European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T123413.20140925 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 25 September 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1234/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07013312.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | B01D 39/16 A47L 9/14 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Staubsaugerfilterbeutel | ||||||||
Name des Anmelders: | Eurofilters Holding N.V. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Wolf PVG GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) Zulässigkeit von Anträgen - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP-B-2 011 556 wurde mit 27 Patentansprüchen erteilt. Der Tag der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung im Patentblatt 2011/07 war der 13. April 2011.
Gegenstand des Patents sind Staubsaugerfilterbeutel aus einem Materialverbund und Herstellverfahren dafür.
II. Die unabhängigen Ansprüche des erteilten Patents lauten:
"1. Staubsaugerfilterbeutel mit einem Materialverbund umfassend:
eine erste Lage aus einem Netz mit einer Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/(m**(2)s), eine erste Faserlage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern, die mit einer Seite der ersten Lage verbunden ist."
"16. Verfahren zur Herstellung eines Materialverbunds für einen Staubsaugerfilterbeutel mit den Schritten:
Bereitstellen einer ersten Lage aus einem Netz mit einer Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/(m**(2)s),
Bereitstellen einer ersten Faserlage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern auf einer Seite der ersten Lage,
Verbinden der ersten Lage mit der ersten Faserlage."
"27. Staubsaugerfilterbeutel umfassend eine Materiallage erhältlich durch ein Verfahren nach einem der Ansprüche 15 - 24."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 15 und 17 bis 26 betreffen bevorzugte Ausgestaltungen des Filterbeutels nach Anspruch 1 bzw. des Verfahrens nach Anspruch 16.
III. Gegen das erteilte Patent wurde unter Hinweis auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 (a) und (b) EPÜ Einspruch eingelegt.
IV. Im Einspruchsverfahren wurden u.a. folgende Dokumente genannt:
D1: EP-A-1 795 248
D4: DE-U-20 20 9923
D6: EP-B-0 960 645
D10: WO-A-97/40 913
D14: Erklärung von Reto Vogt, datiert vom 25 Juni 2012
D15: Bedienungsanleitung für das TEXTEST FX 3300 Luftdurchlässigkeits-Prüfgerät III, TXTEST AG, Schwerzenbach, CH, datiert 08/06
D17: JP-A-6 30 869
D17a: Übersetzung von D17 ins Deutsche
D18: Technisches Gutachten von H. Illing-Günther, Sächsisches Textilforschungsinstitut e.V., datiert vom 30. Mai 2012, samt Anlagen dazu.
V. Die Einspruchsabteilung anerkannte in ihrer Entscheidung die Ausführbarkeit der Erfindung. Es sei dem Fachmann möglich, auch Luftdurchlässigkeitswerte von größer als 10000 l/m**(2)s zu messen.
Sie entschied auch, dass der beanspruchte Staubsaugerfilterbeutel gemäß Hauptantrag neu sei im Hinblick auf D1, D4, D6 und D17.
Als nächstliegender Stand der Technik wurde D6 angesehen. Da eine Verbesserung im Vergleich mit D6 nicht nachgewiesen sei, bestehe die Aufgabe in der Bereitstellung eines alternativen Staubsaugerbeutels. Der Fachmann würde dann als Stützlage bzw. "scrim" oder "netting" jedenfalls eine höhere Luftdurchlässigkeit vorsehen als für die erste Filterlage in D6 (die bis zu 8.000 l/m2s aufweist). Daher habe der Gegenstand gemäß erteiltem Anspruch 1 (Hauptantrag) nahegelegen.
Der erste Hilfsantrag wurde ebenfalls zurückgewiesen, da das neu hinzugekommene Merkmal "Vlieslage" bereits aus D6 bekannt war.
Die Einspruchsabteilung entschied, dass der beanspruchte Gegenstand gemäß Hilfsantrag 2 neu sei. Was die erfinderische Tätigkeit anbelangt, so ging die Einspruchsabteilung von D6 aus. Obwohl Vergleichsversuche nicht vorlägen, sei es plausibel, dass der beanspruchte Staubsaugerbeutel verbesserte Eigenschaften in Bezug auf Falten/Entfalten, Stützfunktion und Luftdurchlässigkeit aufweise. Die beanspruchte Merkmalskombination war weder durch D6 noch durch D17 oder D7 nahegelegt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das europäische Patent wurde daher in geänderter Form aufrecht erhalten.
VI. Die vorliegenden Beschwerden der Einsprechenden (im folgenden: Beschwerdeführerin I) und der Patentinhaberin (im folgenden: Beschwerdeführerin II) richten sich gegen die erwähnte Entscheidung der Einspruchsabteilung.
Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin I) wurde mit Schreiben vom 17. Mai 2013 eingelegt. Die Beschwerdebegründung vom 22. August 2013 enthielt die Argumente der Beschwerdeführerin. Sie reichte außerdem unter anderem das Dokument
D21: Kunststoff-Tabelle
ein.
Mit einer weiteren Eingabe vom 3. Dezember 2013 beantragte die Beschwerdeführerin I die beschleunigte Prüfung der Beschwerde, da eine Verletzungsklage anhängig sei. Dazu reichte sie unter anderem die Dokumente
D22: Klageschrift vom 8. November 2013 und
K10: Gutachten, Prof. Dr.- Ing. Heinrich Planck 12. September 2013, 19 Seiten,
sowie ein als D24 bezeichnetes Muster eines Netzes ein.
VII. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin II) wurde mit Schreiben vom 10. Juni 2013 eingelegt. Die Beschwerdebegründung vom 26. August 2013 enthielt die Argumente der Beschwerdeführerin II sowie die neuen Hilfsanträge I bis VI.
Eine weitere Stellungnahme der Beschwerdeführerin II ging mit Schreiben vom 7. Januar 2014 ein.
Mit Schreiben vom 19. August 2014 reichte die Beschwerdeführerin II die neuen Hilfsanträge I bis VIII ein, die die bisherigen Hilfsanträge ersetzten.
VIII. Am 25. September 2014 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die Beschwerdeführerin II reichte einen neuen Hauptantrag sowie einen neuen Hilfsantrag ein, die die bisherigen Anträge ersetzten.
IX. Die unabhängigen Ansprüche gemäß Hauptantrag lauten:
"1. Staubsaugerfilterbeutel mit einem Materialverbund umfassend:
eine erste Lage aus einem Netz mit einer Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/(m**(2)s),
eine erste Faserlage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern, die mit einer Seite der ersten Lage verbunden ist,
wobei die erste Lage ein Flächengewicht von
5 bis 30 g/m**(2) und eine Dicke von 0,1 bis 1,5 mm aufweist,
wobei die erste Lage ein Netz mit einer Maschenweite von 2 mm bis 30 mm ist,
wobei der Materialverbund eine zweite Faserlage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern, die mit der ersten Lage an der der ersten Faserlage abgewandten Seite verbunden ist, umfasst,
wobei die erste und die zweite Faserlage jeweils eine Trockengelegte Vliesstofflage oder eine Extrusionsvliesstofflage sind,
wobei die erste Lage eine Höchstzugkraftdehnung in Maschinenrichtung und/oder in Querrichtung von
10 bis 70% aufweist."
"12. Verfahren zum Herstellen eines Materialverbunds für einen Staubsaugerfilterbeutel mit den Schritten:
Bereitstellen einer ersten Lage aus einem Netz mit einer Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/(m**(2)s),
Bereitstellen einer ersten Faserlage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern auf einer Seite der ersten Lage,
Verbinden der ersten Lage mit der ersten Faserlage,
wobei die erste Lage ein Flächengewicht von 5 bis 30 g/m**(2) und eine Dicke von 0,1 bis 1,5 mm aufweist,
wobei die erste Lage ein Netz mit einer Maschenweite von 2 mm bis 30 mm ist,
wobei die erste Faserlage in Form einer Vlieslage oder einer Vliesstofflage ausgebildet ist,
wobei die erste und die zweite Faserlage jeweils eine trockengelegte Vliesstofflage oder eine Extrusionsvliesstofflage sind,
weiterhin umfassend ein Bereitstellen einer zweiten Faserlage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern, die mit der ersten Lage an der der ersten Faserlage abgewandten Seite verbunden ist,
wobei die erste Lage eine Höchstzugkraftdehnung in Maschinenrichtung und/oder in Querrichtung von 10 bis 70% aufweist."
"21. Staubsaugerfilterbeutel umfassend eine Materiallage erhältlich durch ein Verfahren nach einem der Ansprüche 12 - 20."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11 und 13 bis 20 betreffen bevorzugte Ausgestaltungen des Staubsaugerfilterbeutels nach Anspruch 1 bzw. des Verfahrens nach Anspruch 12.
X. Die Beschwerdeführerin I argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Zur Ausführbarkeit:
Bei der Messung der Luftdurchlässigkeit spiele das Messverfahren eine wichtige Rolle. Das Streitpatent nenne für die Messung der Luftdurchlässigkeit die Norm DIN EN ISO 9237:1995:12, die der DIN 53887 entspreche. Das im Streitpatent angegebene Messgerät FXC3300 der Textest AG sei aber vom Hersteller nur bis zu einem Messbereich bis zu 10000 l/m**(2)s zugelassen, darüber könne die Genauigkeit nicht garantiert werden. Es gebe am Markt keine Messgeräte für Luftdurchlässigkeiten größer als 10000 l/m**(2)s und es existiere dafür auch keine Kalibrierung. Unter diesen Umständen habe die Rechtsprechung (beispielsweise T 464/05) regelmäßig befunden, dass die Erfindung für den Fachmann nicht ausführbar sei), da er nicht wisse, wann er im Schutzbereich der Ansprüche arbeite.
Zur Neuheit:
Gemäß D18 verstehe der Fachmann unter einem "Netz" ein "zweidimensionales textiles Gebilde mit regelmäßigen Öffnungen, wobei die Fläche der Durchbrechungen deutlich größer ist als die geschlossenen Fläche der Schenkel bzw. Verbindungsstellen."
Die Verbindungsstellen seien dabei mechanisch (Crimpen), textiltechnologisch oder chemisch (extrudierte Netze, gelegte und verklebte Fadenlagen) realisiert.
Im Streitpatent selbst sei ausgeführt, dass es sich bei dem Netz um ein extrudiertes Netz oder ein gewebtes Netz handeln könne. Ein gewebtes Netz finde im Ausführungsbeispiel Verwendung.
Aus D17 sei nun ein Staubsaugerfilterbeutel bekannt, der aus einem Materialverbund mit einer Trägerschicht in Form eines Netzes und einer Filterpapierschicht bestehe (siehe Figur 1). Die Trägerschicht könne als Flachgarngewebe, Filamentgarngewebe, Kett-Schussfaden-Vliesstoff-Laminat oder Gaze ausgeführt sein. Die Maschenweite könne im Bereich von 3 bis 35 mm liegen, was nahezu identisch mit den entsprechenden Angaben im Streitpatent sei. Die Filterschicht könne aus einer Mischung von 29 Gew.-% Polypropylen-Kurzfasern und Manilahanfpulpe und Nadelholzpulpe bestehen, also aus einer Mischung von Chemie-und Naturfasern.
Zwar mache D17 keine Angaben zur Luftdurchlässigkeit, jedoch besäßen Netze mit einer vergleichbar großen Machenweite von bis zu 35 mm und mit Flächengewichten von 5 bis 30 g/m**(2) regelmäßig eine Luftdurchlässigkeit von deutlich über 10000 l/m**(2)s. Daher sei der Rückschluss erlaubt, dass bei der D17 das Netz eine Luftdurchlässigkeit von größer als 10.000 l/m**(2)s aufweise.
Auch die Merkmale der Dicke des Netzes von 0,1 bis 1 mm und seines Flächengewichts von 5 bis 30 g/m**(2) seien durch D17 vorweggenommen.
Daher sei der beanspruchte Gegenstand nicht neu im Hinblick auf D17.
D6 offenbare einen Staubsaugerfilterbeutel mit einem "netting" oder "scrim" als Stützschicht. Die Einspruchsabteilung habe die Neuheit gegenüber D6 damit begründet, dass in dem Dokument als Messmethode für die Luftdurchlässigkeit die DIN 53887 angegeben sei. Da diese aber die Vorgängerversion identischen Inhalts für die DIN EN ISO 9237 sei, könne auch die in Anspruch 4 angegebene Luftdurchlässigkeit von 500 bis 12000 l/m**(2)s für die Beurteilung der Neuheit herangezogen werden.
D1 offenbare ein Filtermaterial für einen Staubsaugerbeutel, das mehrere Schichten aufweise. Dabei könne ein Vorfilter aus beispielweise einem Gittergelege vorgesehen sein. Für die Luftdurchlässigkeit sei mehr als 1000 l/m**(2)s angegeben, also ein nach oben offener Bereich, der auch 10000 l/m**(2)s umfasse. Da es sich bei Gittergelegen mit hoher Luftdurchlässigkeit um Netze handele, nehme auch D1 den erteilten Anspruch neuheitsschädlich vorweg.
Erfinderische Tätigkeit:
Mindestens sei aber der erteilte und der aufrechterhaltene Anspruch 1 nicht erfinderisch. Ausgehend von D17 müsse der Fachmann lediglich ein Material wählen, das entsprechend den Hinweisen in D17 eine hohe Reißfestigkeit besitzen müsse; ferner solle die Trägerschicht die filternde Papierschicht stützen und eine hohe Zugfestigkeit besitzen.
Der Fachmann würde daher auf gängige Kunststoffmaterialien zurückgreifen. Er wisse aus D17, dass eine Maschenweite von unter 3 mm die Luftdurchlässigkeit verschlechtere, während bei einer Maschenweite von mehr als 35 mm die Feuchtzugfestigkeit unzureichend sei. Unter Berücksichtigung herkömmlicher Zugfestigkeiten von Kunststoffmaterialien gelange der Fachmann quasi automatisch zu Netzdicken im beanspruchten Bereich. Derartige Netze seien handelsüblich und z.B. aus D7 bekannt.
XI. Die Beschwerdeführerin II argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Zur Ausführbarkeit:
Wie sich aus D14 ersehen lasse, könne mit dem genannten Messgerät der Fa. TEXTEST problemlos festgestellt werden, ob die Luftdurchlässigkeit eines gegebene Netzes wenigstens 10000 l/m**(2)s betrage. Außerdem könne der Fachmann gemäß der im Patent angegebenen Norm DIN EN ISO 9237:1995-1 vorgehen.
Zur Neuheit:
D17 offenbare einen Wegwerf-Papierfilterbeutel mit einer Maschen-Trägerschicht und einer Filterpapierschicht. D17 offenbare kein Netz als Trägermaterial, sondern ein Flachgarngewebe. Es offenbare auch weder explizit noch implizit eine Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/m**(2)s.
D6 betreffe einen Staubfilterbeutel mit einer groben Filterlage in Form einer "Hochkapazitätslage". In Figur 8C werde eine Struktur gezeigt, die mit dem Bezugszeichen 47 ein "netting scrim" bzw. "scrim" aufweist. Dabei handele es sich, ebenso wie bei der an anderer Stelle mit "netting" bezeichneten Lage, um ein offenes Papier oder Vlies, also einer Wirrfaserstruktur. Außerdem sei die Luftdurchlässigkeit des Netzes mit den anspruchsgemäßen Werten nicht vergleichbar, da ein anderes Messverfahren verwendet werde.
D1 offenbare kein Netz, sondern ein Gelege aus Filamenten. Die beanspruchte Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/m**(2)s sei nicht offenbart, ebenso wenig wie in D4.
Erfinderische Tätigkeit:
Ausgehend von D6, insbesondere Figur 8C, habe die Aufgabe darin bestanden, einen Staubsaugerfilterbeutel bereitzustellen, der eine hohe mechanische Stabilität aufweise, ohne gleichzeitig eine hohe, die Standzeit verringernde Verstopfungsneigung zu haben.
Der Fachmann habe keine Veranlassung gehabt, die Lehre der D6 derart abzuändern, dass der Anspruchsgegenstand erhalten werde, da keines der zitierten Dokumente ein Netz, geschweige denn eines mit der entsprechenden Luftdurchlässigkeit zeige. In anderen Dokumenten dienten die entsprechenden Lagen als Prallschutz oder zur Neutralisierung scharfkantiger Gegenstände (D1, D4) oder zur Verbesserung der Reißfestigkeit im nassen Zustand (D17). Dies alles spiele bei dem in Figur 8C der D6 gezeigten Filteraufbau keine Rolle.
XII. Anträge:
Die Beschwerdeführerin I beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen.
Die Beschwerdeführerin II beantragte, die gegnerische Beschwerde zurückzuweisen und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche gemäß Hauptantrag oder Hilfsantrag, beide eingereicht in der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit von Anträgen
1.1 Die Beschwerdeführerin II zog zu Beginn der mündlichen Verhandlung alle anhängigen Anträge (Hauptantrag und Hilfsanträge I bis VIII) zurück und reichte sowohl einen neuen Hauptantrag als auch einen neuen Hilfsantrag ein.
1.2 Der Hilfsantrag blieb im Ergebnis unberücksichtigt. Es erübrigt sich daher, zu seiner Zulässigkeit Stellung zu nehmen.
1.3 Anspruch 1 des neu eingereichten Hauptantrags basiert auf dem Anspruch 1 des Hilfsantrags II, eingereicht mit Schreiben vom 19. August 2014, und weiteren Merkmalen, die allesamt aus abhängigen Ansprüchen des erteilten Patents stammen (siehe Punkt 2) und die teilweise auch aus den zurückgezogenen Hilfsanträgen III bis VIII bekannt waren. Für den Verfahrensanspruch 12 gilt Analoges.
Mit diesen Änderungen versuchte die Beschwerdeführerin II den Ergebnissen in der Sache T 1233/13, die am Vortag (24. September 2014) vor derselben Kammer mit denselben Beteiligten verhandelt wurde, Rechnung zu tragen. Es ist unbestreitbar, dass dies der Verfahrensökonomie erheblich zu Gute kam.
1.4 Die Kammer gab der Beschwerdeführerin I während der mündlichen Verhandlung Gelegenheit, in einer entsprechend bemessenen Verhandlungspause den neuen Hauptantrag zu analysieren. Die Beschwerdeführerin I konnte danach zur Sache vortragen.
1.5 Die Kammer ist daher überzeugt, dass die Beschwerdeführerin I nicht überrascht oder benachteiligt war und die Bedingungen des Artikels 113(1) EPÜ erfüllt sind. Die Kammer übte daher ihr Ermessen gemäß Artikel 13(1) und (3) VOBK dahingehend aus, den neuen Hauptantrag zuzulassen.
2. Änderungen (Artikel 123(2), (3) EPÜ)
Der neue Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht auf Merkmalen, die den Patentansprüchen 1, 3, 5, 6, 8 und 12 in der ursprünglich eingereichten Fassung entnommen sind.
Der neue Patentanspruch 12 beruht auf den entsprechenden Merkmalen der Ansprüche 16, 22, 23, 25, sowie der Beschreibung, Seite 3, vorletzter Absatz, bis Seite 4, zweiter Absatz, in der ursprünglich eingereichten Fassung.
Der von den neuen Ansprüchen umfasste Schutzbereich geht nicht über denjenigen der erteilten Ansprüche hinaus.
Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ sind somit erfüllt.
3. Ausführbarkeit der Erfindung (Artikel 83 EPÜ)
3.1 Der Einwand der Beschwerdeführerin I betrifft die Messung der Luftdurchlässigkeit. Das Streitpatent zitiere die Norm DIN EN ISO 9237:1995:12 (entsprechend DIN 53887) und erwähne das Messgerät FXC3300 der Textest AG. Dieses Gerät sei aber vom Hersteller nur bis zu einem Messbereich bis zu 10000 l/m**(2)s zugelassen, darüber könne die Genauigkeit nicht garantiert werden (siehe D14, D15). Es gebe am Markt, so die Beschwerdeführerin I, keine Messgeräte für Luftdurchlässigkeiten von größer als 10000 l/m**(2)s und es existiere dafür auch keine Kalibrierung. Unter solchen Umständen habe die Rechtsprechung regelmäßig befunden, dass die Erfindung für den Fachmann nicht ausführbar sei, da er nicht wisse, wann er im Schutzbereich der Ansprüche arbeite.
3.2 Die Kammer kann diesen Einwand aus folgenden Gründen nicht gelten lassen.
Das im Streitpatent vorgeschlagene Prüfgerät FX 3300 stellt lediglich eine der Möglichkeiten dar, die Luftdurchlässigkeit gemäß DIN EN ISO 9237:1995:12 zu bestimmen. Bei diesem Gerät ist unstrittig, dass Luftdurchlässigkeiten von größer als 10000 l/m**(2).s prinzipiell messbar sind. Allerdings garantiert der Hersteller dann nicht die für niedrigere Luftdurchlässigkeiten angegebene Genauigkeit von ± 3% (siehe D14; sowie D15, Seite 4, Abschnitt D). Dies besagt aber nicht, dass nicht reproduzierbare Messungen mit immer noch akzeptabler Ungenauigkeit möglich wären. Aus Anlage K10 zu D22 geht hervor, dass der Sachverständige die Luftdurchlässigkeiten von extrudierten Netzen, die Bestandteile von Filterbeuteln der Marke Swirl UNI10Net, Swirl UNI20Net und Swirl UNI30Net sind, mit den von Maschenweite 8,75 x 13,05 mm, 7,86 x 13,05 bzw. 9 x 12,4 mm zu jeweils 14600 l/m**(2)s offenbar ohne Schwierigkeiten bestimmen konnte. Diese Tatsache steht im Widerspruch zur Behauptung der Beschwerdeführerin I, dass weder Messgeräte noch Kalibrierung für Luftdurchlässigkeiten von größer als 10000 l/m**(2)s verfügbar wären.
Die Kammer schließt sich im Übrigen den Argumenten der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung, Punkt 3.2 (Würdigung der D4) und 3.3 (Beweise für nicht reproduzierbare Ergebnisse) an.
Die Kammer kommt zum Schluss, dass das Streitpatent den Bestimmungen von Artikel 83 EPÜ genügt.
4. Neuheit (Hauptantrag)
4.1 D17 (D17a) offenbart einen Einweg-Staubsaugerfilterbeutel, der aus einem Materialverbund von einer Maschenträgerschicht und einer Filterpapierschicht besteht (siehe Figur 1). Die Maschenträgerschicht kann als Flachgarngewebe, Filamentgarngewebe, Kett-Schussfaden-Vliesstoff-Laminat oder Gaze ausgeführt sein. Die Maschenweite liegt im Bereich von 3 mm bis 35 mm (zum Vergleich: Streitpatent, Anspruch 1: 2 mm bis 30 mm). Im Beispiel (D17a, Abschnitt [0012], Ausführungsform 1) wird eine Filterschicht aus einer Mischung von 29% Polypropylen-Kurzfasern und Manilahanfpulpe und Nadelholzpulpe, also einer Mischung von Chemie-und Naturfasern, mit einer Maschenträgerschicht aus einem Flachgarngewebe (Gittermaschenweite 10 mm, Fadendicke 300 Denier) durch Heißkalandrieren verbunden. Die Eigenschaften des erhaltenen Filtermediums sind in Tabelle 1 (Abschnitt [0015]) zusammenfassend dargestellt.
Explizite Angaben zur Luftdurchlässigkeit der Maschenträgerschicht fehlen in D17. Netze bzw. Gitter mit einer derartig großen Maschenweite (D17: 3 bis 30 mm) und mit Flächengewichten von 5 bis 30 g/m**(2) weisen jedoch nach Ansicht der Kammer zwangsläufig eine hohe Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/m**(2)s auf. Beispielsweise besitzt das laut Streitpatent, Abschnitt [0058], bevorzugt verwendete Netz R03650 der Firma Conwed bei einer relativ kleinen Maschenweite von 4,2 x 4,2 mm, einer Dicke von 0,3 mm und einem Flächengewicht von 10,54 g/m**(2) bereits eine Luftdurchlässigkeit von größer als 15000 l/m**(2)s. Das in D17 konkret verwendete Netz mit einer Maschenweite von 10 x 10 mm weist eine wesentlich größere Durchbrechungsfläche auf als das Conwed R03650 Netz.
An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts aufgrund des Umstands, dass das Netz in D17 aus nicht im Querschnitt kreisförmigen Flachgarnen gefertigt ist. Zwar hat die Stegbreite der Filamente einen Einfluss auf die Luftdurchlässigkeit, dieser ist jedoch bei im Verhältnis zur Stegbreite großen Maschenweiten vernachlässigbar. Die in D17 verwendeten Flachgarnfilamente weisen ein Fadengewicht von 300 Denier auf, sind also dünn im Verhältnis zur Maschenweite von 10 mm. Um eine ähnlich geringe relative Durchbrechungsfläche wie das Conwed R03650 Netz (Maschenweite 4,2 x 4,2 mm) zu haben, müsste man unterstellen, dass das Netz in D17 aus Flachfilamenten mit einer Breite von ca. 6 mm gefertigt sei. Selbst dann noch wäre die Luftdurchlässigkeit ähnlich der des Conwed R03650 Netzes, also größer als 10000 l/m**(2)s. Aus alledem folgt, dass dieses Anspruchsmerkmal in D17 implizit offenbart ist.
Die Beschwerdeführerin II wandte ein, dass D17 als Trägermaterial kein Netz, sondern ein Flachgarngewebe offenbare. Sie argumentierte damit implizit, dass ein solches Material vom Anspruchsgegenstand gar nicht umfasst wäre.
Die Kammer kann diesem Argument nicht folgen. Gemäß D18 versteht der Fachmann unter einem "Netz" ein "zweidimensionales textiles Gebilde mit regelmäßigen Öffnungen, wobei die Fläche der Durchbrechungen deutlich größer ist als die geschlossenen Fläche der Schenkel bzw. Verbindungsstellen." Die Verbindungsstellen können dabei mechanisch (Crimpen), textiltechnologisch (Gewebe, Gewirke etc.) oder chemisch (extrudierte Netze, gelegte und verklebte Fadenlagen ("laid scrims") realisiert sein (siehe Seite 3, Ziffer 1, des Gutachtens D18.
Gemäß Streitpatent (siehe Abschnitt [0059]) kann es sich bei dem erfindungsgemäß als erste Lage verwendeten Material um ein extrudiertes Netz oder ein gewebtes Netz handeln. Da das in D17 verwendete Maschenträgermaterial unzweifelhaft ein Flachgarngewebe ist, es zudem die Definition eines Netzes gemäß D18 erfüllt und gewebte Netze auch gemäß Streitpatent verwendet werden können, ist insofern also kein Unterschied zum Streitpatent gegeben.
Gemäß einem weiteren Merkmal des Anspruchs 1 soll die erste Faserlage als Vlieslage oder als Vliesstofflage ausgebildet sein. Dieses ist jedoch auch aus D17 bekannt, aus den folgenden Gründen. Dort besteht nämlich die erste Faserlage aus einem "Papier", das im Ausführungsbeispiel näher beschrieben wird als "poröses Papier" aus 29% Polypropylen-Kurzfasern, Manilahanfpulpe und Nadelbaumholzpulpe, mit einem Flächengewicht von 57 g/m**(2),**()also ein Produkt aus (nass oder trocken) gelegten Wirrfasern. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin I handelt es sich dabei de facto um einen Vliesstoff. Die Kammer kann sich dem anschließen.
Für das Flächengewicht des Netzes (Maschenträgerschicht aus Kunststoff) ist in D17 der Bereich von 5 bis 30 g/m**(2) offenbart, der völlig mit dem nunmehr beanspruchten Bereich übereinstimmt (siehe D17a, Seite 4, Abschnitt [0008]).
Die anspruchsgemäße Dicke des Netzes von 0,1 bis 1,5 mm geht aus D17 ebenfalls, und zwar implizit, hervor. Gemäß der dort beschriebenen Ausführungsform besteht die Maschenträgerschicht aus einem Flachgarngewebe aus einem Kunststoff (Melflex)-Faden von 300 Denier (entspricht ca. 0,033 g/m). Unter Annahme der für Kunststoffe üblichen Dichten und eines Flächengewichts von 20 g/m**(2) hat die Beschwerdeführerin I zur Überzeugung der Kammer vorgetragen, dass die Dicke eines solchen Filaments von 300 Denier bei ca. 0,3 mm liegt, die Dicke des Netzes an den Kreuzungspunkten daher maximal ca. 0,6 mm betragen kann.
Allerdings offenbart D17 aber weder explizit noch implizit das Merkmal, dass die erste Lage eine Höchstzugkraftdehnung in Maschinenrichtung und/oder in Querrichtung von 10 bis 70% aufweisen und der Materialverbund eine zweite Faserlage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern, die mit der ersten Lage an der ersten Faserlage abgewandten Seite verbunden ist, umfassen solle.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist also neu im Hinblick auf D17. Für den Produktanspruch 21 und den Verfahrensanspruch 12 gilt Entsprechendes.
4.2 Die Kammer hat sich vergewissert, dass die Neuheit der beanspruchten Gegenstände gegenüber den verbleibenden Dokumenten gegeben ist.
4.3 Die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ sind damit erfüllt.
5. Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag)
5.1 Das Streitpatent befasst sich mit Staubsaugerfilterbeuteln aus einem Materialverbund von einem Netz hoher Luftdurchlässigkeit und mindestens zwei Faserlagen aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern. Der Materialverbund zeichnet sich dabei durch eine hohe mechanische Stabilität und gute Gebrauchseigenschaften aus.
5.2 Als nächster Stand der Technik wurde von der Beschwerdeführerin I das Dokument D17 bzw. D17a (siehe 4.1) herangezogen. Die Kammer kann sich dem anschließen.
5.3 Laut Streitpatent (vgl. Abschnitte [0006], [0009], [0015] und [0070]) bestand die Aufgabe darin, einen Staubsaugerbeutel bereitzustellen, der eine gute Luftdurchlässigkeit und eine hohe mechanische Stabilität aufweist, ohne dabei die Entfaltung des Beutels im Betrieb zu behindern. Zudem solle der Staubsaugerbeutel sich nicht im Staubsaugergehäuse verhaken.
5.4 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent einen Staubsaugerbeutel umfassend einen Materialverbund gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags vor, dadurch gekennzeichnet, dass der Materialverbund eine zweite Faserlage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern, die mit der ersten Lage an der der ersten Faserlage abgewandten Seite verbunden ist, umfasst,
dass die erste und die zweite Faserlage jeweils eine trockengelegte Vliesstofflage oder eine Extrusionsvliesstofflage sind, und dass die erste Lage eine Höchstzugkraftdehnung in Maschinenrichtung und/oder in Querrichtung von 10 bis 70% aufweist.
5.5 Was den Erfolg der Lösung angeht, so wird die mechanische Stabilität durch den Materialverbund von Filterlagen aus Vliesstoff und einem damit verbundenem hoch luftdurchlässigen Netz mit der beanspruchten Höchstzugkraftdehnung und der anspruchsgemäßen Dicke der Lage bzw. deren Flächengewicht gewährleistet, wobei aber das Netz die Luftdurchlässigkeit und die leichte Entfaltbarkeit nicht beeinträchtigt. Die Gefahr eines Verhakens des Netzes beim Einlegen des Staubsaugerbeutels ins Gehäuse wird vermindert durch die Anwesenheit einer zweiten Vliesstofflage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern, die mit der ersten Lage an der der ersten Faserlage abgewandten Seite verbunden ist, so dass das Netz nicht die äußerste Lage bildet. Vgl. dazu Figur 1 und Beschreibung, Abschnitt [0070] (mit der Anmerkung, dass der Ausdruck "innerste" in Zeile 23 offensichtlich falsch ist und "äußerste" lauten sollte).
Für die Kammer ist die gestellte Aufgabe somit erfolgreich gelöst; eine Umformulierung der Aufgabe, auch im Lichte der D17, erübrigt sich.
5.6 Es bleibt zu entscheiden, ob die beanspruchte Lösung im Hinblick auf den Stand der Technik nahelag.
5.6.1 Die Beschwerdeführerin II argumentierte hinsichtlich des nunmehr beanspruchten, eingeschränkten Gegenstands, dass D17 keinen Hinweis auf die Problematik des Verhakens des Netzes gebe, weil durch den Vorgang des Heißlaminierens die Maschenträgerschicht in das poröse Filterpapier hineingedrückt werde. D17 könne folglich auch nicht dazu anregen, durch eine weitere Vliesstofflage Abhilfe zu schaffen.
Der beanspruchte Bereich der Höchstzugkraftdehnung in Maschinenrichtung und/oder in Querrichtung von 10 bis 70% sei nicht breit und die Werte vergleichsweise im niedrigen Bereich. Es gebe thermoplastische Kunststoffe mit einer Höchstzugkraftdehnung von 200 bis 300%. Durch die relativ geringe Höchstzugkraftdehnung werde sichergestellt, dass die auf den Beutel wirkenden Kräfte vom Materialverbund aufgenommen und weitere Filtrationslagen nicht zu sehr belastet würden (vgl. Streitpatent, Abschnitt [0015]).
Die in D17 (Abschnitt [0009]) erwähnte Zugfestigkeit der für das Netz verwendeten Garne im feuchten Zustand von mindestens 2 kgf (ca. 20 N) sei nicht mit der anspruchsgemäßen Höchstzugkraftdehnung in % zu verwechseln. Diese werde laut Streitpatent (Abschnitt [0057]) nach DIN EN 29073-3:1992-08 bestimmt. Bei den erfindungsgemäß verwendeten trockengelegten oder extrudierten Vliessstoffen trete das Problem der Naßreißfestigkeit nicht auf.
5.6.2 Die Kammer schließt sich den vorgenannten Argumenten an.
Die Beschwerdeführerin I konnte nicht zeigen, dass übliche, zur Verstärkung von Vliesstofflagen verwendete Kunststoffnetze eine Höchstzugkraftdehnung in Maschinenrichtung und/oder in Querrichtung von 10 bis 70% aufweisen.
Die aus D21 (Spalte 5) bekannten Werte für die Bruchdehnung einiger Kunststoffe nach DIN 53455 haben nichts mit der Höchstzugkraftdehnung zu tun.
5.6.3 Die Beschwerdeführerin I wies auf Dokument D10 hin, welches ein Komposit-Filtermedium für Luftfilter für Innenraumfilter für Automobile und zur Verbesserung der Luftqualität von Wohnräumen offenbart. Bevorzugt handelt es sich dabei um ein gefaltetes Filter (siehe Seite 1), bei dem das Filtermedium aus einer Lage eines triboelektrisch geladenen Mischfasermaterials, aus einer Lage Meltblown (MB) Mikrofasern, 12 g/m**(2) Spunbond (SB) und einem 0,84 mm (0,033 inch) starken Kunststoff - Netting besteht. Figur 1 offenbart ein Filtermedium mit einer Sandwichstruktur aus SB/MB 102 // netting 104 // Mischfaser 106.
Laut Beschwerdeführerin I habe es im Trend der Zeit gelegen, anstelle der in D17 verwendeten Filterpapiere nunmehr auch trockengelegte Vliesstoffe einzusetzen. D6 und D10 zeigten dies beispielhaft.
Das "netting" dient laut D10 dazu, dem Filtermedium eine gewisse Steifheit zu verleihen, um es in gefaltetem Zustand stabil zu machen (siehe Seite 12, Zeilen 10 bis 14; Seite 13, Zeilen 15 bis 17; Seite 14, erster Absatz). Gemäß Seite 7, Zeilen 22 bis 31, weist es 19 bis 20 Filamente pro inch (7 bis 8 Filamente pro cm) in jeder Richtung auf, ist also im Vergleich mit den erfindungsgemäß verwendeten Netzen dicht gewebt und hat eine dementsprechend geringe Luftdurchlässigkeit.
Da es sich bei dem in D10 offenbarten Filtermedium nicht um einen Staubsaugerfilterbeutel handelt, das Netz eine vergleichsweise geringe Luftdurchlässigkeit hat und vorwiegend der Faltbarkeit des Filters dient, würde der Fachmann daraus keine konkrete Anregung gewinnen, wie die unter Punkt 5.3 gestellte Aufgabe zu lösen wäre.
Aus D6 schließlich ist ein mehrlagiger Filteraufbau bekannt, der ein oder mehrere Lagen aus einem Material mit hoher Luftdurchlässigkeit von 500 bis 12000 l/m**(2)s aufweisen kann. Bevorzugt wird ein trockengelegtes "fluff-pulp" Papier aus natürlichen und anderen (z.B. Polypropylen) Fasern und einer Luftdurchlässigkeit von 500 bis 8000 l/m**(2)s (siehe Abschnitte [0028] bis [0031] und Anspruch 1), in Verbindung mit einem "netting scrim" (Bezugszeichen 47 in Figur 8C). Allerdings macht D6 keine Angaben über die Funktion des "nettings" 47, insbesondere ob es Stützfunktion besitzen solle.
Dokument D4 offenbart eine Staubsaugerfilterbeutel mit einer aus einem Polymer bestehenden gelochten Innenlage (1) in Form einer perforierten Folie oder eines Netzes, einer Mittellage (2) aus einer Vliesschicht aus Airlaid-Material, und einer Außenlage (3) aus einer Vliesschicht aus MB (siehe Zusammenfassung, Figur, Anspruch 1). Die Perforationen der Innenlage (1) haben beispielsweise einen Durchmesser von nur 100 mym, also eine vergleichsweise niedrige Luftdurchlässigkeit. Im Gegensatz zum Streitpatent bildet diese Lage die erste anströmseitige Lage. Der Fachmann kann aus diesem Dokument keine Hinweise auf die Verwendung eines Netzes mit der anspruchsgemäßen Luftdurchlässigkeit, Maschenweite, Dicke und Höchstzugkraftdehnung gewinnen.
5.6.4 Die Kammer kommt daher zum Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
5.6.5 Der Verfahrensanspruch 12 weist alle Merkmale des Staubsaugerfilterbeutels gemäß Anspruch 1 auf. Anspruch 21 ist auf Anspruch 12 rückbezogen. Diese Ansprüche und die davon abhängigen Ansprüche genügen daher ebenfalls dem Erfordernis des Artikels 56 EPÜ.
5.7 Da der Hauptantrag gewährbar ist, braucht der Hilfsantrag nicht näher untersucht zu werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche gemäß Hauptantrag, eingereicht während der mündlichen Verhandlung, und einer anzupassenden Beschreibung nebst Figuren aufrecht zu erhalten.