European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2016:T094413.20161005 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 October 2016 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0944/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01107590.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | G03B 15/03 G08G 1/01 G03B 15/05 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Blitzlampe zur Verwendung in photographischen Verkehrsüberwachungs-Anlagen | ||||||||
Name des Anmelders: | JENOPTIK Robot GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | eso GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.4.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent EP 1 143 290 B1 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Hauptantrag) widerrufen wurde. Der damals geltende Hilfsantrag wurde von der Einspruchsabteilung nach Regel 80 EPÜ nicht zugelassen.
II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt, die angefochtene "Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben, den Einspruch zurückzuweisen und das Patent im vollem Umfang aufrechtzuerhalten."
III. Mit Schreiben vom 26. Juli 2013 hat die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) den Einspruch zurückgenommen. Folglich ist die bisherige Beschwerdegegnerin an diesem Verfahren nicht mehr beteiligt.
IV. Auf die folgenden Dokumente wird in der vorliegenden Entscheidung Bezug genommen:
D1: JP 01 152 436 A
D2: DE 28 39 097 A1
D3: DE 195 20 502 A1
D4: DE 198 11 247 A1
D5: Feinwerktechnik; rororo Technik Lexikon (1972); "Lichtbegrenzer" und "Wabenkondensor"; Seiten 586 und 1143
D6: Fotografie für Könner ISBN 38 122 30151 (1982) "Blitzröhren und Glühlampen im Studio", Seite 44
D7: Foto Walser Spezialversand, Webseitenausdruck vom 3.2.2006 mitArtikeln 12514, 12510 und 12515, Vorsätze für Studioleuchten, 1 Seite
D8: Prospekt "Velomatic 103A Speed Meter" der Firma "eLTraFF" S.R.L", Concorezzo (IT), 10 Seiten
V. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 des Haupt- und einzigen Antrags (Patent wie erteilt) lautet wie folgt:
"Anlage zur Verkehrsüberwachung zur Feststellung einer Übertretung von Verkehrsvorschriften enthaltend eine Kamera zum zur Erzeugung einer Aufnahme eines Fahrzeugs als Beweis für die Übertretung und eine Blitzlampe (10) zum Ausleuchten dieser Aufnahme, dadurch gekennzeichnet, dass vor der Blitzlampe (10) eine wabenartige Struktur von nebeneinander angeordneten, bündelbegrenzenden Kanälen (24) angeordnet ist, die den Ausstrahlungswinkel (alpha) des Blitzlichtes so begrenzt, dass das Blitzlicht im wesentlichen auf das zu photographierende Fahrzeug fällt."
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 100 b) und c) EPÜ
2.1 Die Einspruchsabteilung hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die Voraussetzungen des Artikels 100 b) bzw. c) EPÜ erfüllt sind (Gründe der Entscheidung, Punkte 4, 5). Die Kammer stimmt vollständig sowohl dieser Schlussfolgerung als auch den dafür gegebenen Begründungen zu.
2.2 Da sich die Einsprechende im Beschwerdeverfahren zu diesem Thema nicht weiter geäußert hat, sieht die Kammer keinen Anlass, den Feststellungen der Einspruchsabteilung noch etwas hinzuzufügen.
3. Artikel 100 a): Neuheit
3.1 Die beanspruchte Anlage zur Verkehrsüberwachung enthält u.a. "eine Kamera zur Erzeugung einer Aufnahme eines Fahrzeugs als Beweis für die Übertretung". Damit die Aufnahme als gerichtsverwertbarer Beweis dienen kann, ist es implizit, dass die Anlage ein geeignetes Mittel zur Aufnahme der relevanten Daten (Zeit, Tag, Geschwindigkeit) aufweisen muss (siehe Absatz [0002]).
3.2 Druckschriften D1-D7 betreffen konventionelle Kameratechnik oder Signalleuchten, und enthalten keine Offenbarung einer Verkehrsüberwachungssanlage oder eines Mittels zur Aufnahme der Daten (Zeit, Tag, Geschwindigkeit u.s.w).
Im vorhandenen Stand der Technik offenbart nur das Dokument D8 eine Anlage zur Verkehrsüberwachung. Auch wenn angenommen wird, dass das Veröffentlichungsdatum des Dokuments D8 vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents war - was nicht völlig klar ist - wird es nicht bestritten, dass der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 in Dokument D8 nicht offenbart ist.
3.3 Daher steht die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Streitpatents außer Frage (Artikel 52(1) EPÜ und 54 EPÜ 1973).
4. Artikel 100 a): Erfinderische Tätigkeit
4.1 Beide Parteien, sowie die Einspruchsabteilung haben die Anlage zur Verkehrsüberwachung, die in den Absätzen [0002] und [0003] des Streitpatents beschrieben wird, als nächstliegenden Stand der Technik angesehen, und die Kammer sieht keine Veranlassung, von dieser Beurteilung abzuweichen.
4.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents unterscheidet sich von diesem nächstliegenden Stand der Technik durch die kennzeichnenden Merkmale.
4.3 Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit ist die Definition der zu lösenden technischen Aufgabe ein Hauptstreitpunkt zwischen den Parteien.
4.4 Der Hintergrund der beanspruchten Erfindung wird in Absätzen [0003] und [0004] näher erläutert. Eine herkömmliche Blitzlampe erzeugt einen Lichtkegel mit einem relativ großen Öffnungswinkel, der im Kontext einer Verkehrsüberwachungsanlage nachteilig ist:
- "Das Blitzlicht kann z.B andere, unbeteiligte Verkehrsteilnehmer irritieren und blenden. Außerdem ist der Blitz u.U. weithin sichtbar, wenn er auch die Umgebung des überwachten Fahrzeugs ausleuchtet. Dadurch werden andere Fahrzeuge, die auch mit überhöhter Geschwindigkeit fahren, schon von weitem gewarnt. Dadurch hervorgerufene Bremsreaktionen der Fahrer können zu Unfällen führen."
4.5 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin besteht daher die objektiv zu lösende Aufgabe darin, "eine Blitzlampe für Verkehrsüberwachungsanlagen so auszubilden, dass Störungen und insbesondere Warnungen Dritter durch die Blitzbeleuchtung vermieden und reduziert werden (siehe Patentschrift Absatz [0007])."
4.6 Im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdegegnerin keine Stellungnahmen zu dieser Frage abgegeben. Im Verfahren vor der ersten Instanz hat die Beschwerdegegnerin ursprünglich eine Formulierung vorgeschlagen, die im Wesentlichen identisch der in der Beschreibung genannten Aufgabe ist:
- "Der Erfindung liegt somit die objektive Aufgabe zugrunde, eine Blitzlampe für Anlagen zur Verkehrsüberwachung zu schaffen, bei welcher Störungen und Warnungen Dritter durch die Blitzlampe vermieden oder reduziert werden." (Einspruch, Punkt 3.3.)
4.7 In dem Schreiben vom 30. November 2006 (Punkt 3) definiert jedoch die Beschwerdegegnerin die Aufgabe neu:
- "Der vermeintlichen Erfindung 1iegt die objektive Aufgabe zugrunde, einen Lichtkegel mit einem relativ großen Öffnungswinkel zu vermeiden um insbesondere auch andere Verkehrsteilnehmer durch das Blitzlicht nicht zu irritieren (s. Kap. 0007)";
und weiter unten in derselben Stelle:
- "Dem Anspruch 1 liegt unverkennbar lediglich das Problem zugrunde eine Bündelung des Lichtblitzes durch einen Wabenfilter zu erreichen um den Ausstrahlungswinkel des Blitzlichtes zu begrenzen."
4.8 Die Einspruchsabteilung war auch der Meinung, dass eine Umformulierung der Aufgabe erforderlich war:
- "Die objektive mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 zu lösende Aufgabe besteht also darin, das zu photographierende Fahrzeug mit einer Blitzlampe derart zu beleuchten, dass das Blitzlicht im wesentlichen (nur) auf das zu fotografierende Fahrzeug fällt" (Gründe für die Entscheidung, Punkt 6.4).
4.9 Dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz folgend haben die Beschwerdekammern bestimmte Kriterien aufgestellt, anhand deren die zu lösenden technischen Aufgabe bestimmt werden kann.
4.10 Eines der Kriterien ist, dass die technische Aufgabe einer Erfindung so zu formulieren ist, dass sie keine Lösungsansätze enthält oder teilweise die Lösung vorwegnimmt, was zwangsläufig zu einer rückschauenden Betrachtungsweise der erfinderischen Tätigkeit führt (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes, 8. Auflage 2016, I.D.4.3.1).
Es steht außer Zweifel, dass das Ziel der Erfindung ist, die unter Punkt 4.4 oben genannten Nachteile zu vermindern oder zu beseitigen. Insbesondere sollen Störungen und Warnungen Dritter durch die Blitzbeleuchtung vermieden oder reduziert werden.
Nach Auffassung der Kammer sind die beanspruchten Merkmale, den Ausstrahlungswinkel des Blitzlichtes zu begrenzen, und das Blitzlicht so zu gestalten, dass es im Wesentlichen nur auf das zu photographierende Fahrzeug fällt, nicht Teil der Aufgabe, sondern Teil der Lösung. Formulierungen der Aufgabe, die diese Merkmale oder Hinweise darauf aufnehmen (siehe Punkte 4.7 und 4.8, oben), erfüllen daher nicht das oben genannte Kriterium.
4.11 Andererseits findet die Kammer, dass die im Streitpatent definierte Aufgabe auch unzutreffend formuliert ist.
Wie die Beschwerdeführerin erläutert hat, ist es nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer zu berücksichtigen, dass:
- "bei der objektiven Ermittlung der erfindungsgemäß gelösten Aufgabe zunächst von der im Streitpatent formulierten Aufgabe auszugehen ist. Erst wenn die Prüfung ergibt, dass die dort gestellte Aufgabe nicht gelöst ist, oder wenn ein unzutreffender Stand der Technik zur Definition der Aufgabe herangezogen wurde, muss untersucht werden, welche andere Aufgabe objektiv bestand." (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes, 8. Auflage 2016, I.D.4.3.2.)
Wie bereits erwähnt ist es unbestritten, dass die Anlage zur Verkehrsüberwachung, die im Absatz [0002] des Streitpatents beschrieben wird, den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
Nach Meinung der Kammer wird jedoch die im Streitpatent genannte (und von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene) Aufgabe durch die Merkmale des Anspruchs 1 zumindest im formalen Sinne nicht gelöst.
4.12 Anspruch 1 definiert eine Anlage zur Verkehrsüberwachung, die u.a. eine Kamera, eine Blitzlampe und eine wabenartige Struktur enthält. Gemäß dieser Definition sind die Blitzlampe und die wabenartige Struktur zwei verschiedene Merkmale.
Die Anlage zur Verkehrsüberwachung gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich vom nächstliegenden Stand der Technik durch die Hinzufügung der wabenartigen Struktur. Keine Modifikation oder Umgestaltung der Blitzlampe ist in Anspruch 1 definiert, und folglich entspricht der Gegenstand von Anspruch 1 nicht einer Lösung eines technischen Problems, das als "eine Blitzlampe für Verkehrsüberwachungsanlagen so auszubilden ..." definiert ist.
4.13 Folglich muss die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Aufgabe modifiziert werden, um sie dem Wortlaut des derzeitig vorlegenden Anspruchs 1 anzupassen. Ausgehend von der Anlage zur Verkehrsüberwachung, die in den Absätzen [0002] und [0003] des Streitpatents beschrieben wird, sieht die Kammer die zu lösende Aufgabe darin, eine Anlage zur Verkehrsüberwachung so auszubilden, dass Störungen und insbesondere Warnungen Dritter durch die Blitzbeleuchtung vermieden und reduziert werden.
4.14 Dokumente D1-D3 und D5-D7 befassen sich mit allgemeinen Aspekten der Beleuchtung für die Fotografie, und Dokument D4 befasst sich mit dem Problem von verbesserter Sichtbarkeit einer Signalleuchte. Verkehrsüberwachungsanlagen werden in diesen Dokumenten nicht erwähnt.
Nur das Dokument D8 im vorhandenen Stand der Technik offenbart eine Anlage zur Verkehrsüberwachung. Auch wenn angenommen wird, dass das Veröffentlichungsdatum des Dokuments D8 vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents war, offenbart das Dokument D8 eine Blitzlampe nur als optionales Zubehör ("Optional flash for night-time usage" - Seite 8).
Dokument D8 enthält keinerlei Hinweis, dass die Blitzlampe zu den im Streitpatent erwähnten Nachteilen führen kann, oder dass die Wahl eines geeigneten Ausstrahlungswinkels von besonderer Bedeutung ist.
4.15 Da die objektiv zu lösende technische Aufgabe in keiner der im Verfahren vorgebrachten Dokumente D1-D8 angesprochen oder erkannt ist, sieht die Kammer keinen Grund, die erfinderische Tätigkeit vom Gegenstand des Anspruchs 1 aufgrund der Lehre dieser Dokumente in Zweifel zu ziehen.
4.16 Die Kammer nimmt zur Kenntnis, dass die Erfindung auf einer Kombination von zwei an sich bekannten Gegenständen beruht: einerseits einer Verkehrsüberwachungsanlage mit einer Blitzlampe und andererseits einer vor der Blitzlampe angeordneten wabenartigen Struktur, die den Ausstrahlungswinkel des Blitzlichtes begrenzt.
Eine Verkehrsüberwachungsanlage mit einer Blitzlampe wird von beiden Parteien als nächstliegender Stand der Technik anerkannt, und wabenartige Strukturen sowie ihre technische Wirkung auf den Ausstrahlungswinkel eines Lichtes sind an sich in Dokumenten D1-D7 offenbart.
Nach dem Urteil der Kammer fehlt jedoch der im Einspruch vorgebrachten Argumentationskette ein klares Motiv - das selbst keine erfinderische Erkenntnis erfordern würde - warum der Fachmann diese Merkmale kombinieren würde.
4.17 Gemäß der Beschwerdeführerin wurden die im Streitpatent dargelegten Probleme nicht am Prioritätstag des Streitpatents erkannt, und daher kann es nicht geltend gemacht werden, dass der Fachmann aufgrund dieser Probleme ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Gegenstand gelangen würde. Ganz im Gegenteil muss erkannt werden, dass hier die Aufgabenstellung zur erfinderischen Tätigkeit beiträgt.
Die ehemalige Einsprechende hat geltend gemacht, dass dies nicht der Fall ist, aber hat keine Beweise dafür vorgelegt. Insbesondere enthalten die von der ehemaligen Einsprechenden eingereichten Schriftsätze keinen Hinweis, dass der Fachmann am Prioritätsdatum des Streitpatents die Nachteile des Standes der Technik erkannt hätte, oder dass die oben genannte objektive Aufgabe im technischen Gebiet allgemein bekannt war.
4.18 Die Kammer ist nicht überzeugt, dass es für den Fachmann naheliegend war, die oben erwähnte objektive Aufgabe durch die Merkmale des Kennzeichens zu lösen. Aus diesen Gründen kommt die Kammer zum Schluss, dass die Anlage zur Verkehrsüberwachung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Einspruch wird zurückgewiesen.