T 1509/13 () of 14.11.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T150913.20171114
Datum der Entscheidung: 14 November 2017
Aktenzeichen: T 1509/13
Anmeldenummer: 96114118.1
IPC-Klasse: C23C 4/08
C23C 4/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Herstellen einer Gleitfläche auf einem metallischen Werkstück
Name des Anmelders: Volkswagen Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: MAHLE GMBH
DaimlerChrysler AG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention Art 83
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Spät eingereichter Antrag - Verlegung der mündlichen Verhandlung wäre erforderlich gewesen (nein)
Änderungen - zulässig (ja)
Änderungen - Streichung von Merkmalen (ja)
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0403/06
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP-B1-0 770 698 (Streitpatent) betrifft ein Verfahren zum Herstellen einer Gleitfläche auf einem metallischen Werkstück.

Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt und ihn auf die Gründe des Artikels 100 a) EPÜ gestützt.

II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hatte in einem ersten Beschwerdeverfahren zum Aktenzeichen T0403/06 gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 7. Januar 2006, gemäß der Hilfsantrag 3 die Erfordernisse des EPÜ erfüllte, Beschwerde eingelegt. Der einzige dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Anspruchssatz war der Anspruchssatz gemäß dem zweiten Hilfsantrag des vorangegangenen Einspruchsverfahrens.

Die Beschwerdekammer 3.2.07 hatte in ihrer Entscheidung vom 25. August 2008 entschieden, dass

Anspruch 1 des zugrundeliegenden Antrags neu gegenüber dem Stand der Technik ist und die Angelegenheit zur weiteren Prüfung, insbesondere betreffend die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit (siehe Punkt 3 der Entscheidungsbegründung), an die Einspruchabteilung zurückverwiesen.

III. Mit Schreiben vom 2. November 2010, während des fortgesetzten Einspruchsverfahrens, hat die Einsprechende 2 (Beschwerdegegnerin 2) beantragt, das Patent auf Grundlage von neu vorgebrachten Einspruchsgründen gemäß Artikel 100(b) und 100(c) EPÜ zu widerrufen.

IV. Während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 5. Dezember 2012 reichte die Patentinhaberin einen neuen Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1 bis 4 ein. Am Ende der mündlichen Verhandlung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass keiner der vorgelegten Anträge den Erfordernissen des Artikels 123 EPÜ genügte und widerrief das Patent.

V. Gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents richtet sich die vorliegende Beschwerde.

VI. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche gemäß dem Hauptantrag oder einem der Hilfsanträge 1 bis 4, alle eingereicht mit dem Schreiben vom 18. Oktober 2017, aufrechtzuerhalten

Die Beschwerdegegnerin 2 beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Die Beschwerdegegnerin 1 äußerte sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren sachlich nicht.

VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (im Vergleich zum ursprünglich eingereichten Wortlaut vorgenommene Änderungen sind durch Fettdruck hervorgehoben):

"Verfahren zum Herstellen einer im Betrieb eine hydrodynamische Schmierung gewährleistenden Gleitfläche (2) auf einem metallischen Werkstück, gekennzeichnet durch die Schritte

a) Aufbringen einer Verschleißschicht (3) auf den betreffenden Flächen des aus einer Aluminiumlegierung gefertigten Werkstückes durch thermisches Spritzen,

b) wobei die Verschleißschicht (3) mit herausbrechbarem Material ausgebildet wird,

c) teilweises Abtragen der Verschleißschicht (3) durch mechanische Bearbeitung zum Bilden der die hydrodynamische Schmierung gewährleistenden Gleitfläche (2) durch

d) Erzeugen von Materialausbrüchen durch die mechanische Bearbeitung,

e) wobei die freigelegten Materialausbrüche vereinzelte Schmiertaschen (7) bilden, die in ihrer Gesamtheit ein Mikrodruckkammersystem bilden".

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 sind auf bevorzugte Ausführungsformen dieses Verfahrens gerichtet.

Anspruch 7 lautet:

"Hubkolbenmaschine, insbesondere Verbrennungskraft-maschine, mit einem Zylinderlaufbahnen aufweisenden Kurbelgehäuse, wobei die diese Zylinderlaufbahnen tragenden Laufbuchsen einstückig und materialeinheitlich mit dem Kurbelgehäuse

aus einer Aluminiumlegierung gefertigt sind,

auf welchen eine mittels Plasmaspritzen aufgebrachte Verschleißschicht angeordnet ist,

wobei durch Honen der Verschleißschicht mit entsprechenden Materialausbrüchen Schmiertaschen freigelegt sind, welche in ihrer Gesamtheit ein Mikrodruckkammersystem bilden."

VIII. Der folgende, in der Einspruchsbegründung bereits zitierte Stand der Technik ist für diese Entscheidung relevant:

E8: WO-A-95 02023

IX. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhalts mit.

Die Verhandlung fand am 14. November 2017 statt.

X. Das für die vorliegende Entscheidung relevante Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich des Hauptantrags lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Der mit dem Schreiben vom 18. Oktober 2017 eingereichte Hauptantrag stimme wörtlich mit dem bereits mit Schreiben vom 17. Juni 2014 eingereichten Hauptantrag überein, der wiederum im Wesentlichem dem bereits mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrag entspreche.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 basiere auf der technischen Lehre des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1, die auch in Spalte 2, Zeilen 16 bis 25 der ursprünglichen Anmeldung (A-Publikation), bestätigt werde. Diese Lehre sei unabhängig von dem speziellen Ausführungsbeispiel, das somit nicht die Basis für den Anspruchswortlaut darstelle.

Der Gegenstand des Anspruchs 7 basiere auf der technischen Lehre der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 3 und 7 bis 8.

Der Ausdruck "wobei die Verschleißschicht (3) mikroporös bzw. mit herausbrechbarem Material ausgebildet wird" in Anspruch 1 des Streitpatents mache deutlich, dass die Verschleißschicht (3) mikroporös oder mit herausbrechbarem Material ausgebildet werden könne. Das Wort "bzw." sei schließlich gleichbedeutend mit der Konjunktion "oder".

Die Streichung einer Alternative in Verfahrens-

schritt b) des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent stelle keine Erweiterung des erteilten Schutzbereichs dar. Die gleiche Argumentation gelte hinsichtlich der Verfahrensschritte d) und e) des Anspruchs 1.

Das Streitpatent verdeutliche anhand eines Ausführungsbeispiels konkret, wie eine geeignete Verschleißschicht hergestellt werden könne. Die Patentschrift selbst offenbare zwar, dass im Zusammenhang mit bestimmten Werkstücken nicht alle thermischen Spritzverfahren zum Auftragen der Verschleißschicht geeignet seien (Absatz [0003] des Streitpatents). Dies verdeutliche aber keinesfalls, dass der Fachmann bei der Wahl eines geeigneten thermischen Spritzverfahrens vor einem Problem stünde.

Ausgehend von Dokument E8 als Ausgangspunkt sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht naheliegend, da E8 keinerlei Hinweis darauf entnehmbar sei, dass Schmiertaschen in der Verschleißschicht durch Materialausbruch gebildet werden könnten.

XI. Das für die vorliegende Entscheidung relevante Vorbringen der Beschwerdegegnerin 2 bezüglich des Hauptantrags lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Der mit dem Schreiben vom 18. Oktober 2017 eingereichte Hauptantrag sei verspätet eingereicht worden und sollte daher nicht ins Verfahren zugelassen werden.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 stelle eine Verallgemeinerung des Ausführungsbeispiels dar. Der Wortlaut des Verfahrensschritts b) sei den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht zu entnehmen, insbesondere enthalte diese keine Lehre für eine "Verschleißschicht mit herausbrechbarem Material". Eine Konkretisierung des Begriffs "abtragbar" in "herausbrechbar" werde von der ursprünglichen Anmeldung nicht allgemein offenbart.

Ein "Freilegen der Schmiertaschen" (ursprünglicher Anspruch 1) entspreche nicht einem "Bilden der hydrodynamischen Schmierung gewährleistenden Gleitfläche" gemäß Verfahrensschritt c) des

Anspruchs 1.

Auch sei die technische Lehre des Verfahrensschritts e) nicht aus der ursprünglichen Anmeldung ableitbar, da der Ausdruck "Schmiertaschen freigelegt werden" (ursprünglicher Anspruch 1) nicht gleichbedeutend sei mit "Schmiertaschen gebildet werden" gemäß Verfahrensschritt e) des Anspruchs 1.

Ferner sei der Gegenstand des Anspruchs 7 nicht direkt und unzweideutig aus den Anmeldeunterlagen ableitbar.

Das Wort "bzw." in dem Ausdruck "mikroporös bzw. mit herausbrechbarem Material ausgebildet wird" in

Anspruch 1 des Streitpatents mache deutlich, dass die Verschleißschicht (3) sowohl mikroporös als auch mit herausbrechbarem Material ausgebildet werde. Dies werde insbesondere durch die Lehre der ursprünglichen Anmeldung verdeutlicht, da darin das zusätzliche Vorliegen von Poren als bevorzugte Ausführungsform beschrieben werde. Die Streichung einer Bedingung in Verfahrensschritt b) des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent stelle eine Erweiterung des erteilten Schutzbereichs dar.

Die gleiche Argumentation gelte hinsichtlich der Verfahrensschritte d) und e) des Anspruchs 1.

Das Streitpatent verdeutliche nicht klar genug, welche thermischen Spritzverfahren zusätzlich zu dem im Ausführungsbeispiel genannten Verfahren eingesetzt werden könnten, um eine geeignete Verschleißschicht herzustellen. Die Streitpatent selbst offenbare bereits in Absatz [0003], dass nicht alle thermischen Spritzverfahren zum Auftragen der Verschleißschicht geeignet seien.

E8 beschreibe ein Verfahren, bei dem Schmiertaschen in der Verschleißschicht durch Freilegen der darin befindlichen Mikroporen erzielt würden. Die Realisierung einer alternativen Ausführungsform, bei der die Schmiertaschen nunmehr mittels Materialausbruchs realisiert würden, erfolge vom Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens ohne erfinderisches Zutun. Ausgehend von E8 als Ausgangspunkt sei der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags daher naheliegend.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung des Hauptantrags

Der mit dem Schreiben vom 18. Oktober 2017 eingereichte Hauptantrag stimmt wörtlich mit dem bereits mit Schreiben vom 17. Juni 2014 eingereichten Hauptantrag überein. Dieser Antrag wurde als Reaktion auf die in der Beschwerdeerwiderung vom 22. Januar 2014 erhobenen Einwände eingereicht und entspricht bis auf eine Richtigstellung des Rückbezugs eines Relativsatzes im Anspruch 7 ("welcher" geändert "welchen") dem Hauptantrag, der bereits mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde.

Die Kammer sieht daher keine Veranlassung dafür, ihr Ermessen gemäß Artikel 13(3) VOBK zu Ungunsten der Beschwerdeführerin auszuüben.

2. Artikel 123(2)

2.1 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag

2.1.1 zu Verfahrensschritt b)

Die Begründung in der angefochtenen Entscheidung (Punkt A der Entscheidungsgründe) stellt darauf ab, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 eine Verallgemeinerung des Ausführungsbeispiels in Spalte 4, Zeilen 7 bis 11 der ursprünglichen Anmeldung, darstellt.

Die Kammer erkennt an, dass Anspruch 1 ein im Vergleich zum Ausführungsbeispiel verallgemeinertes Prinzip definiert. Allerdings ist dieses bereits aus Anspruch 1 unter Berücksichtigung der Lehre in Spalte 2, Zeilen 8 bis 25 der ursprünglichen Anmeldung (Bezug genommen wird im folgenden in Anlehnung an den Vortrag der Beteiligten auf die entsprechende A-Publikation), direkt und unzweideutig ableitbar.

In Spalte 2, Zeilen 8 bis 25, wird beschrieben, dass Schmiertaschen in der Verschleißschicht durch Materialausbrüche gebildet werden. Konkrete Angaben darüber, ob die Verschleißschicht aus herausbrechbarem Material besteht oder weiteres herausbrechbares Material aufweist, wird in der ursprünglichen Anmeldung in diesem Kontext nicht festgelegt. Der gleiche Offenbarungsgehalt findet sich im ursprünglich eingereichten Anspruch 1, wonach "mittels einer mechanischen Bearbeitung der Gleitfläche (2) durch Materialausbrüche vereinzelte Schmiertaschen (7) freigelegt werden, welche in ihrer Gesamtheit ein Mikrodruckkammersystem bilden".

Die Lehre in der ursprünglichen Anmeldung macht daher deutlich, dass die Verschleißschicht dazu geeignet sein muss, dass Material durch mechanische Bearbeitung herausbrechen kann. Dies ist gleichbedeutend mit der Lehre des Anspruchs 1 des Hauptantrags, wonach die Verschleißschicht mit herausbrechbarem Material ausgebildet wird.

Eine Änderung der technischen Lehre ist daher durch die in Anspruch 1 gewählte Anspruchsformulierung für den Verfahrensschritt b) im Vergleich zur ursprünglichen Anmeldung nicht erkennbar.

2.1.2 zu Verfahrensschritt c)

Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 definiert, dass die Verschleißschicht "durch das mechanische Bearbeiten unter Freilegung der Schmiertaschen teilweise abgetragen wird."

Diese Schmiertaschen werden gemäß ursprünglichem Anspruch 1 gebildet, um eine Gleitfläche bereitzustellen, die eine hydrodynamische Schmierung gewährleistet.

Damit entspricht die technische Lehre des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 in seiner Gesamtheit der technischen Lehre des geänderten Wortlauts des Verfahrensschritts c):

"teilweises Abtragen der Verschleißschicht (3) durch mechanische Bearbeitung zum Bilden der die hydrodynamische Schmierung gewährleistenden

Gleitfläche (2)".

Die Argumentation der Beschwerdegegnerin 2, bei der sie Merkmale des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 isoliert sieht und mit dem Wortlaut eines Merkmals von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag vergleicht, lässt folglich die technische Lehre, die sich aus der gemeinsamen Lehre aller technischen Merkmale des ursprünglich eingereichten Anspruchs ergibt, außer Acht und ist daher nicht zielführend.

2.1.3 zu Verfahrensschritt e)

Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 offenbart, dass "mittels einer mechanischen Bearbeitung der Gleitfläche (2) durch Materialausbrüche vereinzelte Schmiertaschen (7) freigelegt werden, welche in ihrer Gesamtheit ein Mikrodruckkammersystem bilden".

Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass Schmiertaschen durch Materialausbrüche gebildet werden, die sodann gemeinsam ein Mikrodruckkammersystem bilden.

Im Hinblick auf die Argumentation der Beschwerdegegnerin 2 mag es zwar sein, dass im Hinblick auf Poren den Verben "freilegen" und "bilden" eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen werden kann.

Bei der Beurteilung der technischen Offenbarung ist allerdings der Wortlaut im technischen Kontext mit den Augen des Fachmanns zu lesen.

Werden Schmiertaschen gemäß ursprünglichem Anspruch 1 mittels Materialausbrüchen freigelegt, so bedeutet dies nichts anderes als dass durch Materialausbruch Schmiertaschen gebildet werden.

Die Kammer kann in diesem Zusammenhang keine Änderung der technischen Lehre erkennen.

Damit entspricht die technische Lehre des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 in seiner Gesamtheit der technischen Lehre des Verfahrensschritts e):

"wobei die freigelegten Materialausbrüche vereinzelte Schmiertaschen (7) bilden, die in ihrer Gesamtheit ein Mikrodruckkammersystem bilden."

2.2 Anspruch 7

Die in Anspruch 7 gemäß Hauptantrag genannten Merkmale werden in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 bis 3 und 7 bis 8 genannt. Dabei wird insbesondere die einstückige, materialeinheitliche Ausbildung im ursprünglich eingereichten Anspruch 8 beschrieben. Die Kombination dieser Merkmale wird durch die Rückbezüge der einzelnen Ansprüche beschrieben.

Anspruch 7 vermittelt daher keine Lehre, die über die Lehre der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht.

2.3 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche gemäß Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt.

3. Artikel 123(3) EPÜ

3.1 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag wurde im Vergleich zu Anspruch 1 in der erteilten Fassung folgendermaßen in den Verfahrensschritten b), d) und e) geändert

b) wobei die Verschleißschicht (3) [deleted: mikroporös bzw.] mit herausbrechbarem Material ausgebildet wird,

d) [deleted: Freilegen der Mikroporösität bzw.]Erzeugen von Materialausbrüchen durch die mechanische Bearbeitung,

e) wobei [deleted: die freigelegten Mikroporen bzw. ]die freigelegten Materialausbrüche vereinzelte Schmiertaschen (7) bilden, die in ihrer Gesamtheit ein Mikrodruckkammersystem bilden

3.2 Strittig ist in Hinblick auf diese Änderungen, ob das Wort "bzw." gleichbedeutend mit der Konjunktion "und" oder "oder" ist.

3.3 Der Wortlaut des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung definiert eine bestimmte Ausgestaltungsform für die Verschleißschicht und damit einen bestimmten Schutzbereich. Ob dieser Schutzbereich mit den Ausführungsformen in der ursprünglich eingereichten Fassung konform ist, betrifft gegebenenfalls die Klarheit, ist aber irrelevant in Bezug auf die Beurteilung, ob der erteilte Schutzbereich erweitert wurde. Daher sind Überlegungen in Hinblick auf die ursprünglich eingereichte Fassung, insbesondere die Lehre in Spalte 2, Zeilen 31 bis 36, gemäß der Poren in einer bevorzugten Ausführungsform zusätzlich zu den Materialausbrüchen vorhanden seien sollen, ohne Belang.

3.4 Bei der Interpretation eines Anspruchs ist dessen Wortlaut sinnvoll und im Rahmen des üblichen Sprachgebrauchs zu interpretieren. Das Wort "beziehungsweise" entspricht in der Regel der Bedeutung von "oder" oder "und in einem anderen Fall". Eine von der Beschwerdegegnerin 2 gewählte Lesart als "und" ist nicht üblich.

Da Materialausbrüche keine Sonderform von Poren sind, sind weitere übliche, je nach Zusammenhang vorkommende einschränkende Bedeutungen von "beziehungsweise" wie beispielsweise "vielmehr" oder "genauer gesagt" in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll.

Die Kammer ist daher der Auffassung, dass das Wort "bzw." dem üblichen Sprachgebrauch folgend gleichbedeutend mit "oder" im Anspruch 1 des Streitpatents zu lesen ist.

3.5 Die Streichung einer Alternative in den Verfahrensschritten b), d) und e) des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent stellt folglich keine Erweiterung des erteilten Schutzbereichs dar.

3.6 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche gemäß Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ erfüllt.

4. Artikel 83 EPÜ

4.1 Das Streitpatent verdeutlicht anhand eines Ausführungsbeispiels konkret, wie eine geeignete Verschleißschicht hergestellt werden kann.

Dies wird von der Beschwerdegegnerin 2 nicht in Frage gestellt.

4.2 Die Argumentation der Beschwerdegegnerin 2 richtet sich vielmehr darauf, dass der Fachmann keine Anhaltspunkte dafür habe, wie er das Verfahren gemäß Anspruch 1 über die ganze Anspruchsbreite durchführen könne.

Insbesondere erhalte der Fachmann nicht genügend Anweisungen, um zu entscheiden, welches thermische Spritzverfahren erfolgversprechend eingesetzt werden kann, insbesondere in Hinblick auf die Aussage in Absatz [0003] des Streitpatents.

4.3 Die Kammer stellt fest, dass in Absatz [0003] des Streitpatents zwar angegeben wird, dass für bestimmte Werkstücke, wie beispielsweise Zylinderlaufbahnen von Brennkraftmaschinen, kein Hochgeschwindigkeits-flammspritzen eingesetzt werden kann.

Diese Aussage in Bezug auf bestimmte Werkstücke wird allerdings nur in Hinblick auf deren Formstabilität bei hohen Temperaturen getroffen. Absatz [0003] beschreibt folglich nicht, wie von der Beschwerdegegnerin 2 postuliert, dass sich bestimmte thermische Spritzverfahren grundsätzlich nicht für das in

Anspruch 1 definierte Verfahren eignen.

Es entspricht vielmehr den gängigen Durchschnitts-anforderungen an die Kenntnisse des Fachmans, geeignete thermische Spritzverfahren unter Berücksichtigung der thermischen Belastbarkeit der Werkstücke zu wählen. Insbesondere bedarf dies keines ungebührlichen Aufwands seitens des Fachmanns.

Die von der Beschwerdegegnerin 2 vorgebrachte Argumentation ist daher spekulativ und basiert auf einer fehlgeleiteten Interpretation des Absatzes [0003] des Streitpatents.

4.4 Die Beschwerdegegnerin 2 verwies zudem auf einen Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 10. August 1999, den diese im Rahmen des Prüfungsverfahrens eingereicht hatte. Darin wird in dem die Seiten 2 und 3 überbrückenden Absatz in Bezug auf den Stand der Technik ausgeführt, dass mittels Flammspritzen hergestellte Beschichtungen auf Laufbahnen auch ein offenes Kanalsystem aufweisen können, das aus den durch das Honen erzeugten Riefen besteht.

Die Möglichkeit, mittels Flammspritzen auch Beschichtungen zu erzielen, die beim Honen zur Ausbildung eines offenen Kanalsystems neigen, belegt allerdings nicht, dass ein Fachmann nicht auch in der Lage ist, eine Verschleißschicht thermisch aufzuspritzen, bei der beim Honen Materialausbrüche erfolgen, so wie dies im Ausführungsbeispiel des Streitpatents beschrieben wird. Die Eigenschaften einer aufgespritzten Schicht kann schließlich durch die Wahl des verspritzten Materials und die Prozesssteuerung über einem weiten Bereich von Fachmann beeinflusst werden.

Die Kammer kann daher keinen Grund erkennen, warum das in Anspruch 1 definierte Verfahren grundsätzlich nicht ausgeführt werden kann oder warum der Fachmann ausgehend von dem konkreten Ausführungsbeispiel unüberwindbare Schwierigkeiten haben sollte, das Verfahren nachzuarbeiten.

4.5 Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ werden daher vom Hauptantrag erfüllt.

5. Artikel 56 EPÜ

5.1 E8 beschreibt ein Verfahren zum Herstellen einer Gleitfläche, bei dem eine Verschleißschicht mittels Plasmaspritzen auf ein Werkstück aufgebracht wird und durch anschließendes Honen eine Schmierschicht auf der Gleitfläche ausgebildet wird (Seite 13, erster Absatz; Anspruch 1).

E8 betrifft also wie das Streitpatent ein Verfahren zum Herstellen einer Gleitfläche auf einem metallischem Werkstück. Die Kammer stimmt daher dem Argument der Beteiligten zu, dass E8 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.

5.2 Der Offenbarungsgehalt der E8 wurde bereits im vorangegangen, ersten Beschwerdeverfahren analysiert, das zur Entscheidung T403/06 führte.

Wie die Beschwerdekammer in T403/06 festgestellt hat, beschreibt E8 ein Verfahren zur Herstellung einer Gleitfläche, bei dem Mikroporen durch Plasmaspritzen und anschließendem Honen ausgebildet werden (Seite 13, Zeilen 2, 3; vgl. dazu auch Seite 6, Zeilen 31 bis 36).Weder die Partikel mit einem Kern aus festem Schmelzmaterial ("solid lubricant particles") noch die Partikel mit einem Kern aus hartem reibungsresistenten Material ("hard, wear resistant particles 15") werden dabei herausgebrochen, denn erstere werden nur geglättet (Figuren 3 und 4) und letztere bleiben hervorstehend (Seite 7, Zeilen 19 bis 23).

Zudem weist E8 auf Seite 14, Zeilen 17 bis 23 darauf hin, dass die Partikel mit einem Kern aus hartem Material ein noch härteres legiertes Metallnetzwerk ausbilden.

5.3 Daher unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag von der Offenbarung der E8 dadurch, dass entsprechend den Verfahrensschritten b), c) und d) Schmiertaschen mittels Materialausbrüchen gebildet werden.

5.4 Die Erzeugung der Schmiertaschen mittels Materialausbrüchen gemäß Anspruch 1 hat den Effekt, dass ein Mikrodruckkammersystem und damit eine Gleitfläche bereitgestellt wird, die eine hydrodynamische Schmierung gewährleistet.

Dementsprechend wird in Absatz [0009] des Streitpatents die zu lösende Aufgabe beschrieben als eine Bereitstellung eines Verfahrens zum Herstellen einer im Betrieb eine hydrodynamische Schmierung gewährleistenden Gleitfläche auf einem metallischen Werkstück, wobei in kosten- und fertigungsgünstiger Art und Weise mit wenigen Verfahrensschritten ein Mikrodruckkammersystem auf der Gleitfläche erzeugt werden soll.

Eine derartige Gleitfläche mit einem Mikrodruckkammersystem wird allerdings bereits mit dem in E8 beschriebenen Verfahren durch Freilegen der Mikroporen während des Honens erzielt, die mit Öl gefüllt werden (Seite 13, Zeilen 1 bis 4).

5.5 Daher muss die im Streitpatent angegebene technische Aufgabe umformuliert werden und kann objektiv darin gesehen werden, ein alternatives Verfahren zur Bereitstellung einer Gleitfläche bereitzustellen.

5.6 E8 gibt keinerlei Hinweis darauf, dass Schmiertaschen in der Verschleißschicht durch Herausbrechen von Material gebildet werden können.

E8 lehrt vielmehr, dass herausstehende Partikel während des Honens entweder nur geglättet (Figuren 3 und 4) werden oder weiterhin aus der Fläche herausstehen (Seite 7, Zeilen 19 bis 23). Ein Herausbrechen der Partikel ist gemäß der E8 daher gerade nicht gewünscht.

Der technischen Lehre von E8 folgend ist es daher nicht offensichtlich, das Verfahren so abzuändern, dass Schmiertaschen durch Materialausbruch gebildet werden. E8 liefert dafür auch nicht andeutungsweise einen Hinweis, sondern geht von einem völlig anderen Ansatz aus.

Die Beschwerdegegnerin hat weder ein weiteres Dokument identifiziert, das ausgehend von E8 einen Anreiz dafür liefert, weitere Schmiertaschen in der Gleitfläche mittels Materialausbruch zu realisieren, noch sonst in irgend einer Weise belegt, dass ein derartiger Verfahrensschritt der gängigen Vorgehensweise des Fachmann zuzurechnen ist.

5.7 In Hinblick auf den Gegenstand des Anspruchs 7 wurde von den Beteiligten keine eigenständige Argumentation vorgelegt. Daher gelten in Hinblick auf den Gegenstand gemäß Anspruch 7 die gleichen Argumente wie für Anspruch 1.

5.8 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und daher die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt.

5.9 Die Beschwerde ist damit begründet.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung

zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf

folgender Grundlage aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 7 des am 18. Oktober 2017

eingereichten Hauptantrags

- Beschreibung Absätze 1 bis 28 wie erteilt mit

einzufügendem Absatz 7a, eingereicht in der

mündlichen Verhandlung am 14. November 2017,

sowie Figuren wie erteilt.

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