European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2016:T105213.20161018 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 October 2016 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1052/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07110866.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | B21B 1/22 B21B 27/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Flachprodukt aus einem Metallwerkstoff, insbesondere einem Stahlwerkstoff, Verwendung eines solchen Flachprodukts sowie Walze und Verfahren zur Herstellung solcher Flachprodukte | ||||||||
Name des Anmelders: | ThyssenKrupp Steel Europe AG Walzen-Service-Center GmbH |
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Name des Einsprechenden: | Salzgitter Flachstahl GmbH Topocrom GmbH Tata Steel IJmuiden BV ArcelorMittal France |
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Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Klarheit der Ansprüche nach Änderung - Hauptantrag und Hilfsantrag I (nein) Hilfsantrag II (ja) Unzulässige Änderungen - Hilfsantrag II (nein) Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag II (ja) Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 2 006 037 (im Folgenden: Patent) betrifft die Texturierung von metallischen Flachprodukten, insbesondere Feinblechen, durch Dressierwalzung und die Texturierung von Dressierwalzen selbst, insbesondere durch Funkenerosion (Electro Discharge Texturing, kurz "EDT").
II. Gegen das Patent im gesamten Umfang wurden vier Einsprüche eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden unzureichende Offenbarung, unzulässige Änderung vor der Erteilung sowie mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf verschiedene Druckschriften sowie auf vier angeblich vorbenutzte Stahlflachprodukte vorgebracht. Bei letzteren handelt es sich um
- ein mit einer Pretex-Walze texturiertes Kaltfeinblech der Fa. Salzgitter Flachstahl GmbH, welches an die Fa. Ets. Robert et Cie S.A.S. geliefert worden sei (Dokumente D3, D4);
- ein mit einer Topocrom-Walze texturiertes Kaltfeinblech der Fa. Salzgitter Flachstahl GmbH, welches an die Fa. Stahlo Stahlhandels GmbH & Co. KG geliefert worden sei (D5, D6);
- feuerverzinkte Feinbleche der Fa. Arcelor, die von Kunden erhalten bzw. im RFCS-Projekt "Carsteel" verwendet worden seien;
- ein mit einer Pretex-Walze texturiertes Kaltfeinblech der Fa. Salzgitter Flachstahl GmbH, das in der Karosserie eines Fahrzeuges Mercedes-Benz C 200 Kombi eingesetzt worden sei (D16, D17).
III. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, das Patent wegen unzureichender Offenbarung zu widerrufen.
IV. Die zwei Patentinhaberinnen (im Folgenden: Beschwerdeführerinnen) haben Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt.
V. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mit.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 18. Oktober 2016 in Anwesenheit der Beschwerdeführerinnen und der Einsprechenden 1, 3 und 4 (im Folgenden: Beschwerdegegnerinnen 1, 3 und 4) statt. Die Einsprechende 2 (im Folgenden: Beschwerdegegnerin 2) war wie angekündigt nicht erschienen. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
VII. Anträge
Die Beschwerdeführerinnen beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche gemäß mit der Beschwerdebegründung eingereichtem Hauptantrag, hilfsweise aufgrund einer der mit Schreiben vom 15. September 2016 eingereichten Hilfsanträge I bis IV, in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerinnen 1, 3 und 4 beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdegegnerin 2 hat im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt und keine Erwiderung auf die Beschwerdebegründung eingereicht.
VIII. Anspruchssätze
a) Hauptantrag
Der unabhängige Sachanspruch 1 lautet folgendermaßen (die Änderungen am erteilten Anspruch 1 sind wie folgt kenntlich gemacht: gestrichene Passagen erscheinen im Text als durchgestrichen und neue Passagen erscheinen im Fettdruck):
"1. Flachprodukt aus einem Metallwerkstoff, insbesondere einem Stahlwerkstoff, mit einer stochastischen oder quasi-stochastischen Oberflächenstruktur, wobei für [deleted: dessen] die Oberfläche des Flachprodukts auf einer mindestens 0,8 x 0,8 mm**(2) großen Grundfläche nach einer Bereinigung einer möglichen Schieflage in ihrer Topographie, einer Ausfilterung von Hochfrequenzanteilen mittels Gauß'schem Tiefpassfilters (lambdas = 10 mym) und einer Ermittlung der Häufigkeitsverteilung der Höhenwerte mit einer Klassenbreite von 0,1 mym gilt:
a) Die Häufigkeitsverteilung der Höhenwerte weist zwei
ausgeprägte Maxima auf, die für entsprechend
ausgeprägte Berg- und Tal-Niveaus der Oberfläche
stehen.
b) Bei Betrachtung allein derjenigen
Topografiebereiche, die eine Neigung von maximal 5°
gegenüber der waagerecht ausgerichteten Grundfläche
aufweisen, zerfällt die Häufigkeitsverteilung der
Höhenwerte in mindestens zwei lokale Hauptmaxima.
Die lokalen Hauptmaxima sind für die Berge mit
einer Standardabweichung (Breite) 2 sigma <= 2 mym und
für die Täler mit einer Standardabweichung von
2 sigma <= 1 mym näherungsweise normal verteilt.
c) Die Häufigkeit der Berge ist größer als die
Häufigkeit der Täler.
d) Das die Berge repräsentierende obere Hauptmaximum
ist gleichzeitig auch ein absolutes Maximum.
e) Der Abstand zwischen den Hauptmaxima der
Häufigkeitsverteilung der Höhenwerte beträgt 1 mym
bis 5 mym.
f) In einer Ebene, die genau mittig zwischen Berg- und
Tal-Niveau liegt, beträgt die halbe Breite der
Täler bzw. Berge höchstens 40 mym bzw. 100 mym, wobei
mindestens 99,99 % der Topografie-Messpunkte einen
minimalen Abstand zum Rand der Täler bzw. Berge
besitzen, der diese Bedingung erfüllt."
Der unabhängige Anspruch 5 lautet folgendermaßen:
"5. Verwendung eines gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4 ausgebildeten Flachprodukts für die Herstellung von Bauteilen, die mit einer Lackschicht beschichtet werden."
Der unabhängige Sachanspruch 6 lautet folgendermaßen:
"6. Walze zur Herstellung von gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4 ausgebildeten Flachprodukten, mit einer stochastischen oder quasi-stochastischen Oberflächenstruktur, die mittels Electro Discharge Texturing ("EDT") mit anschließendem Feinschleifprozess erzeugt worden ist, wobei für die Walzenoberfläche der Walze auf einer mindestens 0,8 x 0,8 mm**(2) großen Grundfläche nach einer Bereinigung einer möglichen Schieflage in ihrer Topographie, einer Ausfilterung von Hochfrequenzanteilen mittels Gauß'schem Tiefpassfilters (lambdas = 10 mym) und einer Ermittlung der Häufigkeitsverteilung der Höhenwerte mit einer Klassenbreite von 0,1 mym gilt:
a) Die Häufigkeitsverteilung der Höhenwerte weist zwei
ausgeprägte Maxima auf, die für entsprechend
ausgeprägte Berg- und Tal-Niveaus der Oberfläche
stehen.
b) Bei Betrachtung allein derjenigen
Topografiebereiche, die eine Neigung von maximal 5°
gegenüber der Senkrechten waagerecht ausgerichteten
Grundfläche aufweisen, zerfallt die
Häufigkeitsverteilung der Höhenwerte in mindestens
zwei lokale Hauptmaxima. Die lokalen Hauptmaxima
sind für die Täler mit einer Standardabweichung
(Breite) von 2 sigma <= 10 mym und für die Berge mit
einer Standardabweichung von 2 sigma <= 1 mym
näherungsweise normal verteilt.
b) Die Häufigkeit der Täler ist auf der
Walzenoberfläche größer als die Häufigkeit der
Berge.
c) Der Abstand zwischen dem ausgeprägten Berg-Niveau
und den Tal-Niveaus der Walzenoberfläche ist größer
als der Abstand zwischen Berg- und Tal-Niveau auf
der erzeugten Flachproduktoberfläche.
d) In einer Ebene, die genau mittig zwischen Berg- und
Tal-Niveau liegt, beträgt die halbe Breite der
Täler bzw. Berge höchstens 100 mym, wobei mindestens
99,99 % der Topografie-Messpunkte einen minimalen
Abstand zum Rand der Täler bzw. Berge besitzen, der
diese Bedingung erfüllt."
Der unabhängige Verfahrensanspruch 7 lautet folgendermaßen:
"7. Verfahren zur Herstellung eines gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4 ausgebildeten Flachprodukts, bei dem
ein aus einem Metallwerkstoff bestehendes Flachprodukt zur Verfügung gestellt wird, bei dem zumindest die mit der gemäß Anspruch 1 beschaffenen Oberflächentopographie zu versehende Oberfläche eine arithmetrische [sic] Mittenrauheit von max. 1,5 mym aufweist, und
- das zur Verfügung gestellte Flachprodukt einer Dressierwalzung unterzogen wird, bei der eine gemäß Anspruch [deleted: 5] 6 beschaffene Walze auf die mit der Oberflächentopographie gemäß Anspruch 1 zu versehende der Oberfläche wirkt, so dass ein Flachprodukt mit einer gemäß Anspruch 1 beschaffenen Oberfläche erhalten wird."
b) Hilfsantrag I
Anspruch 6 unterscheidet sich von Anspruch 6 gemäß Hauptantrag dadurch, dass die Worte "oder quasi-stochastischen" gestrichen worden sind, so dass die beanspruchte Walze auf eine Walze "mit einer stochastischen Oberflächenstruktur" beschränkt ist. Die weiteren Ansprüche bleiben gegenüber dem Hauptantrag unverändert.
c) Hilfsantrag II
Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag I dadurch, dass die Worte "oder quasi-stochastisch" gestrichen worden sind, so dass das beanspruchte Flachprodukt auf ein Flachprodukt "mit einer stochastischen Oberflächenstruktur" beschränkt ist. Die weiteren Ansprüche bleiben gegenüber dem Hilfsantrag I unverändert.
IX. Beweismittel
a) In ihrer Beschwerdebegründung nehmen die Beschwerdeführerinnen Bezug auf folgende, in der angefochtenen Entscheidung genannte Druckschrift:
D20: Nauzin, J.P. und Jacobs, H., "Paint Finish in
Automotive Bodies", SAE Technical Paper
2002-01-0038, SAE 2002 World Congress &
Exhibition, Detroit, 2002
b) Die Beschwerdeführerinnen haben folgende Druckschriften erstmalig mit ihrer Beschwerdebegründung angeführt:
D21: Ritterbach, B., "Qualitätsregelkreis zur
Erzeugung definierter Feinblechrauheiten mit
verschiedenen Texturierverfahren",
Fortschritt-Bericht VDI Reihe 2 Nr. 517, VDI
Verlag GmbH, Düsseldorf, 1999
D22: Meier, H., "Über die Aufrauhung von
Walzenoberflächen mit Funkenentladungen",
Berichte aus der Elektrotechnik, Shaker
Verlag, Aachen, 1999
c) In ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung nimmt die Beschwerdegegnerin 4 unter anderem auf folgende, in der angefochtenen Entscheidung genannte Druckschrift Bezug:
D19: McGeough, J.A. und Rasmussen, H., "A
theoretical model of electrodischarge
texturing", Journal of Materials Processing
Technology, Volume 68, Issue 2, 30. Juni 1997,
Seiten 172 bis 178
d) Die Beschwerdegegnerin 4 hat folgende Dokumente erstmalig mit ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung angeführt:
D23: ThyssenKrupp Steel Europe, Pressemitteilung
"Shining prospects" vom 5. November 2013,
ausgedruckt am 19. November 2013
D24: ThyssenKrupp Steel Europe, Bilder zu D23,
ausgedruckt am 19. November 2013 und
7. November 2013
X. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag und Hilfsanträge I und II - Artikel 84 EPÜ
Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen:
Die geänderten Ansprüche 1 und 6 genügten nicht den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ, weil die hinzugefügten Formulierungen "mit einer stochastischen oder quasi-stochastisch Oberflächenstruktur" bzw. "mit einer stochastischen Oberflächenstruktur" jeweils in sich undeutlich seien und Zweifel am beanspruchten Gegenstand entstehen ließen. Problematisch sei darüber hinaus, dass mit dem in Anspruch 6 genannten EDT-Verfahren ausschließlich stochastische Oberflächenstrukturen herstellbar seien (D19; D21, Abschnitte 4.3.2.1 und Bild 36; D22, Bild 1-6).
Vorbringen der Beschwerdeführerinnen:
Im relevanten technischen Gebiet hätten die verwendeten Begriffe "stochastisch" und "quasi-stochastisch" jeweils eine allgemein anerkannte Bedeutung. In der Praxis ließen sich die mit konventionellen Texturierverfahren erzeugten Oberflächenstrukturen je nach der Verteilung ihrer Strukturmerkmale in deterministische, stochastische und quasi- bzw. pseudostochastische Oberflächenstrukturen gliedern (siehe z.B. D21, Bilder 36 bis 41; D22, Bild 1-6). Darüber hinaus sei im Gesamtzusammenhang der Ansprüche eindeutig, dass der Begriff "quasi-stochastisch" eine auf mikroskopischer Ebene stochastische Oberflächenstruktur definiere, die sich auf makroskopischer Ebene in regelmäßige, dem Umfang der Walze entsprechenden Abständen wiederhole.
b) Hilfsantrag II - Artikel 100 c) EPÜ
Vorbringen der Beschwerdegegnerin 3:
Eine unzulässige Änderung vor der Erteilung liege darin, dass in Merkmal (b) von Anspruch 6 die um die Ausdrücke "Berge" und "Täler" gesetzten Klammer entfernt wurden.
Vorbringen der Beschwerdeführerinnen:
Mit dieser Änderung sei der Wortsinngehalt von Anspruch 6 nicht geändert worden. Die Klammer seien nur deshalb entfernt worden, weil die in Klammern gesetzten Ausdrücke "Berge" und "Täler" einen Mangel an Klarheit ergeben könnten.
c) Hilfsantrag II - Artikel 123 (2) EPÜ
Vorbringen der Beschwerdegegnerin 3:
Die Änderungen in Anspruch 6 verstoßen gegen Artikel 123 (2) EPÜ. Im Merkmal (b) sei durch die Änderung des ursprünglichen Wortlauts "Topografiebereiche, die eine Neigung von maximal 5° gegenüber der Senkrechten aufweisen" in "Topografiebereiche, die eine Neigung von maximal 5° gegenüber der waagerecht ausgerichteten Grundfläche aufweisen" ein neuer Gegenstand entstanden, der durch die ursprüngliche Offenbarung nicht gestützt sei. Der ursprüngliche Wortlaut, nicht der neue Wortlaut, entspreche der Lehre auf Seite 9 wie ursprünglich eingereicht bzw. in Absatz 25 der Patentschrift (dort jeweils unter Punkt b)). Darüber hinaus habe die Einfügung "mit einer stochastischen Oberflächenstruktur" in Anspruch 6 keine Basis in der ursprünglichen Fassung der Beschreibung.
Vorbringen der Beschwerdeführerinnen:
Der Fachmann erkenne beim Lesen des Patents auf Anhieb, dass der ursprüngliche Wortlaut des Merkmals (b) in Anspruch 6 einen offensichtlichen Fehler enthalte. Gleiches gelte für den entsprechenden Wortlaut auf Seite 9 wie ursprünglich eingereicht und in Absatz 25 der Patentschrift. Die Oberflächenstruktur der Walze müsse zwangsweise ein Negativabdruck der Oberflächenstruktur des Flachprodukts sein, weil letztere durch Dressierwalzung mit der Walze erzeugt werde (Absatz 25 und Anspruch 7). Im Patent werde durchgehend gelehrt, dass es für die Erfindung wesentlich sei, dass die Häufigkeitsverteilung der Höhenwerte der Bereiche der Oberflächenstruktur der Walze bzw. des Flachprodukts mit einem Neigungswinkel alpha von maximal 5°, nicht aber der Bereiche mit einem Hangwinkel beta von maximal 5°, eine zweigipflige bzw. bimodale Verteilung sein müsse (in der Patentschrift siehe Absatz 23, Punkte a) und b) und Figuren 1, 6 und 7). Der neue Wortlaut von Merkmal (b) sei die einzig mögliche, technisch sinnvolle Korrektur des offensichtlichen Fehlers (siehe u. a. Merkmal(b) von Anspruch 1).
d) Hilfsantrag II - Artikel 100 b) EPÜ
Vorbringen der Beschwerdeführerinnen:
Entgegen der Meinung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerinnen könne ein Fachmann die beanspruchte Erfindung anhand des Gesamtinhalts des Patents und mit Hilfe seines allgemeinen Fachwissens ohne unzumutbaren Aufwand ausführen.
Das Patent wende sich nicht an einen Laien, sondern an einen ausgewiesenen Experten auf dem technischen Gebiet der Texturierverfahren bei der Herstellung von metallischen Flachprodukten, insbesondere Feinblechen. Dabei müssten bei komplexen technischen Fragestellungen, wie sie von der vorliegenden Erfindung behandelt würden, auch entsprechend qualifizierte Kenntnisse des Fachmanns vorausgesetzt werden. Über diese Kenntnisse verfüge der Fachmann, wie im vorliegenden Fall die Fachbücher D21 und D22 jeweils beispielhaft zeigten, aufgrund seiner beruflichen Ausbildung und Erfahrung. Im Lichte dieser Kenntnisse vollziehe er die beanspruchte Erfindung nach und lege sie aus.
Die in Anspruch 1 angegebenen Produktmerkmale definierten in einer für den Fachmann ohne Weiteres nachvollziehbaren Weise aus sich heraus eine Oberflächenstruktur, die die Voraussetzung für ein optimales Lackerscheinungsbild bei dünnem Lackauftrag bilde und somit die in Absatz 13 der Patentschrift angegebene Aufgabenstellung löse. In Absatz 25 der Patentschrift und in Anspruch 7 sei angegeben, dass die Oberflächenstruktur des erfindungsgemäßen Flachprodukts durch Dressierwalzung mit einer Walze erzeugt werden könne, die die in Anspruch 6 angegebene Oberflächenstruktur aufweise. Insoweit stünden dem Fachmann alle Angaben zur Verfügung, die er benötige, um ein erfindungsgemäßes Flachprodukt herstellen zu können.
Mit den in Anspruch 6 definierten Merkmalen der Walzenoberflächenstruktur selbst seien dem Fachmann auch alle Angaben bekannt, die er benötige, um unter Berücksichtigung seines Fachwissens und der diesbezüglichen Erläuterungen in der Beschreibung des Patents die Oberflächenstruktur der Walze mittels EDT mit anschließendem Feinschleifen herstellen zu können. Das Merkmal (c) von Anspruch 6, das in Zusammenhang mit Merkmal (e) von Anspruch 1 zu lesen sei, bestimme die Tiefe, über die die EDT-Einschüsse in die Walzenoberfläche eindringen müssen. In Absatz 29 der Patentschrift sei erwähnt, dass auf der Walze Vertiefungen mittels EDT erzeugt werden, die sich überlappten und einen im Bereich von 80 mym liegenden Durchmesser aufwiesen. Auch Figuren 1, 4 und 8 leiteten den Fachmann dazu an, wie er breite Talsohlen aus EDT-Vertiefungen bilden könne. Weitere Angaben zum EDT-Verfahren seien in der EP 1 584 396 A2 enthalten, die in Absatz 32 der Patentschrift genannt sei, wie etwa die Anordnung der Elektroden parallel bzw. spaltbildend zur Oberfläche der Walze und der Einsatz von hochfrequenten Energieimpulsen.
Das für das Einbringen von Vertiefungen in die Walze erfindungsgemäß vorgesehene EDT-Verfahren sei lange vor dem Anmeldetag des Patents (22. Juni 2007) bekannt gewesen. Als Beweis dafür seien die 1999 veröffentlichten Fachbücher D21 und D22 eingereicht worden. Dort werde detailliert erläutert, wie die notwendigen Maschineneinstellungen zur Erzeugung gewünschter EDT-Strukturen vorgenommen werden könnten. Insbesondere sei in Abschnitt 2.3.2 bzw. 2.4.2 von D22 dargelegt, wie bei einer konventionellen EDT-Maschine die Tiefe der EDT-Einschüsse und der Kraterdurchmesser durch Steuerung von wenigen signifikanten Parametern, wie der Dauer und der Amplitude der Stromimpulse und der Polarität der Walze, eingestellt werden könnten. Mit Hilfe dieses allgemeinen Wissens könne der Fachmann die notwendigen Einstellungen einer EDT-Maschine ermitteln, die die Erzeugung einer erfindungsgemäßen EDT-Struktur ermöglichen würden. Die Ermittlung dieser Maschineneinstellungen könne wie fachüblich mittels mehrerer Routineversuche mit anschließender mathematischer bzw. statistischer Analyse der jeweils erzeugten EDT-Struktur erreicht werden. Es könne also keine Rede davon sein, dass der Fachmann unzumutbar viele, an eine "Try and Error"-Vorgehensweise erinnernde Versuche machen müsse, um die bei der Durchführung des EDT-Verfahrens zwecks Herstellung einer Oberflächenstruktur der in Anspruch 6 angegebenen Art einzustellenden Betriebsparameter zu ermitteln.
Der Hinweis in Anspruch 6, dass die erfindungsgemäße Walzenoberflächenstruktur durch das EDT-Verfahren erzeugt worden sei, und die ebenfalls im Patent enthaltenen Hinweise auf die Ausgangsbedingungen, die beim EDT-Verfahren eingehalten werden müssten, versetzten den Fachmann somit ohne Weiteres in die Lage, eine den erfindungsgemäßen Vorgaben entsprechende Walzenoberflächenstruktur zu erzeugen.
Wie in den Absätzen 32 bis 36 und 58 der Patentschrift erläutert, würden die im Zuge des EDT-Verfahrens an der Walzenoberfläche gebildeten Bergspitzen unterschiedlicher Höhe durch ein abschließendes, beispielsweise als Band-Superfinish-Feinschleifen ausgeführtes Feinschleifen, egalisiert, bis sich ein den erfindungsgemäßen Vorgaben entsprechender Traganteil ergebe und das Verhältnis von Berg- zu Talanteilen ebenfalls den erfindungsgemäßen Maßgaben entspreche. Auch für den Feinschleifprozess seien in der EP 1 584 396 A2, die in den Absätzen 32, 36 und 38 der Patentschrift genannt ist, zahlreiche Details offenbart (Abtragung von 1,0 bis 20 mym; Schleifband mit Korund oder Bornitrid mit mittlerer Korngröße zwischen 0,1 und 100 mym).
Die Beschwerdegegnerinnen seien für ihren Einwand der unzureichenden Offenbarung beweispflichtig. Dennoch seien sie ihrer Beweispflicht nicht nachgekommen, weil sie keinerlei Versuche oder nachprüfbare Tatsachen zum Beleg ihrer pauschalen Behauptungen vorgelegt hätten. Eine Beweislastumkehr könne also nicht stattfinden.
Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen:
Das Patent enthalte keine genaue Anleitung, um eine Walze mit der in Anspruch 6 definierten Oberflächenstruktur mittels EDT und anschließendem Feinschliff herzustellen. Für den Fachmann stelle es eine unzumutbare Leistung dar, die erforderlichen Einstellparameter des EDT-Verfahrens und des Feinschleif-Verfahrens zu ermitteln.
Die Merkmale einer EDT-Struktur hingen bekanntermaßen von vielen Parametern des EDT-Verfahrens ab, wie insbesondere der Form der Elektroden, dem Abstand der Elektroden, der Geschwindigkeit, mit welcher die Elektroden über die Walze geführt würden in Zusammenhang mit der Frequenz der Stromimpulsen, der Dauer und der Amplitude der Stromimpulse, der Spaltenweite zwischen den Elektroden und der Walzoberfläche, der Zusammensetzung des Dielektrikums, in dem sich die Walze befinde, und dem Material der Walze (siehe D19 und D21). Der Verweis auf das EDT-Verfahren in Anspruch 6 komme einer Aufforderung zur Durchführung eines Forschungsprogramms gleich, da der Fachmann nur durch Versuch und Irrtum feststellen könne, ob und wie die vorgeschriebene Walzenoberflächenstruktur mittels EDT erzeugt werden könne. Dies stelle einen unzumutbaren Aufwand dar, insbesondere weil die quantitativen Zusammenhänge zwischen den Einstellparametern des EDT-Verfahrens wenig bekannt seien (siehe in D21 den die Seiten 5 und 6 überbrückenden Absatz).
Darüber hinaus sei der Fachmann nicht in der Lage, ein wie in Anspruch 1 definiertes Flachprodukt herzustellen. Entgegen der Lehre in Absatz 25 der Patentschrift sei die in Anspruch 1 definierte Oberflächenstruktur des Flachprodukts kein negatives Abbild der in Anspruch 6 definierten Oberflächenstruktur der Walze. Erstens gehe aus Merkmal (c) von Anspruch 6 hervor, dass die Oberflächenstrukturen des Flachprodukts und der Walze unterschiedlich tief seien. Zweitens unterscheide sich die Standardabweichung für die Höhe der Berge auf dem Flachprodukt (Merkmal (b), Satz 2 in Anspruch 1) stark von der Standardabweichung für die Höhe der Täler auf der Walze (Merkmal (b), Satz 2 in Anspruch 6). Das Patent gebe keine Erklärung für diese Unterschiede in den Oberflächenstrukturen.
Die Dokumente D23 und D24, die ein Flachprodukt gemäß Anspruch 1 beschrieben, bestätigten, dass die beanspruchte Erfindung eine sehr genaue Einstellung der Parameter des EDT-Verfahrens bedinge. Das Patent enthalte aber keinerlei Angaben über die notwendigen Einstellparameter.
Die Merkmale (a) bis (f) in Anspruch 1 und die Merkmale (a) bis (d) in Anspruch 6 seien für den Fachmann ungewöhnliche Parametermerkmale zur Definition der Oberflächenstruktur. Insbesondere entspreche die in Merkmal (e) von Anspruch 1 definierte Tiefe nicht dem Mittenrauwert Ra, der meist zur Kennzeichnung einer Oberflächenstruktur verwendet werde. Auch seien die Merkmale (e) und (f) von Anspruch 1 und das Merkmal (d) von Anspruch 6 so undeutlich formuliert, dass der Fachmann nicht sicher beurteilen könne, wann er innerhalb oder außerhalb des Schutzbereichs des Anspruchs arbeite. Beispielweise sei in Anspruch 1 nicht deutlich, ob die "Hauptmaxima" von Merkmal (e) den "zwei ausgeprägten Maxima" von Merkmal (a) und/oder den "zwei lokalen Hauptmaxima" von Merkmal (b) entsprechen. Auch seien die in Merkmal (f) von Anspruch 1 genannten "Berg- und Tal-Niveau" nicht deutlich definiert. Dies stelle ein Problem der unzureichenden Offenbarung dar.
Aus der Beschreibung des Patents gehe deutlich hervor, dass es erfindungswesentlich sei, dass bei der erzeugten Oberflächenstruktur der Wechsel zwischen den Bergplateaus und den Tälern über steile Flanken erfolge (Absätze 20 und 35 in der Patentschrift). Da dieses Merkmal weder in Anspruch 1 noch in Anspruch 6 erwähnt sei, würden diese Ansprüche nicht in ihrer ganzen Breite durch die Beschreibung gestützt. Auch dies stelle ein Problem der unzureichenden Offenbarung dar.
Für den Nachweis mangelnder Ausführbarkeit der Erfindung werde in der Regel verlangt, dass die Nacharbeitung bei Einhaltung der in den Beispielen genannten Bedingungen nicht gelinge. Dies sei im vorliegenden Fall gar nicht möglich gewesen, weil das Patent selbst kein Beispiel beinhalte, das hätte nachgearbeitet werden können, und auch keinen Ansatz dazu biete.
Entscheidungsgründe
1. Berücksichtigung von D21 bis D24 im Verfahren
1.1 Die Dokumente D21 bis D24 wurden erstmals im Beschwerdeverfahren eingeführt.
1.2 Die Einreichung der Druckschriften D21 und D22 stellt eine sachdienliche Reaktion der Beschwerdeführerinnen auf die Feststellung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung dar, wonach es für den Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand nicht möglich sei, eine Walze mit der in Anspruch 6 definierten Oberflächenstruktur mit dem EDT-Verfahren herzustellen. Diese Druckschriften dokumentieren das allgemeine Fachwissen über das EDT-Verfahren. Dieses Fachwissen ist hochrelevant für die Frage der Nacharbeitbarkeit der Erfindung. Diese Dokumente sind daher zu berücksichtigen (Artikel 114 (2) EPÜ und Artikel 12 (4) VOBK).
1.3 Die Dokumente D23 und D24 sind von der Beschwerdegegnerin 4 in Reaktion auf die Argumente der Beschwerdeführerinnen in der Beschwerdebegründung eingereicht worden. Diese Dokumente sind allein schon deshalb zuzulassen, um die verfahrensrechtliche Fairness zu gewährleisten.
2. Allgemeines Fachwissen
2.1 Bevor über die Klarheit und Zulässigkeit der Änderungen und die Offenbarung der beanspruchten Erfindung entschieden werden kann, ist das allgemeine Wissen des fachkundigen Lesers des Patents bzw. der Anmeldung zu bestimmen, denn es muss bei der Beurteilung dieser Fragen berücksichtigt werden.
2.2 Aufgrund der dort verwendeten technischen Begriffe richten sich die Ansprüche auf einen Fachmann, der einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Texturierung von Dressierwalzen und Feinblechen durch Dressierwalzung sowie auf dem Gebiet der Oberflächenmesstechnik besitzt.
2.3 Die Dokumente D21 und D22 sind Dissertationen, die 1999 veröffentlicht wurden. Wenn auch ihr Inhalt über das Allgemeinwissen eines Durchschnittstechnikers hinausgeht, belegen sie jedoch das allgemeine Wissen des vorgenannten Fachmanns auf dem äußerst komplexen technischen Gebiet der Erfindung, über das er am Anmeldetag (22. Juni 2007) verfügt.
2.4 Der Fachmann weiß, dass sich die mit konventionellen Texturierverfahren erzeugten Oberflächenstrukturen je nach der Verteilung ihrer Strukturmerkmale in deterministische, stochastische und pseudostochastische Oberflächenstrukturen gliedern (siehe z. B. D21, Bilder 36 bis 41; D22, Bild 1-6). Unter einer pseudostochastischen Oberflächenstruktur versteht er normalerweise eine stochastische Oberflächenstruktur, die eine zufallsähnliche Verteilung der Strukturmerkmale aufweist, dessen Regelmäßigkeit mit bloßem Auge nicht erkennbar ist.
2.5 Von besonderer Relevanz im vorliegenden Fall ist das EDT-Verfahren, das es ermöglicht, stochastische Strukturen auf der Oberfläche einer Dressierwalze zu erzeugen (siehe D21, Abschnitte 4.3.1 und 4.3.2; D22, Abschnitt 1). Zum Zeitpunkt der Verfassung von D21 und D22 waren verschiedene Maschinen zur Durchführung des EDT-Verfahrens erhältlich (D22, Seite VI, Absatz 3 und Seite 2, Absatz 2). Beim EDT-Verfahren kommt es durch Funkenerosion der Oberfläche der Walze mittels Elektroden zu einem Materialabtrag, so dass muldenförmige Vertiefungen und Bergspitzen geformt werden. Hierdurch ist es möglich, die Oberfläche der Walze mit über die Fläche stochastisch verteilten Vertiefungen und Bergspitzen zu versehen, mit gewünschten Rauhtiefe (Mittenrauwert Ra bzw. gemittelte Rauhtiefe Rz) und Spitzenzahl (Pc) (D21, Abschnitt 4.1; D22, Seite 1, Absatz 3 und Figur 1-5). Die Reproduzierbarkeit der EDT-Struktur ist dank der Prozessrechnersteuerung gut (D21, Abschnitt 4.3.2.7; D22, Seite 1, Absatz 4).
2.6 Es ist bekannt, dass die Merkmale einer EDT-Struktur von einer Mehrzahl von Parametern des EDT-Verfahrens abhängig sind, wie z. B. der Dauer und der Amplitude der Stromimpulse, der Polarität der Walze, der Walzenhärte, den Werkstoffeigenschaften der Elektroden, der Spaltweite zwischen Elektroden und Walzenoberfläche, der Walzenrotation, dem axialen Walzenvorschub, der elektrischen Leitfähigkeit, dem Verschmutzungsgrad und dem Spüldruck des Dielektrikums (siehe z. B. D21, Abschnitte 4.3.1.2 und 4.3.2.8; D19). Allerdings können Form, Breite und Tiefe der EDT-Einschüsse bei konventionellen EDT-Maschinen über wenige wichtige Parameter, wie die Stromimpulsdauer, die Stromimpulsamplitude und die Polarität der Walze, gesteuert werden, deren gegenseitiges Zusammenwirken bei der Gestaltung der EDT-Einschüsse dem Fachmann bekannt ist (in D22 siehe Seite VII, Absatz 3; Abschnitt 1.2, insbesondere den die Seiten 5 und 6 überbrückenden Absatz; Abschnitte 2.3.2 und 2.4.2). Beispielweise ist in D22 offenbart (Abschnitt 2.4.2), dass es mit einer EDT-Maschine ohne weiteres möglich war, durch Änderung dieser wichtigen Parameter auf einer Walzenoberfläche von 35 cm**(2) relativ glatte Vertiefungen mit einem Durchmesser von 50 bis 100 mym und einer gemittelten Rauhtiefe (Rz) von 12 bis 30 mym zu erhalten.
3. Hauptantrag und Hilfsantrag I - Artikel 84 EPÜ
3.1 Nach Artikel 84, Satz 2 EPÜ müssen die Ansprüche deutlich gefasst sein.
3.2 Anspruch 1 gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag I verlangt, dass das Flachprodukt "mit einer stochastischen oder quasi-stochastischen Oberflächenstruktur" versehen ist. Anspruch 6 gemäß Hauptantrag schreibt vor, dass die Walze "mit einer stochastischen oder quasi-stochastischen Oberflächenstruktur" versehen ist. In Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag I ist die zweite Alternative "quasi-stochastisch" gestrichen worden.
3.3 Die Beschwerdegegnerinnen machen geltend, dass die Begriffe "stochastische Oberflächenstruktur" und "quasi-stochastische Oberflächenstruktur" einen Mangel an Klarheit ergeben. 3.4 Diese strittigen Merkmale sind im Gesamtzusammenhang der Ansprüche unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens zu lesen.| |
3.5 Der Begriff "stochastische Oberflächenstruktur" hat im relevanten Gebiet eine allgemein anerkannte Bedeutung (siehe Punkt 2.4 oben).
3.6 Hingegen kann der Fachmann für den Begriff "quasi-stochastische Oberflächenstruktur" keine eindeutige Bedeutung erkennen. Dieser Begriff wird weder in D21 noch in D22 verwendet. Er könnte sowohl eine geringfügige Abweichung einer rein stochastischen Oberflächenstruktur als auch Abweichungen bis hin zu einer pseudostochastischen Oberflächenstruktur meinen. Die Beschwerdeführerinnen haben keinen Nachweis erbracht, dass dieser Begriff auf dem betreffenden Fachgebiet eine allgemein anerkannte eindeutige Bedeutung hat.
3.7 Darüber hinaus steht in Anspruch 6 gemäß Hauptantrag das Erfordernis einer "quasi-stochastischen Oberflächenstruktur" im Widerspruch zu dem Merkmal, dass die Oberflächenstruktur "mittels Electro Discharge Texturing ("EDT") mit anschließenden Feinschleifprozess erzeugt worden ist". Es ist nämlich allgemein bekannt, dass mit dem EDT-Verfahren ausschließlich stochastische Oberflächenstrukturen, nicht aber pseudostochastische Oberflächenstruktur herstellbar sind (D21, Abschnitte 4.3.2.1 und Bild 36; D22, Bild 1-6).
3.8 Die Beschwerdeführerinnen meinen, dass im beanspruchten Zusammenhang der Begriff "quasi-stochastisch" eine Oberflächenstruktur definiere, die mikroskopisch, d. h. "auf einer mindestens 0,8 x 0,8 mm**(2) großen Grundfläche", stochastisch sei (siehe Anspruch 1 bzw. 6) und sich makroskopisch in regelmäßige Abständen wiederhole. Diese besondere Bedeutung ergibt sich aber nicht aus dem Wortlaut der Ansprüche, selbst unter Heranziehung der Beschreibung.
3.9 Die Kammer teilt deshalb die Auffassung der Beschwerdegegnerinnen, dass aufgrund des Begriffes "quasi-stochastisch" der Gegenstand und der Schutzumfang von Anspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag I bzw. von Anspruch 6 gemäß Hauptantrag für den Fachmann nicht deutlich und eindeutig definiert sind.
4. Folglich ist weder der Hauptantrag noch der Hilfsantrag I der Beschwerdeführerinnen gewährbar.
5. Hilfsantrag II - Artikel 100 c) EPÜ
5.1 In der angefochtenen Entscheidung ist die Frage der unzulässigen Änderung vor der Erteilung nicht behandelt worden. Nachdem sich die Kammer aber in der Lage sieht, diese Frage abschließend zu beurteilen, hält sie es insbesondere auch im Hinblick auf die gebotene Verfahrensökonomie für sachdienlich und sinnvoll, von dem ihr in Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen und diese Frage selbst zu prüfen.
5.2 Nach Artikel 100 c) EPÜ darf der Gegenstand des Patents nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen.
5.3 Anspruch 6 unterscheidet sich von Anspruch 6 in der ursprünglich eingereichten Fassung unter anderem darin, dass der 2. Satz von Merkmal (b)
"Die lokalen Hauptmaxima sind mit einer Standardabweichung (Breite) 2 sigma <= 10 mym (Täler) und einer Breite 2 sigma <= 1 mym (Berge) näherungsweise normal verteilt"
wie folgt geändert wurde
"Die lokalen Hauptmaxima sind für die Täler mit einer Standardabweichung (Breite) von 2 sigma <= 10 mym und für die Berge mit einer Standardabweichung von 2 sigma <= 1 mym näherungsweise normal verteilt".
5.4 Die Beschwerdegegnerin 3 sieht eine unzulässige Änderung vor der Erteilung darin, dass dabei die um die Worte "Berge" und "Täler" gesetzten Klammer entfernt wurden.
5.5 Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Die Klammer ist entfernt worden, um einen von der Prüfungsabteilung erhobenen Einwand der mangelnden Klarheit auszuräumen. Die Ausdrücke "Berge" und "Täler" sind keine Bezugszeichen im Sinn der Regel 43 (7) EPÜ, sondern besondere Merkmale, auf die Regel 43 (7) letzter Satz keine Anwendung findet (siehe Richtlinien für die Prüfung, 2016, Kapitel F-IV, 4.19). Durch das Entfernen dieser Klammer ist der Wortsinngehalt des Merkmals (b) von Anspruch 6 nicht geändert worden.
6. Hilfsantrag II - Artikel 123 (2) EPÜ
6.1 Nach Artikel 123 (2) EPÜ darf das Patent nicht in der Weise geändert werden, dass sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
6.2 Anspruch 6 unterscheidet sich von Anspruch 6 in der erteilten Fassung unter anderem darin, dass der 1. Satz von Merkmal (b)
"Bei Betrachtung allein derjenigen Topografiebereiche, die eine Neigung von maximal 5° gegenüber der Senkrechten aufweisen, zerfällt die Häufigkeitsverteilung der Höhenwerte in mindestens zwei lokale Hauptmaxima"
wie folgt geändert wurde
"Bei Betrachtung allein derjenigen Topografiebereiche, die eine Neigung von maximal 5° gegenüber der waagerecht ausgerichteten Grundfläche aufweisen, zerfällt die Häufigkeitsverteilung der Höhenwerte in mindestens zwei lokale Hauptmaxima".
6.3 Die Kammer ist mit den Beschwerdeführerinnen einig, dass diese Änderung durch die Lehre in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen gestützt ist.
6.4 Der Fachmann erkennt beim Lesen der Anmeldungsunterlagen auf Anhieb, dass die in Anspruch 6 definierte Walze zum Dressieren des im Anspruch genannten Flachprodukts vorgesehen ist, wobei die Walzenoberflächenstruktur im Wesentlichen ein negatives Abbild der auf dem Flachprodukt zu erzeugenden Oberflächenstruktur darstellt (Seite 9, Absatz 2; Seite 14, Absatz 2). Der Fachmann versteht deshalb unmittelbar, dass die in Merkmal (b) von Anspruch 6 definierte, mindestens zweigipflige Häufigkeitsverteilung der Höhenwerte nicht für die Bereiche der Oberfläche mit einem Hangwinkel (beta) von maximal 5° gegenüber der Senkrechten vorgeschrieben sein kann, sondern für die Bereiche mit einem Neigungswinkel (alpha) von maximal 5° gegenüber der Waagerechten, wie in Merkmal (b) von Anspruch 1 verlangt wird. Dieses Verständnis wird durch die in Figur 1 dargestellte Oberflächenstruktur der Walze und die damit auf dem Flachprodukt erzeugte Oberflächenstruktur bestätigt (Figuren 2, 3, 6 und 7).
6.5 Diese Änderung verstößt also nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
6.6 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdegegnerin 3 erstmals gerügt, dass sich für die in Anspruch 6 aufgenommene Formulierung "mit einer stochastischen Oberflächenstruktur" keine Stütze in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen finde. Die Kammer hat beim gegebenen Verfahrensstand in Ausübung des ihr in Artikel 13 (1) und (3) VOBK eingeräumten Ermessens diesen verspätet erhobenen Einwand nicht zugelassen (Artikel 114 (2) EPÜ), insbesondere weil er prima facie nicht relevant ist (siehe Seite 6, Absatz 2 in Verbindung mit Seite 9, Absatz 2 in der ursprünglichen Anmeldung).
7. Hilfsantrag II - Artikel 84 EPÜ
7.1 Die Ansprüche eines Patents dürfen während des Einspruchsverfahrens nur dann auf die Erfüllung der Voraussetzungen des Artikel 84 EPÜ geprüft werden, wenn gerade die Änderung einen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ einführt, und dann auch nur in diesem Ausmaß (siehe G 3/14, Leitsatz).
7.2 Die in Anspruch 1 bzw. 6 hinzugefügte Formulierung "mit einer stochastischen Oberflächenstruktur" ist im Gesamtzusammenhang klar und deutlich (siehe Punkt 3.5 oben).
7.3 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdegegnerin 3 Einwände der mangelnden Klarheit gegen die Merkmale (a) bis (f) von Anspruch 1 und die Merkmale (a) bis (d) von Anspruch 6 erhoben (siehe Punkt 8.7 hier unten). Diese Einwände müssen unberücksichtigt bleiben, weil die bemängelten Formulierungen bereits im erteilten Anspruch 1 bzw. 6 vorhanden waren (siehe G 3/14, Nr. 80 der Gründe).
7.4 Die Beschwerdegegnerinnen 3 und 4 haben geltend gemacht, dass die Ansprüche 1 und 6 nicht in ihrer ganzen Breite durch die Beschreibung gestützt seien, weil die dort definierten Oberflächenstrukturen nicht darauf beschränkt seien, dass die Übergänge zwischen Bergen und Tälern steile Hangwinkel aufwiesen (siehe Absätze 20 und 35 in der Patentschrift). Auch dieser Einwand der mangelnden Stützung muss unberücksichtigt bleiben, denn das streitige Merkmal der steilen Hänge fehlte bereits im erteilten Anspruch 1 bzw. 6.
8. Hilfsantrag II - Artikel 100 b) EPÜ
8.1 Nach Artikel 83 EPÜ ist die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist diese Vorschrift so zu verstehen, dass ein beanspruchter Gegenstand anhand des Gesamtinhalts des Patents und mit Hilfe des allgemeinen Fachwissens ohne unzumutbaren Aufwand ausführbar sein muss.
8.2 Im vorliegenden Fall machen die Beschwerdegegnerinnen geltend, dass das Patent keine ausreichende Offenbarung enthalte
- für die Erzeugung mittels EDT mit anschließendem Feinschleifprozess der in Anspruch 6 definierten Walzenoberflächenstruktur und
- für die Erzeugung eines Flachprodukts mit der in Anspruch 1 definierten Oberflächenstruktur.
8.3 Aus folgenden Gründen vermag der diesbezügliche Vortrag der Beschwerdegegnerinnen nicht zu überzeugen.
8.4 Anspruch 6
8.4.1 Gegenstand von Anspruch 6 ist eine Walze, die zur Herstellung eines gemäß Anspruch 1 ausgebildeten Flachprodukts bestimmt ist und dazu eine Walzen-Oberflächenstruktur mit den in Anspruch 6 detailliert angegebenen Merkmale (a) bis (d) besitzt.
8.4.2 Der Fachmann versteht beim Lesen von Anspruch 6 im Lichte der Gesamtoffenbarung des Patents (siehe insbesondere Absätze 26 bis 38 und Figur 1 der Patentschrift), dass die vorgeschriebene Walzenoberflächenstruktur wie folgt erzeugt werden kann: Eine stochastische, gebirgsähnliche Struktur wird mittels EDT auf der Oberfläche der Walze erzeugt, und die erhaltene EDT-Struktur wird anschließend mittels Feinschleifen nachgearbeitet, um die gewünschte Walzenoberflächenstruktur zu erhalten.
8.4.3 Die Ausführung dieser Verfahrensschritte erfordert für den Fachmann keinen unzumutbaren Aufwand bzw. kein erfinderisches Zutun, wie die Beschwerdeführerinnen überzeugend dargelegt haben.
8.4.4 EDT-Verfahren
Anspruch 6 gibt durch die Merkmale (a) bis (d) klare Anweisungen, wie die EDT-Struktur auszusehen hat. Insbesondere sollen Täler bzw. Talsohlen erhalten werden, die auf einen möglichst ebenen und waagerechten Tal-Niveau liegen. Auch wird die mittlere Tiefe der EDT-Struktur in Merkmal (c) von Anspruch 6 bestimmt, und zwar mit Rückbezug auf die mittlere Tiefe der zu erzeugenden Oberflächenstruktur des Flachprodukts, die in Merkmal (e) von Anspruch 1 definiert ist.
Hinweise, wie diese Oberflächenstruktur erhalten werden können, erhält der Fachmann aus den Absätzen 28 bis 31 der Patentschrift, wonach in eine glatt geschliffene Walzenoberfläche durch EDT möglichst nah benachbarte Vertiefungen eingebracht werden, die überlappend eingeschlossen sind (Absätze 28 bis 31) und insbesondere einen Durchmesser von ca. 80 mym aufweisen (Absatz 29). In Figur 1 ist schematisch dargestellt, wie die Böden der EDT-Vertiefungen breite, flache Talsohlen O bilden. Auch das Ausführungsbeispiel in Figur 4 bzw. 8 leitet den Fachmann dazu an, wie die EDT-Vertiefungen in die Oberfläche des Flachprodukts und damit der Walze angeordnet werden können. Ferner wird in Absatz 58 auf die Druckschrift EP 1 584 396 A2 verwiesen, die eine CNC-gesteuerte EDT-Maschine offenbart.
Im Lichte dieser Hinweise erkennt der Fachmann, wie die in Anspruch 6 vorgeschriebene EDT-Struktur erhalten werden kann. Das Patent enthält zwar keine genauen Angaben darüber, wie die Parameter des EDT-Verfahrens eingestellt werden können, um die gewünschte EDT-Struktur zu erhalten. Er wird aber diese Lücke mit Hilfe seines allgemeinen Wissens füllen können (siehe Punkt 2.6 oben). Insbesondere wird er eine passende EDT-Maschine aussuchen und die gewünschte Struktur durch eine wenn auch langwierige und mühsame, aber nicht unzumutbare routinemäßige Optimierung der wichtigsten Betriebsparameter der Maschine, insbesondere der Dauer und Amplitude der Stromimpulse und der Polarität der Walze, erreichen können.
8.4.5 Feinschleifprozess
Anspruch 6 gibt klare Anweisungen, wie die EDT-Struktur mittels Feinschleifen nachzuarbeiten ist. Insbesondere sollen die höchsten Berge der EDT-Struktur auf eine möglichst ebenes und waagerechtes Berg-Niveau gebracht werden. Hinweise, wie der erforderliche Feinschleifprozess ausgeführt werden kann, erhält der Fachmann aus den Absätzen 32 bis 36 der Patentschrift: Die höchsten Bergspitzen der EDT-Struktur werden mittels einer Bandschleifmaschine so weit abgeschliffen, bis sich Bergplateaus ergeben (Absätze 32 bis 35 und Figur 1). Dabei wird durch stufenlos regelbare Zufuhr von ständig neuem Schleifmittel ein über die gesamte Oberfläche gleichmäßiges und ansatzfreies Finish erzeugt (Absatz 33). Diesbezüglich wird erneut auf die Druckschrift EP 1 584 396 A2 verwiesen, die eine CNC-Bandschleifmaschine für das Feinschleifen einer EDT-Struktur offenbart (Absätze 32, 36 und 58).
Es steht außer Zweifel, dass der Fachmann in der Lage ist, eine zur Durchführung dieses Feinschleifprozesses geeignete Bandschleifmaschine auszuwählen und ihre Betriebsparameter so einzustellen, dass die höchsten Berge der Oberflächenstruktur auf das vorgeschriebene Berg-Niveau gebracht werden.
8.5 Anspruch 1
8.5.1 Gegenstand von Anspruch 1 ist ein metallisches Flachprodukt, das eine Oberflächenstruktur mit den in Anspruch 1 detailliert angegebenen Merkmale (a) bis (f) besitzt.
8.5.2 Das Patent gibt klare Anweisungen, auf welche Weise diese Oberflächenstruktur erzeugt werden kann. Demnach wird die Oberflächenstruktur der in Anspruch 6 definierten Walze beim Dressieren gezielt auf die Oberfläche des Flachprodukts übertragen, so dass die Oberflächenstruktur des Flachprodukts ein negatives Abbild der Walzenoberflächenstruktur ist (siehe insbesondere Absatz 25 der Patentschrift und Verfahrensanspruch 7). Diese Vorgehensweise entspricht dem allgemeinen Fachwissen (D21, Abschnitt 4.3.2.1). Die Berge der Walzenoberfläche (Anspruch 6) entsprechen dann im Wesentlichen den Tälern auf der Oberfläche des Flachprodukts (Anspruch 1). In Absatz 37 und in Anspruch 7 ist ein konkretes Beispiel für die Herstellung des Flachprodukts beschrieben, wonach ein Flachprodukt mit einer Mittenrauheit von höchstens 1,5 mym einer Dressierwalzung mit einer Walze gemäß Anspruch 6 unterzogen wird, um ein Flachprodukt zu erhalten, das die in Anspruch 1 angegebene Oberflächenstruktur aufweist.
8.5.3 Der Fachmann entnimmt Merkmal (e) von Anspruch 1 und Merkmal (c) von Anspruch 6, dass die mittlere Tiefe der Oberflächenstruktur des Flachprodukts 1 bis 5 mym und zugleich kleiner als die mittlere Tiefe der Oberflächenstruktur der Walze sein muss. Der Fachmann weiß, dass sich diese unterschiedliche Tiefe durch Einstellung des Dressiergrads bzw. des Walzendrucks erreichen lässt (D21, Abschnitt 4.3.3.2). Bei einer Zusammenschau des Merkmals (b) von Anspruch 1 mit dem Merkmal (b) von Anspruch 6 stellt der Fachmann auch einen Unterschied in der vorgeschriebenen Standardabweichung für die Berge des Flachprodukts (2 sigma <= 2 mym in Anspruch 1) und für die Täler der Walzen fest (2 sigma <= 10 mym in Anspruch 6). Er versteht auf Anhieb, dass diese Vorgabe ebenfalls durch eine geeignete Einstellung des Dressiergrads erreicht werden kann. Es ist nämlich offensichtlich, dass bei einem derart niedrigen Walzendruck, bei dem die Oberflächenstruktur der Walze nicht vollständig in die Oberfläche des Flachprodukts eindringt, dort Berge geformt werden, die plateauförmiger als die - nicht abgeschliffenen - Täler auf der Walzenoberfläche sind. Dies haben die Beschwerdeführerinnen in der mündlichen Verhandlung mit folgender Figur beispielhaft veranschaulicht.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
8.6 Zusammenfassend kann die Kammer also nicht feststellen, dass das Patent die in Anspruch 1 bzw. 6 definierte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie nicht ausführen kann.
8.7 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdegegnerin 3 beanstandet, dass die Merkmale (e) und (f) von Anspruch 1 und das Merkmal (d) von Anspruch 6 so ungewöhnlich und undeutlich formuliert seien, dass der Fachmann nicht sicher beurteilen könne, wann er innerhalb oder außerhalb des Schutzbereichs des Anspruchs arbeite. Nach Auffassung der Kammer stellt dies keinen Einwand der unzureichenden Offenbarung dar, sondern einen Einwand der mangelnden Klarheit. Dieser Einwand ist unter dem vorstehenden Punkt 7.3 behandelt worden. Die Beschwerdegegnerinnen haben dagegen nicht bestritten, dass die Merkmale (a) bis (f) in Anspruch 1 und die Merkmale (a) bis (d) in Anspruch 6 dazu geeignet sind, die stochastische Oberflächenstruktur eines metallischen Flachprodukts bzw. einer Walze zu beschreiben.
8.8 Die Beschwerdegegnerinnen 3 und 4 haben gerügt, dass die Ansprüche 1 und 6 nicht in ihrer ganzen Breite durch die Beschreibung gestützt seien, weil die dort definierten Oberflächenstrukturen nicht darauf beschränkt seien, dass die Übergänge zwischen Bergen und Tälern steile Hangwinkel aufweisen (siehe Absätze 20 und 35 in der Patenschrift). Nach Auffassung der Kammer stellt dies keinen Einwand der unzureichenden Offenbarung dar, sondern einen Einwand der mangelnden Stützung durch die Beschreibung nach Artikel 84 EPÜ. Dieser Einwand wurde im vorstehenden Punkt 7.4 behandelt.
8.9 Die Beschwerdegegnerin 4 hat zum Beleg ihrer Behauptung der unzureichenden Offenbarung auf die Dokumente D19, D23 und D24 verwiesen. Im 1997 veröffentlichen, wissenschaftlichen Artikel D19 ist offenbart, dass die Ausbildung der EDT-Struktur von einer Mehrzahl von Parametern abhängt, wie unter Punkt 2.6 oben dargelegt. D23 ist die Kopie einer Pressemitteilung der Fa. ThyssenKrupp Steel Europe, die unter den Markennamen PrimeTex® und EloTex® zur Verfügung stehende Bleche beschreibt. Es handelt sich um gewalzte Bleche, bei denen die Dressierwalzen mittels EDT texturiert waren. D23 erwähnt, dass eine besonders hohe Prozessgenauigkeit verlangt wird (Seite 2, Zeilen 8 und 9). D24 enthält Abbildungen einer Standard- und einer PrimeTex®-Textur sowie Abbildungen von Kotflügeln aus PrimeTex®-Blechen. Die Dokumente D19, D23 und D24 mögen zwar die Komplexität des EDT-Verfahrens belegen, was auch von den Beschwerdeführerinnen nicht bestritten wird. Sie geben aber keinerlei Aufschluss darüber, dass der Fachmann die beanspruchte Erfindung tatsächlich nicht ausführen kann, selbst unter Berücksichtigung seines allgemeinen Wissens.
8.10 Schließlich haben die Beteiligten im Beschwerdeverfahren divergierende Auffassungen zu der Frage vertreten, wer von ihnen im vorliegenden Fall die Beweislast in Bezug auf die Frage der Ausführbarkeit trägt. In der Regel tragen die Beschwerdegegnerinnen als Einsprechende die Beweislast für ihre Behauptung der unzureichenden Offenbarung. Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerinnen, dass die Beschwerdegegnerinnen dieser Beweispflicht nicht genügt haben, weil sie keine ernsthaften, durch nachprüfbare Tatsachen untermauerte Zweifel an der Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung geweckt haben, mit der Konsequenz, dass ihre Behauptung der unzureichenden Offenbarung nur als unbewiesene Vermutung angesehen werden kann. Eine Beweislastumkehr findet deshalb nicht statt.
9. Die Kammer kommt also zu dem Schluss, dass weder Artikel 123 (2) EPÜ noch Artikel 84 EPÜ, noch die von den Beschwerdegegnerinnen geltend gemachten Einspruchsgründe der unzulässigen Änderung vor der Erteilung (Artikel 100 c) EPÜ) und der unzureichenden Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hilfsantrags II der Beschwerdeführerinnen entgegenstehen.
10. Zurückverweisung
10.1 Der ebenfalls geltend gemachte Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit bzw. der mangelnden erfinderischen Tätigkeit wurde vor der Einspruchsabteilung noch nicht abschließend erörtert.
10.2 In diesem Zusammenhang wäre auch die technische Relevanz und gegebenenfalls die Offenkundigkeit der geltend gemachten Vorbenutzungen zu prüfen, was bisher nicht erfolgt ist.
10.3 Unter diesen Umständen ist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen (Artikel 111 (1) EPÜ).
11. Auf die Hilfsanträge III und IV der Beschwerdeführerinnen braucht nicht eingegangen zu werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.