T 0651/13 () of 23.9.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T065113.20140923
Datum der Entscheidung: 23 September 2014
Aktenzeichen: T 0651/13
Anmeldenummer: 09153042.8
IPC-Klasse: A61C 5/10
A61C 13/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung einer dentalen Funktionsprothetik
Name des Anmelders: DeguDent GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 53(c)
Schlagwörter: Ausnahmen von der Patentierbarkeit - Verfahren zur therapeutischen Behandlung
Ausnahmen von der Patentierbarkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/07
T 0245/87
T 0024/91
T 0836/08
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 22. Oktober 2012 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung No. 09153042.8 zurückgewiesen.

II. Die Prüfungsabteilung war unter anderem zu der Auffassung gekommen, dass der beanspruchte Gegenstand aller damals vorliegenden Anträge ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers darstelle und somit gemäß Artikel 53 c) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgenommen sei.

III. Gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und die Anordnung einer Patenterteilung, hilfsweise eine Rückverweisung an die Prüfungsabteilung zur weiteren Prüfung, jeweils auf Basis des Hauptantrags bzw. auf der Basis des 1. oder 2. Hilfsantrags, alle eingegangen mit der Beschwerde­begründung am 27. Februar 2013.

Die Ansprüche des Hauptantrags entsprechen dabei denen des am 22. September 2011 im Prüfungsverfahren eingegangenen Hauptantrags, der unabhängige Anspruch der Hilfsanträge 1 und 2 entspricht jeweils den unabhängigen Ansprüchen der während der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung am 21. September 2012 eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 (abgesehen von einer minimalen grammatikalischen Korrektur im vorletzten Absatz des zweiten Hilfsantrags).

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Herstellung einer Funktionsprothetik zum Versorgen eines Bereichs eines Kiefers umfassend die Verfahrensschritte

- Abdrucknahme des mit der Funktionsprothetik zu versehenden Kieferbereichs,

- Herstellen einer Vorkonstruktion und

- Herstellen der Funktionsprothetik auf der Basis der Vorkonstruktion,

wobei die Vorkonstruktion aus einem zeichnungsfähigen Material einer Härte H hergestellt wird, die 90 % bis 100 % der Härte von zumindest einem natürlichen oder sanierten Zahn eines Antagonisten des Kieferbereichs entspricht und die sodann in den Kieferbereich eingegliederte Vorkonstruktion in den Kieferbereich über eine Tragedauer verbleibt, anschließend die Vorkonstruktion entnommen und die Funktionsprothetik unter Berücksichtigung von während des Tragens aufgetretenen Veränderungen in der Vorkonstruktion hergestellt wird,

dadurch gekennzeichnet,

dass eine Vorkonstruktion verwendet wird, die aus zumindest einem Material aus der Gruppe Kunststoff, weicheres synthetisches Glas, Keramik, Epoxidharz, faserverstärktes Material besteht, dass die Vorkonstruktion im CAD-Verfahren hergestellt wird, dass die Vorkonstruktion sodann in einem Artikulator überprüft und nach dem Eingliedern in den Kieferbereich in diesem 5 bis 30 Tagen verbleibt und dass während der Tragedauer eine Überprüfung der Vorkonstruktion und in Abhängigkeit von erfolgter Veränderung der Vorkonstruktion diese bearbeitet wird."

VI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:

"Verfahren zur Herstellung einer Funktionsprothetik zum Versorgen eines Bereichs eines Kiefers umfassend die Verfahrensschritte

- Abdrucknahme des mit der Funktionsprothetik zu versehenden Kieferbereichs,

- Herstellen einer Vorkonstruktion und

- Herstellen der Funktionsprothetik auf der Basis der Vorkonstruktion,

wobei die Vorkonstruktion aus einem zeichnungsfähigen Material einer Härte H hergestellt wird, die 90 % bis 100 % der Härte von zumindest einem natürlichen oder sanierten Zahn eines Antagonisten des Kieferbereichs entspricht, dadurch gekennzeichnet,

dass als Vorkonstruktion eine im CAD-Verfahren hergestellte, in einem Artikulator überprüfte und über 5 bis 30 Tage im Kieferbereich verbliebene Vorkonstruktion verwendet wird,

dass die Vorkonstruktion aus zumindest einem Material aus der Gruppe Kunststoff, weicheres synthetisches Glas, Keramik, Epoxidharz, faserverstärktes Material besteht und dass die Funktionsprothetik unter Berücksichtigung von während des Tragens aufgetretenen Veränderungen in der Vorkonstruktion hergestellt wird."

VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 enthält zusätzlich zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 das Merkmal, wonach die verwendete Vorkonstruktion "in Abhängigkeit von erfolgter Veränderung während des Verbleibs im Mund bearbeitet worden ist."

VIII. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin - soweit für die vorliegende Entscheidung relevant - Folgendes vorgetragen:

Hauptantrag , Artikel 53 c) EPÜ

Der Einwand unter Artikel 53 c) EPÜ - der erst zu einem späten Zeitpunkt im Verlauf des Prüfungsverfahrens erhoben worden sei - könne schon deshalb nicht greifen, da anderenfalls eine Recherche nicht hätte durchgeführt werden dürfen.

Zudem könne das beanspruchte Verfahren nicht als therapeutisches Verfahren betrachtet werden. Die Vorkonstruktion solle nämlich das Kauen des Patienten gar nicht erleichtern. Sie sei vielmehr "zeichnungsfähig und anpassabrasiv", um durch die Nutzung gekennzeichnet zu werden, wobei das Zeichnen zum Ausdruck bringe, dass das Kauen des Patienten durch die Vorkonstruktion nicht erleichtert werde. Außerdem erfolge durch das beanspruchte Verfahren keinerlei Einwirkung auf Physis oder Psyche eines Menschen. Eine Funktionsprothetik stelle weder eine Heilung, noch eine Linderung, Beseitigung oder Abschwächung einer Funktionsstörung eines Körpers im Sinne der Entscheidung T24/91 dar. Es handele sich vielmehr lediglich um eine Abdrucknahme am und nicht im Körper mittels der eingesetzten Vorkonstruktion, ohne dass durch das Verfahren zur Herstellung einer Funktionsprothetik eine Änderung am menschlichen Körper vorgenommen werde. Das Einsetzen der Vorkonstruktion und ihr Verbleib über den Zeitraum der Abdrucknahme habe somit nichts mit einer Therapie gemeinsam.

Das beanspruchte Verfahren unterliege daher nicht dem Patentierbarkeitsverbot gemäß Artikel 53 c) EPÜ und die angegriffene Entscheidung sei somit aufzuheben.

Hilfsantrag 1 und 2, Artikel 53 c) EPÜ

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 enthalte nicht die Merkmale, wonach die Vorkonstruktion auf den menschlichen Körper aufgesetzt und gegebenenfalls bearbeitet werde. Es sei zudem lediglich beansprucht, dass eine Vorkonstruktion benutzt werde, welche im Kieferbereich 5 bis 30 Tage verblieben sei. Eingliedern und Verbleib der Vorkonstruktion im Kieferbereich erfolgten somit vor der Durchführung des beanspruchten Verfahrens und seien - in Analogie zu den Überlegungen in der Entscheidung T836/08 - nicht Teil des beanspruchten Verfahrens, welches daher auch nicht als therapeutisches Verfahren anzusehen sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Beschwerdeführerin hat keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Auch die Kammer hält eine mündliche Verhandlung nicht für sachdienlich (Artikel 116(1) EPÜ), da die entscheidungstragenden Gründe bereits in der Entscheidung der Prüfungsabteilung diskutiert wurden, und die Beschwerdeführerin sich in der Beschwerdebegründung zu diesen Gründen äußern konnte (Artikel 113(1) EPÜ.

Gemäß Artikel 12(3) VOBK konnte die Kammer somit unmittelbar über die Sache entscheiden.

3. Hauptantrag, Artikel 53 c) EPÜ

3.1 Artikel 53 c) EPÜ schreibt unter anderem vor, dass Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden, von der Patentierbarkeit ausgenommen sind.

Diese Ausnahme von der Patentierbarkeit greift unabhängig davon, ob der entsprechende Gegenstand recherchiert worden ist oder nicht, und wann der entsprechende Einwand in das Prüfungsverfahren eingeführt worden ist. Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs besteht allerdings die Voraussetzung, dass die Anmelderin Gelegenheit erhält sich zu dem erhobenen Grund zu äußern. Nachdem der Einwand unter Artikel 53 c) EPÜ im vorliegenden Fall sowohl im schriftlichen Verfahren als auch in der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung ausführlich diskutiert wurde (siehe diesbezüglich z.B. die Beschwerdebegründung, Seite 5, letzter Absatz und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung), gibt es keinen Grund, warum die Entscheidung der Prüfungsabteilung nicht auf die Erfordernisse des Artikels 53 c) EPÜ gestützt werden könnte (Artikel 113(1) EPÜ).

Wie in G01/07 bestätigt (Entscheidungsgründe Punkt 3.2.5), fällt ein Verfahrensanspruch bereits dann unter das jetzt in Artikel 53 c) EPÜ verankerte Patentierungsverbot für Verfahren zur therapeutischen Behandlung, wenn er auch nur ein Merkmal aufweist oder umfasst, das eine physische Tätigkeit oder Maßnahme definiert, die einen Verfahrensschritt zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers darstellt.

Es ist daher zu untersuchen, ob das Verfahren zur Herstellung einer Funktionsprothetik gemäß Anspruch 1 wenigstens einen als therapeutisch anzusehenden Verfahrensschritt aufweist oder umfasst.

3.2 Anspruch 1 definiert, dass eine "Vorkonstruktion aus einem zeichnungsfähigen Material einer Härte H hergestellt wird,...und die sodann in den Kieferbereich eingegliederte Vorkonstruktion in den (sic) Kieferbereich über eine Tragedauer verbleibt,...".

Anspruch 1 definiert außerdem, dass die Vorkonstruktion "nach dem Eingliedern in den Kieferbereich in diesem 5 bis 30 Tagen verbleibt".

Im weiteren Verlauf des Verfahrens wird dann die Funktionsprothetik unter Berücksichtigung von während des Tragens erfolgten Veränderungen der Vorkonstruktion hergestellt.

Das Verfahren weist also unter anderem folgende Schritte auf:

a) die Vorkonstruktion wird in den Kieferbereich eingegliedert;

b) die Vorkonstruktion verbleibt in dem Kieferbereich über eine Tragedauer von 5-30 Tagen.

Die Prüfungsabteilung war unter anderem der Ansicht, dass Schritt b) als therapeutischer Verfahrensschritt zu betrachten sei.

3.3 Nach Abschluss der Präparationen des Zahnes (also vor Abdrucknahme und somit vor Beginn des beanspruchten Verfahrens) weist der Patient eine nur einen präparierten Zahnrest umfassende Zahnlücke auf, durch die ein physiologischer Kauvorgang behindert bzw. unmöglich gemacht wird. Es handelt sich somit um eine Funktionsstörung oder Funktionsschwäche des menschlichen oder tierischen Körpers.

Wie in der von der Beschwerdeführerin selbst angeführten Entscheidung T24/91 definiert (Entscheidungsgründe, Punkt 2.7; vergleiche hierzu auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 7. Auflage 2013, I.B.4.4.1) umfasst der Begriff therapeutische Behandlung von seiner Bedeutung her "jede Behandlung, die dazu dient, die Symptome einer Funktionsstörung oder Funktionsschwäche des menschlichen oder tierischen Körpers zu heilen, zu lindern, zu beseitigen oder abzuschwächen, oder die dazu geeignet ist, dem Risiko ihres Erwerbs vorzubeugen oder dieses zu verringern."

Durch den Verfahrensschritt b), also durch den Verbleib der Vorkonstruktion im Kieferbereich über eine Tragedauer von 5 bis 30 Tagen, wird die Zahnreihe zumindest soweit wiederhergestellt, dass ein physiologisches Kauen während der Tragedauer ermöglicht wird. Dies wird auch durch den in der Anmeldung verwendeten Begriff "Funktionsprovisorium" ausgedrückt (siehe z.B. Absatz [0039]), der die provisorische Übernahme der (Kau-)Funktion bereits impliziert. Der Verbleib der Vorkonstruktion im Kieferbereich stellt außerdem zweifellos eine Einwirkung auf den Körper, d.h. auf die Physis des Patienten dar, da eine Veränderung an der Zahnreihe des Patienten eine Veränderung am Körper des Patienten darstellt.

Die anspruchsgemäße Härte des Funktionsprovisoriums von 90-100% der Härte eines natürlichen oder sanierten Zahns eines Antagonisten des Kieferbereichs ermöglicht die Zeichnung des Provisoriums. Das Provisorium ist jedoch trotzdem - insbesondere im oberen beanspruchten Härte-Bereich - für die Wirkung als Gegenbiss und somit für die Wiederherstellung der physiologischen Kaufunktion ausreichend hart.

Der Verfahrensschritt b) beseitigt oder lindert daher - zumindest für 5-30 Tage - die durch die Zahnlücke verursachte Kaufunktionsstörung und die sich daraus ergebenden Symptome. Diese sind nicht auf den eigentlichen Kauvorgang beschränkt, da dem physiologischen Kauen und der dabei erfolgenden Zerkleinerung und Durchmischung mit dem das Enzym Amylase enthaltenden Speichel eine wichtige Funktion für den gesamten Verdauungsvorgang zukommt. Der diese Vorgänge normalisierende Verfahrensschritt b) stellt somit eine Behandlung dar, die dazu dient, die Symptome einer Funktionsstörung oder Funktionsschwäche des menschlichen oder tierischen Körpers zu lindern, zu beseitigen oder abzuschwächen.

3.4 Zwar mag aus dem Blickwinkel des beanspruchten Verfahrens zur Herstellung einer Funktionsprothetik der Hauptzweck der Eingliederung der Vorkonstruktion in der Erfassung von während des Tragens aufgetretenen Veränderungen liegen. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Einbringung und der Verbleib des (Funktions-)Provisoriums dem Patienten bis zum Einsetzen der Funktionsprothetik ein weitgehend normales Kauen ermöglicht. Die Erfindung nutzt und fördert sozusagen einen Nebeneffekt der zwischen­zeitlichen provisorischen Versorgung, nämlich die dabei auftretenden Veränderungen am Provisorium während des Kauens. Dieser Effekt ist aber untrennbar mit dem therapeutischen Effekt der Wiederherstellung der Kaufunktion verbunden, da er nur auftritt, wenn das Provisorium im Mund zum Kauen verwendet wird, was wiederum zwangsläufig in therapeutischer Weise die Kaufunktion normalisiert.

Das beanspruchte Verfahren kommt daher auch nicht - wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht - einer Abdrucknahme gleich. Im Gegensatz zum Eingliedern des Funktionsprovisoriums beseitigt oder lindert eine Abdrucknahme nämlich nicht die bestehende Kaufunktionsstörung.

3.5 Der Verfahrensschritt b) stellt somit ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers dar, welches am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen wird. Der beanspruchte Gegenstand ist folglich gemäß Artikel 53 c) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgenommen.

4. Hilfsantrag 1, Artikel 53 c) EPÜ

Anspruch 1 umfasst unter anderem die folgenden Verfahrensschritte:

- Herstellen einer Vorkonstruktion;

- Herstellen der Funktionsprothetik unter Berücksichtigung von während des Tragens aufgetretenen Veränderungen in der Vorkonstruktion;

- wobei eine über 5 bis 30 Tage im Kieferbereich verbliebene Vorkonstruktion verwendet wird.

Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass der Verbleib der Vorkonstruktion im Kieferbereich nicht als Teil des beanspruchten Gegenstands anzusehen sei, da lediglich eine zuvor, d.h. vor Beginn des Verfahrens eingegliederte und im Kieferbereich verbliebene Vorkonstruktion benutzt werde.

Dieser Interpretation kann sich die Kammer nicht anschließen, da die Herstellung der Vorkonstruktion weiterhin explizit als Teil des Verfahrens beansprucht ist. Somit existiert die Vorkonstruktion vor Beginn des beanspruchten Verfahrens nicht und kann folglich auch nicht vor Beginn des Verfahrens in den Kieferbereich eingegliedert und dort für die Zeit von 5 bis 30 Tage verblieben sein.

Weiterhin ist explizit beansprucht, dass die Funktionsprothetik unter Berücksichtigung von während des Tragens aufgetretenen Veränderungen in der Vorkonstruktion hergestellt wird. Der 5-30 Tage währende Verbleib der Vorkonstruktion im Kieferbereich muss folglich vor dem explizit beanspruchten Verfahrensschritt der Herstellung der Funktionsprothetik stattgefunden haben, da nur dann die während des Tragens aufgetretenen Veränderungen in der Vorkonstruktion vorhanden sind, welche anspruchsgemäss für die Herstellung der Funktionsprothetik verwendet werden.

Somit liegen die Verfahrensschritte "Eingliedern der Vorkonstruktion in den Kieferbereich" und "Verbleib der Vorkonstruktion im Kieferbereich für 5 bis 30 Tage" zeitlich zwischen explizit beanspruchten Verfahrensschritten.

Eingliederung und Verbleib des Provisoriums können auch nicht als von dem Herstellungsverfahren für die Funktionsprothetik unabhängige, nur zeitgleich während des Verfahrens erfolgende Schritte angesehen werden. Die Erfindung beruht ja gerade darauf, dass Veränderungen am Provisorium berücksichtigt werden. Dafür ist es unabdingbar, dass das erfindungsgemäß aus einem zeichnungsfähigen Material hergestellte Provisorium in den Kiefer eingesetzt und ausreichend lange bekaut wird.

Eingliederung und Verbleib der Vorkonstruktion in den Kiefer und die damit verbundene, als therapeutisch anzusehende Normalisierung der Kaufunktion sind daher untrennbar Teil des beanspruchten Herstellungsverfahrens und somit als vom beanspruchten Verfahren umfasst anzusehen (in der Entscheidung der Prüfungsabteilung als "implizit vorhanden" bezeichnet).

Auch der Verweis auf die in der Entscheidung T836/08 entschiedene Sache ändert an obiger Analyse nichts:

Das dort definierte Verfahren zum Ermitteln der Position des distalen Endes eines Knochenführungsdrahtes hatte als rein "passives" und nicht invasives Mess- und Auswerteverfahren keine Auswirkungen auf den menschlichen Körper und die durchgeführte medizinische Behandlung (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 3). Dagegen ergibt sich durch die vom vorliegenden Verfahren umfasste Erfassung der Funktionsabläufe im stomatognathen System mittels des über einen Zeitraum von 5-30 Tagen eingegliederten Funktionsprovisoriums unvermeidbar ein therapeutischer Effekt am Körper, d.h. es besteht - anders als im Falle der T836/08 - ein funktioneller Zusammenhang (im Sinne der Entscheidung T245/87) des Herstellungsverfahrens für eine Funktionsprothetik mit dem therapeutischen Behandlungsverfahren.

Das in Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags definierte Verfahren ist somit aus den in Punkt 3 diskutierten Gründen ebenfalls als Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers von der Patentierbarkeit ausgenommen.

5. Hilfsantrag 2, Artikel 53 c) EPÜ

Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags enthält zusätzlich zu den in Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags definierten Verfahrensschritten das Merkmal, wonach die Vorkonstruktion "in Abhängigkeit von erfolgter Veränderung während des Verbleibs im Mund bearbeitet worden ist". Dieses Merkmal ändert nichts an der obigen Argumentation. Das beanspruchte Verfahren ist daher aus den in Punkt 3 und 4 bereits diskutierten Gründen ebenfalls als therapeutisches Verfahren von der Patentierbarkeit ausgenommen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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