T 1246/13 () of 12.7.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T124613.20160712
Datum der Entscheidung: 12 Juli 2016
Aktenzeichen: T 1246/13
Anmeldenummer: 05785733.6
IPC-Klasse: B05D 1/02
B05D 7/00
B05B 3/10
B05B 3/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON VERBUNDELEMENTEN AUF DER BASIS VON SCHAUMSTOFFEN AUF ISOCYANATBASIS
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: The Dow Chemical Company
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung, mit der der gegen das europäische Patent Nr. 1 789 204 gerichtete Einspruch zurückgewiesen wurde, Beschwerde eingelegt.

II. Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf den in Artikel 100 a) EPÜ angegebenen Grund mangelnder erfinderischer Tätigkeit.

III. Die angefochtene Entscheidung stützte sich auf folgende Dokumente, die auch für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevant sind:

D7: WO 99/67089;

D8: JP 11-179245.

IV. Am 12. Juli 2016 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Wegen der Einzelheiten deren Verlaufs wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde oder hilfsweise, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines mit Schriftsatz vom 31. Januar 2014 als Hilfsanträge 1 bis 6 eingereichten Anspruchssätze.

V. Der unhabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung von Verbundelementen aus mindestens einer Deckschicht a) und einem Hartschaumstoff auf Isocyanatbasis b), wobei zwischen der Deckschicht a) und dem Hartschaumstoff auf Isocyanatbasis b) ein Haftvermittler c) aufgebracht ist, wobei die Deckschicht a) kontinuierlich bewegt wird und der Haftvermittler c) und das Ausgangsmaterial für den Hartschaumstoff auf Isocyanatbasis b) nacheinander auf die Deckschicht aufgebracht werden,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Auftrag des Haftvermittlers c) mittels einer rotierenden Scheibe erfolgt, die in der Waagerechten oder in einer Abweichung von der Waagerechten von bis zu 15°, vorzugsweise parallel zu der Deckschicht,

dadurch gekennzeichnet,

dass die vorgenannte Scheibe in einer Höhe von 0,02 - 0,2 m über der zu benetzenden Deckschicht angebracht ist."

VI. Die Beschwerdeführerin argumentiert im Wesentlichen wie folgt.

Als nächstliegender Stand der Technik sei das aus D7 bekannte Verfahren anzusehen, bei dem der Haftvermittler mittels Walzen ("nip roll coating") aufgetragen werde.

Diese Ausführungsform des aus D7 bekannten Verfahrens offenbare nicht die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des Hauptantrags.

Die zu lösende Aufgabe sei darin zu sehen, ein Alternativverfahren für das gleichmäßige Auftragen der Haftvermittlerschicht bereitzustellen.

D7 enthalte den Hinweis, dass jede bekannte Technik zum Haftvermittlerauftrag angewendet werden könne.

D8 lehre dem Fachmann, einen Kunststoff mittels eines Rotationszerstäubers aufzutragen, um eine gleichmäßige Schichtdicke zu erreichen. Diese Lehre betreffe nicht nur schäumende Materialien, da diese in D8 lediglich als eine bevorzugte Ausführungsform beschrieben seien.

Die Werkstoffe, die in D8 aufgetragen werden, wiesen einen Viskositätsbereich (800 - 2000 mPas), welcher sich mit dem im Streitpatent angegebenen Viskositätsbereich (100 - 1000 mPas) überlappt. Auch der in D8 angegebene Rotationsgeschwindigkeitsbereich für die Scheibe überlappe sich mit dem im Streitpatent angegebenen Rotationsgeschwindigkeitsbereich.

Anhand der o.g. Information sehe sich der Fachmann veranlasst, das aus D7 bekannte Verfahren unter Verwendung des aus D8 bekannten Rotationszerstäubers durchzuführen, und gelange dadurch zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags, ohne erfinderisch tätig zu werden.

Die Optimierung der Höhe einer Auftragsvorrichtung über der zu benetzenden Deckschicht sei eine übliche Maßnahme und liege im Rahmen der normalen Tätigkeiten eines Fachmanns.

VII. Die Beschwerdegegnerin argumentiert im Wesentlichen wie folgt.

D7 offenbare mehrere Verfahren, die alle dazu geeignet sind, als Startpunkt für eine Diskussion der erfinderischen Tätigkeit zu dienen.

Als Unterschied gegenüber den in D7 offenbarten Beschichtungsmethoden gelten die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des Hauptantrags.

Die Unterscheidungsmerkmale bewirken, je nach Startpunkt, eine verminderte Aerosolbildung (gegenüber Sprühen), weniger Wartungsaufwand (gegenüber Walzbeschichten), oder eine erhöhte Sicherheit (gegenüber Elektrotauchbeschichten).

Aufgabe der vorliegenden Erfindung sei es, ein geeignetes Auftragsverfahren für einen Haftvermittler zu finden.

Der Fachmann zöge zur Lösung dieser Aufgabe D8 nicht heran, weil diese Schrift keinen Haftvermittler und somit auch keine Lehre für das Auftragen eines Haftvermittlers offenbare. Die nach D8 aufgebrachte Schicht sei eine Isolierschicht und keine Haftvermittlerschicht.

Obwohl sowohl nach D7 als auch nach D8 eine homogene Schichtdicke wichtig sei, seien die unter Wärmeeinwirkung schäumende Isolierschichten der D8 unter anderen technischen Bedingungen anzubringen als die technischen Bedingungen, welche beim Auftragen des aus D7 bekannten Haftvermittlers, welcher als reagierende, klebrige Flüssigkeit aufzutragen sei, zu herrschen haben.

D8 könne somit nichts zur Lösung der vorliegenden Aufgabe beitragen, auch wenn dort eine rotierende Scheibe verwendet werde.

Es sei nicht möglich, durch die Kombination der Lehren der D7 und der D8 zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags zu gelangen, da D8 keinen Hinweis auf die beanspruchte Anbringungshöhe enthalte. Dabei stelle die beanspruchte Anbringungshöhe einen wichtigen Verfahrensparameter dar.

Entscheidungsgründe

1. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit

Offenbarung von D7

1.1 D7 offenbart ein Verfahren (siehe Seite 14, Zeile 32: "Production Process") zur Herstellung von Verbundelementen aus mindestens einer Deckschicht 20 ("metal skin") und einem Schaumstoff auf Isocyanatbasis 12 (siehe insbesondere Seite 17, Zeile 19), wobei zwischen der Deckschicht 20 und dem Hartschaumstoff auf Isocyanatbasis 12 ein Haftvermittler 22 ("primer layer", siehe Seite 15, Zeilen 2 und 3) aufgebracht wird, die Deckschicht 20 kontinuierlich bewegt wird (siehe Seite 14, Zeilen 33-34) und der Haftvermittler 22 und das Ausgangsmaterial für den Hartschaumstoff auf Isocyanatbasis 12 nacheinander auf die Deckschicht aufgebracht werden (siehe Seite 14, Zeile 35 bis Seite 15, Zeile 9).

1.2 Betreffend das Verfahren, mit dem der Haftvermittler aufgetragen wird, wird u.a. das Auftragen mittels Walzen ("nip roll coating") erwähnt, siehe Seite 12, Zeile 25.

Startpunkt für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit

1.3 Die Kammer, den während der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ausführungen der Beschwerdeführerin folgend, erachtet das aus D7 bekannte Verfahren zur Herstellung von Verbundelementen, bei dem der Haftvermittler mittels Walzen ("nip rolls) aufgetragen wird, als den nächstliegenden Stand der Technik.

Unterschied(e)

1.4 Es ist unstreitig, dass diese Ausführungsform der D7 die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des Hauptantrags, nämlich dass der Auftrag des Haftvermittlers c) mittels einer rotierenden Scheibe erfolgt, die in der Waagerechten oder in einer Abweichung von der Waagerechten von bis zu 15°, vorzugsweise parallel zu der Deckschicht, in einer Höhe von 0,02 - 0,2 m über der zu benetzenden Deckschicht angebracht ist, nicht offenbart.

Wirkung(en)

1.5 Die Kammer folgt der Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach ein Auftragen des Haftvermittlers mittels Walzen weder eine erhöhte Aerosolbildung noch einen höheren Wartungseinwand gegenüber einer Austragung mittels einer rotierenden Scheibe hervorruft.

Aufgabe

1.6 Die Kammer folgt daher der Argumentation der Beschwerdeführerin, derzufolge im vorliegenden Fall die zu lösende Aufgabe darin zu sehen ist, für das aus D7 bekannte Verfahren zur Herstellung von Verbundelementen eine alternative Form für das Auftragen des Haftvermittlers vorzuschlagen.

D8 - Diskussion der erfinderischen Tätigkeit

1.7 Die Beschwerdeführerin stützt ihr Beschwerdebegehren im Kern darauf, dass die auf Seite 12, Zeilen 24-26 der D7 enthaltene Information, wonach jedes der bekannten Auftragsverfahren für den Haftvermittler zur Anwendung kommen könnte, den Fachmann veranlasste, den Haftvermittler mittels des aus D8 bekannten Verfahrens aufzutragen und somit zum Gegenstand des Anspruchs 1 ohne erfinderisches Zutun zu gelangen.

1.8 Diese Argumentation greift indes zur Überzeugung der Kammer aus folgenden Gründen nicht durch.

1.9 D8 betrifft die Herstellung von Verbundelementen aus mindestens einer Deckschicht und einem Kunststoff. Sie befasst sich mit der Problematik eines gleichmäßigen Auftragens eines Kunststoffmaterials, insbesondere eines Schaumstoffs, direkt auf eine Deckschicht, sodass eine gleichmäßige Isolierung erreicht wird.

1.10 Wie auch von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht, veranlasst die Lehre der D8 den Leser jedoch nicht, den aus D8 bekannten, zwecks Isolierung aufgetragenen Kunststoff als Haftvermittler zu betrachten. Der sich nach einer alternativen Form für das Auftragen des in dem aus D7 bekannten Verfahrens benutzten Haftvermittlers suchende Fachmann hätte somit keine Veranlassung, die sich auf das zwecks Isolierung Auftragen eines Kunststoffs gerichtete Lehre der D8 in Betracht zu ziehen.

1.11 Die Beschwerdeführerin macht insoweit geltend, dass D8 nicht nur auf schäumende Materialien gerichtet sei, dass die Viskosität der mittels der aus D8 bekannten rotierenden Scheibe aufgetragenen Werkstoffe in einem Bereich (800 - 2000 mPas) liege, welcher sich mit dem des Streitpatents (100 - 1000 mPas) überlappe, und dass der Bereich der Rotationsgeschwindigkeit (300 - 1000 m**(-1)) der aus D8 bekannten Scheibe, sich mit dem Bereich der Rotationsgeschwindigkeit (200 - 2500 m**(-1)) der Scheibe gemäß der Streitpatentschrift überlappe.

1.12 Daraus folgert die Beschwerdeführerin, dass der Fachmann die aus D8 bekannten Art des Auftragens des Schaumstoffs mittels einer rotierenden Scheibe als eine alternative Form zu der aus D7 bekannten Auftragung des Haftvermittlers mittels Walzen betrachtete, da die aus D8 bekannte Art des Auftragens auch für das Auftragen eines Haftvermittlers geeignet sei.

1.13 Die Kammer kann dem nicht beipflichten.

1.14 Bei der Beurteilung der Frage, ob die beanspruchte Erfindung angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der objektiven technischen Aufgabe für den Fachmann naheliegend gewesen wäre, wendet die Kammer den "could would approach" an, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 7. Auflage 2013, I.D.5. Danach ist es nicht ausschlaggebend, ob ein Fachmann den Gegenstand des Streitpatents hätte ausführen können, sondern vielmehr, ob er es in der Hoffnung auf eine Lösung der zugrunde liegenden technischen Aufgabe bzw. gerade in der Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch getan hätte.

1.15 Die seitens der Beschwerdeführerin vorgebrachten Anzeichen für die behauptete Eignung des aus D8 bekannten Rotationssprühverfahrens zur Durchführung des im Streitpatent beanspruchten Rotationssprühverfahrens, nämlich die sich überlappende Viskositäts- und Rotationsgeschwindigkeitsbereiche des aufzutragenden Kunststoffs der D8 einerseits und des Haftvermittlers des Streitpatents anderseits, stellt zur Überzeugung der Kammer keinen Beweis dafür dar, dass der Fachmann das aus D8 bekannten Rotationssprühverfahren auf ein anderes, nämlich auf das aus dem nächstliegenden Stand der Technik, hier aus D7, bekannte Verfahren, auch übertragen hätte.

1.16 Eine andere Auslegung der Offenbarung des vorliegenden Standes der Technik, d.h. gemäß dem Vortrag der Beschwerdeführerin, wäre nur das Ergebnis einer unzulässigen ex-post-facto Analyse.

1.17 Selbst wenn der Fachmann die Lehren der D7 und D8 miteinander kombinierte, gelangte er nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags, da D8 keine Anbringungshöhe für die rotierende Scheibe angibt. D8 kann daher dem Fachmann den beanspruchten Auftragshöhenbereich nicht nahelegen.

1.18Die Beschwerdeführerin behauptet, dass der beanspruchte Auftragshöhenbereich ein Produkt der Optimierung der Auftragsvorrichtung ist. Dabei liege die Optimierung der Höhe der Auftragsvorrichtung über der zu benetzenden Deckschicht im Rahmen dessen, was der Fachmann, ohne erfinderisch tätig zu werden machen würde.

1.19 Die Beschwerdeführerin hat für diese von der Beschwerdegegnerin bestritte Behauptung keinen Beweis vorgelegt. Soweit die Beschwerdeführerin damit der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht Genüge getan hat, trägt dieses Argument nicht zum Nachweis fehlender erfinderischer Tätigkeit und damit zur Begründetheit der Beschwerde bei.

1.20 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags weist daher eine erfinderische Tätigkeit auf.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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