T 0689/13 () of 9.8.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T068913.20170809
Datum der Entscheidung: 09 August 2017
Aktenzeichen: T 0689/13
Anmeldenummer: 10169401.6
IPC-Klasse: H02J 9/06
H02J 9/02
H05B 33/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: LED-Treiberschaltung
Name des Anmelders: Tridonic GmbH & Co KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit welcher die europäische Patentanmeldung Nr. 10 169 401.6 aufgrund nicht ausreichender Offenbarung gemäß Artikel 83 EPÜ sowie mangelnder Klarheit gemäß Artikel 84 EPÜ zurückgewiesen worden ist.

II. Die Beschwerdeführerin (Patentenanmelderin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche ihres mit Schreiben vom 10. Januar 2017 eingereichten geänderten Hauptantrags zu erteilen, oder, falls dies nicht möglich ist, die Zurückverweisung an die erste Instanz zur weiteren Prüfung, weiter hilfsweise das Patent auf der Grundlage der Ansprüche eines ihrer Hilfsanträge I - V, zu erteilen, allesamt eingereicht mit der Beschwerdebegründung und präzisiert mit Schreiben vom 10. Januar 2017, weiterhin hilfsweise, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

III. In einer Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ hatte die Kammer ihre vorläufige Meinung dargelegt, dass bei klargestelltem Hauptantrag eine Entscheidung über die Zurückverweisung zur weiteren Prüfung auch ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung möglich sei, sofern die Beschwerdeführerin dies beantragte.

IV. In ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Kammer mit Schreiben vom 10. Januar 2017 reichte die Beschwerdeführerin einen den Vorschlägen der Kammer entsprechenden klargestellten Hauptantrag ein, fügte nach dem Hauptantrag einen Hilfsantrag auf Zurückverweisung an das Organ der ersten Instanz zur weiteren Prüfung ein, und erklärte, die Ansprüche der anhängigen Hilfsanträge I bis V würden entsprechend der Klarstellung im Hauptantrag angepasst.

V. Anspruch 1 des gültigen Hauptantrags lautet:

"Schaltung zum Betreiben wenigstens einer LED, aufweisend:

- eine Treiberschaltung (5) mit einer Spule (L) und einem mit der Spule in Serie geschalteten und hochfrequent getakteten Schalter (S2),

wobei bei geschlossenem Schalter die Spule aufmagnetisiert wird und bei geöffnetem Schalter die Spule in Form eines Stroms durch die LED über einen Entmagnetisierungsstrompfad entmagnetisiert wird, und

- eine Steuereinheit (2) zum Ansteuern des Schalters,

dadurch gekennzeichnet, dass

in dem Entmagnetisierungsstrompfad ein Stromerfassungsmittel (17) vorgesehen ist, das ein Strom-Erfassungssignal zu der Steuereinheit (2) liefert, wobei das Strom-Erfassungssignal ein den Strom durch die LED wiedergebendes Signal ist, weiterhin aufweisend eine Energiespeichereinheit (4) in Form einer Batterie zur Versorgung der Treiberschaltung (5), eine Batterieentladestrom-Erfassungseinheit, die mit der Steuereinheit (2) derart funktionell verbunden ist, dass durch die Steuereinheit (2) ein Batterieentladestrom messbar ist,

wobei zur Regelung des Batterieentladestroms der Strom durch die LED abhängig von dem erfassten Batterieentladestrom durch Veränderung der Schaltfrequenz und/oder des Tastverhältnisses des Schalters (S2) der Treiberschaltung (5) einstellbar ist."

Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 2 betrifft eine Schaltung zum Betreiben wenigstens einer LED, die sich von der Schaltung gemäß Anspruch 1 dadurch unterscheidet, dass die Batteriespannung anstatt des Batterieentladestroms als Messgröße verwendet wird. Anspruch 3 ist von Anspruch 1 bzw. 2 abhängig. Die unabhängigen Verfahrensansprüche 4 und 5 betreffen den Schaltungen gemäß den Ansprüchen 1 bzw. 2 entsprechende Verfahren zum Betreiben wenigstens einer LED.

VI. Der Anspruch 1 des vormaligen Hauptantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des gültigen Hauptantrags lediglich dadurch, dass nach dem Ausdruck "den Strom durch die LED wiedergebendes Signal ist" zusätzlich der Ausdruck "und wobei vorzugsweise von der Steuereinheit (2) das Schaltverhalten des Schalters (S2) abhängig von dem Strom-Erfassungssignal ausgestaltet ist" enthalten war.

VII. Die Entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei weder unzureichend offenbart noch unklar. Insbesondere sei Anspruch 1 auf die Versorgung der Treiberschaltung gerichtet. Der Fall einer tiefentladenen Batterie falle nicht unter die beanspruchte Erfindung. Das strittige Merkmal "vorzugsweise von der Steuereinheit ... ausgestaltet ist" sei gestrichen worden. Ferner sei der Ausdruck "zur Versorgung der Treiberschaltung" in Anspruch 1 klar definiert. Die Ausdrücke "Strom-Erfassungssignal", "Batterieentladestrom" und "erfassten Batterieentladestrom" seien als unterschiedliche Größen definiert, wobei die beiden letztgenannten Ausdrücke entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung denselben physikalischen Wert beträfen.

Insgesamt erfülle daher der Anspruch 1 die Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ.

Entscheidungsgründe

1. Entscheidung im schriftlichen Verfahren

In der Hierarchie der Anträge der Beschwerdeführerin ist der Antrag auf Zurückverweisung höherrangig als der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Da die Kammer zu dem Schluss gekommen ist, dass die angefochtene Entscheidung aufgrund des Hauptantrags der Beschwerdeführerin aufzuheben und die Sache zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen ist, kann die Entscheidung über die Zurückverweisung daher ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen.

2. Angeblicher Verstoß gegen Artikel 83 EPÜ und Artikel 84 EPÜ

2.1 Die Prüfungsabteilung war zu dem Schluss gekommen, dass weder der vormalige Hauptantrag noch einer der vormaligen Hilfsanträge I - IX die Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ erfüllt.

Zur Prüfung eines Offenbarungsmangels nach Artikel 83 EPÜ ist nach dem Wortlaut des Artikels die Offenbarung der europäischen Patentanmeldung heranzuziehen.

Die angegriffene Entscheidung enthält jedoch an keiner Stelle eine Diskussion darüber, was in der vorliegenden Offenbarung enthalten ist und auch nicht darüber, aus welchen Gründen die vorliegende Offenbarung den Fachmann nicht in die Lage versetzen soll, die beanspruchte Erfindung auszuführen. Die Entscheidung diskutiert allenfalls Merkmale des Anspruchs 1. Dies ist zur Begründung eines Offenbarungsmangels nach Artikel 83 EPÜ jedoch unzureichend. Bereits aus diesem Grund greift der von der Prüfungsabteilung vorgebrachte Einwand unter Artikel 83 EPÜ nicht durch.

Darüber hinaus liegt auch faktisch weder ein Offenbarungsmangel nach Artikel 83 EPÜ noch ein Mangel nach Artikel 84 EPÜ vor.

2.2 Laut Auffassung der Prüfungsabteilung kann der Fachmann die Erfindung nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausführen. Angeblich lässt der Wortlaut "eine Energiespeichereinheit (4) in Form einer Batterie zur Versorgung der Treiberschaltung (5)" den Fall einer leeren oder tiefentladenen Batterie offen.

Die Erfindung beschäftigt sich jedoch mit einer optimierten Betriebsweise der Batterie. Eine Tiefentladung der Batterie ist nicht Gegenstand der beanspruchten Erfindung. Gleichwohl enthält die ursprünglich eingereichte Beschreibung auf Seite 17, Zeile 14 bis Seite 18, Zeile 33, eine entsprechende Offenbarung, wie mit einer tiefentladenen Batterie umzugehen ist, die bei einem "sehr langen Ausfall der Netzspannung" auftritt, also einen Sonderfall darstellt. Die von der Prüfungsabteilung bemängelte Offenbarung ist also entgegen den Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung in der Offenbarung der europäischen Patentanmeldung enthalten. Die von der Prüfungsabteilung getroffene Schlussfolgerung, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht ausreichend offenbart, ist daher nicht haltbar.

Eine Aufnahme von Merkmalen zum Betrieb der beanspruchten Schaltung bei tiefentladener Batterie in den Anspruch 1 hält die Kammer darüber hinaus für unangemessen, da die Tiefentladung gemäß der ursprünglichen Offenbarung nur einen Sonderfall betrifft.

Außerdem hält die Prüfungsabteilung den Gegenstand des Anspruchs 1 auch für nicht ausführbar, da der Batterieentladestrom ein Strom sei und der erfasste Batterieentladestrom eine Ladung.

Dieses Argument ist von der Kammer schlicht nicht nachvollziehbar. Ein Strom, auch ein erfasster Strom, ist jedenfalls ein Strom, genau wie im Wortlaut des Anspruchs 1 definiert. Die Tatsache, dass der Batterieentladestrom "erfasst", d.h. seine Stromstärke gemessen wird, macht den Strom nicht zu einer Ladung. Die betreffende Schlussfolgerung der Prüfungsabteilung ist daher ebenso wenig haltbar.

2.3 Die in Anspruch 1 des Hauptantrags angegebene Erfindung ist daher so vollständig und deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ sind erfüllt.

2.4 Die Prüfungsabteilung war ferner zu dem Schluss gekommen, dass Anspruch 1 des vormaligen Hauptantrags die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt.

2.4.1 Insbesondere war die Prüfungsabteilung der Meinung, dass der Begriff "vorzugsweise" in Anspruch 1 nicht deutlich ist. Der Begriff "vorzugsweise" kommt jedoch im Anspruch 1 des geänderten Hauptantrags nicht mehr vor. Unabhängig davon kann die Kammer nicht erkennen, warum ein Anspruch unklar sein sollte, nur weil ein Merkmal optional durch den Ausdruck "vorzugsweise" präzisiert ist. Der Ausdruck "vorzugsweise" ist hier nicht anders zu verstehen als der gebräuchliche Ausdruck "insbesondere".

2.4.2 Darüber hinaus war die Prüfungsabteilung der Auffassung, dass der Ausdruck "zur Versorgung der Treiberschaltung" in Anspruch 1 nicht ausschließe, dass die Batterie noch andere Teile außer der Treiberschaltung versorgen kann. Dieser Wortlaut sei zu breit und folglich der Anspruch 1 unklar.

Die Tatsache, dass die beanspruchte Batterie rein spekulativ noch weitere Schaltungsteile versorgen könnte, führt nach Auffassung der Kammer ebenfalls nicht dazu, dass der Ausdruck "zur Versorgung der Treiberschaltung" unklar ist. Anspruch 1 betrifft jedenfalls nur die Versorgung der Treiberschaltung. Spekulative weitere Versorgungen fallen nicht unter den Wortlaut des Anspruchs 1. Damit ist der Schutzbereich dieses Merkmals klar angegeben.

2.4.3 Laut Auffassung der Prüfungsabteilung sind auch die Ausdrücke "Batterieentladestrom", "erfasster Batterieentladestrom" sowie "Strom-Erfassungssignal" unklar.

Ausweislich des Anspruchs 1 ist das Strom-Erfassungssignal ein "den Strom durch die LED wiedergebendes Signal". Unabhängig davon wird nach Anspruch 1 der Batterieentladestrom von der Steuereinheit gemessen. Damit sind jedenfalls die Ausdrücke "Strom-Erfassungssignal" und "Batterieentladestrom" deutlich als separate Signale definiert.

Weiterhin sieht Anspruch 1 vor, dass "zur Regelung des Batterieentladestroms der Strom durch die LED abhängig von dem erfassten Batterieentladestrom ... einstellbar ist". Das heißt, die Regelgröße ist der Batterie-entladestrom und die Stellgröße ist der Strom durch die LED. Somit setzt der Anspruch 1 eindeutig die Ausdrücke "Strom-Erfassungssignal" und "Batterieentladestrom" zueinander in Beziehung. Die Tatsache, dass für die beanspruchte Regelung der Batterieentladestrom erfasst, d.h. gemessen werden muss, ist nach Auffassung der Kammer eine Selbstverständlichkeit. Der erfasste Batterieentladestrom hat auch keine andere physikalische Einheit als der Batterieentladestrom, nämlich Ampere.

2.4.4 Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

2.5 Insgesamt erfüllt der Anspruch 1 des geänderten Hauptantrags die Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ. Für die unabhängigen Ansprüche 2, 4 und 5 sowie den abhängigen Anspruch 3 gilt dasselbe.

Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückverwiesen.

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