T 1492/13 () of 30.11.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T149213.20181130
Datum der Entscheidung: 30 November 2018
Aktenzeichen: T 1492/13
Anmeldenummer: 06405403.4
IPC-Klasse: H01F 13/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Entmagnetisierungsverfahren durch Wechselstromimpulse in einer in Schlaufen gelegten Leiterschleife
Name des Anmelders: Maurer, Albert
Name des Einsprechenden: Vallon GmbH
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Spät eingereichter Hilfsantrag - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der vorliegenden Beschwerde ficht die Einsprechende (Beschwerdeführerin) die Entscheidung der Einspruchsabteilung an, ihren Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1791138 ("Streitpatent") zurückzuweisen.

II. Das folgende Dokument des Standes der Technik ist für diese Entscheidung relevant:

D5: EP 0 686 984 A1.

III. Am 30. November 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise die Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des mit Schreiben vom 29. Oktober 2018 eingereichten Hilfsantrags 3 aufrecht zu erhalten.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (wie erteilt) lautet wie folgt, wobei die Merkmalsgliederung aus der Einspruchsschrift übernommen wurde:

"1.1 Verfahren zum reproduzierbaren kondensatorfreien

Entmagnetisieren von Objekten mit Restmagnetismus mittels mindestens einem, von einer Stromsteuerung (24) erzeugten, Wechselstromimpuls (1) mit einstellbarer Wechselstromimpulsfrequenz (4) variabler Amplitude und Wechselstromimpulsbreite (2) in einem Leiter, der zwischen einem Eingang (27) und einem Ausgang (28) der Stromsteuerung (24) kondensatorfrei verbindbar ist, wodurch ein Magnetfeldimpuls in Leiternähe erzeugt wird, dadurch gekennzeichnet, dass

1.2 der Leiter flexibel, vollständig isoliert,

ungeschirmt und verformbar ist und unter Bildung einer Leiterschleife (29) in beliebiger Form um ein zu entmagnetisierendes Objekt (30) gelegt wird,

1.3 worauf die Enden der Leiterschleife (29) an den Eingang (27) und den Ausgang (28) der Stromsteuerung (24) kondensatorfrei angeschlossen werden

1.4 und woraufhin der Wechselstromimpuls (1) aus einzelnen, alternierend gepolten und symmetrischen Entmagnetisierimpulsen (5) mit gesteuerter Entmagnetisierimpulsamplitude (6) und Wechselstromimpulsfrequenz (4) größer 1 Hz eingespeist wird,

1.4.1 wobei der zeitliche Verlauf der

Entmagnetisierimpulsamplituden (6) einer nicht exponentiell abfallenden Entmagnetisierkurve (7) nachgebildet wird,

1.4.2 wobei das Verhältnis von kleinster

Entmagnetisierimpulsamplitude (6) zum Wechselstromimpulsamplitudenmaximum (3) bei mindestens 1:1000 liegt

1.5 und die Leiterschleife (29) nach Beendigung der

Entmagnetisierung eines Objekts (30) entfernt wird."

Der unabhängige Anspruch 10 gemäß Hauptantrag (wie erteilt) lautet wie folgt, wobei die Merkmalsgliederung der Einspruchsschrift entstammt:

"10.1 Vorrichtung zum reproduzierbaren

kondensatorfreien Entmagnetisieren von Objekten mit Restmagnetismus umfassend eine programmierbare Stromsteuerung (24), mit welcher Wechselstromimpulse (1) mit einstellbarer Wechselstromimpulsfrequenz (4) variabler Amplitude und Wechselstromimpulsbreite (2) erzeugbar sind, einen Leiter, der zwischen einem Eingang (27) und einem Ausgang (28) der Stromsteuerung (24) anschliessbar ist, zur Anwendung des Verfahrens nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass

10.2 der Leiter ein flexibles handelsübliches Kabel

ist, welches vollständig isoliert, ungeschirmt und zu einer beliebig geformten Leiterschleife (29) verformbar ist und um ein zu entmagnetisierendes Objekt (30) mit einer beliebigen Anzahl an Wicklungen legbar ist."

Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 hat zusätzlich das folgende Merkmal:

"und dass sich die Wechselstromimpulsbreite (2) über mindestens 100 Perioden der Wechselstromimpulsfrequenz (4) erstreckt, wobei die Entmagnetisierimpulsamplituden (6) entlang der Entmagnetisierkurve (7) auf Null verringert werden."

Der unabhängige Anspruch 9 gemäß Hilfsantrag 3 hat gegenüber Anspruch 10 gemäß Hauptantrag zusätzlich das folgende Merkmal am Ende des Anspruchs:

"wobei die programmierbare Stromsteuerung (24) eine Stromflussüberwachung (25) aufweist, welche den Ohmschen Widerstand des Leiters während des Durchfahrens der Entmagnetisierungskurve (7) ausliest."

V. Das für diese Entscheidung wesentliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt wiedergeben:

Ausgehend von Dokument D5 sei das einzige Unterscheidungsmerkmal des Verfahrens gemäß Anspruch 1 wie erteilt, dass das Kabel nach dem Entmagnetisieren vom Werkstück entfernt werde, also Merkmal 1.5.

Hingegen werde in D5 das Merkmal 1.2 offenbart. Mit einem geschirmten Kabel funktioniere das Verfahren nicht, das Kabel müsse flexibel sein, wenn man es um ein Objekt legen wolle und es käme zu Kurzschlüssen, wenn das Kabel nicht isoliert sei. Es sei überhaupt schwierig, die Unterscheidung zwischen einer Leiterschleife und einer Spule zu treffen und mit einer Spule sei nicht notwendigerweise eine fixierte Kabelanordnung bezeichnet.

Auch das Merkmal 1.4.1 sei schon in D5 offenbart. Die in Figur 4 der D5 gezeigten Phasen (i) und (ii) gehörten beide zum Entmagnetisierungsvorgang, weshalb offenbart sei, dass die Einhüllende keine exponentiell abfallende Kurve nachbilde. Über die Höhe des Anfangsstromes sei weder im Stand der Technik noch im Streitpatent etwas gesagt, weshalb hieraus kein Unterscheidungsmerkmal ableitbar sei.

Auch das Merkmal 1.4.2 werde in D5 offenbart. In der Spalte 3, Zeilen 23 bis 32 werde offenbart, dass der Feldstrom durch das Kabel bis "virtually zero or less than, say, 1%" oder bis "less than, say, 0.01" des Anfangsstromes reduziert werde. Dies schließe alle Werte zwischen Null und 1%, also auch 1:1000, mit ein.

Anspruch 10 habe gegenüber Anspruch 1 keine zusätzlichen Merkmale, die einen Unterschied gegenüber D5 begründen könnten, sondern weise im Gegenteil sogar das einzige Unterscheidungsmerkmal, Merkmal 1.5, nicht auf. Der Begriff "handelsübliches" Kabel aus Merkmal 10.2 habe keine technische Bedeutung und stelle daher auch keinen Unterschied dar.

Das Kabel nach dem Entmagnetisierungsvorgang zu entfernen, sei fachüblich. Es gebe nur die beiden Möglichkeiten, das Kabel um das Objekt gelegt zu lassen oder wieder zu entfernen. Entferne man das Kabel nicht, bräuchte man für jeden Entmagnetisierungsvorgang ein neues Kabel, was sehr teuer sei. Des Weiteren könne man in einer Vielzahl von Fällen, das Objekt nicht weiterverwenden, wenn ein Kabel um es gelegt bliebe.

Im Ergebnis liege das Verfahren gemäß Anspruch 1 wie erteilt also nahe und die Vorrichtung gemäß Anspruch 10 wie erteilt sei nicht neu.

Der Hilfsantrag 3 sei nicht zuzulassen, denn er sei verspätet und es fehle eine ausreichende Begründung zur Patentierbarkeit.

VI. Das für diese Entscheidung wesentliche Vorbringen des Beschwerdegegners lässt sich wie folgt wiedergeben:

D5 offenbare nicht Merkmal 1.2, da dort nur feste Spulen beschrieben würden und keine flexiblen Kabel. Auch über die Eigenschaften des Kabels enthielte D5 keine Angaben. Stattdessen werde in D5 davon explizit abgeraten, ein Kabel um ein zu entmagnetisierendes Objekt zu legen. Dies sei bei den in D5 geforderten 111 oder 222 Wicklungen nicht wirtschaftlich. In Figur 10 der D5 werde ein Kabel allenfalls durch den Ring "durchgefädelt", wie ein Faden durch ein Nadelöhr, wohingegen Anspruch 1 verlange, dass das Kabel um ein Objekt "gelegt" werde, also wie ein Garn beim Häkeln.

D5 offenbare auch nicht Merkmal 1.4. In Figur 4 der Schrift D5 seien zwei Phasen gezeigt, nämlich Phase (i) und Phase (ii), von denen ausschließlich die Phase (i) die Entmagnetisierung betreffe, wohingegen die Phase (ii) ausschließlich ein Abschaltvorgang sei. Diese Phase sei lediglich dafür vorhanden, dass an der Oberfläche des Objektes keine Restmagnetisierung verbliebe. Die Wechselstromimpulsfrequenz sei aber nur im Bereich der Phase (ii), also nicht beim Entmagnetisieren, größer als 1 Hz.

D5 offenbare weiter nicht das Merkmal 1.4.1. Dieses Merkmal fordere, dass die Entmagnetisierungsamplituden abfallen. Da nur die Phase (i) tatsächlich eine Entmagnetisierung darstelle und in dieser Phase die Entmagnetisierungsamplituden konstant blieben, sei keine abfallende Entmagnetisierungskurve, sondern allenfalls eine abfallende Ausschaltkurve offenbart.

D5 offenbare auch nicht das Merkmal 1.4.2, denn aus der Offenbarung der D5, dass die Entmagnetisierungs-amplitude auf unter 1% fiele, folge nicht, dass sie auf weniger als 1:1000 fiele. Gemäß D5 werde die Entmagnetisierung mit einem Gleichstrom begonnen, um die tiefliegenden Bereiche des Objektes zu entmagnetisieren. Die in Phase (i) ansteigende Frequenz sorge dafür, dass im Folgenden auch oberflächennähere Bereiche schrittweise entmagnetisiert würden. Hieraus folge, dass anfangs ein viel geringerer Strom als im Streitpatent nötig sei. Dort müsse, aufgrund der stetig abfallenden Entmagnetisierungsamplitude und der gleichbleibenden Frequenz, die anfängliche Amplitude viel höher sein, damit die gewünschte Eindringtiefe erreicht werden könne. Da die D5 von einer viel geringeren anfänglichen Entmagnetisierungsamplitude ausgehe, reiche es dort, die Amplitude nur auf 1% abfallen zu lassen. Im Streitpatent, hingegen, sei es nötig, ausgehend von einer viel höheren anfänglichen Amplitude, einen Endwert zu erreichen, der keine Restmagnetisierung hinterlasse, weswegen die Amplitude im Gegensatz zu D5 auf unter 1:1000 fallen müsse. Betrachte man die Frequenzen und Amplituden in D5 ergebe sich auch, dass ein Verhältnis von Endamplitude zu Anfangsamplitude von 1:1000 nicht erreicht werde.

Auch sei das anspruchsgemäße Verfahren ausgehend von D5 nicht naheliegend, denn die technische Aufgabe sei es, kleine bis große und schwere Objekte vor Ort flexibel ohne Demontage zu entmagnetisieren. D5 lehre aber nur vorgefertigte Spulen oder einen festen Jochaufbau, der für diesen Zweck nicht geeignet sei. D5 lehre weg davon, Kabel um das Objekt zu legen, denn es erfordere 111 oder 222 Windungen. Es sei nicht naheliegend, ein Kabel so oft um ein Objekt zu legen und dann auch noch wieder zu entfernen.

Der Hilfsantrag 3 sei in das Verfahren zuzulassen, denn die Änderungen bestünden lediglich in der Kombination erteilter Ansprüche und sie erfolgten in Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer, die von der angefochtenen Entscheidung abwiche.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ 1973)

Nächstkommender Stand der Technik

2.1 Es ist unstrittig, dass das Verfahren und die Vorrichtung gemäß D5 den nächstkommenden Stand der Technik bilden.

Unterscheidungsmerkmale

2.2 Dokument D5 offenbart das Merkmal 1.2. In D5, Spalte 7, Zeilen 38 bis 44 heißt es unter Bezugnahme auf Figur 10: "Such coils may be conveniently split into mating halves so that they may be readily joined together, rather than be wound individually for each such structure [Hervorhebung hinzugefügt]". Es werden also zwei Optionen offenbart: Vorkonfektionierte Spulenhälften und individuell um das Objekt zu Leiterschleifen gelegte Kabel. Die Kammer kann nicht akzeptieren, dass die in Figur 10 oder auch 8 gezeigten Kabel nicht um das Objekt gelegt seien, sondern durchgefädelt, wie der Beschwerdegegner vorgebracht hat. Durchfädeln ist eine Form des Legens. Ebenso kann sie nicht akzeptieren, dass die Anzahl der Windungen so hoch sei, dass es generell nicht durchführbar sei, die zweite offenbarte Option, also das individuelle Legen des Kabels um das Objekt, zu wählen. Die zitierte Anzahl der Windungen ist lediglich beispielhaft und obendrein nur im Zusammenhang mit prinzipiellen Berechnungen der Feldstärke von Spulen genannt. Hieraus folgt nicht, dass in allen Beispielen der D5 eine so hohe Zahl von Windungen nötig sei.

Da in Dokument D5 als Option erwähnt wird, um ein zu entmagnetisierendes Objekt (vgl. Spalte 7, Zeilen 43 bis 44) eine Leiterschleife zu legen, sind auch die anderen in Merkmal 1.2 genannten Eigenschaften des Kabels implizit offenbart. Ein geschirmtes Kabel würde den Austritt der Magnetfeldlinien verhindern und somit würde sich das zum Entmagnetisieren benötigte Magnetfeld nicht um das Kabel ausbilden können. Wäre das Kabel nicht isoliert, würde dies zu Kurzschlüssen führen. Offensichtlich müssen die Kabel, um sie um den Ring oder die Stutzen in Figur 8 zu legen, flexibel sein.

2.3 Dokument D5 offenbart auch das Merkmal 1.4. Der Vortrag des Beschwerdegegners bezüglich der Natur der Phase (ii) als reines Abschalten ist nicht überzeugend. Wie er selbst vorgetragen hat, ist es nötig, das angelegte Magnetfeld nicht abrupt abzuschalten, weil sonst eine Restmagnetisierung an der Oberfläche des Objekts verbleiben würde. Die Phase (ii) trägt damit eindeutig dazu bei, dass keine Restmagnetisierung im Objekt verbleibt und ist also ipso facto Teil der Entmagnetisierung.

Es war nicht strittig, dass während der Phase (ii) die Frequenz der Wechselstromimpulse größer als 1 Hz ist, aber schon während der Phase (i) steigt die Frequenz auf 5 Hz, siehe D5, Spalte 6, Zeilen 43 bis 44, aus der hervorgeht, dass eine halbe Periode 0.1 Sekunde dauert. Aus dem Anspruchswortlaut ("mit einer Wechselstromimpulsfrequenz") lässt sich nicht ableiten, dass die Frequenz zu keiner Zeit 1 Hz unterschreiten darf.

2.4 Dokument D5 offenbart weiterhin das Merkmal 1.4.1. Der Wortlaut dieses Merkmals ist "wobei der zeitliche Verlauf [...] einer nicht exponentiell abfallenden Entmagnetisierungskurve nachgebildet wird". Hieraus geht, im Gegensatz zum Vorbringen des Beschwerdegegners nicht hervor, dass die Kurve monoton abfallen muss. Alles, was dieses Merkmal besagt, ist, dass die Kurve nicht exponentiell abfällt. Die Einhüllende in Figur 4 aus D5 hat einen konstanten Abschnitt in Phase (i) und einen abklingenden Abschnitt in Phase (ii). Schon deshalb ist keine exponentiell abfallende Entmagnetisierungskurve gebildet. Darüber hinaus wird in Spalte 6, Zeile 43 bis Spalte 7, Zeile 2 in Zusammenschau mit Spalte 5, Zeilen 24 bis 28 und Spalte 6, Zeile 21 der D5 offenbart, dass das Verhältnis aufeinanderfolgender Entmagnetisierungsamplituden Im+1/Im konstant k < 1 ist. Dies bedeutet, dass der zeitliche Verlauf nicht von der Form exp(-t), sondern von der Form k**(t)ist. Daher ist die Einhüllende in der Phase (ii) für sich genommen eine abfallende Potenzfunktion und keine abfallende Exponential-funktion.

2.5 Es muss an dieser Stelle nicht abschließend entschieden werden, ob Dokument D5 auch das Merkmal 1.4.2 offenbart, denn die Kammer kommt weiter unten zum Schluss, dass es zumindest keine erfinderische Tätigkeit begründen kann.

2.6 Dokument D5 offenbart schließlich auch Merkmal 10.2 von Anspruch 10. Aus dem gegenüber Merkmal 1.2 von Anspruch 1 zusätzlichen Begriff "handelsüblich" von Merkmal 10.2 geht nämlich keine greifbare technische Einschränkung des Kabels hervor. Ansonsten gelten die oben genannten Betrachtungen analog.

2.7 Es war unstrittig, dass in Dokument D5 das Merkmal 1.5, nach dem das Kabel nach dem Entmagnetisieren entfernt wird, nicht eindeutig und direkt offenbart ist.

Technische Wirkung

2.8 Die technische Wirkung des Entfernen des Kabels ist es, dass das Kabel weiterverwendet werden kann, um weitere Objekte zu entmagnetisieren. Des Weiteren ist ein Vielzahl von Verwendungen des zu entmagnetisierenden Objekts denkbar, bei denen das Kabel stört, wenn es nicht entfernt wird, wie zum Beispiel Verschweißen. Der technische Effekt liegt also auch darin, mögliche Verwendungen ungestört zuzulassen.

Nimmt man zugunsten des Beschwerdegegners an, dass das Merkmal 1.4.2 als "kleiner als 1:1000" auszulegen ist und ein weiteres Unterscheidungsmerkmal darstellt, so ist die technische Wirkung der Reduzierung der Entmagnetisierungsamplitude auf gleich oder weniger als 1:1000 wie folgt: Das abrupte Abschalten des äußeren Magnetfeldes, welches durch das stromführende Kabel hervorgerufen wird, würde eine Restmagnetisierung im Objekt zurücklassen. Diese ist aber umso kleiner, je geringer das äußere Magnetfeld (und der Strom im Kabel) vor dem Abschalten wird. Damit besteht also der technische Effekt darin, den Grad der Entmagnetisierung zu erhöhen.

Wie man sehen kann, gibt es keine gemeinsame Wirkung dieser technischen Effekte, die eine einzige Aufgabe lösen würde. Vielmehr werden zwei völlig unabhängige Teilaufgaben gelöst, nämlich einerseits das Verfahren wirtschaftlicher zu gestalten und die Weiterverwendung der entmagnetisierten Objekte zu verbessern, und andererseits, den Grad der Entmagnetisierung zu erhöhen.

Naheliegen der Lösung

2.9 Die Lösung der ersten Teilaufgabe liegt nahe. Es gibt für den Fachmann, der das Verfahren der D5 anwendet, lediglich zwei Optionen, nämlich das Kabel nach dem Entmagnetisieren zu entfernen oder um das Objekt gelegt zu lassen. Es ist für den Fachmann ohne Mühe abzusehen, dass wenn ein Kabel um das Objekt gewickelt bliebe, die normale Verwendung des Werkstücks in aller Regel beeinträchtigt würde und jeder Entmagnetisierungs-vorgang obendrein einen neues Kabel notwendig machen würde. Gerade Kabel, die hohe Ströme tragen, sind teuer und würden daher in aller Regel mehrfach verwendet werden. Sicherlich würde man auch nicht vernünftigerweise bestreiten, dass die vorgefertigten Spulen in Dokument D5 nach dem Entmagnetisieren wieder entfernt würden. Dasselbe gilt auch für eine individuell gelegte Leiterschleife, die auch in D5 offenbart wird. Auch der Verweis des Beschwerdegegners auf die in D5 genannte Anzahl der Windungen überzeugt nicht, da diese, wie weiter oben bereits erwähnt, lediglich beispielhaft im Zusammenhang mit Berechnungen von Feldstärken von Spulen genannt sind.

2.10 Auch die Lösung der zweiten Teilaufgabe liegt nahe. Es wird bereits in D5, Spalte 3, Zeilen 23 bis 24 offenbart, dass die Amplitude auf "virtually zero or less than, say, 1%" abklingen soll. Der Fachmann versteht aufgrund seiner Fachkenntnisse, dass eine Restmagnetisierung im Objekt verbleiben würde, wenn man das äußere Feld zu abrupt abschalten würde. Deshalb wird in D5 gelehrt, das Feld so weit wie möglich - bis nahezu Null ("virtually zero") - abklingen zu lassen. Dies bedeutet, dass das Feld im Rahmen der Auflösung so klein wie möglich werden solle. Wie klein im Bezug auf die Anfangsamplitude dies ist, wird von verschiedenen Faktoren abhängen, insbesondere wie vom Beschwerdeführer vorgetragen, von der anfänglichen Amplitude. Der spezifische Wert von 1:1000 als Abschaltwert folgt aber lediglich als naheliegende Auswahl aus der allgemeinen Lehre von D5. Es sei noch erwähnt, dass das Vorbringen bezüglich einer angeblich im Streitpatent höheren Anfangsamplitude nicht überzeugen konnte, da der Anspruch nicht auf eine bestimmte Anfangsamplitude eingeschränkt ist. Dasselbe gilt für die Form der Entmagnetisierungsimpulse.

2.11 Der Gegenstand von Anspruch 1 und Anspruch 10 gemäß Hauptantrag lag daher im Hinblick auf Dokument D5 zusammen mit dem allgemeinen Fachwissen nahe.

3. Zulässigkeit des Hilfsantrags 3 (Artikel 13 (1) VOBK)

3.1 Gemäß Artikel 13 (1) VOBK unterliegt es dem Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Erwiderung auf die Beschwerdebegründung zuzulassen.

3.2 Der Beschwerdegegner musste spätestens mit dem Einlegen der Beschwerde durch die Beschwerdeführerin damit rechnen, dass sich der für ihn positive Ausgang des erstinstanzlichen Einspruchverfahrens auch wenden könnte, da die Kammer in keiner Weise an diese Entscheidung gebunden ist. Die in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argumentation, dass der Beschwerdegegner die Auffassung der Beschwerdekammer nicht vorhersehen konnte und die Einreichung des Hilfsantrags 3 daher erst in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer, aus der ihre vorläufige Auffassung hervorging, erfolgen konnte, vermag die Kammer nicht zu überzeugen. In ihrer vorbereitenden Mitteilung hat die Kammer keine neuen Fragestellungen aufgeworfen, die eine solch späte Einreichung eines nicht unerheblich geänderten Hilfsantrags, der ein bisher im Verfahren nicht diskutiertes Merkmal enthält, rechtfertigen kann. Vielmehr hält sich die vorgenannte Mitteilung der Kammer im Rahmen jener Einwände, die von der Beschwerdeführerin vorgetragen wurde, sodass es im Verantwortungsbereich des Beschwerdegegners lag, etwa bereits in seiner Beschwerdeerwiderung einen entsprechenden Hilfsantrag einzureichen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die geänderten Ansprüche lediglich auf einer Kombination erteilter abhängiger Ansprüche basiert, wie vom Beschwerdegegner vorgetragen. Zudem ist zu bemerken, dass die unabhängigen Ansprüche in unterschiedlicher Weise geändert worden sind, so dass für jeden der unabhängigen Ansprüche die erfinderische Tätigkeit separat zu diskutieren gewesen wäre. Darüber hinaus hat der Beschwerdegegner zwar im schriftlichen Verfahren sehr knapp durch den Verweis auf einen einzigen Absatz der Beschreibung angedeutet, warum der geänderte Vorrichtungsanspruch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen soll, ein solcher Vortrag fehlte jedoch gänzlich für den geänderten Verfahrensanspruch, sodass hinreichend substantiierte Ausführungen hierzu erstmals in der mündlichen Verhandlung hätten erfolgen müssen.

3.3 Daher übte die Kammer ihr Ermessen in der mündlichen Verhandlung dahingehend aus, den Hilfsantrag 3 nicht ins Verfahren zuzulassen.

4. Da der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ 1973 der Aufrechterhaltung des Streitpatents entgegen stand und der geänderte Hilfsantrag 3 nicht ins Verfahren zugelassen wurde, war dem Antrag der Beschwerdeführerin stattzugeben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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