T 1079/13 (HERSTELLUNG EINES DRUCKWERKS/HP) of 5.10.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T107913.20161005
Datum der Entscheidung: 05 October 2016
Aktenzeichen: T 1079/13
Anmeldenummer: 07764616.4
IPC-Klasse: G06F 3/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR STEUERUNG DER HERSTELLUNG EINES DRUCKWERKS
Name des Anmelders: HP PPS Austria GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und Hilfsanträge (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 28. Januar 2013 zur Post gegeben wurde und mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 07764616.4 aufgrund des Artikels 97(2) EPÜ gestützt auf folgende Druckschrift zurückgewiesen worden ist:

D2: EP 1531610 A2.

II. Die Beschwerdegebühr wurde mit der Beschwerdeschrift, eingegangen am 8. April 2013, entrichtet. Mit der Beschwerdebegründung, eingegangen am 19. April 2013, wurde beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des der Beschwerdebegründung beigefügten Patentbegehrens gemäß Hauptantrag oder einem der Hilfsanträge 1 und 2. Hilfsweise wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

III. Die Kammer hat in einem Bescheid vom 5. Juli 2016 zur mündlichen Verhandlung geladen und ihre vorläufige Meinung zu der Beschwerde dargelegt. Dabei wurden die Veröffentlichungen D3 (DE 10122880 A1) und D4 (DE 10212890 A1) in Reaktion auf die Argumentation der Beschwerdeführerin gemäß Artikel 114(1) EPÜ von Amts wegen in das Verfahren eingeführt. D3 und D4 waren der Beschwerdeführerin aus dem parallelen Erteilungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) bekannt. Auf der Grundlage von D3 alleine oder ausgehend von D2 kombiniert mit D3 oder mit D4 wurden Einwände wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit erhoben und die Gründe dafür dargelegt.

IV. Mit Schreiben vom 5. September 2016 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Hilfsanträge 1 bis 3 ein und erhielt die bisherigen Hilfsanträge als Hilfsanträge 4 und 5 aufrecht. Es wurden außerdem weitere Argumente im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit übermittelt.

V. Am 5. Oktober 2016 fand eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf alle vorgetragenen Argumente diskutiert wurden.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage der Ansprüche des am 29. Oktober 2012 eingereichten Hauptantrags oder einem der am 5. September 2016 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3. Die Hilfsanträge 4 und 5 wurden zurückgenommen.

VII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet:

"1. Verfahren zur Steuerung der Herstellung eines Druckwerks mittels eines Management Information Systems (MIS), wobei

- das Management Information System (MIS) MIS-Auftragsdaten für das Druckwerk auf der Grundlage eines von einem Kunden erhaltenen Auftrags zur Herstellung des Druckwerks ermittelt und die MIS-Auftragsdaten an ein Druckvorstufensystem übermittelt,

- das Druckvorstufensystem aus den MIS-Auftragsdaten Druckvorstufen-Auftragsdaten für mindestens ein im Rahmen der Herstellung des Druckwerks ausführendes System erstellt und die Druckvorstufen-Auftragsdaten an das Management Information System (MIS) zurück übermittelt, und

- das Management Information System (MIS) einen geänderten Auftrag zur Herstellung des Druckwerks von dem Kunden erhält und die vom Druckvorstufensystem erhaltenen Druckvorstufen-Auftragsdaten entsprechend anpasst, und anhand der angepassten Druckvorstufen-Auftragsdaten die Herstellung des Druckwerks steuert, indem das Management Information System (MIS) die angepassten Druckvorstufen-Auftragsdaten direkt an das mindestens eine im Rahmen der Herstellung des Druckwerks ausführende System übermittelt."

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde entspricht den Voraussetzungen der Artikel 106 bis 108 und Regel 99 EPÜ und ist daher zulässig (siehe Sachverhalt und Anträge, Punkt II).

Hauptantrag

2. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ 1973

2.1 Der beanspruchte Gegenstand der unabhängigen Ansprüche beinhaltet technische und nicht-technische Merkmale, besitzt somit als Ganzes technischen Charakter. Insbesondere sind auch Aspekte einer geschäftlichen Tätigkeit beinhaltet, die nicht zum technischen Charakter beitragen.

2.2 Es wird die in der Anmeldung genannte Aufgabe als eine Vereinfachung der Handhabung von Abweichungen des Auftrags vom kalkulierten Angebot zu Grunde gelegt.

2.3 Die erfindungsgemäße Lösung besteht darin, den im Stand der Technik in der Produktion (Druckvorstufensystem) angesiedelten Arbeitsaufwand in den Bereich der Kalkulation und der Planung (MIS) der Herstellung zu verlagern (vgl. den die Beschreibungsseiten 5 und 6 überbrückenden Satz).

2.4 Unabhängig davon, ob eine solche Verlagerung eine administrative Maßnahme darstellt, die nicht zum technischen Charakter beiträgt, ist die erfindungsgemäße Lösung bereits aus dem bekannten Stand der Technik nahegelegt.

D3 offenbart eine Vorrichtung zur automatischen Erzeugung von Druckwerken (vgl. z.B. Fig. 1). Dabei ist im Bereich der Auftragsannahme eine Einheit (114) vorgesehen, die funktional dem anspruchsgemäßen MIS vergleichbar ist, denn diese dient der Erzeugung von den MIS-Auftragsdaten vergleichbaren Daten. Workstations 114 werden für den Auftragseingang 104 verwendet. Die Workstations 114 dienen ferner zur Ausarbeitung von Auftragsdaten, z.B. in Form eines Job Tickets in Papierform oder in elektronischer Form, das sämtliche Anweisungen zur Durchführung des Druckauftrags beinhaltet (vgl. Zusammenfassung oder [0025]). Die Erstellung des Job Tickets kann automatisch, z.B. anhand von vorgefertigten Tickets, oder manuell erfolgen oder eine Kombination aus automatischen und manuellen Schritten vorsehen (vgl. D3, [0027]).

2.5 Darüber hinaus ist in D3 eine Bearbeitungsstation (116) vorgesehen vergleichbar dem anspruchsgemäßen Druckvorstufensystem. Dieses dient dem Bearbeiten, Editieren und Drucken (vgl. D3, [0032]).

Beide (114, 116) kommunizieren untereinander sowie mit einem Druckerserver (120), der zur Herstellung des Druckwerks nachgeschaltete Ausgabegeräte wie Hochleistungsdrucker (122) ansteuert. Wie die Pfeile in Fig. 1 bzgl. Auftrag und Dokument zwischen 114, 116 und 120 andeuten, besteht die Möglichkeit der Schnittstellen, bidirektional Daten und Job Tickets auszutauschen. Eine in D3 als Workflow-Management-Software oder Bediener-Funktionalitäts-Workflow bezeichnete Komponente ermöglicht u.a. auch das nachträgliche Bearbeiten von Job Tickets.

Zwar wird diese Komponente bevorzugt der Bearbeitungsstation 116 zugeordnet (vgl. D3, [0038]), jedoch wird in D3 ausdrücklich vorgeschlagen, dass diese als Kombination aus Hardware, Software und manuellen Schritten umgesetzt wird und eine oder mehrere der erläuterten Komponenten (also auch 114 anstelle von 116) einschließen kann (vgl. D3, Ende von [0037]). Dies gibt dem fachkundigen Leser der D3, entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin, die Anregung solche Funktionen im Rahmen der Workstation 114 vergleichbar dem MIS durchzuführen.

Darüber hinaus ist es in D3 auch vorgesehen, dass eine Workstation 114 direkt Rohdaten an das Druckwerk sendet, also unter Umgehung des Druckvorstufensystems 116 (vgl. mit Dokument bezeichneten Pfeil von 114 nach 120). Dabei ist ausgeführt, dass es sich bei Dokument-Daten z.B. um PS-Daten, PCL-Daten etc. handelt, also Daten in einem druckfertigen Format (vgl. D3, [0042], z.B. Z. 30), was auch anspruchsgemäß der Fall sein muss, damit das Druckwerk diese Daten handhaben kann.

2.6 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Figur 1 der D3 einen offensichtlichen Fehler aufweise, da das Bezugszeichen 114 zweimal verwendet werde, während das in der zugehörigen Beschreibung verwendete Bezugszeichen 118 in der Zeichnung fehle und der Fachmann daher nur das linke Element 114 als Workstation entsprechend dem MIS ansehe und das rechte Element 114 als Netzwerk-Server 118 mit einem Verzeichnis, in das Dateien unterschiedlicher Formate eingestellt werden, anzusehen sei (siehe Absätze [0032] und [0037] der D3), ändert nichts an der vorstehenden Betrachtung. Dokumente können von dem linken Element 114 über das rechte Element 114 oder 118, unter Umgehung der dem Druckvorstufensystem entsprechenden Bearbeitungsstation 116 und somit direkt, an den Druckserver 120 übermittelt werden.

2.7 Die Beschwerdeführerin argumentierte darüberhinaus, dass auch wenn in D3 entsprechend dem Hinweis in Absatz [0038] die Work-Flow-Software oder Bediener-Funktionalitäts-Workflow Komponente eine oder mehrere der erläuterten Komponenten(also auch 114 anstelle von 116) einschließen könne, die nachträgliche Bearbeitung des Jobtickets doch die Funktionalität der Bearbeitungsstation 116 erfordere und dieser Teil der Workstation 114 dann als Bearbeitungsstation 116 angesehen werden müsse. Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht, da auch in dem Verfahren gemäß Anspruch 1 das MIS diese Funktionalität aufweisen muss, um die Druckvorstufen-Auftragsdaten modifizieren zu können.

2.8 Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer die erfindungsgemäße Lösung der Aufgabe aus D3 als nahegelegt an.

Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche ist somit ausgehend von D3 nahegelegt und erfordert keine erfinderische Tätigkeit.

Hilfsanträge 1 bis 3

3. Nach Auffassung der Kammer tragen die zu den unabhängigen Ansprüchen dieser Anträge hinzugefügten Merkmale nicht zur erfinderischen Tätigkeit bei.

3.1 Laut Anspruch 1 und 5 gemäß erstem Hilfsantrag wird

- ein Job-ticket mit Druckvorstufen-Auftragsdaten erstellt, welches an das MIS zurück übermittelt wird, welches aus dem Job-Ticket die Auftragsdaten extrahiert und einem geänderten Auftrag anpasst und

- ein Druckbogenlayout zur Herstellung einer Druckplatte auf einem Plattenbelichter erstellt wird.

Laut Beschwerdeführerin ist unter einem Extrahieren anspruchsgemäß die Möglichkeit zu verstehen, auf diese Daten zuzugreifen.

3.2 Wie bereits erwähnt offenbart D3 Auftragsdaten in Form von Job-Tickets (vgl. Zusammenfassung oder [0025], Z. 20), weshalb die bidirektional übermittelten Auftrag-Daten auch eine Rückübermittlung von Job-Tickets umfassen. Über eine grafische Benutzerschnittstelle werden Job-Tickets grafisch dargestellt und solche Daten können manipuliert werden (vgl. [0039], v.a. Z. 58). Damit besteht die Möglichkeit, auf diese Daten zuzugreifen, mithin erfolgt ein Extrahieren, und auch eine Anpassung auf Grund einer Manipulation dieser Daten.

Des weiteren werden auch in D3 Layouts erstellt und Druckbogen erstellt (vgl. Sp. 7, Z. 19 und 24). Solche Druckvorstufen-Auftragsdaten waren somit fachübliche Werte.

Darin wird kein erfinderischer Beitrag zum Stand der Technik gesehen.

3.3 Die unabhängigen Ansprüche gemäß Hilfsanträgen 2 und 3 führen weitere Druckstufen-Auftragsdaten ein, darunter ein Aufschießschema. Diese waren dem Fachmann ohne weiteres geläufig gewesen, wie auch in der D3 zu erkennen (vgl. [0033], [0044] oder Fig. 2 wo jeweils das Ausschießen als relevanter Parameter angeführt ist). Darin wird kein erfinderischer Beitrag zum Stand der Technik gesehen.

3.4 Damit fügen die Hilfsanträge dem Gegenstand der unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags nichts Erfinderisches hinzu (Artikel 56 EPÜ 1973).

4. Somit erfüllt keiner der Anträge die Erfordernisse des EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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