T 1391/13 () of 18.4.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T139113.20180418
Datum der Entscheidung: 18 April 2018
Aktenzeichen: T 1391/13
Anmeldenummer: 06723716.4
IPC-Klasse: F15B 15/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verriegelbarer Arbeitszylinder
Name des Anmelders: Adolf Tretsch
Name des Einsprechenden: Neumeister Hydraulik GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2200/17

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das europäische Patent Nr. 1 864 024 den Erfordernissen des EPÜ genüge.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents nicht erfinderisch sei und dass der Hilfsantrag 1 nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genüge. Der Gegenstand des Hilfsantrags 2 entspreche hingegen den Erfordernissen des EPÜ.

Die Einspruchsabteilung hat insbesondere folgende Druckschriften berücksichtigt:

E3: EP 1 106 841 A2;

E4: US 4,524,676.

II. Mit Schreiben vom 4. August 2017 hat die Beschwerdegegnerin angekündigt, dass ihrerseits niemand an der für den 18. September 2017 angesetzten mündlichen Verhandlung teilnehmen würde. Die Kammer hat daraufhin den Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben.

III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent wie erteilt (Hauptantrag) oder auf Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrags 1 aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Anspruch 1 des Streitpatents (Hauptantrag) lautet wie folgt (die Merkmalsgliederung durch die Kammer ist in eckigen Klammern eingefügt:

"[1] Verriegelbarer Arbeitszylinder [2] mit einem Gehäuse (1) und einem darin [3] in einem Hauptdruckraum (36) [4] bewegbaren Kolben (14), [5] von dem aus ein Kolbenstangenrohr (13) [6] aus dem Hauptdruckraum (36) führt, wobei [7] in dem Kolben (14) bzw. dem Kolbenstangenrohr (13) eine Spindel (20) dreht, [8] welcher eine Einrichtung zum Anhalten der Drehbewegung zugeordnet ist, wobei [9] die Spindel (20) bzw. [10] eine dieser aufgesetzten Drehhülse (22) einen radial angeordneten Raum aufweist, [11] in den ein radial führbarer Sperrbolzen (33) eingreift,

dadurch gekennzeichnet,

dass [12] in den Raum vor dem Sperrbolzen (33) ein Druckmedium einbringbar und damit der Raum als Druckraum (31.1,31.2) ausgebildet ist."

V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat Folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand von Anspruch 1 sei neu gegenüber den Druckschriften E2 und E9.

Er sei auch erfinderisch bezüglich der folgenden Kombinationen von Druckschriften: E2+Fachwissen; E2+E3, E2+E4, und E3+E4: Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von der Offenbarung der Druckschrift E3 dadurch, dass in den Raum vor dem Sperrbolzen ein Druckmedium einbringbar und damit der Raum als Druckraum ausgebildet ist. Damit werde ein Entriegeln auch bei einem Bruch des Sperrfortsatzes möglich. Die objektive Aufgabe bestehe darin, eine sicherere und raschere Ver-und Entriegelung zu ermöglichen. Die von der Einspruchsabteilung formulierte Aufgabe (Verringerung des Verschleißes) sei nicht zutreffend und auch nicht durch die Fakten gestützt. Der Verschleiß zwischen dem Sperrfortsatz 38 und der Sperraufnahme 39 der Druckschrift E3 spiele keine Rolle bzw. sei sogar erwünscht. Auch das Streitpatent spreche nicht von einer Verminderung des Verschleißes. Die von der Einsprechenden zitierte Passage der Beschreibung betreffe einen nicht gattungsgemäßen Stand der Technik, nämlich eine Verriegelungseinheit mit einer stirnseitigen Verzahnung. Die angebliche Wirkung sei daraus nicht ableitbar und stehe auch in keinem Zusammenhang mit der ursprünglich gestellten Aufgabe. Die tatsächlich gelöste Aufgabe bestehe darin, eine sicherere und raschere Ver- und Entriegelung zu ermöglichen. Selbst wenn die von der Einsprechenden gestellte Aufgabe zu lösen wäre, würde der Fachmann nicht die Druckschrift E4 in Betracht ziehen. Diese Druckschrift erwähne keine Verringerung des Verschleißes zwischen dem Stößel 17 und der Nut 16. Die groove portion 16 sei nicht Teil der mechanical portion 9; die erwähnte Verringerung des Verschleißes beziehe sich auf den Verschleiß des Stößels 17 beim Gleiten über die Schrägung 15 anlässlich seiner axialen Verschiebung. Der Fachmann würde also die Druckschrift E4 nicht zur Lösung der genannten Aufgabe heranziehen. Und selbst wenn er das tun würde, wäre die Übertragung auf die Vorrichtung der Druckschrift E3 nicht einfach zu bewerkstelligen. Ohne vorherige Kenntnis der Erfindung würde der Fachmann die erforderlichen Schritte nicht vornehmen.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat Folgendes vorgetragen:

Dem Gegenstand von Anspruch 1 fehle es an der erfinderischen Tätigkeit bezüglich der Kombination der Druckschriften E3+E4. Die objektive technische Aufgabe bestehe darin, den Verschleiß der Sperreinrichtung zu reduzieren. Ausgehend von der Druckschrift E3 würde der Fachmann die Lösung dieser Aufgabe in der Druckschrift E4 suchen und dort die erfindungsgemäße Lösung finden.

Entscheidungsgründe

1. Anzuwendendes Recht

Die dem Streitpatent zugrundeliegende PCT-Anmeldung wurde am 24. März 2006 eingereicht. Deshalb ist im vorliegenden Fall in Anwendung von Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 217) und des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 219) der Artikel 56 EPÜ 1973 anzuwenden.

2. Anspruchsauslegung: Merkmal 12

Das Merkmal 12 verlangt, dass ein Druckmedium in den Raum vor dem Sperrbolzen einbringbar und damit der Raum als Druckraum ausgebildet ist.

Es stellt sich die Frage, was genau unter der Ortsbestimmung "Raum vor dem Sperrbolzen" zu verstehen ist.

Der Ausdruck ist in der ursprünglichen Anmeldung nicht enthalten; er wurde erst anlässlich der internationalen vorläufigen Prüfung in die Ansprüche und in die Beschreibung eingeführt. Die Grundlage in der ursprünglichen Anmeldung wurde dabei nicht angegeben; vermutlich beruht die Änderung auf der Figur 3 und der dazugehörigen Beschreibung.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Ausschnitt aus der Figur 3 des Streitpatents

Wenn man die von den Bezugszeichen 31.1 und 31.2 bezeichneten Räume betrachtet, so legt sich die Deutung nahe, dass unter dem Ausdruck "Raum vor dem Sperrbolzen" der Raum zu verstehen ist, in den der Sperrbolzen unter dem Druck der Schraubenfeder 34 eindringt, also der Raum, in den der Sperrbolzen gemäß Oberbegriff von Anspruch 1 "eingreift".

Diese Deutung steht im Einklang mit der Aussage in Absatz [0030] des Streitpatents, dass das Spiel, mit dem der Sperrbolzen im Druckraum 31.1 geführt ist, dazu führt, dass Druckmedium "vor den Sperrbolzen 33 in den Trichterboden 23" (Unterstreichung durch die Kammer) gelangt und den Sperrbolzen gegen die Kraft der Schraubenfeder aus dem Druckraum drückt.

Das Merkmal 12 verlangt, dass ein Druckmedium in den Raum vor dem Sperrbolzen eingebracht werden kann. Obwohl das Streitpatent nicht ausführt, was genau unter dem Ausdruck "Druckmedium" zu verstehen ist, würde der Fachmann verstehen, dass es sich um eine hydraulische Druckflüssigkeit handelt, bzw., falls pneumatische Anwendungen in Betracht gezogen werden, ein unter Druck gesetztes Gas.

Dementsprechend verlangt das Merkmal 12, dass die Vorrichtung es erlaubt, den Raum vor dem Sperrbolzen mit Druckmedium zu füllen. Es müssen also entsprechende Leitungen bzw. Ventile etc. vorgesehen sein.

Der Zusatz "dass ... damit der Raum als Druckraum ... ausgebildet ist" fügt dem aus technischer Sicht nichts hinzu. Im Sinne des Anspruchs 1 ist ein Raum dann als Druckraum ausgebildet, wenn ein Druckmedium in den Raum eingebracht werden kann.

3. Erfinderische Tätigkeit

Zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit bedient sich die Kammer des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes.

3.1 Nächstliegender Stand der Technik

Die Einspruchsabteilung und die Parteien sind von der Druckschrift E3 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen. Die Kammer sieht keinen Anlass, von dieser Wahl abzuweichen.

3.2 Unterschiede

Die Einspruchsabteilung sah den Unterschied im kennzeichnenden Merkmal 12, dem zufolge ein Druckmedium in den Raum vor dem Sperrbolzen einbringbar und damit der Raum als Druckraum ausgebildet ist. Die Beschwerdeführerin hat dem nicht widersprochen.

In der Druckschrift E3 ist ein Sperrfortsatz 38 offenbart, der einen Sperrbolzen darstellt. Er ist unter anderem in der Figur 1 dargestellt:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Ausschnitt aus der Figur 1 der Druckschrift E3

Da dieser Sperrbolzen von der Federanordnung in Richtung 42 gedrückt werden soll, ist davon auszugehen, dass ein Raum vor dem Sperrbolzen existiert (siehe dazu auch Figur 4).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Allerdings offenbart die Druckschrift E3 nicht unmittelbar und eindeutig, dass ein Druckmedium in diesen Raum eingebracht werden kann.

Die Druckschrift E3 offenbart in diesem Zusammenhang nämlich Folgendes: "Die Aufhebung der Sperrwirkung erfolgt durch Beaufschlagung des Sperrkolbens 37 mit dem Druckmedium in einer der Federkraft - gemäß Pfeil 42 - entgegengesetzten Richtung, also in einer zur Zylinderlängsmittelachse 22 radialen Richtung. Die Beaufschlagung des Sperrkolbens 37 mit dem Druckmedium erfolgt über die im Endgehäuse 9 angeordneten durch Bohrungen 43 gebildeten Versorgungskanäle 44 bzw. den Strömungs- und Verbindungskanäle 34 und den jeweiligen Regelorganen 35 ..." (Absatz [0030]). Da hier von der Beaufschlagung des Sperrkolbens 37 und nicht von der Beaufschlagung des Sperrfortsatzes 38 die Rede ist, kann man nicht davon ausgehen, dass das Druckmittel in den Raum vor den Sperrfortsatz 38 eingebracht wird. Diese Feststellung entspricht auch der Darstellung in Figur 3 der Druckschrift E3:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Ausschnitt aus der Figur 3 der Druckschrift E3

3.3 Technische Wirkung bzw. objektive technische Aufgabe

Es stellt sich die Frage, worin die technische Wirkung des Unterschieds besteht.

Das Streitpatent offenbart dazu in seinem Absatz [0007], dass es "bei Aufheben des Druckes in dem Hauptdruckraum ... zu einer sehr raschen und sicheren Verriegelung des Kolbens bzw. des Kolbenstangenrohres bzw. der Spindel kommt".

Allerdings war dieser Absatz nicht Teil der ursprünglichen Anmeldung, sodass es fraglich ist, ob er bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe berücksichtigt werden kann. Darüber hinaus ist es fragwürdig, ob die in Absatz [0007] genannte Wirkung tatsächlich der Möglichkeit des Einbringens von Druckmedium entspricht. Die genannte Wirkung scheint vielmehr dem Vorhandensein einer hydraulischen Verbindung zwischen dem Druckraum vor dem Sperrbolzen und dem Hauptdruckraum zu entsprechen. Eine solche Verbindung verlangt der vorliegende Anspruch 1 jedoch nicht.

Der Fachmann würde erkennen, dass die Möglichkeit des Einbringens von Druckmedium in den Raum vor dem Sperrbolzen es erlaubt, dort Druck aufzubauen und somit den Sperrbolzen aus dem Raum, in den er eingreift, hinauszudrücken. Somit wird eine andere Möglichkeit geschaffen, die Blockage der Spindel aufzuheben: anstatt des Sperrkolbens wird der Sperrfortsatz mit Druck beaufschlagt.

Die Einspruchsabteilung hat die Wirkung des Unterschieds darin gesehen, dass der Verschleiß an der Sperreinrichtung verringert wird. Es ist für die Kammer nicht klar, warum die Möglichkeit des Einbringens von Druckmittel in den Raum vor dem Sperrbolzen diese Wirkung haben sollte. Diese Wirkung scheint vielmehr darauf zu beruhen, dass der Sperrbolzen nicht auf die Drehhülse bzw. die Spindel aufgedrückt wird, d.h. mit dem Vorhandensein eines Raums vor dem Sperrbolzen. Wie schon erwähnt, offenbart die Druckschrift E3 aber dieses Merkmal (siehe Figur 4). Die Einspruchsabteilung hat wiederholt festgestellt, dass bei einer mechanischen Verriegelung gemäß der Druckschrift E3 "bekannterweise" der Verschleiß zwischen Sperrbolzen 38 und Sperraufnahme 39 hoch ist (siehe die Punkte 2.2.3.4 und 2.2.3.6 der Entscheidung). Obwohl sie diesen Nachteil als bekannt darstellt, hat sie keinen Nachweis dafür geliefert; es handelt sich also um eine reine Behauptung, deren Richtigkeit nicht auf der Hand liegt. Die Beschwerdegegnerin hat ebenfalls dargelegt, dass dies "dem Fachmann aus der Praxis und Kraft seines Fachwissens bekannt" sei und es keiner besonderen Belege bedürfe. Die Kammer kann dem nicht zustimmen. Wenn, wie hier, angebliches Fachwissen strittig ist, dann bedarf es eines klaren Nachweises.

Die Beschwerdegegnerin hat in diesem Zusammenhang auf die Offenbarung des Streitpatents zur Druckschrift DE 202 16 197 hingewiesen, der zufolge "eine stirnseitige Verriegelung sich im Laufe der Zeit abschleifen kann" (Absatz [0005]). Es ist für die Kammer aber nicht ersichtlich, warum diese Aussage betreffend einen Stand der Technik, der sich in mehrfacher Hinsicht vom Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet, sich ohne weiteres auf das unterscheidende Merkmal bezüglich der Druckschrift E3 übertragen lassen könnte, zumal das Prinzip der Verriegelung, das in der Druckschrift DE 202 16 197 zum Einsatz kommt (nämlich radiale Verzahnungsprofile) ein anderes ist.

Die Beschwerdeführerin hat andere Wirkungen als die Verringerung des Verschleißes geltend gemacht. Sie hat dargelegt, dass bei der in der Druckschrift E3 beschriebenen Sperranordnung das Entriegeln nicht möglich ist, wenn der Sperrfortsatz 38 bricht, und dass eine Vergrößerung der Querschnittsfläche des Sperrfortsatzes (z.B. zur Erhöhung der Bruchsicherheit) die wirksame Fläche des Sperrkolbens 37 verringert. Die Beschwerdeführerin leitet daraus die objektive technische Aufgabe ab, eine sichere und raschere Ver- und Entriegelung zu ermöglichen.

Die Kammer findet diesen Vortrag überzeugend und schließt sich daher dieser Auffassung an. Sie sieht die objektive technische Aufgabe darin, die Verlässlichkeit der Entriegelung des aus der Druckschrift E3 bekannten Arbeitszylinders zu erhöhen.

3.4 Naheliegen

Die Kammer ist zum Schluss gelangt, dass der Fachmann, der von der Lehre der Druckschrift E3 ausgeht und sich die Aufgabe stellt, die Verlässlichkeit der Entriegelung des Arbeitszylinders zu erhöhen, die Druckschrift E4 nicht in Betracht ziehen würde, denn diese Druckschrift befasst sich mit einer ganz anderen Aufgabenstellung, nämlich der Verringerung der Abnutzung an Stellen, an denen sich die mechanischen Komponenten berühren.

Darüber hinaus unterscheidet sich der Gegenstand der beiden Druckschriften, denn die Druckschrift E3 offenbart eine Verdrehsicherung, wohingegen in der Anordnung gemäß Druckschrift E4 eine Linearbewegung blockiert werden soll.

Wie von der Beschwerdeführerin ausführlich dargelegt wurde (Beschwerdebegründung, Seite 9, letzter Absatz, bis Seite 11, erster Absatz), lässt sich die Lehre der Druckschrift E4 auch nicht ohne Weiteres auf die in der Druckschrift E3 offenbarte Anordnung übertragen, zumal der Druck verschieden eingesetzt wird. In der Vorrichtung gemäß der Druckschrift E3 wird der Druck zum Einsatz gebracht, um die Blockierung aufzuheben, wohingegen in der Anordnung der Druckschrift E4 der Druck eingesetzt wird, um die Reibung zu verringern; das Sperren der Linearbewegung wird dadurch ermöglicht, dass der Druck abgebaut wird.

Die Kammer ist daher zum Schluss gelangt, dass nicht überzeugend dargelegt wurde, dass der Fachmann, der von der Druckschrift E3 ausgeht und sich die Aufgabe stellt, die Verlässlichkeit der Entriegelung zu erhöhen, in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen würde.

Die gegenteiligen Argumente der Beschwerdegegnerin beruhen wesentlich auf einer Definition der objektiven technischen Aufgabe, die die Kammer nicht teilt (siehe Punkt 3.3). Daher können sie zu keiner anderen Beurteilung des Falles führen.

Der Gegenstand von Anspruch 1 hat somit als erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ 1973 zu gelten.

4. Andere Angriffe

Die Beschwerdegegnerin hat pauschal auf ihre erstinstanzlichen Schriftsätze und Vorträge hingewiesen (siehe die Beschwerdeerwiderung, Seite 14, vorletzter Absatz), ohne sie im Beschwerdeverfahren näher darzulegen. Der Inhalt solcher Schriftsätze und Vorträge ist allerdings nicht Teil des Beschwerdeverfahrens im Sinne von Artikel 12 (1) VOBK und kann daher von der Kammer nicht berücksichtigt werden.

5. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung

Im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung deutet die Kammer die Erklärung der Beschwerdegegnerin, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen würde, als Rücknahme ihres Antrags auf mündliche Verhandlung (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 8. Auflage, 2016, Punkt III.C.2.3.1).

Da die Kammer dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin stattgibt, kann sie den Fall ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der Einspruch wird zurückgewiesen.

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