T 0725/13 (Aktivierung der Selbstheilungskräfte/HERBALUX) of 30.1.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T072513.20190130
Datum der Entscheidung: 30 Januar 2019
Aktenzeichen: T 0725/13
Anmeldenummer: 10177404.0
IPC-Klasse: A61N 5/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Gerät zum Aktivieren der Selbstheilungskräfte bei Patienten, sowie Verwendungen hierfür
Name des Anmelders: Herbalux S.à.r.l.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Prüfungsabteilung wies die europäische Patentanmeldung Nr. 10 177 0404.0 wegen mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Anmelderin).

II. Mit einer Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Meinung mit. Dabei wurden neben möglicher mangelnder Ausführbarkeit auch ein möglicher Einwand wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten (Artikel 53(a) EPÜ) als auch eine mögliche fehlende erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) diskutiert. Letzterer Einwand war auch bereits in der angegriffenen Entscheidung erwähnt worden, allenfalls nicht als Entscheidungsgrund.

III. Zur vorläufigen Meinung hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 25. Januar 2019 Stellung genommen.

IV. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung nahm die Beschwerdeführerin die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 5 und 7 bis 10 und den Hilfsantrag 1 aus dem Schreiben vom 25. Januar 2019 zurück, sowie auch den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Nur der Hauptantrag und der Hilfsantrag 6 (im Folgenden: "Hilfsantrag"), beide eingereicht mit der Beschwerdebegründung, wurden aufrechterhalten.

V. Der unabhängige Patentanspruch 1 des Hauptantrags lautet:

Vorrichtung zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte eines Patienten, umfassend

eine Bestrahlungseinheit (6) mit einer Anzahl Laserdioden für eine lichttherapeutische Behandlung;

eine Steuereinheit (4) zur Steuerung der Stärke und der Pulsfrequenzen der Laserdioden in der Bestrahlungseinheit; sowie

einen Prozessor zur Darstellung der physikalischen Parameter der Bestrahlung auf einem Monitor (2), gekennzeichnet dadurch,

dass der Prozessor ausgelegt ist für eine ärztliche Kommunikation und Interaktion mit dem Patienten und er die vorgesehene Behandlungsform auf dem Monitor durch Schrift- und Symbolzeichen sinnfällig für den Patienten darstellt,

dass die Bestrahlungseinheit bei der lichttherapeutischen Behandlung vom Patienten von Hand an den Ort der gewünschten therapeutischen Behandlung geführt werden kann; und

dass die zur Verfügung stehenden lichttherapeutischen Behandlungsformen für den Patienten im Prinzip unschädlich und ungefährlich sind;

so dass der Patient nach ärztlicher Anleitung an sich unüberwacht über einen längeren Zeitraum eine auf ihn individuell abstimmbare und veränderbare lichttherapeutische Behandlung kontrolliert vornehmen kann, während der er sich auf sich und bestimmte Körperpartien konzentriert und er hierdurch seine Selbstheilungskräfte aktiviert;

dadurch gekennzeichnet, dass die Bestrahlungseinheit (6) drei unterschiedliche Laserdioden (6a, 6b, 6c) umfasst, welche bevorzugt Laserlicht mit Wellenlängen von 639 nm, 532 nm, beziehungsweise 405 nm produzieren; und deren Pulsfrequenzen unabhängig voneinander eingestellt werden können.

VI. Im unabhängigen Anspruch 1 des Hilfsantrags wurde die Zweckbestimmung des Anspruchs 1 des Hauptantrags "zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte eines Patienten" ersetzt durch die Zweckbestimmung "zur Schmerzbehandlung eines Patienten".

Entscheidungsgründe

Hauptantrag, Erfinderische Tätigkeit

1. Es ist unstreitig, dass Dokument D2 (DE 10 2005 042268 A1) fast alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbart. Nur das Merkmal, dass die Pulsfrequenzen der drei unterschiedlichen Laserdioden unabhängig voneinander eingestellt werden können, ist Dokument D2 nicht eindeutig und unmittelbar zu entnehmen.

2. Die technische Wirkung dieses Unterscheidungsmerkmals sieht die Kammer darin, dass zusätzliche Einstellmöglichkeiten für die Bestrahlung mit Laserlicht vorgesehen sind. Eine möglicherweise darüberhinausgehende Wirkung, beispielsweise eine verbesserte therapeutische Wirkung durch die individuelle Einstellbarkeit der Pulsfrequenzen, kann die Kammer nicht erkennen.

Die Anmeldung offenbart zwar in den konkreten Beispielen, dass "eine sorgfältige individuelle Auswahl der Pulsfrequenz der Laserdioden unter Einbeziehung der anamnestischen Daten" (Absatz [0061] der veröffentlichten Fassung) vorgenommen wurde, bzw. dass eine Therapie "bei einer individuell angepassten Zusammenstellung der Laserfrequenzen" zu einer Reduzierung der Schmerzen führte (Absatz [0062]). Die verwendeten Formulierungen lassen es aber offen, ob der Therapieerfolg tatsächlich auf die unabhängige Einstellmöglichkeit der Pulsfrequenzen zurückzuführen ist. Beispielsweise fehlen jegliche Hinweise darauf, dass der Therapieerfolg mit nicht unabhängig einstellbaren Laserfrequenzen nicht erfolgt wäre.

3. Ausgehend von Dokument D2 stellt sich dem Fachmann daher die objektive Aufgabe, eine Vorrichtung mit erweiterten Einstellmöglichkeiten zu entwickeln.

4. Vor die Aufgabe gestellt, eine Bestrahlungsvorrichtung mit gepulst betriebenen Lichtquellen, deren Pulsweite und Pause-Tast-Verhältnis veränderlich ist (siehe D2, Anspruch 38) mit weiteren Einstellmöglichkeiten zu versehen, würde der Fachmann durch sein allgemeines Fachwissen in naheliegender Weise eine unabhängige Anpassbarkeit der Phase der Pulse und der Pulsfrequenzen der Laserdioden vorsehen. D2 offenbart nicht eindeutig, ob die dort vorgesehene Pulsparameterveränderung für alle Lichtquellen gemeinsam, oder auch für die Lichtquellen unabhängig voneinander vorgesehen ist. Es ist jedoch kein Hinderungsgrund für den Fachmann zu erkennen, eine möglicherweise für alle Lichtquellen gemeinsam vorgesehene Steuerung zur Veränderung von Pulsparametern so anzupassen, dass die Pulsparameter für die einzelnen Lichtquellen unabhängig voneinander einstellbar sind.

Diese unabhängige Anpassbarkeit der Phasen und Frequenzen stellt den Fachmann auch nicht vor technische Schwierigkeiten. Die Anmeldung selbst gibt dazu keine weiteren Hinweise, sondern geht wohl auch davon aus, dass der Fachmann alleine aus der Möglichkeit diese unabhängige Anpassbarkeit vorzusehen eine technische Lösung realisieren kann. Der einzige konkrete Hinweis auf ein Bauteil, mit dem die Veränderung der Pulsfrequenz vorgenommen werden kann, ist die "Platine mit 1 Hertz bis 20 Megahertz Signalgenerator" (Absatz [0049]). Wie mit einer solchen Platine dann mehrere Laserdioden unabhängig voneinander angesteuert werden sollen, ist nicht weiter erläutert. Auch die Anmeldung geht somit wohl davon aus, dass der Fachmann einen vorhandenen Signalgenerator für die unabhängige Ansteuerung mehrerer Laserdioden verwenden kann.

5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Hilfsantrag, Erfinderische Tätigkeit

6. In Dokument D2 ist nicht eindeutig offenbart, dass die dort beschriebene Vorrichtung zur Schmerzbehandlung eines Patienten geeignet ist. In der Liste von möglichen Anwendungen der Farblichttherapie sind nur "Behandlung von Muskelerkrankungen, rheumatischen Beschwerden, Stoffwechselstörungen, Allergien und Hautkrankheiten, zur Stärkung des Immun- und Aktivierung des Lymphsystems oder zur Durchblutungsförderung des Gewebes" angegeben (D2, Absatz [0003]). Einige dieser Beschwerden sind sicher auch mit Schmerzen verbunden, aber eine gezielte "Schmerzbehandlung" ist dort nicht genannt.

7. Es ist allerdings nicht erkennbar, dass die Änderung des Zwecks der Vorrichtung von "zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte eines Patienten" (Hauptantrag) zu "zur Schmerzbehandlung eines Patienten" (Hilfsantrag) eine Auswirkung auf die Ausgestaltung der gegenständlichen Merkmale der beanspruchten Vorrichtung hat. Die beanspruchte Vorrichtung ändert sich nicht durch die veränderte Zweckbestimmung. Sie ist sowohl "zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte" als auch "zur Schmerzbehandlung" geeignet.

8. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gelten daher die gleichen Überlegungen wie für den bereits diskutierten Anspruch 1 des Hauptantrags. Ausgehend von Dokument D2 ergibt sich daher auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags in naheliegender Weise aufgrund des allgemeinen Fachwissens des Fachmanns.

9. Der Gegenstand der Anspruchs 1 des Hilfsantrags beruht somit ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Weitere Einwände (mangelnde Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ), Verstoß gegen die guten Sitten (Artikel 53(a) EPÜ))

10. Weitere Einwände gegen die Anspruchsgegenstände des Haupt- und Hilfsantrags wie mangelnde Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) und ein eventueller Verstoß gegen die guten Sitten (Artikel 53(a) EPÜ) wegen des Vortäuschens einer Therapie wurden mit der Beschwerdeführerin diskutiert.

Da es den Anspruchsgegenständen des Anspruchs 1 des Haupt- und Hilfsantrags - wie ausgeführt - aber zumindest an erfinderischer Tätigkeit mangelt, sah sich die Kammer nicht veranlasst auch über diese weiteren Einwände zu entscheiden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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