T 0750/13 () of 20.4.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T075013.20160420
Datum der Entscheidung: 20 April 2016
Aktenzeichen: T 0750/13
Anmeldenummer: 06019616.9
IPC-Klasse: A61B 17/80
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Knochenplatte
Name des Anmelders: Synthes GmbH
Name des Einsprechenden: Wolter, Dietmar
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin und der Einsprechende haben gegen die am 21. Januar 2013 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang Beschwerde eingelegt.

II. Das Patent beruht auf der europäischen Patentanmeldung Nr. 06 019 616.9, die eine Teilanmeldung der Stammanmeldung Nr. 03 818 256.4 ist. Letztere wurde als internationale Anmeldung unter der Veröffentlichungsnummer WO 2005/018472 veröffentlicht.

III. Der Einspruch wurde auf die Gründe der unzulässigen Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ), der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) gestützt.

IV. In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 12 über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe.

Ferner ist der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen, dass die Einspruchsabteilung den Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung als nicht neu gegenüber folgendem Dokument erachtete:

E1: DE-A-43 43 117.

V. Die Beschwerdeschrift der Patentinhaberin ist am 19. März 2013 eingegangen. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag bezahlt. Die Beschwerdebegründung ist am 21. Mai 2013 eingegangen.

Die Beschwerdeschrift des Einsprechenden ist am 21. März 2013 eingegangen. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag bezahlt. Die Beschwerdebegründung ist am 28. Mai 2013 eingegangen.

VI. Die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin erwiderte auf die Beschwerdebegründung des

Beschwerdeführers/Einsprechenden mit Schreiben vom 9. Oktober 2013.

VII. Mit Schreiben vom 15. Februar 2016 lud die Kammer die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung und teilte ihre vorläufige Meinung mit.

VIII. Die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin reichte mit Schreiben vom 19. Februar 2016 weitere Eingaben ein. Der Beschwerdeführer/Einsprechende reichte mit Schreiben vom 16. März 2016 weitere Eingaben ein.

IX. Die mündliche Verhandlung fand, mit Einverständnis der Parteien, am 20. April 2016 statt.

Die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen, hilfsweise das Patent aufgrund des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 1, des mit Schreiben vom 19. Februar 2016 eingereichten Hilfsantrags 2 oder in der im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Fassung (Hilfsantrag 3) aufrechtzuerhalten.

Der Beschwerdeführer/Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

X. Die Ansprüche 1 und 12 in der erteilten Fassung lauten wie folgt:

"1. Knochenplatte (1) mit einer knochenseitigen Unterseite (2), einer Oberseite (8) und mehreren die Unterseite (2) mit der Oberseite (8) verbindenden Plattenlöchern (3), die jeweils eine zentrale Lochachse (5), eine sich gegen die Unterseite (2) hin verengenden Innenmantelfläche und einen Gewindegang aufweisen, wobei

die Innenmantelflächen (4) jeweils N >= 3 sich radial von der Lochachse (5) weg erstreckende Ausnehmungen (6) aufweisen, welche den Gewindegang unterbrechen, dadurch gekennzeichnet, dass die Gewindegänge in den Plattenlöchern (3) und die sie unterbrechenden Ausnehmungen jeweils derart ausgebindet [sic] sind, dass das Kopfgewinde einer eingesetzten Kopfverriegelungsschraube bei einer Schräglage dieser Kopfverriegelungsschraube die durch die Ausnehmungen unterbrochenen Gewindegänge im Plattenloch überspringt, ohne sie dabei zu überschneiden."

"12. Knochenplatte (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die periphere Ausdehnung der Ausnehmungen jeweils etwa 40° beträgt."

Die Ansprüche 2 bis 11 sind weitere abhängige Ansprüche.

XI. Die Argumente der Beschwerdeführerin/Patentinhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(c) EPÜ

Anspruch 12 in der erteilten Fassung gehe nicht über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

Das Merkmal, wonach die periphere Ausdehnung der Ausnehmungen jeweils 40° beträgt, sei auf Seite 3 (Mitte) und Seite 5, letzter Absatz der ursprünglich eingereichten Stammanmeldung offenbart. Für den Fachmann sei unmittelbar und eindeutig zu erkennen, dass die konkrete Angabe eines Werts für die periphere Ausdehnung der Ausnehmungen in keinem technischem Zusammenhang mit den im letzten Absatz auf Seite 5 aufgezählten Merkmalen des speziellen Ausführungsbeispiels stehe. Daher sei es zulässig, das Merkmal der periphere Ausdehnung der Ausnehmungen separat zu beanspruchen.

b) Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(a) EPÜ - Neuheit

Der unabhängige Anspruch 1 in der erteilten Fassung sei auf eine Knochenplatte gerichtet, die mit Kopfverriegelungsschrauben in einer besonderen Art und Weise zusammenarbeiten kann. Insbesondere fordere der Anspruch 1, dass die spezielle Ausbildung von Gewindegängen in Plattenlöchern der Knochenplatte und in den sie unterbrechenden Ausnehmungen bewirken, dass sich die Gewinde der Plattenlöchern und der mit ihnen zusammenwirkenden Kopfverriegelungsschrauben nicht überschneiden. Darüber hinaus müsse dies bei eingesetzten Kopfverriegelungsschrauben der Fall sein. Laut dem Streitpatent könne das durch eine besondere Auswahl von Schrauben mit einem klassischen Gewinde und Ausnehmungen mit einer bestimmten Ausdehnung erreicht werden (Absätze [0012] und [0015]).

Unter "Überschneiden" zweier dreidimensionaler Gegenstände verstehe der Fachmann eine Kollision der Volumen der Gegenstände, die übereinander gehen. Deswegen sei schon ein Einscheiden der Gewindegänge der Schraube und des Plattenlochs von Anspruch 1 ausgeschlossen. Elastische Umformungen, welche die Gewinde nicht zerstören würden, seien hingegen nicht ausgeschlossen.

Wie auch in den Figuren 6 bis 8 und in der zugehörigen Beschreibung in Spalte 4 des Patents verdeutlicht, sei unter einer "eingesetzten" Kopfverriegelungsschraube der Endzustand der Schraube zu verstehen, in dem sie bis zu ihrer endgültigen Verriegelungsposition in das Plattenloch eingedreht sei. Aus dem technischen Kontext des Streitpatents werde klar, dass dieser Zustand derjenige sei, in dem die Schraube im Knochen nach der Operation verbleibe. Es sei daher nicht ausreichend, wenn der Zustand einer Kopfverriegelungsschraube beim Ansetzen der Schraube in das Plattenloch und In-Eingriff-Bringen der jeweiligen Gewinde betrachtet werde. Dies sei insbesondere den Absätzen [0009] und [0013] der Patentschrift zu entnehmen, wo das Einführen oder Einlaufen der Kopfverriegelungsschraube von dem eingesetzten Zustand unterschieden werde.

In einer Ausführungsform gemäß den Figuren 7 und 8 offenbare E1 eine Knochenplatte mit Plattenlöchern, die mit segmentierten Gewinden versehenen seien. E1 offenbare auch Knochenschrauben, die in die Plattenlöcher einzusetzen seien. Es sei aber nicht offenbart, dass die Knochenschrauben mit der Knochenplatte in der im Anspruch 1 definierten Art und Weise zusammenarbeiten könnten. Es sei auch allgemein nicht bewiesen, dass solche Schrauben existierten.

Es möge zwar zutreffen, dass die segmentierten Gewinde ein schräges Einfädeln einer Schraube in das dazugehörige Plattenloch begünstigten und es am Anfang der Drehung der Schraube, noch ohne Überschneidung, zu einer elastischen Deformation der Gewinde komme. Beim Weiterdrehen der Schraube bis zum eingesetzten Zustand komme es jedoch notwendigerweise zu einer Überschneidung der Gewinde der Schraube und des Plattenlochs. Dies sei an mehreren Stellen von E1 erläutert, beispielsweise Spalte 2, Zeilen 21 bis 37, Spalte 3, Zeilen 2 bis 19 und Spalte 4, Zeilen 31 bis 38.

Im Beschwerdeverfahren habe sich der Beschwerdeführer/Einsprechende auf zwei Modelle bezogen, welche die Lehre von E1 verdeutlichen sollen. Das erste Modell, das bereits im Einspruchsverfahren eingereicht worden sei, weise aber signifikante Abweichungen von der Lehre von E1 aus. Das zweite Modell sei nicht eingereicht worden, so dass die Behauptungen des Beschwerdeführers/Einsprechenden zu diesem Modell von der Beschwerdeführerin/Patentinhaberin nicht nachprüfbar seien. Aus diesen Gründen könnten die Modelle nicht als Beweis dafür dienen, dass E1 ein schräges Einschrauben einer Kopfverriegelungsschraube ohne Gewindeüberschneidung gemäß Anspruch 1 offenbare.

c) Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(a) EPÜ - Erfinderische Tätigkeit

Die gesamte Lehre von E1 enthalte keinerlei Hinweise auf eine Gewindeverbindung ohne Überschneidung, sondern führe sogar davon weg.

Die Ausbildung der Gewindegänge in den Plattenlöchern und der sie unterbrechenden Ausnehmungen gemäß dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung ermögliche eine stabile schräge Aufnahme einer Kopfverriegelungsschraube in einer Knochenplatte, die weniger Kraft erfordere in Vergleich zu dem Fall in dem eine Gewindeüberschneidung nötig sei. Dies löse die technische Aufgabe, eine Knochenplatte zu schaffen, die eine besonders einfache winkel- und achsstabile Aufnahme einer Kopfverriegelungsschraube in der Knochenplatte, insbesondere in Schräglage, erlaube.

Da E1 die Lehre enthalte, dass eine Gewindeüberschneidung notwendig sei, könne der Fachmann von E1 im Lichte der technischen Aufgabe bestenfalls die Motivation erhalten, ein Material auszuwählen, das ein Gewindeschneiden erleichtere, oder die Form der Gewinde so zu ändern, dass der Schneidevorgang erleichtert werde. Zum Gegenstand des Anpruchs 1 in der erteilten Fassung würde aber der Fachmann ohne erfinderisches Zutun nicht gelangen.

XII. Die Argumente des Beschwerdeführers/Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(c) EPÜ

Aus den in der angefochtenen Entscheidung angegebenen Gründen gehe der Gegenstand des Anspruchs 12 in der erteilten Fassung über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

b) Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(a) EPÜ - Neuheit

Das Streitpatent enthalte die Lehre, dass eine Kopfverriegelungsschraube mit einem klassischen Gewinde und einer Knochenplatte mit Ausnehmungen mit einer periphere Ausdehnung von 1° bis 119° erfindungsgemäß seien (Absätze [0012] und [0015]). Schon deswegen nehme die Knochenplatte gemäß den Figuren 7 und 8 von E1, die Ausnehmungen aufweise - und damit auch erfindungsgemäß sei - den Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung neuheitsschädlich vorweg.

Anspruch 1 in der erteilten Fassung schließe eine Materialumformung der Gewindegänge der Plattenlöcher und der Kopfverriegelungsschrauben nicht aus. Insbesondere sei ein anfängliches Einschneiden der Gewindegänge ineinander nicht durch die beanspruchte Vermeidung von einer Überschneidung ausgeschlossen.

Außerdem enthalte der Anspruch keine Aussage, dass eine mit der beanspruchten Knochenplatte kooperierende Kopfverriegelungsschraube bis zu einem bestimmten Mindestwinkel eingedreht werden müsste. Bei einer Gewindeverbindung sei kein Endzustand definiert. Der nötige Eindrehwinkel, um einen "eingesetzten" Zustand zu erreichen, hänge vom Anwendungsfall ab und bleibe somit undefiniert. Es folge, dass das Merkmal "eingesetzt" im Anspruch nur erfordere, dass die Gewindegänge der Schraube und des dafür vorgesehenen Plattenlochs miteinander in Eingriff gebracht werden könnten.

E1 offenbare eine Knochenplatte mit Plattenlöchern und dazugehörigen Knochenschrauben. Gemäß einem Ausführungsbeispiel (Spalte 2, Zeilen 37 bis 53 und Figuren 7 und 8) seien die Plattenlöcher und die Schraubenköpfe mit segmentierten Gewindegängen versehen. Die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung seien von diesem Ausführungsbeispiel bekannt. Ferner können die Gewindegänge (Spalte 2, Zeilen 37 bis 41 und Spalte 5, Zeilen 26 bis 29) unter verschiedenen Winkeln miteinander in Eingriff gebracht werden. Zumindest anfänglich passiere dies ohne Materialumformung der Gewindegänge und ohne jegliche Überschneidung. Somit seien auch die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs von E1 bekannt.

Im Ausführungsbeispiel von E1 komme es nach dem ersten Gewindeeingriff, beim Eindrehen der Schraube, zuerst zu einer elastischen Deformation der Gewindegänge, die dadurch aneinander gehalten würden. Erst beim Weiterdrehen komme es zu einer Materialumformung und einer Überschneidung der Gewindegänge. Dies gelte aber für die im Streitpatent beschriebene Ausführungsform ebenfalls. Seine technische Lehre gehe sogar dahin, dass eine Materialumformung gewünscht sei, denn der Kopf der Knochenschraube gemäß dieser Ausführungsform solle aus einem härteren Material bestehen als das Gewinde in der Knochenplatte (Absätze [0020] und [0027]).

Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung sei ein Modell einer Knochenplatte und einer Knochenschraube eingereicht worden, das zeige, dass eine Gewindeverbindung, bei der Gewindegänge ohne Überschneidung, wie im Anspruch 1 in der erteilten Fassung des Streitpatents definiert, übersprungen werden, keine komplizierte Geometrie voraussetzt, sondern sich durch leichte Variationen eines normalen Gewinde erreichen lasse. Ob das Modell von der Ausführungsform der Figuren 7 und 8 von E1 abweiche, spiele in dieser Hinsicht keine Rolle. Dieses Modell sowie ein neu angefertigtes, eine Knochenschraube mit einem feineren Kopfgewinde aufweisendes Modell, von dem zwei Bilder eingereicht worden seien, sollten die Wirkungsweise des Ausführungsbeispiels der Figur 7 von E1 veranschaulichen, um klarzustellen, dass dieses Ausführungsbeispiel für den Gegenstand des Anspruchs 1 neuheitsschädlich sei.

c) Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(a) EPÜ - Erfinderische Tätigkeit

Die Lehre von E1 konzentriere sich nicht auf eine Gewindeverbindung, die eine Überschneidung der Gewindegänge voraussetze. In Spalte 2, Zeilen 21 bis 24 sei eine Materialumformung als optional dargestellt, und der Gegenstand des Anspruchs 1 von E1 sei auch nicht auf eine Gewindeverbindung mit Materialumformung limitiert. Vielmehr gehe es beim Ausführungsbeispiel der Figuren 7 und 8 darum, ein Eindringen der Gewindegänge ineinander zu begünstigen (Spalte 2, Zeilen 37 bis 41 und Spalte 5 Zeilen 26 bis 29).

Um dieses Eindringen weiter zu erleichtern, würde der Fachmann die Ausnehmungen der Gewindegänge in den Plattenlöchern ausdehnen. Dies würde eine feste Gewindeverbindung ohne jegliche Überschneidung der Gewindegänge unmittelbar bewirken. Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung in naheliegender Weise erreicht.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Die Erfindung

Die Erfindung betrifft eine Knochenplatte für eine operative Knochenbruchbehandlung. Solche Knochenplatten werden durch Knochenschrauben an benachbarten Knochenteile befestigt um Letztere zu stabilisieren, damit der Heilungsprozess begünstigt wird. Dabei ist ein Verriegeln der Knochenschraube in der Knochenplatte wichtig, damit die Knochenplatte zusammen mit den Schrauben eine steife Einheit bildet, welche die Knochenteile zusammen hält.

Gemäß Anspruch 1 in der erteilten Fassung weist die Knochenplatte mehrere Plattenlöcher auf, die eine sich von der Oberseite der Platte zur Unterseite hin verengende, mit einem Gewindegang versehene Innenmantelfläche haben. Beispielsweise ist die Innenmantelfläche sphärisch, konisch oder ellipsoid ausgebildet (Absatz [0013] und Anspruch 4).

Die Innenmantelflächen der Löcher weisen jeweils mindestens drei sich radial erstreckende Ausnehmungen auf, die den Gewindegang unterbrechen, damit eine Kopfverriegelungsschraube in einer Schräglage durch das jeweilige Loch eingesetzt und eingeschraubt werden kann. Dabei sind nur wenige diskrete Schräglagen erlaubt. Diese Möglichkeit erleichtert die Fixierung der Knochenplatte an die jeweiligen Knochenteile, denn die Fixierung kann besser an die Geometrie dieser Teile angepasst werden.

Kern der Erfindung ist es, dass die Gewindegänge und die Ausnehmungen derart ausgebildet sind, dass das Kopfgewinde einer eingesetzten Kopfverriegelungsschraube bei einer Schräglage dieser Kopfverriegelungsschraube die durch die Ausnehmungen unterbrochenen Gewindegänge im Plattenloch überspringen kann, ohne sie dabei zu überschneiden. Das Verriegeln der Schraube in der Knochenplatte erfolgt dann durch eine Drehung von einem relativ kleinen Winkel.

3. Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(c) EPÜ

In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 12 in der erteilten Fassung über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglichen Fassung hinausgehe.

Anspruch 12 betrifft eine Ausführungsform, die eine bestimmte periphere Ausdehnung der Ausnehmungen in den Innenmantelflächen der Löcher vorschreibt. Er entspricht dem Anspruch 12 der ursprünglich eingereichten Teilanmeldung, und basiert auf Seite 3 der ursprünglich eingereichten Stammanmeldung, dritter voller Absatz, der einen allgemeinen möglichen Winkelbereich der Ausdehnungen definiert, zusammen mit Seite 5, zweite Hälfte des letzten Absatzes, der eine Ausdehnung von "ca. 40°" für eine besondere Ausführungsform (in den Figuren 1 und 3 zu sehen) definiert.

Der Beschwerdeführer/Einsprechende schloss sich der Argumentation der Einspruchsabteilung an, wonach die Einführung dieses einzigen Merkmals einer bestimmten Ausführungsform eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung darstelle.

Nach Ansicht der Kammer steht aber die beanspruchte periphere Ausdehnung in keinem technischen Zusammenhang mit den anderen Merkmalen, die in Bezug auf die besondere Ausführungsform der Figuren 1 und 3 definiert wurden. Insbesondere ist kein Zusammenhang zwischen der Anzahl und peripheren Positionierung der Ausnehmungen, und der peripheren Ausdehnung der jeweiligen Ausnehmung in Bezug auf die "Einschraubbarkeit" einer Knochenschraube zu erkennen. Das Gewinde muss zwar zu der Ausdehnung der einzelnen Ausnehmungen passen, damit eine schräge Kopfverriegelungsschraube die durch die Ausnehmungen unterbrochenen Gewindegänge im Plattenloch überspringt, ohne sie dabei zu überschneiden, aber die Anzahl und Positionierung der Ausnehmungen spielt in dieser Hinsicht keine Rolle.

Es folgt, dass die Einführung des als solches offenbarten Merkmals der peripheren Ausdehnung in Anspruch 12 keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung darstellt.

Daher steht der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegen.

4. Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(a) EPÜ - Neuheit

4.1 Anspruch 1 in der erteilten Fassung definiert eine Knochenplatte, die funktional definierte Merkmale hat, um mit einer Kopfverriegelungsschraube in einer besonderen Art und Weise kooperieren zu können. Wie auch von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, gehört die Kopfverriegelungsschraube als solche nicht zum Gegenstand des Anspruchs. Dennoch kann der Verweis auf diese Schraube im Anspruch nicht ignoriert werden, denn dadurch werden funktionelle, beziehungsweise technische Merkmale der beanspruchten Knochenplatte, insbesondere der Gewindegänge in den Plattenlöchern und der sie unterbrechenden Ausnehmungen, definiert.

Damit diese funktional definierten Merkmale neuheitsschädlich vorweggenommen werden, ist es nicht erforderlich, dass die erwähnte Kopfverriegelungsschraube in Kombination mit einer entsprechenden Knochenplatte vor dem gültigen Prioritätsdatum des Anspruchs offenbart war. Dennoch muss unmittelbar und eindeutig bewiesen werden, dass eine Knochenplatte zu diesem Zeitpunkt bekannt war, die mit einer Kopfverriegelungsschraube in der definierten Art und Weise kooperieren konnte.

4.2 Die Interpretation der funktionellen Merkmale, die durch den Verweis auf die Kopfverriegelungsschraube definiert werden, ist zwischen den Parteien strittig.

Insbesondere besteht Uneinigkeit in Bezug auf die Bedeutung des Merkmals, dass sich die Gewindegänge der Plattenlöcher und der Kopfverriegelungsschrauben nicht überschneiden.

Nach Ansicht der Kammer würde der Fachmann, der eine technisch sinnvolle Auslegung anstrebt, darunter verstehen, dass der Gewindeeingriff zwischen den jeweiligen Elementen wie bei normal funktionierenden Gewindeverbindungen allgemein erwünscht, zustande kommt. Ein wichtiger Aspekt bei solchen Verbindungen ist, dass sie beliebig oft gelöst und wieder zuverlässig hergestellt werden können, weil die Gewindegänge dadurch nicht verändert, beziehungsweise zerstört, werden. Nach dieser Auslegung bedeutet "Überschneiden" eine permanente Veränderung von zumindest einem Gewindegang. Es folgt, dass ein von dem Beschwerdeführer/Einsprechenden erwähntes "anfängliches Einschneiden der Gewindegänge ineinander", welches offensichtlich eine permanente Deformation mit sich bringt, vom Wortlaut des Anspruchs ausgeschlossen ist. Elastische reversible Deformationen, die während der Zeit, in der die Verbindung hergestellt ist, stattfinden, sind dagegen nicht ausgeschlossen.

Die Parteien sind sich auch nicht einig bezüglich der Interpretation des Begriffs "eingesetzt" betreffend die Kopfverriegelungsschraube.

Die Kammer teilt die Ansicht der

Beschwerdeführerin/Patentinhaberin, dass der Fachmann als eingesetzten Zustand einer Kopfverriegelungsschraube den Zustand versteht, in welchem die Kopfverriegelungsschraube bis zu ihrer endgültigen Verriegelungsposition in das Plattenloch eingedreht ist. Im Allgemeinen mag es zwar stimmen, wie der Beschwerdeführer/Einsprechende ausführt, dass der eingesetzte Zustand einer Schraube vom besonderen Anwendungsfall abhängt. Jedoch richtet sich der Anspruch auf eine spezifische Anwendung einer Gewindeverbindung, die implizit den Endzustand als den Zustand definiert, in dem sich die Kopfverriegelungsschraube unter den üblichen, nach der Operation vom Fachmann erwarteten Bedingungen, von der Knochenplatte nicht mehr lösen kann. Nach dieser Interpretation erfordert der Anspruch mehr als die bloße Möglichkeit, dass die Gewindegänge der Schraube und des dafür vorgesehenen Plattenlochs miteinander in Eingriff gebracht werden können. Er erfordert, dass die Gewindeverbindung für die definierte Anwendung fest hergestellt wird.

Die Argumente des Beschwerdeführers/Einsprechenden, wonach jede Kombination von einer Kopfverriegelungsschraube mit einem klassischen Gewinde und einer Knochenplatte mit Ausnehmungen mit einer periphere Ausdehnung von 1° bis 119° nach dem Streitpatent erfindungsgemäß sei, sind nicht überzeugend. Die Erfindung ist in Anspruch 1 definiert. In seinem kennzeichnenden Teil erfordert er eine besondere Zusammenwirkung zwischen der Kopfverriegelungsschraube und der Knochenplatte. Gemäß den Absätzen [0012] und [0015] des Streitpatents könnte diese Zusammenwirkung, unter Umständen, mit einer ein klassisches Gewinde aufweisenden Schraube und mit entsprechenden Ausnehmungen im Gewindegang des jeweiligen Plattenlochs erzielt werden. Es wird aber nicht behauptet, dass die Kombination von jeder beliebigen Kopfverriegelungsschraube mit einem klassischen Gewinde und jeder beliebigen Ausnehmung mit einer periphere Ausdehnung von 1° bis 119° dazu geeignet sei.

Das gleiche gilt für das Argument des Beschwerdeführers/Einsprechenden, wonach auch die Ausführungsbeispiele des Streitpatents eine Materialumformung der Gewindegänge nicht ausschließen würden. Anspruch 1 in der erteilten Fassung schließt nicht aus, dass das der Fall sein kann, nachdem der eingesetzte Zustand der Kopfverriegelungsschraube schon erreicht ist. Vielmehr muss lediglich dieser Zustand ohne Materialumformung und Überschneidung der Gewindegänge erreichbar sein.

4.2 E1, wie das Streitpatent, offenbart ein Fixiersystem für eine Knochenbruchbehandlung, das eine mit Löchern versehene Knochenplatte und dazugehörige Knochenschrauben aufweist.

Mit dem Fixiersystem gemäß E1 können die Knochenschrauben "mit wählbarem und fixierbarem Winkel" in die Plattenlöcher eingesetzt werden (Spalte 1, Zeile 65 bis Spalte 2, Zeile 1).

Nach einer Ausführungsform (Figuren 3 bis 8) können die Sitzflächen der Löcher in der Knochenplatte und der Knochenschrauben jeweils einen vorgeformten Gewindegang aufweisen. Jeder Gewindegang kann segmentiert sein, das heißt er kann aus voneinander von Ausnehmungen getrennten Gewindesegmenten bestehen (Spalte 2, Zeilen 54 bis 57).

Es ist unumstritten, dass alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung aus dieser Ausführungsform bekannt sind.

Wie der Beschwerdeführer/Einsprechende ausführt, können die Gewindegänge unter verschiedenen Winkeln miteinander in Eingriff gebracht werden (Spalte 2, Zeilen 37 bis 41). Dies kann anfänglich ohne Überschneidung der Gewindegänge geschehen. Es muss aber insbesondere untersucht werden, ob E1 unmittelbar und eindeutig offenbart, dass die Knochenplatte Gewindegänge und Ausnehmungen in den Plattelöchern aufweist, die ermöglichen, dass sich der Gewindegang einer schräg angebrachten Kopfverriegelungsschraube und der Gewindegang im jeweiligen Plattenloch auch im eingesetzten Zustand der Kopfverriegelungsschraube nicht überschneiden.

Wie die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin ausführt, deutet E1 an mehreren Stellen darauf hin, dass die Sicherung der Gewindeverbindung zwischen den Gewindegängen der Knochenschrauben und der Knochenplatte unter irreversibeler Materialumformung - und daher unter Gewindeüberschneidung - erfolgt. So heißt es beispielsweise im allgemeinen Teil der Beschreibung, Spalte 2, Zeilen 16 bis 30:

"Beim Eindrehen der Knochenschraube in den Knochen unter einem bestimmten Winkel bildet das mindestens eine Gewinde eine Gewindeverbindung der Sitzflächen, welche die Schraube unter ihrem Einschraubwinkel an der Platte sichert. Die Gewindeverbindung kann unter Umformung des Materiales entstehen und durch Kraftschluß (Reibschluß) und/oder Stoffschluß (Reibschweißen) zwischen den Sitzflächen gesichert sein. Dabei kann sich die Materialumformung durch Anpassung des vorgeformten Gewindes einer Sitzfläche an seine durch den Schraubwinkel bestimmte Kontaktflächen der anderen Sitzfläche und umgekehrt ergeben. Die reibschlüssige bzw. stoffschlüssige Verbindung kann eine Folge der Materialumformung sein."

In der Beschreibung der bevorzugten Ausführungsformen (Spalte 4, Zeilen 33 bis 38) ist, zwar in Bezug auf eine Ausführungsform der Knochenplatte ohne Gewindeausnehmungen, aber nicht widersprochen im Teil, in dem die Ausführungsform der Knochenplatte mit Gewindeausnehmungen spezifisch erläutert wird, weiterhin zu lesen:

"Bei Neigung der Schraubenachse zur Lochachse findet im Bereich der Gewinde 6, 10 eine Materialumformung statt, die zu einer Reibschluß- bzw. Reibschweißverbindung zwischen Schraube 1 und Platte 8 führt. Zugleich legt sich die Platte 8 an den zu versorgenden Knochen an.

Auch wenn die Verwendung des Wortes "kann" in Spalte 2, Zeilen 16 bis 30 und der Gegenstand des Anspruchs 1 von E1 eine Gewindeverbindung ohne besagte Materialumformung nicht ausschließen, findet sich in E1 keine Offenbarungsstelle, wo eine solche Gewindeverbindung beschrieben oder gar angedeutet wird.

Aus diesen Gründen ist nach Ansicht der Kammer nicht unmittelbar und eindeutig bewiesen, dass die Knochenplatte und die dazugehörigen Knochenschrauben gemäß E1, wie im Anspruch 1 in der erteilten Fassung des Streitpatents definiert, miteinander befestigt werden können.

Es ist auch nicht bewiesen, dass eine - auch wenn nicht in E1 beschriebene - Knochenschraube mit der aus E1 bekannten Knochenplatte eine feste Gewindeverbindung wie beansprucht bilden konnte.

Die Möglichkeit der Herstellung einer solchen Gewindeverbindung hängt von verschiedenen Parametern der kooperierenden Gewinde ab. Unter anderem spielen die Ausdehnung der Ausnehmungen in der Knochenplatte und die Gewindesteigung eine Rolle. In E1 werden beide nicht genau definiert.

In Abwesenheit einer eindeutigen Lehre diesbezüglich in E1 können auch die vom Beschwerdeführer/Einsprechenden eingereichten, nach dem Prioritätsdatum hergestellten Modelle keinen Zusätzlichen Beweis der mangelnden Neuheit bilden.

Es folgt, dass E1 die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Somit ist sein Gegenstand neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.

5. Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(a) EPÜ - Erfinderische Tätigkeit

5.1 Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nach dem etablierten Aufgabe-Lösung Ansatz wird E1 unumstritten als nächstliegender Stand der Technik betrachtet.

Wie oben festgestellt, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung von der Offenbarung von E1 dadurch, dass die Gewindegänge in den Plattenlöchern und die sie unterbrechenden Ausnehmungen jeweils derart ausgebildet sind, dass das Kopfgewinde einer eingesetzten Kopfverriegelungsschraube bei einer Schräglage dieser Kopfverriegelungsschraube die durch die Ausnehmungen unterbrochenen Gewindegänge im Plattenloch überspringt, ohne sie dabei zu überschneiden.

Wie die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin ausführte, ermöglichen diese unterscheidenden Merkmale eine stabile schräge Aufnahme einer Kopfverriegelungsschraube in einer Knochenplatte, die weniger Kraft erfordert im Vergleich zu dem Fall in dem eine Gewindeüberschneidung nötig ist, da keine permanente Materialumformung erfordert wird. Dagegen gibt es keinen erkennbaren direkten Zusammenhang zwischen diesen Merkmalen und einer angeblichen Erleichterung des Eindringens der Gewindegänge der Kopfverriegelungsschraube und der Plattenlöcher ineinander, wie vom Beschwerdeführer/Einsprechenden ausgeführt.

Die objektive technische Aufgabe kann daher darin gesehen werden, eine Knochenplatte zu schaffen, die eine einfachere Handhabung während einer Operation ermöglicht.

E1 deutet auf die unterscheidenden Merkmale des Anspruchs 1 zur Lösung dieser Aufgabe nicht hin. Unabhängig davon, ob sich E1 auf eine Gewindeverbindung konzentriert, die eine Überschneidung der Gewindegänge voraussetzt, wird in diesem Dokument insbesondere die Möglichkeit eine weitere Ausdehnung der Ausnehmungen in den Gewindegängen der Plattenlöcher überhaupt nicht erwähnt. Es ist auch nicht ersichtlich, warum der Fachmann die Gewindegänge in den Plattenlöchern von E1 und die sie unterbrechenden Ausnehmungen anhand der objektiven technischen Aufgabe wie beansprucht auf Basis seines allgemeinen Fachwissens in naheliegender Weise ändern würde. Wie die

Beschwerdeführerin/Patentinhaberin ausführt, könnte er beispielsweise ein Material für die Gewindegänge auszuwählen, das ein Gewindeschneiden erleichtert, oder die Form der Gewinde so ändern, dass der Schneidevorgang erleichtert wird.

Aus diesen Gründen stellt die Kammer fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung im Sinne von Artikel 56 EPÜ erfinderisch ist.

6. Es folgt, dass die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung auch nicht entgegenstehen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtenen Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der Einspruch wird zurückgewiesen.

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