T 0877/13 () of 16.7.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T087713.20180716
Datum der Entscheidung: 16 Juli 2018
Aktenzeichen: T 0877/13
Anmeldenummer: 08707262.5
IPC-Klasse: H05B 41/295
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 273 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schaltung zur Wendelheizung
Name des Anmelders: Tridonic GmbH & Co KG
Name des Einsprechenden: Helvar Oy Ab
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
blankEPC Art 083
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde betrifft die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des Europäischen Patents Nr. EP 2 132 965 in geänderter Fassung.

II. Die beschwerdeführende Einsprechende (im folgenden Beschwerdeführerin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Patents.

III. Die Patentinhaberin (im folgenden Beschwerdegegnerin) hatte zunächst ebenfalls Beschwerde eingelegt und die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs beantragt, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche eines ihrer gemeinsam mit der Stellungnahme zur Beschwerde der Einsprechenden eingereichten Hilfsanträge I bis XIII, wobei Hilfsantrag II der Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden entspricht.

IV. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK hatte die Kammer den Parteien mitgeteilt, dass aller Voraussicht nach die Erfindung, die Gegenstand des Patents ist, nicht ausreichend offenbart ist.

V. Mit Schreiben vom 27. März nahm die Beschwerdegegnerin ihre Beschwerde zurück. Durch die Rücknahme der Beschwerde der Beschwerdegegnerin sind deren Hauptantrag sowie Hilfsantrag I hinfällig geworden und es verbleiben die Hilfsanträge II bis XIII als Anträge der Beschwerdegegnerin.

VI. Mit Schreiben vom 16. Mai 2018 erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie die mündliche Verhandlung für entbehrlich halte.

VII. Mit Schreiben vom 29. Mai 2018 nahm die Beschwerdegegnerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

VIII. Die Kammer hat daraufhin den Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben und die Beteiligten darüber informiert.

IX. Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 1 des Patents in der der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung zugrundeliegenden Fassung (Hilfsantrag II) lautet:

"Heizschaltung zur Heizung wenigstens einer Wendel (5, 6) einer Gasentladungslampe, aufweisend

- ein Koppelelement, das Heizenergie für die Wendel (5, 6) von einer mit Spannung versorgten Primärseite (2) zu einer Sekundärseite (3, 4) überträgt, die mit der zu heizenden Wendel (5, 6) verbunden ist,

- eine Überwachungsschaltung zur Erfassung der Wendelspannung an der Sekundärseite des Koppelelementes,

- eine Steuerschaltung, die mit der Überwachungsschaltung verbunden ist und dazu ausgelegt ist, bei Überschreitung eines Sollwerts für die Wendelspannung die an die Wendel (5, 6) übertragene Heizleistung schrittweise zu verringern,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Verringerung schrittweise in mehreren kleinen graduellen Schritten erfolgt bis die Wendelspannung unter den Sollwert sinkt und den Heizbetrieb dann mit dieser verringerten Heizleistung weiterzuführen."

X. Im korrespondierenden unabhängigen Verfahrensanspruch 13 ist das Kriterium für die Verringerung der Heizleistung abweichend formuliert, nämlich dass "sobald die Wendelspannung einen Sollwert erreicht, die an die Wendel (5, 6) übertragene Heizleistung schrittweise im mehreren graduellen Schritten verringert wird, bis die Wendelspannung unter den Sollwert sinkt."

XI. Die unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge III bis XIII betreffen geringfügig geänderte Heizschaltungen bzw. Verfahren zur Heizung, sind jedoch bezüglich der Merkmale betreffend die schrittweise Verringerung der Heizleistung sowie der Überschreitung bzw. des Erreichens des Sollwerts im Wesentlichen identisch zu den unabhängigen Ansprüchen des Hilfsantrags II.

XII. Die für das Verfahren relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen.

Die Ansprüche seien nicht konsistent mit der Beschreibung. Der beanspruchte Gegenstand lasse sich nicht ausführen. Laut der Beschreibung werde beim erreichen eines Schwellwerts reagiert, wohingegen laut den Ansprüchen der Schwellwert überschritten werden müsse. Eine Reduzierung der Heizleistung in mehreren Schritten, d.h. schrittweise, wie beansprucht, sei laut Anspruch 13 nicht möglich.

Folglich sei die Erfindung gemäß sämtlichen Anträgen nicht ausführbar.

XIII. Die für das Verfahren relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen.

Das Patent enthalte Ausführungsbeispiele, welche eine Überschreitung des Sollwerts beschrieben. Die schrittweise Verringerung der Heizleistung sei in Figur 4 dargestellt und beginne jeweils zum Zeitpunkt t1 und t3. Im übrigen sei die Beschwerde der Beschwerdeführerin zur mangelnden Ausführbarkeit des Anspruchs 13 nicht zulässig, da dieser Anspruch im Einspruchsverfahren nicht unter Artikel 83 EPÜ angegriffen worden sei.

Die Erfindung, die Gegenstand des Patents ist, sei daher ausführbar.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)

2.1 Es ist unter den Parteien strittig, ob die Erfindung, welche Gegenstand des Patents in der der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung zugrundeliegenden Fassung ist, im Sinne des Artikels 83 EPÜ ausreichend offenbart ist.

Die Beschwerdegegnerin ist ferner der Ansicht, die Beschwerde der Beschwerdeführerin zur mangelnden Ausführbarkeit des Anspruchs 13 sei nicht zulässig, da dieser Anspruch im Einspruchsverfahren nicht unter Artikel 83 EPÜ angegriffen worden sei. Da die angefochtene Entscheidung jedoch zur Ausführbarkeit des Anspruchs 13 Stellung nimmt (Seite 5, dritter Absatz), ist der entsprechende Teil der Beschwerde der Beschwerdeführerin auch zulässig.

2.2 In den unabhängigen Ansprüchen 1 und 13 des Patents in der der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung zugrundeliegenden Fassung finden sich die folgenden Auslösebedingungen:

"eine Steuerschaltung, die ... dazu ausgelegt ist, bei Überschreitung eines Sollwerts für die Wendelspannung die an die Wendel (5, 6) übertragene Heizleistung schrittweise zu verringern, dadurch gekennzeichnet, dass die Verringerung schrittweise in mehreren kleinen graduellen Schritten erfolgt..." (Anspruch 1), und

"Ein Verfahren zur Heizung wenigstens einer Wendel....wobei...sobald die Wendelspannung einen Sollwert erreicht, die and die Wendel (5, 6) übertragene Heizleistung schrittweise in mehreren graduellen Schritten verringert wird..." (Anspruch 13).

In beiden Fällen wird die Heizleistung solange verringert, "bis die Wendelspannung unter den Sollwert sinkt".

Nach beiden unabhängigen Ansprüchen hat die Verringerung "schrittweise in mehreren graduellen Schritten" zu erfolgen. Gemäß Anspruch 1 sind die Schritte zusätzlich als klein definiert.

2.3 In der Beschreibung sind ausschließlich Ausführungsbeispiele beschrieben, welche eine Verringerung der Heizleistung beginnen, sobald die Wendelspannung den Sollwert erreicht. Gemäß Anspruch 1 beginnt die Verringerung jedoch nur nachdem der Sollwert überschritten worden ist. Bereits aus diesem Grund enthält das Patent keine Ausführungsform des Gegenstands des Anspruchs 1.

Die von der Beschwerdegegnerin herangezogenen Beschreibungsstellen des Patents in Spalte 5, Zeile 50 sowie Spalte 6, Zeile 47, die angeblich ein Überschreiten des Sollwerts offenbaren, stellen die Ausdrücke "Erreichen" und "Überschreiten" zwar wertungsfrei nebeneinander, sind jedoch nicht als eigenständiges Ausführungsbeispiel anzusehen. Die einzige beschriebene "erfindungsgemäße Reaktion der Heizschaltung" findet sich in Figur 4 und in der zugehörigen Beschreibung ab Spalte 8, Zeile 35. Ein Überschreiten des Sollwerts ist der Figur 4 und der zugehörigen Beschreibung jedoch nicht zu entnehmen.

2.4 Darüber hinaus enthält das Patent auch keinerlei Angaben dahingehend, wie die in den Ansprüchen 1 und 13 beanspruchte schrittweise Verringerung ausgestaltet sein soll, d.h. weder die Anzahl noch die absolute oder relative Größe oder Dauer der Schritte ist offenbart. Das schrittweise Verringern der Heizleistung ist z.B. in Absatz [0014] oder in den unabhängigen Ansprüchen 1 bzw. 13 lediglich mit relativen Ausdrücken wie "kleinen", "graduellen" oder "mehreren" bezeichnet, welche keinerlei Hinweis darauf geben, wie die Schritte konkret auszugestalten sind.

Im Hinblick auf den beschriebenen und in Anspruch 13 beanspruchten Gegenstand, bei welchem die Verringerung einsetzt "sobald die Wendelspannung einen Sollwert erreicht", ist eine Mehrzahl von Schritten sogar unmöglich, da unmittelbar nach dem Einleiten der Verringerung der Heizleistung das Kriterium für das Beenden der Verringerung, "bis die Wendelspannung unter den Sollwert sinkt", erreicht ist. Hierbei interpretiert die Kammer den Ausdruck "schrittweise" gemäß seinem ursprünglichen und auch in den unabhängigen Ansprüchen 1 und 13 explizit benutzten Wortsinn, d.h. dass eine Mehrzahl von Schritten gemeint ist.

Auch in der Figur 4 und der zugehörigen Beschreibung ist tatsächlich nur ein einziger Schritt und damit keine schrittweise Verringerung der Heizleistung dargestellt.

2.5 Dies alles hat zur Konsequenz, dass das Patent in der der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung zugrundeliegenden Fassung keinen Weg zur Ausführung der in den Ansprüchen 1 bzw. 13 beanspruchten Erfindung im Sinne der Regel 42 (1) d) EPÜ angibt. Ein derartiger Mangel bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Offenbarung der Erfindung im Sinne des Artikels 83 EPÜ unzureichend ist.

2.6 Die den Offenbarungsmangel begründenden Merkmale sind in den unabhängigen Ansprüchen der verbleibenden Hilfsanträge III bis XIII ebenfalls enthalten, sodass auch die Erfindungen, die Gegenstand dieser Hilfsanträge sind, im Sinne des Artikels 83 EPÜ nicht ausreichend offenbart sind.

2.7 Das Patent ist folglich zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation