden Substanz auftritt"
Der Anspruch legt keine Grenzen für die Konzentration fest, sondern definiert sie durch ihre technische Wirkung, nämlich die Verstärkung der Lumineszenz. Das Merkmal wird in der Beschreibung des Patents in keiner Weise erläutert; es findet sich nur in den Ansprüchen.
Es ist davon auszugehen, dass die Beispiele der erfindungsgemäßen Lumineszenzstoffe Chrom in einer solchen Konzentration aufweisen, dass eine Verstärkung der Emission der lumineszierenden Substanz auftritt. Es handelt sich dabei um folgende Stoffe:
- Beispiel 1: Y2,75Nd0,05Yb0,2Cr0,8Al4,2O12
- Beispiel 2: Y0,85Yb0,15CrO3
- Beispiel 3: Y2,91Nd0,09Cr1,6Al3,4O12
- Beispiel 4: Y2,7Yb0,3Cr1,8Al3,2O12
- Beispiel 5: Y2,91Pr0,09Cr2Al3O12
Wie sich leicht errechnen lässt, liegt die Konzentration von Chrom hier also in einem Bereich zwischen 4 at% (Beispiel 1) und 20 at% (Beispiel 2).
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Ausgangspunkt
Alle Angriffe der Beschwerdeführerin beruhen auf der Druckschrift E1 als Ausgangspunkt. Diese Wahl erscheint nicht unvernünftig und wurde von der Beschwerdegegnerin auch nicht angefochten.
3.2 Unterschiede
In der Entscheidung T 1176/08 vom 16. Januar 2012 hat diese Kammer (in anderer Besetzung) bereits festgestellt, dass die Druckschrift E1 nicht offenbart, dass:
- [das Wirtsgitter ...] zumindest im Wellenlängenbereich zwischen 0,8 mym und 1,1 mym wenigstens teilweise transparent ist, wobei
das Seltenerdmetall im Wellenlängenbereich zwischen 0,8 mym und 1,1 mym emittiert (siehe Punkt 1.1 der Entscheidungsgründe; nachfolgend als "Unterscheidungsmerkmale (1) und (2)" bezeichnet);
- das Wirtsgitter als absorbierende Substanz Chrom in einer solchen Konzentration enthält, dass eine Verstärkung der Emission der lumineszierenden Substanz auftritt (siehe Punkt 1.2 der Entscheidungsgründe; nachfolgend als "Unterscheidungsmerkmal (3)" bezeichnet).
Diese Feststellung ist als res iudicata anzusehen und bindet somit die Kammer.
3.3 Objektive technische Aufgabe
Die Einspruchsabteilung hat die objektive technische Aufgabe darin gesehen, ein Wertdokument mit einer alternativen lumineszierenden Substanz zur Verfügung zu stellen, die eine hohe Emissionsintensität aufweist, und zwar so, dass sie auch bei geringen Konzentrationen der lumineszierenden Substanz im Wertdokument nachweisbar ist (siehe Seite 5 der angefochtenen Entscheidung, dritter Absatz).
Beide Parteien haben ausdrücklich ihr Einverständnis mit dieser Formulierung zum Ausdruck gebracht. Daher legt die Kammer ihrer Prüfung der erfinderischen Tätigkeit diese objektive technische Aufgabe zugrunde.
3.4 Synergie?
Die Parteien waren sich nicht einig darüber, ob die oben genannten Unterscheidungsmerkmale eine synergetische Wirkung aufweisen.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass zwei Merkmale synergetisch zusammenwirken, wenn zwischen ihren Funktionen ein Zusammenhang besteht und dies zu einer zusätzlichen Wirkung führt, die über die Summe der Einzelwirkungen der Merkmale hinausgeht. Es ist nicht ausreichend, wenn die Merkmale lediglich dieselbe technische Aufgabe lösen oder gleichartige Wirkungen haben, die sich zu einer verstärkten, aber ansonsten unveränderten Wirkung summieren (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 8. Auflage, Juli 2016, Punkt I-D 9.2.1).
Im vorliegenden Fall verlangen die Unterscheidungsmerkmale (1) und (2), dass das Wirtsgitter in einem bestimmten Wellenlängenbereich teilweise transparent ist, und dass das Seltenerdmetall, mit dem das Wirtsgitter dotiert ist, in diesem Wellenlängenbereich emittiert. Das Unterscheidungsmerkmal (3) hingegen verlangt, dass das Wirtsgitter als absorbierende Substanz Chrom in einer solchen Konzentration enthält, dass eine Verstärkung der Emission der lumineszierenden Substanz auftritt. Das Unterscheidungsmerkmal (3) ist somit über einen synergetischen Effekt definiert, nämlich, dass die Emission des Seltenerdmetalls verstärkt wird. Daher ist es im vorliegenden Fall nicht angemessen, von unabhängig voneinander gelösten Teilaufgaben auszugehen.
3.5 Naheliegen der erfindungsgemäßen Lösung
Die Kammer hat die Frage zu beantworten, ob der Fachmann, der von der Offenbarung der Druckschrift E1 ausgeht und sich die Aufgabe stellt, ein Wertdokument mit einer alternativen lumineszierenden Substanz zur Verfügung zu stellen, die eine hohe Emissionsintensität aufweist, und zwar so, dass sie auch bei geringen Konzentrationen der lumineszierenden Substanz im Wertdokument nachweisbar ist, angesichts seines Fachwissens und des Standes der Technik in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen würde.
3.5.1 Verbindung mit dem in der Druckschrift E1 selbst zitierten Stand der Technik
Die Beschwerdeführerin hat auf die Offenbarung auf Seite 3, Zeilen 18 bis 27 der Druckschrift E1 hingewiesen:
"Bei der Absicherung von Wertpapieren wurde bisher bevorzugt Wert darauf gelegt, daß bei Anregung im UV- oder IR-Bereich Lumineszenz im sichtbaren Bereich auftritt oder in dem mit handelsüblichen Bildwandlern leicht zugänglichen nahen IR-Bereich. Bei der automatischen Echtheitserkennung von Wertpapieren stellt es jedoch einen zusätzlichen Sicherheitsfaktor dar, wenn die Absicherung nicht sichtbar ist oder es nicht möglich ist, diese mit üblichen Hilfsmitteln sichtbar zu machen."
Diese Offenbarungsstelle beschreibt den Stand der Technik zum Zeitpunkt der Abfassung der Druckschrift E1 und stellt fest, dass oft angestrebt wurde, Sicherheitsmerkmale vorzusehen, die im UV- oder IR-Bereich angeregt werden und im Bereich des sichtbaren Lichts oder im leicht zugänglichen benachbarten IR-Bereich abstrahlen. Die Stelle offenbart aber nicht, dass somit eine hohe Emissionsintensität erreicht wird, und zwar so, dass sie auch bei geringen Konzentrationen der lumineszierenden Substanz im Wertdokument nachweisbar ist; die Frage der Intensität wird überhaupt nicht angesprochen. Daher würde der Fachmann hier auch keinen Hinweis zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe erkennen.
Die Kammer ist daher zum Schluss gelangt, dass die Druckschrift E1 die Unterscheidungsmerkmale (1) und (2) - und somit den Gegenstand von Anspruch 1 - nicht nahelegt.
Angesichts dieses Ergebnisses erübrigt es sich, auf das Unterscheidungsmerkmal (3) einzugehen.
3.6 Andere Angriffe
Die Beschwerdeführerin hat schriftlich andere auf der Offenbarung der Druckschrift E1 (auch in Verbindung mit den Druckschriften E5 und E6) beruhende Angriffe vorgetragen. Die Kammer hat in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK ihre vorläufige Meinung dargelegt, dass diese Einwände die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 nicht in Frage stellen. Die Beschwerdeführerin hat diese Angriffe nicht weiter verfolgt und auch in der mündlichen Verhandlung nicht mehr dazu Stellung genommen. Daher bleibt die Kammer diesbezüglich bei ihrer vorläufigen Meinung und verweist in diesem Zusammenhang auf ihre Ausführungen in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK.
4. Gesamtergebnis
Die Beschwerdeführerin hat nicht überzeugend dargelegt, dass der Stand der Technik den Gegenstand der Ansprüche 1 und 20 nahelegt.
Die Beschwerde ist deshalb zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.