T 1195/13 () of 5.6.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T119513.20180605
Datum der Entscheidung: 05 Juni 2018
Aktenzeichen: T 1195/13
Anmeldenummer: 05743233.8
IPC-Klasse: A61B 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VORRICHTUNG ZUR ERFASSUNG DER SCHWERE EINER ERKRANKUNG
Name des Anmelders: Löwenstein Medical Technology S.A.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Antrag eindeutig gewährbar (ja) - zugelassen (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Anmelderin hat gegen die am 3. Januar 2013 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung N. 05 743 233.8 wegen mangelnder Neuheit bzw. mangelnder Klarheit zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.

II. Die Beschwerdeschrift ist am 19. Februar 2013 eingegangen. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag bezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde am 3. Mai 2013 empfangen.

III. Nach einer Mitteilung der Kammer gemäß Regel 100(2) EPÜ vom 23. Januar 2018, in der Klarheitseinwände erhoben wurden, hat die Beschwerdeführerin überarbeitete Anmeldungsunterlagen eingereicht.

IV. Sie hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Anspruchs 1, eingereicht am 16. März 2018, und der angepassten Beschreibung eingereicht am 28. März 2018, zu erteilen.

V. In dieser Entscheidung werden folgende Dokumente erwähnt:

D1: WO-A-02/065901;

D2: US-A-2002/0173707.

VI. Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Vorrichtung zur Erfassung der Schwere von Schlafatemstörungen, bei der lediglich ein Sensor (1) zur nicht invasiven Messung mindestens eines von der autonomen Regulation des kardiovaskulären Systems eines Lebewesens abhängigen Signals verwendet ist, wobei der Sensor (1) an eine Auswertungseinheit (2) angeschlossen ist, wobei die Auswertungseinheit (2) eine Kalkulationseinheit (4) zur Umrechnung des Signals in einen Zustandsparameter aufweist und die Auswertungseinheit (2) einen Indexermittler (6) zur Ermittlung mindestens einer kumulativen Systemeigenschaft aufweist und eine Vergleichseinrichtung (8) zur Analyse des Index unter Berücksichtigung weiterer Parameter des Lebewesens an eine Ausgabeeinrichtung (9) für eine ermittelte Schwere der Schlafatemstörung angeschlossen ist, wobei der Sensor (1) zur Anwendung im Bereich eines Fingers (10) eines Patienten (11) anordbar ist und zur optischen Erfassung der Dichte des Fingers (10) verwendet ist und wobei die Vorrichtung geeignet ist, die Amplitude des Dichteverlaufes in Abhängigkeit von der Zeit zu erfassen und wobei die Kalkulationseinheit (4) geeignet ist, den Amplitudenverlauf einer Sauerstoffsättigung des Blutes zu bestimmen und wobei der Indexermittler (6) geeignet ist, die Anzahl der Amplitudeneinbrüche je Stunde sowie die Zeit, in der die betreffenden Amplitudenwerte oberhalb eines vorgegebenen Grenzwertes liegen, zu bestimmen, sodass ein erster Index sowie ein zweiter Index ermittelt werden, wobei die Vergleichseinrichtung (8) geeignet ist, unter Berücksichtigung des ersten Index und des zweiten Index sowie unter Berücksichtigung weiterer bekannter Parameter des Patienten (11), nämlich Gewicht und Alter, den Schweregrad der Schlafatemstörung zu ermitteln."

VII. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Dokument D1 offenbare keine Verwendung eines Fingersensors, sondern eines Stirnsensors. Es vermittle dem Fachmann darüber hinaus eine technische Lehre - speziell auf Seite 21, Zeile 15 bis Seite 22,

Zeile 6 -, die von der Verwendung lediglich eines Fingersensors abrate. Die Merkmalskombination des beanspruchten Gegenstandes sei somit neu und erfinderisch.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Erfindung

Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur Erfassung der Schwere von Schlafatemstörungen, wie zum Beispiel Schlafapnoe. Die Vorrichtung umfasst lediglich einen Sensor, der im Bereich eines Fingers eines Patienten zur optischen Erfassung der Dichte - die optische Dichte - des Fingers anzuordnen ist. Der Sensor ist an einer Auswertungseinheit angeschlossen. Die Auswertungseinheit umfasst eine Kalkulationseinheit und einen Indexermittler. Vom Dichteverlauf in Abhängigkeit von der Zeit bestimmt die Kalkulationseinheit den Amplitudenverlauf einer Sauerstoffsättigung des Blutes des Patienten, und der Indexermittler bestimmt die Anzahl der Amplitudeneinbrüche je Stunde sowie die Zeit in der die Amplitudenwerte oberhalb eines vorgegebenen Grenzwertes liegen, sodass ein erster und ein zweiter Index ermittelt werden. Diese zwei Indexe werden zusammen mit dem Gewicht und dem Alter des Patienten von einer Vergleichseinrichtung berücksichtigt um den Schweregrad der Schlafatemstörung zu ermitteln.

Nach der Erfindung wird der Schweregrad der Schlafatemstörung mit den zwei bestimmten Indexen, dem Patientengewicht und dem Patientenalter korreliert. Die Korrelation ermöglicht die Ermittlung des Schweregrades der Schlafatemstörung für einen bestimmten individuellen Patienten, so dass es sich ableiten lässt, welche Therapieform und Therapiedosierung für den individuellen Patienten geeignet sein könnten (Seite 2, vierter Absatz; Seite 3, zweiter Absatz und Seite 12, vierter Absatz der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht).

3. Zulässigkeit des vorliegenden Antrages

Abgesehen von einigen Klarstellungen basiert der Anspruch 1 des vorliegenden Antrages auf dem Hilfsantrag 1B, der in der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung eingereicht und dann durch den Hilfsantrag 1C ersetzt wurde. Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin diesen Hilfsantrag 1B als Hauptantrag wieder gestellt und, in Übereinstimmung mit Artikel 12(2) VOBK, die Gründe angegeben, warum auf seiner Basis die angefochtene Entscheidung aufzuheben sei.

Gemäß Artikel 12(4) VOBK werden Anträge der Beschwerdeführerin, die mit der Beschwerdebegründung gestellt sind und die Erfordernisse des Artikels 12(2) VOBK erfüllen, von der Kammer berücksichtigt. Es ist allerdings nicht annehmbar, dass eine Partei den Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens aus taktischen Überlegungen nach Belieben ändert um dabei Entscheidungen in der Sache zu vermeiden. Aus diesem Grund behält die Kammer nach Artikel 12(4) VOBK die Befugnis, Anträge nicht zuzulassen, die im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.

Die Zulassung im Beschwerdeverfahren eines im erstinstanzlichen Verfahren gestellten und dann zurückgenommenen Antrages steht somit, in Anbetracht des Artikel 12(4) VOBK, im Ermessen der Kammer.

Im vorliegenden Fall gehört der zurückgenommene Antrag zu einer Reihe von Anträgen, die nicht zurückgenommen wurden und einen ähnlichen technischen Gegenstand aufweisen. Nichts spricht dafür, dass der Rücknahme des Hilfsantrages 1B in der ersten Instanz taktische Überlegungen zugrunde liegen. Die Kammer ist außerdem aus den in den folgenden Absätzen erklärten Gründen der Meinung, dass auf Basis des vorliegenden Antrages ein Patent erteilt werden kann.

Die Kammer sieht somit keine Gründe, aus denen der vorliegende Antrag nicht ins Verfahren zugelassen werden sollte.

4. Basis in der ursprünglich eingereichten Anmeldung

Der Anspruch des vorliegenden Antrages basiert auf dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 sowie auf dem Ausführungsbeispiel, das anhand der Figur 2 in der ursprünglichen Anmeldung erläutert ist. Insbesondere findet sich eine Basis für lediglich einen Sensor auf Seite 10, sechstem Absatz; für die Erfassung der Schwere von Schlafatemstörungen auf Seite 13, zweitem Absatz; und für den kennzeichnenden Teil des Anspruchs auf Seite 11, zweitem Absatz bis Seite 12, zweitem Absatz zusammen mit Seite 9, drittem bis viertem Absatz für die spezifischen Patientenparameter Gewicht und Alter. Die Kammer gelangt somit zum Schluss, dass die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt sind.

5. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

D1 offenbart eine Vorrichtung zur Risikoevaluierung von Schlafatemstörungen, die ein Überwachungssystem mit einem Pulsoxymetrie-Sensor aufweist. Die Risikoevaluierung berücksichtigt Patientenparameter die von den Messungen des Sensors stammen, sowie andere schon bekannte Patientenparameter, wie Alter und BMI (Seite 44, Zeilen 1 bis 7). Die Kammer ist der Meinung, dass D1 der nächstliegende Stand der Technik ist.

Der Pulsoxymetrie-Sensor ist vorzugsweise als Stirnsensor ausgestaltet (Seite 18, Zeilen 8 bis 21). D1 offenbart aber keine Vorrichtung, die einen Sensor aufweist, der im Bereich eines Fingers angeordnet werden kann. Schon aus diesem Grund ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber D1.

Es ist für die Erfindung von D1 wichtig, dass abnormale Atmungsereignisse genau identifiziert werden (Seite 35, Zeilen 12 bis 13). Eine festgestellte Sauerstoffsentsättigung des Patientenblutes soll mit einer großen Genauigkeit quantifiziert werden (Seiten 37 und 38). Dafür ist es gemäß D1 wichtig, dass der Sensor im Bereich der Stirn - oder zumindest an einem Ort mit großer Hautfläche (Seite 18, Zeilen 8 bis 11) - und nicht am Finger des Patienten angeordnet ist (Seite 21, Spalte 15 bis Seite 22, Spalte 6). Auf Seite 21, Zeile 22 bis Seite 22, Zeile 6 ist zu lesen:

"The inventors conducted a comparison study of finger vs. forehead sensor placement using identical pulse-oximetry equipment and have found a consistent delay in the recognition of the onset and recovery of a desaturation event by an average of five seconds per event. A reduction in the time delay in recognizing the onset of a desaturation event improves the detection of respiratory events because it increases the correlation in the time domain between the oximetry values and the other signals used to recognize respiratory events."

("Die Erfinder führten eine Vergleichsstudie zur Sensorplatzierung am Finger im Vergleich zur Stirn unter Verwendung identischer Pulsoxymetrieausstattung durch und fanden eine konsistente Verzögerung bei der Erkennung des Beginns und Abklingens eines Entsättigungsereignisses von durchschnittlich fünf Sekunden je Ereignis. Eine Verringerung der Zeitverzögerung bei der Erkennung des Beginns eines Entsättigungsereignisses verbessert die Erfassung von Atemereignissen da sie die Korrelation im Zeitbereich zwischen den Oxymetriewerten und anderen zur Erkennung von Atemereignissen verwendeten Signalen steigert." - Übersetzung durch die Kammer).

Gemäß der vorliegenden Erfindung spielt das genaue Ausmaß der einzigen Entsättigungsereignisses dagegen keine wichtige Rolle. Es müssen lediglich die Anzahl der Entsättigungsereignisse pro Stunde und die Zeit, in der die Sauerstoffsättigung oberhalb eines Grenzwertes liegt, bestimmt werden. Somit ist die Genauigkeit von lediglich einem Fingersensor ausreichend.

Die objektive technische Aufgabe besteht darin, eine einfachere Vorrichtung zur Erfassung der Schwere von Schlafatemstörungen zu schaffen.

Wie schon erläutert, rät D1 von einem Fingersensor ab. Aus diesem Grund würde der Fachmann, im Lichte der objektiven technischen Aufgabe, ohne erfinderischen Zutun, den Stirnsensor von D1 durch einen Finger-Sensor nicht ersetzen. Dass Pulsoxymetrie-

Fingersensoren allgemein, und insbesondere aus D2, bekannt sind, spielt in dieser Hinsicht keine Rolle.

Die übrigen in der Anmeldung und im Recherchenbericht zitierten Dokumente sind weniger relevant. Insbesondere offenbart die D2 zwar eine Vorrichtung für die Evaluierung von Schlafatemstörungen die Patientenparameter berücksichtigt, die von Messungen von mehreren Sensoren stammen, aber es werden weder die im Anspruch definierten Indexe ermittelt, noch schon bekannte Patientenparameter, wie Alter oder Gewicht, berücksichtigt.

Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs des vorliegenden Antrages auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6. Die Beschreibung wurde an den beanspruchten Gegenstand angepasst.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

- Anspruch 1 eingereicht am 16. März 2018;

- Beschreibungsseiten 1 bis 12 eingereicht am 28. März 2018;

- Figuren 1 und 2 der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht.

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