T 1047/13 () of 12.6.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T104713.20150612
Datum der Entscheidung: 12 Juni 2015
Aktenzeichen: T 1047/13
Anmeldenummer: 07727986.7
IPC-Klasse: B32B 9/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: MEHRSCHICHTFOLIE UND VERFAHREN ZU DEREN HERSTELLUNG
Name des Anmelders: BIOTEC Biologische Naturverpackungen GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: NOVAMONT SPA
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde des Patentinhabers richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent EP 2 010 380 zu widerrufen.

II. Der Einsprechende hatte im Einspruchsschriftsatz den Widerruf des Patentes im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 c) EPÜ beantragt. Später wurde noch der Einspruchsgrund mangelnder Neuheit geltend gemacht.

III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem vorgelegt:

D2: WO 2004/052646 A1;

D12: Produktankündigung Lotader**(®) AX8950; und

D16: Versuchsbericht, C. Heß, BIOTEC GmbH & Co. KG.

IV. Der Entscheidung der Einspruchsabteilung lagen die erteilten Ansprüche (Hauptantrag) sowie ein für die vorliegende Entscheidung nicht relevanter Hilfsantrag zugrunde. Der erteilte Anspruch 1 lautete wie folgt:

"1. Mehrschichtfolie, insbesondere für Verpackungszwe­cke, umfassend mindestens eine erste Schicht A und mindestens eine zweite Schicht B, wobei die Schicht B thermoplastische Stärke enthält und die Schicht A thermoplastischen Polyester und mindestens ein Verarbeitungshilfsmittel in einer Menge von bis zu 5 Gew.% bezogen auf die Gesamtzusammensetzung der Schicht A enthält, wobei das Verarbeitungshilfsmittel ausgewählt ist aus Polymeren, die ein Polymergerüst und mindestens eine das Polymergerüst modifizierende reaktive Gruppe enthalten, wobei das Polymer des Polymergerüsts mit mindestens einer Polymerkomponente aus mindestens einer Schicht der Mehrschichtfolie mischbar und die reaktive Gruppe geeignet ist mit mindestens einer Polymerkomponente aus mindestens einer Schicht der Mehrschichtfolie chemisch zu reagieren."

V. Bezüglich der erteilten Ansprüche (Hauptantrag) entschied die Einspruchsabteilung:

- Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ stehe der Aufrechterhaltung der erteilten Patentansprüche nicht entgegen, insbesondere hinsichtlich des vom Einsprechenden beanstandeten Verweises auf eine das Polymergerüst modifizierende reaktive Gruppe im Singular.

- Der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit wurde in das Verfahren zugelassen und die Neuheit des Hauptantrages gegenüber dem einzigen angezogenen Dokument D2 anerkannt.

- Die durch den Hauptantrag umschriebene Erfindung beruhe jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D2, sowohl allein als auch in Kombination mit D12.

VI. Gegen diese Entscheidung legte der Patentinhaber (Beschwerdeführer) am 30. April 2013 Beschwerde ein.

VII. Mit Schreiben vom 14. Mai 2013 wurde vom Einsprechenden (Beschwerdegegner) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

VIII. Mit Schreiben vom 28. Juni 2013 zog der Beschwerdegegner seinen Einspruch zurück.

IX. In der am 27. August 2013 eingereichten Beschwerdebegründung erklärte der Beschwerdeführer, warum der Gegenstand der erteilten Ansprüche im Hinblick auf D2 sowie die Kombination von D2 mit D12 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. In diesem Zusammenhang wurden die folgenden Anlagen eingereicht:

P1: Gutachterliche Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. M. D. Lechner vom 16. August 2013;

P2: "Herstellung einer Mehrschichtfolie gemäß nächstliegendem Stand der Technik D2";

P3: "Herstellung einer Mehrschichtfolie-erfindungsgemäß-"

P4: Kunststoff-Kompendium, A. Franck, Würzburg, 1984, 3 Seiten;

P5: Internetausdruck "Technische Kunststoffe, Spezialkunststoffe, Funktionspolymere";

P6: Internetausdruck "Ausführliche Information über leistungsstarke technische Kunststoffe im BASF PlasticsPortal";

P7: Internetausdruck "Engineering plastic" aus Wikipedia;

P8: "Reaktive Verarbeitungshilfsmittel, z.B. Lotader**(®);

P9: "Erwartete Wirkungsweise von Lotader bei hydrophoben Polymeren",

P10: "Gattungsgemäße Mehrschichtfolie";

P11: "Zugabe des reaktiven Verarbeitungshilfsmittels in die Stärkeschicht"; und

P12: "Zugabe des reaktiven Verarbeitungshilfsmittels in die Polyesterschicht".

Als Hauptantrag beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes in erteilter Fassung, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents gemäß der ebenfalls mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge I-IV.

X. In der mit Bescheid vom 16. Oktober 2014 geäußerten vorläufigen Meinung erhob die Kammer unter anderem einen Einwand unter Artikel 100 c) EPÜ hinsichtlich des Merkmals im erteilten Anspruch 1, dass nur eine einzige modifizierende reaktive Gruppe (Singular) pro Polymerkette des Verarbeitungshilfsmittels vorliege.

XI. Während der am 12. Juni 2015 stattgefundenen mündlichen Verhandlung wurden der von der Kammer in der vorläufigen Meinung erhobene Einwand unter Artikel 100 c) EPÜ sowie die Frage der Mischbarkeit des Verarbeitungshilfsmittels angesprochen. Daraufhin reichte der Beschwerdeführer einen neuen Anspruch 1 und geänderte Beschreibungsseiten 2, 3 und 4 ein und zog alle im schriftlichen Verfahren eingereichten Anspruchsanträge zurück. Entsprechend beantragte der Beschwerdeführer als einzigen Antrag die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes in folgender Fassung:

- Ansprüche:

- Anspruch 1, wie am 12. Juni 2015 in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht, und

- Ansprüche 2 bis 29 wie erteilt;

- Beschreibung:

- Seite 2 bis 4, wie am 12. Juni 2015 in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht, und

- Seite 5 bis 7 und Seite 8, Spalte 13, Zeile 1 bis 40 wie erteilt;

- Zeichnungen:

- Abbildung 1 wie erteilt.

Der neu eingereichte Anspruch 1 lautete wie folgt:

"1. Mehrschichtfolie, insbesondere für Verpackungszwe­cke, umfassend mindestens eine erste Schicht A und mindestens eine zweite Schicht B, wobei die Schicht B thermoplastische Stärke enthält und die Schicht A thermoplastischen Polyester und mindestens ein Verarbeitungshilfsmittel in einer Menge von bis zu 5 Gew.% bezogen auf die Gesamtzusammensetzung der Schicht A enthält, wobei das Verarbeitungshilfsmittel ausgewählt ist aus Polymeren, die ein Polymergerüst aufweisen, welches mit reaktiven Gruppen modifiziert ist, wobei das Polymer des Polymergerüsts mit mindestens einer Polymerkomponente der Schicht A der Mehrschichtfolie mischbar und die reaktiven Gruppen geeignet sind mit mindestens einer Polymerkomponente der Schicht B der Mehrschichtfolie chemisch zu reagieren."

Hinsichtlich des Gegenstandes dieses Anspruchs sowie der übrigen Ansprüche hatte die Kammer keine Einwände unter Artikel 100 c), 123(2), 84, 83, 54 und 56 EPÜ.

XII. Vom Beschwerdegegner wurden keine Argumente vorgebracht. Nach Rücknahme des Einspruchs ist der Beschwerdegegner keine Verfahrenspartei mehr.

Entscheidungsgründe

1. Änderungen - Artikel 100 c), 123(2), 123(3) und 84 EPÜ

1.1 Die vorliegenden Ansprüche umfassen einen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 geänderten Anspruch 1 sowie die erteilten Ansprüche 2-29. Anspruch 1 bezieht sich auf eine Mehrschichtfolie umfassend mindestens eine erste Schicht A und mindestens eine zweite Schicht B, wobei die Schicht A thermoplastischen Polyester und mindestens ein Verarbeitungshilfsmittel und die Schicht B thermoplastische Stärke enthält (hinsichtlich des genauen Wortlauts des Anspruchs 1, siehe Punkt IV oben).

1.2 Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung der erteilten Ansprüche nicht entgegensteht. Abgesehen von der unten diskutierten Formulierung im erteilten Anspruch 1 (Punkt 1.3) kann sich die Kammer dieser Entscheidung anschließen.

1.3 Der erteilte Anspruch 1 enthielt die Formulierung "wobei das Verarbeitungshilfsmittel ausgewählt ist aus Polymeren, die ein Polymergerüst und mindestens eine das Polymergerüst modifizierende reaktive Gruppe enthalten". Im jetzt vorliegenden Anspruch 1 wurde diese Formulierung ersetzt durch "wobei das Verarbeitungshilfsmittel ausgewählt ist aus Polymeren, die ein Polymergerüst aufweisen, welches mit reaktiven Gruppen modifiziert ist" (Änderung durch die Kammer hervorgehoben).

Diese Änderung geht auf den im Einspruchsverfahren durch den Einsprechenden gemachten und von der Kammer in ihrer vorläufigen Meinung aufgegriffenen Einwand unter Artikel 100 c) EPÜ zurück, dass sich der erteilte Anspruch 1 auf eine "reaktive Gruppe" im Singular bezieht, während der erste Vollabsatz der Seite 9 der ursprünglich eingereichten Anmeldung "reaktive Gruppen" im Plural nennt. Durch die jetzt wortgleich aus diesem ersten Vollabsatz der Seite 9 übernommene Pluralformulierung in den Anspruch 1 wurde diesem Einwand entsprochen.

1.4 In der viert- und drittletzten Zeile des erteilten Anspruchs 1 wurde ferner im Einklang mit der obigen Änderung (Punkt 1.3) die Formulierung "die reaktive Gruppe geeignet ist" in die Pluralform "die reaktiven Gruppen geeignet sind" geändert. Diese Änderung ist auf Seite 9, Zeile 28 der ursprünglich eingereichten Anmeldung gestützt.

1.5 Schließlich wurde gegenüber dem erteilten Anspruch 1

a) die Mischbarkeit des Polymers des Verarbeitungshilfsmittels mit mindestens einer Polymerkomponente aus mindestens einer Schicht der Mehrschichtfolie dahingehend eingeschränkt, dass das Polymer des Verarbeitungshilfsmittels mit mindestens einer Polymerkomponente der Schicht A der Mehrschichtfolie mischbar ist; und

b) die Eignung der reaktiven Gruppen des Verarbeitungshilfsmittels, mit mindestens einer Polymerkomponente aus mindestens einer Schicht der Mehrschichtfolie chemisch zu reagieren dahingehend eingeschränkt, dass die reaktiven Gruppen geeignet sind, mit mindestens einer Polymerkomponente der Schicht B der Mehrschichtfolie zu reagieren.

Diese Änderungen a) und b) sind auf Seite 9, Zeile 14-18 sowie Seite 9, Zeile 26-31 der ursprünglich eingereichten Anmeldung gestützt.

1.6 Somit erfüllen die gegenüber den erteilten Ansprüchen durchgeführten Änderungen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

1.7 Die Kammer sieht auch keine Grundlage für Einwände unter Artikel 84 oder 123(3) EPÜ, so dass die Änderungen auch die Erfordernisse dieser Artikel erfüllen.

2. Neuheit

2.1 Der einzige Neuheitsangriff im Einspruchsverfahren erfolgte auf der Grundlage der D2. Von der Einspruchsabteilung wurde die Neuheit gegenüber D2 anerkannt.

2.1.1 D2 offenbart eine Mehrschichtfolie mit mindestens zwei Schichten aus mindestens je

- einer Stärkeblendschicht, bestehend aus einem modifizierten thermoplastischen Stärkeblend, und

- einer Polyesterschicht, bestehend aus einem biologisch abbaubaren Polyester (Seite 7, Zeile 9-15).

Die Stärkeblendschicht enthält vorzugsweise 5 bis 20 % eines Verträglichkeitsvermittler (Seite 8, Zeile 1-9). Entsprechend liegt in allen Beispielen der D2, in denen ein Verträglichkeitsvermittler eingesetzt wird, dieser in dem modifizierten thermoplastischen Stärkeblend, nämlich BioPar**(®) 9345, vor.

Als Verträglichkeitsvermittler wird unter anderem Lotader**(®) genannt (Seite 10, Zeile 1-3).

2.1.2 Die Stärkeblendschicht der D2 entspricht der anspruchsgemäßen thermoplastischen Stärkeschicht B. Die Polyesterschicht der D2 entspricht der anspruchsgemäßen thermoplastischen Polyesterschicht A. Das in D2 eingesetzte Lotader**(®) entspricht dem anspruchsgemäßen Verarbeitungshilfsmittel (Spalte 5, Zeile 44-45 des Streitpatents).

2.1.3 Anspruch 1 umfasst zwei Ausführungsformen, nämlich (i) eine Ausführungsform, in der das Verarbeitungshilfsmittel ausschließlich in der Polyesterschicht A vorliegt und (ii) eine Ausführungsform, in der das Verarbeitungshilfsmittel sowohl in der Polyesterschicht A, als auch in der Stärkeschicht B vorliegt. In beiden Ausführungsformen enthält die Polyesterschicht A zwingend Verarbeitungshilfsmittel. Im Gegensatz hierzu liegt das Verarbeitungshilfsmittel in D2 nicht in der Polyesterschicht A, sondern ausschließlich in der Stärkeschicht B vor.

2.1.4 Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 und damit verbunden aller weiteren Ansprüche ist somit im Einklang mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung gegenüber D2 anzuerkennen.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Von der Einspruchsabteilung wurde entschieden, dass es den erteilten Ansprüchen an erfinderischer Tätigkeit gegenüber D2 bzw. D2 in Kombination mit D12 mangelt.

3.2 Die dem Streitpatent zu Grunde liegende Erfindung betrifft biologisch abbaubare Mehrschichtfolien, insbesondere für Verpackungszwecke mit unter anderem ausgezeichneten Barriereeigenschaften, insbesondere einer geringen Sauerstoffdurchlässigkeit (Spalte 1, Zeile 3-5, Zeile 28-32 und Zeile 50-53).

3.3 In gleicher Weise bezieht sich D2 auf biologisch abbaubare Mehrschichtfolien für den Verpackungsbereich mit einer Barrierewirkung gegenüber Sauerstoff (Seite 1, Zeile 3-5). Somit kann im Einklang mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung und der Argumentation des Beschwerdeführers D2 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden.

Wie oben bei der Diskussion der Neuheit ausgeführt wurde, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1, und damit aller übrigen Ansprüche 2-29, von D2 dadurch, dass das Verarbeitungshilfsmittel im Gegensatz zu D2 zwingend in der Polyesterschicht A vorliegt.

3.4 Gemäß Streitpatent besteht eine der zu lösenden Aufgaben darin, den Haftverbund zwischen den Schichten A und B der Mehrschichtfolie zu verbessern (Absatz [0034]) und Beispiele 6 und 8).

3.5 Dies wird anspruchsgemäß dadurch erreicht, dass das Verarbeitungshilfsmittel in der Polyesterschicht A vorhanden ist.

3.6 Es ist zu untersuchen, ob diese Aufgabe glaubhaft gelöst wurde.

3.6.1 Während des Einspruchsverfahrens wurde vom Beschwerdeführer zu dieser Frage ein Versuchsbericht D16 eingereicht, in dem ein anspruchsgemäßer Versuch (Experiment 1, Verarbeitungshilfsmittel ausschließlich in der Polyesterschicht) einem der D2 entsprechenden Versuch (Experiment 2, Verarbeitungshilfsmittel ausschließlich in der Stärkeschicht) gegenübergestellt wurde. Verglichen wurden Mehrschichtfolien der Anordnung A-B-A, wobei es sich bei Schicht A um eine Polyesterschicht und bei Schicht B um eine Stärkeschicht handelte. In dem anspruchsgemäßen Experiment wurden jeweils 0,5 Gew.% Lotader**(®) 3210 den beiden äußeren Polyesterschichten A zugemischt, während in dem der D2 entsprechenden Experiment 1 Gew.% Lotader**(®) 3210 der Stärkeschicht B zugesetzt wurde. Wie aus der auf Seite 6 befindlichen Tabelle 5 hervorgeht, wurde für die erfindungsgemäße Mehrschichtfolie ein Haftverbund von 57,0 N/m erreicht, während bei der gemäß der Lehre der D2 hergestellten Mehrschichtfolie lediglich ein Haftverbund von 17,5 N/m erhalten wurde. Somit ist durch die Vergleichsversuche D16 glaubhaft belegt, dass für anspruchsgemäße Ausführungsformen, in denen sich das Verarbeitungshilfsmittel ausschließlich in der Polyester-, statt der Stärkeschicht befindet, ein verbesserter, nämlich ungefähr dreifach erhöhter, Haftverbund erhalten wird.

3.6.2 Das gleiche gilt nach Auffassung der Kammer auch für die Ausführungsform des Anspruchs 1, bei der sowohl die Polyesterschicht A als auch die Stärkeschicht B Verarbeitungshilfsmittel enthält. Eine solche Ausführungsform wurde zwar in den Vergleichsversuchen D16 nicht getestet, die Kammer sieht jedoch keinen Grund anzuzweifeln, dass auch für diese Ausführungsform ein gegenüber D2 verbesserter Haftverbund erhalten wird. Wie oben dargelegt (Punkt 3.6.1), führt in D16 eine vollständige "Verschiebung" des Verarbeitungshilfsmittels von der Stärkeschicht B (gemäß D2) zu den Polyesterschichten A (anspruchsgemäß) bei gleicher Gesamtmenge an Verarbeitungshilfsmittel zu einer Verdreifachung des Haftverbunds. Daher ist nach Auffassung der Kammer davon auszugehen, dass auch bei einer "teilweisen Verschiebung" des Verarbeitungshilfsmittel dergestalt, dass dieses in beiden Schichten A und B enthalten ist, wenn nicht eine Verdreifachung, so zumindest eine gewisse Erhöhung des Haftverbundes, auftritt.

3.6.3 Daher besteht die objektiv gegenüber D2 gelöste Aufgabe darin, Mehrschichtfolien mit verbessertem Haftverbund bereitzustellen.

3.7 Es ist zu prüfen, ob es ausgehend von dieser objektiven technischen Aufgabe nahe lag, die Lehre der D2 so zu verändern, dass der Anspruchsgegenstand erhalten wird.

3.7.1 Von der Einspruchsabteilung wurde diese Frage unter Hinweis auf die Offenbarung der D2 auf Seite 10, Zeile 9-15 bejaht, wo Folgendes festgehalten wird:

"Überraschend wurde gefunden, dass der Einfluss des Verträglichkeitsvermittlers nicht nur für die Blendstabilität von Bedeutung ist, sondern auch für die Festigkeit der Adhäsionsschicht zwischen der Innen- und den Außenschichten der Mehrschichtfolie. Dies beruht vermutlich darauf, dass die hydrophilen und hydrophoben Blocksegmente des Verträglichkeitsvermittlers in die Phasengrenzschicht migrieren und somit die Haftung vergrößern."

Von der Einspruchsabteilung wurde argumentiert, dass der Fachmann vor dem Hintergrund dieses Hinweises die berechtigte Hoffnung hege, dass ein Zusatz von Lotader**(®) zu der Polyesterschicht der D2 die Haftung zwischen der Polyester- und der Stärkeschicht weiter verbessere.

Dieses Argument ist nach Auffassung der Kammer nicht überzeugend. Es ist der D2 zwar zu entnehmen, dass der Verträglichkeitsvermittler, wie beispielsweise das Lotader**(®), den Haftverbund verbessert. Es ist jedoch an keiner Stelle der D2 ein Hinweis zu finden, dass der Haftverbund noch weiter verbessert werden kann, wenn der Verträglichkeitsvermittler nicht (nur) der

Stärkeschicht, sondern, wie anspruchsgemäß gefordert, (auch) der Polyesterschicht zugemischt wird. Im Gegenteil schreibt D2 zwingend vor, dass sich der Verträglichkeitsvermittler in der Stärkeschicht B befindet (Anspruch 1 der D2) und dieser wird auch in allen Ausführungsbeispielen der D2 ausschließlich der Schicht B zugemischt. Tatsächlich schließt D2 das Zumischen des Verträglichkeitsvermittlers in die Polyesterschicht A sogar explizit aus, da gemäß Anspruch 1 der D2 die Polyesterschicht A aus einem Polyester besteht. Somit wäre der mit der objektiven technischen Aufgabe konfrontierte Fachmann ausgehend von D2 allein nicht zum Anspruchsgegenstand gelangt. Die erfinderische Tätigkeit muss daher gegenüber D2 bejaht werden.

3.7.2 Von der Einspruchsabteilung wurde ferner argumentiert, dass aus D12 bekannt sei, dass Lotader**(®) das Fließverhalten von Polyester verbessere. Daher würde der Fachmann ausgehend von der in der D2 vorbeschriebenen Folie das Produkt Lotader**(®) auch dem Polyester für die Polyesterschicht zusetzen, um dessen Fließverhalten bei der Coextrusion zu verbessern.

Diese Betrachtung der Einspruchsabteilung ist jedoch für die Frage des Naheliegens nicht relevant. Insbesondere besteht die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung einer Mehrschichtfolie mit verbessertem Haftverbund, und nicht, wie die Betrachtung der Einspruchsabteilung suggeriert, einer Folie mit verbesserten Fließeigenschaften des Polyesters der Polyesterschicht.

Tatsächlich liefert D12 auch an keiner Stelle einen Hinweis, dass der Haftverbund zwischen den Schichten der D2 dadurch weiter verbessert werden kann, dass der Verträglichkeitsvermittler Lotader**(®) nicht (nur) der Stärke-, sondern (auch) der Polyesterschicht der D2 zugemischt wird. Somit ist die erfinderische Tätigkeit gegenüber der von der Einspruchsabteilung zitierten Kombination der Dokumente D2 und D12 anzuerkennen.

4. Die in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer durchgeführten Änderungen in den Beschreibungsseiten 2, 3 und 4 dienten der Anpassung der Beschreibung an die geänderten Ansprüche. Diese Änderungen erfüllen die Erfordernisse des EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche: Anspruch 1, wie am 12. Juni 2015 in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht und Ansprüche 2 bis 29 wie erteilt;

- Beschreibung: Seite 2 bis 4 wie am 12. Juni 2015 in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht und Seite 5 bis 7 und Seite 8, Spalte 13, Zeile 1 bis 40 wie erteilt;

- Zeichnungen: Abbildung 1 wie erteilt.

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