T 0628/13 () of 30.9.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T062813.20150930
Datum der Entscheidung: 30 September 2015
Aktenzeichen: T 0628/13
Anmeldenummer: 05012813.1
IPC-Klasse: B27N 3/00
B27N 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 369 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung eines Holzwerkstoffkörpers
Name des Anmelders: Fritz Egger GmbH & Co.
Name des Einsprechenden: Flooring Technologies Ltd.
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung des Schutzbereichs (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung, mit der das Patent Nr. 1 623 807 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen der Ansprüche gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 1 das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

II. Am 30. September 2015 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der mit Schreiben vom 27. August 2015 eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 (sie entsprechen den Hilfsanträgen 2 und 3 vom 19. Dezember 2012).

III. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende, aus dem Einspruchsverfahren bekannte Entgegenhaltungen Bezug genommen:

D1: EP 0 771 259 B1,

D2: US 3 231 458 A,

D3: US 3 024 500 A,

D4: US 5 002 713 A.

Da in D2 ein zulässiger Bezug auf D3 genommen wird, werden in der vorliegenden Entscheidung, in Übereinstimmung mit den Vorträgen der Parteien, die Entgegenhaltungen D2 und D3 in Form von D2/D3 als eine einzige Offenbarung angeführt.

IV. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 13 gemäß dem Hauptantrag, d.h. in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung, lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Holzwerkstoffkörpers, bei dem Holzmaterial zu Holzspänen zerspant wird, bei dem ein Bindemittel zumindest auf die Späne aufgebracht wird, bei dem Fasern in die Holzspäne eingestreut werden und bei dem ein Holzwerkstoffkörper gepresst wird, gekennzeichnet durch die Schritte:

- Zerkleinern von fadenförmigem Fasermaterial zu einzelnen Fasern, die in die mit dem Bindemittel beleimten Holzspäne eingestreut werden,

- Bilden eines Spänekuchens mit den Holzspänen und Fasern unter Verwendung von zumindest einem Streuaggregat für die beleimten Späne, in das oder zwischen die ein Fasersprühkopf für das Einstreuen der Fasern integriert ist, und

- Pressen des Kuchens zu einer Holzwerkstoffplatte".

"13. Vorrichtung zum Herstellen eines Holzwerkstoffkörpers, insbesondere zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 12,

- mit einer Schneideeinrichtung (14,15,16,140,150,160) zum Zerkleinern von fadenförmigem Fasermaterial zu einzelnen abgeschnittenen Fasern und

- mit einem Fasersprühkopf (10,11,100,81) zum Einstreuender Fasern in Holzspäne, wobei der Fasersprühkopf mit der Schneideeinrichtung versehen ist dadurch gekennzeichnet, dass die Vorrichtung ferner aufweist:

- ein Mittel zum Zerspanen von Holzmaterial zu Holzspänen,

- ein Mittel zum Aufbringen eines Bindemittels zumindest auf die Späne,

- ein Mittel zum Bilden eines Spänekuchens unter Verwendung der Holzspäne und Fasern, mit zumindest einem Streuaggregat für die beleimten Späne, wobei der Fasersprühkopf in das oder zwischen die Streuaggregate integriert ist und die Fasern in die mit dem Bindemittel beleimten Holzspäne einstreut, und

- ein Mittel zum Pressen des Kuchens zu einer Holzwerkstoffplatte".

V. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag: Änderungen, Artikel 123 (3) EPÜ

Im Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung sei eine bestimmte Schrittfolge des Verfahrens angegeben. Gemäß dieser angegebenen Schrittfolge werden zuerst Fasern in die Holzspäne eingestreut und anschließend werde "zumindest auf die Späne" ein Bindemittel aufgebracht.

Gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sollen die Fasern in bereits in beleimter Form vorliegenden Holzspäne eingestreut werden. Damit werde die Reihenfolge der Verfahrensschritte und somit der Schutzbereich unzulässig geändert.

Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung umfasse nämlich eine Ausführungsform "E", bei der nicht mit Bindemittel versehene (Carbon- und Glas-) Fasern in nicht mit Bindemittel versehene Holzspäne eingestreut werden und dann nur die Holzspäne mit einem Bindemittel (z.B. Duroplast) versehen werden, welches nicht an den Fasern haftet. Dies zeige, dass die beanspruchte Reihenfolge der Verfahrensschritte technisch Sinn mache und auch nur so aufgefasst werden solle.

In den Absätzen [0017] und [0024] der Streitpatentschrift seien in der Tat Alternativen angegeben, welche zwar möglich seien, aber vom Wortlaut des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung nicht umfasst seien.

Wenn mehrere Streuaggregate mit dazwischenlegendem Fasersprühkopf hintereinander im Sinne des Absatzes [0024] der Streitpatentschrift positioniert seien, dann werden die Faser auf die Späne und nicht in die Späne eingestreut, so wie es Anspruch 1 verlangt. Absatz [0024] könne somit nicht als Stütze für die Änderung dienen.

Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag: Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

Kombination der Lehren von D2/D3 und Dl

D2/D3 beschreibe ein Verfahren zur Bildung von Holzwerkstoffplatten, bei dem Faser und Späne zusammen gemischt, anschließend beleimt und schließlich zu einem Spänekuchen verpresst werden.

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 unterscheide sich von dem aus D2/D3 bekannten Verfahren dadurch, dass die Fasern in bereits mit Bindemittel beleimte Holzspäne eingestreut werden, wobei in das oder zwischen die zur Bildung eines Spänekuchens benutzte(n) Streuaggregat(e) ein Fasersprühkopf für das Einstreuen der Fasern integriert sei.

Ausgehend von der D2/D3 sei die zu lösende Aufgabe darin zu sehen, eine alternative Möglichkeit für die Einbringung der Faser in die Späne vorzusehen.

Der Fachmann, der sich die o.g. Aufgabe stelle, werde

sich auch mit Verfahren zur Herstellung anderer faserverstärkter Produkte beschäftigen, wie zum Beispiel von faserverstärkten Kunststoffplatten, wie es in D1 der Fall sei.

Ein wesentlicher Punkt für die in der Streitpatentschrift beschriebene Technik sei die Verwendung eines Fasersprühkopfes zur Einbringung von Fasern in die zu bildenden Holzwerkstoffplatten.

Der Fachmann wisse aus Dl, dass mittels eines Fasersprühkopfes Fasern in eine flüssige Kunststoffmasse eingestreut werden können; dies sei auch verwendbar, wenn eine Kunststoffplatte durch Fasern verstärkt werden solle. Der Fachmann erkenne, dass er die aus D1 bekannte Vorrichtung auch für beleimte Späne benutzen könne und dass er dem Auslaufrohr 7, 70 anstatt eines Kunststoffes beleimte Holzspäne zuführen könne.

Absatz [0025] der Streitpatentschrift gebe dem Fachmann vor, dass zwischen der Herstellung von faserverstärkten Kunststoffplatten und der Herstellung von Holzwerkstoffplatten kein Unterschied bestehe, so dass die aus D1 bekannte Beimischung von Fasern entsprechend angepasst werden könne.

Es sei für den Fachmann deshalb auch naheliegend, den aus der Dl bekannten Fasersprühkopf unverändert herzunehmen und in das Streuaggregat, das notwendigerweise auch bei der D2/D3 Verwendung finde, zu integrieren, um die geschnittenen Fasern dann in die beleimten Holzspäne (die sich in dem Streuaggregat befinden) einzustreuen.

Die Verwendung des in Dl beschriebenen Fasersprühkopfes zur Einbringung von Fasern in Holzwerkstoffkörper (oder Spangemische dafür) sei daher für den Fachmann naheliegend.

Kombination der Lehren von D4 und Dl

Die Lehre der D4 entspreche der Lehre der D2/D3.

Der in Bezug auf die Kombination der Lehren von D2/D3 und D1 oben angeführte "Aufgabe-Lösungs-Ansatz" gelte entsprechend auch für die Kombination der Lehren von D4 und D1.

Anspruch 13 gemäß dem Hauptantrag: Änderungen, Artikel 123 (3) EPÜ

Die oben vorgebrachte Argumentation in Bezug auf die Nicht-Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ durch den Verfahrensanspruch 1 gelte auch entsprechend für den Vorrichtungsanspruch 13.

Anspruch 13 gemäß dem Hauptantrag: Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

Die oben vorgebrachte Argumentation in Bezug auf die mangelnde erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Verfahrensanspruchs 1 gelte auch für den Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs 13.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag: Änderungen, Artikel 123 (3) EPÜ

Aus der Reihenfolge in der Auflistung der Verfahrensschritte im Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung ergebe sich kein zeitlicher Ablauf dieser Schritte dahingehend, dass das Einstreuen der Fasern in unbeleimte Holzspäne stattfinden solle.

Insbesondere sei aus den Absätzen [0017] und [0024] der Streitpatentschrift ersichtlich, dass die Reihenfolge der Schritte in der Auflistung im Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung nicht festliege.

Im Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung seien durch den beanspruchten Schritt "Aufbringen eines Bindemittels zumindest auf die Späne" u.a. folgende Verfahrensschritte umfasst:

- die Fasern werden mit Bindemittel versehen und dann in mit Bindemittel versehene Holzspäne eingestreut, und

- die Fasern in nicht mit Bindemittel versehenem Zustand werden in bereits mit Bindemittel versehene Holzspäne eingestreut.

Dass die Fasern vor dem Einstreuen in die Späne mit einem Bindemittel versehen werden können (aber nicht zwingend müssen), sei als optionales Merkmal in Absatz [0017] der Streitpatentschrift offenbart. Der Fachmann entnehme diesem Absatz [0017] dadurch implizit auch die andere Möglichkeit, nämlich die Fasern unbeleimt in die Holzspäne einzustreuen. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag sei jetzt auf nur die beiden o.g. Varianten beschränkt.

Dass der Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung auch eine Schrittfolge umfasse, bei welcher die Fasern in zuvor beleimte Holzspane eingestreut werden, sei allerdings auch eindeutig im allgemeinen Tell der Beschreibung der Streitpatentschrift, nämlich im Absatz [0024], offenbart.

Es sei sowohl aus dem Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung, als auch aus dem Absatz [0024] der Streitpatentschrift offensichtlich, dass der im Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung benutzte Ausdruck über das "Einstreuen der Fasern in die Holzspäne" sowohl ein Einstreuen der Fasern zwischen den Holzspänen, als auch zwischen den Holzspanschichten gemeint sei. Der oben zitierte Ausdruck wurde, ohne jegliche Sinnentstellung betreffend die Art des Einstreuens der Fasern, in der Form von "Fasern, die in die mit dem Bindemittel beleimten Holzspäne eingestreut werden" in den Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag übernommen.

Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

Kombination der Lehren von D2/D3 und D1

D2/D3 offenbare ein Verfahren zum trockenen Mischen von Glasfasern mit Holzspänen, um ein homogenes Mischprodukt zu erlangen. Die trockene Mischung werde anschließend mit einer Harzlösung gemischt. Nachdem die überschüssige Harzlösung aus der Mischung geflossen sei, verdampfe das Lösungsmittel, und auf den Holzspänen und Fasern verbleibe eine Beschichtung aus Harz. Die Mischung aus so beschichteten Holzspänen und Fasern sei eine relativ klebrige Masse, die in ein Formwerkzeug eingebracht werde und darin unter Druck- und Temperatureinwirkung zu dem gewünschten Gegenstand verpresst werde.

Das Verfahren des Anspruchs 1 unterscheide sich von dem aus D2/D3 bekannten Verfahren dadurch, dass die Fasern in die bereits mit Bindemittel beleimten Holzspäne eingestreut werden, und dass ein Spänekuchen mit Holzspänen und Fasern unter Verwendung von zumindest einem Streuaggregat für die beleimten Späne dadurch gebildet werde, dass in das Streuaggregat oder zwischen die Streuaggregate ein Faserspühkopf für das Einstreuen der Fasern integriert sei.

Diese Unterscheidungsmerkmale ermöglichen eine variable Einbringung der Fasern und damit eine Verbesserung der Festigkeitseigenschaften des Holzwerkstoffkörpers mit geringen apparativen Kosten.

D1 offenbare eine Vorrichtung zur Herstellung von mit Verstärkungsfasern durchsetzten Kunststoffteilen.

D1 enthalte keine Anregung, den darin beschriebenen Kunststoff durch eine Masse beleimter Holzspäne zu ersetzen oder den darin beschriebenen Fasersprühkopf in ein Streuaggregat für beleimte Späne zu integrieren.

Der Fachmann könne daher nicht ohne erfinderisch tätig zu werden zum Verfahren des Anspruchs 1 gelangen.

Absatz [0025] der Streitpatentschrift erwähnt nur, dass die für die Herstellung von faserverstärkten Kunststoffteilen offenbarte Erfindung auf die Herstellung von Holzwerkstoffkörpern übertragen werden könne. Dies bedeute nicht zwingend, dass kein Unterschied bestehe, so wie es von der Beschwerdeführerin behauptet wurde.

Im Absatz [0042] der D1 seien nur zwei spezifische Aggregate für die Kunststoffzufuhr vorgesehen, welche an die aus D1 bekannte Vorrichtung angeschlossen werden können, nämlich ein Extruder und eine Plastifiziereinheit. Eine Zufuhr von beleimten Holzspänen, bzw. ein Streuaggregat für beleimte Späne, sei gemäß der Lehre der D1 weder vorgesehen noch vorgeschlagen.

Kombination der Lehren von D4 und D1

Die Lehre der D4 gehe nicht über den Inhalt der Lehre von D2/D3 hinaus.

Die oben aufgeführte Argumentation in Bezug auf die Kombination der Lehren von D2/D3 und D1 finde entsprechend auch für die Kombination der Lehren von D4 und D1 Anwendung.

Anspruch 13 gemäß dem Hauptantrag: Änderungen, Artikel 123 (3) EPÜ

Die oben vorgebrachte Argumentation in Bezug auf die Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ durch den Verfahrensanspruch 1 gelte auch entsprechend für die Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ durch den Vorrichtungsanspruch 13.

Anspruch 13 gemäß dem Hauptantrag: Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

Die oben vorgebrachte Argumentation in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Verfahrensanspruchs 1 gelte auch für den Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs 13.

Entscheidungsgründe

1. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag - Änderungen, Artikel 123 (3) EPÜ

1.1 Gemäß Artikel 123 (3) EPÜ darf ein europäisches Patent nicht in der Weise geändert werden, dass sein Schutzbereich erweitert wird.

1.2 Somit ist eine Änderung des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung in dem Sinne, dass er sich ausschließlich auf eine durch diesen Anspruch mit umfasste spezifische Ausführungsform einschränkt, offensichtlich konform mit den Erfordernissen des Artikels 123 (3) EPÜ.

1.3 Im vorliegenden Fall ist daher in Bezug auf die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ zu untersuchen, ob die im Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag beanspruchte Ausführungsform, wonach Fasern in die mit Bindemittel beleimten Holzspäne eingestreut werden, vom Wortlaut des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung mit umfasst war.

1.4 Die Kammer ist, in Gegensatz zur Beschwerdeführerin, im vorliegenden Fall der Auffassung, dass sich aus der Reihenfolge in der Auflistung der Verfahrensschritte im Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung kein zeitlicher Ablauf dieser Schritte dahingehend ergibt, dass das Einstreuen der Fasern ("nur") in unbeleimten Holzspäne stattfinden sollte.

1.5 Einen Beleg dafür sieht die Kammer darin, dass im Oberbegriff dieses Anspruchs das Zerspanen von Holzmaterial zu Holzspänen und danach im kennzeichnenden Teil das Zerkleinern von fadenförmigem Fasermaterial zu einzelnen Fasern beansprucht wird. Es ist dem Fachmann allgemein bekannt, dass die zwei o.g. Aktionen, nämlich das Zerkleinern von fadenförmigem Fasermaterial und das Zerspanen von Holzspänen, zwei voneinander unabhängige Aktionen sind, welche in beliebiger Reihenfolge durchgeführt werden können.

1.6 Nicht nur dadurch, sondern auch durch den Inhalt von Absatz [0017] der Streitpatentschritt ist offensichtlich, dass die Reihenfolge in der Auflistung der Verfahrensschritte in diesem Anspruch nicht zwingend den zeitlichen Ablauf dieser Schritte festlegt. Denn wenn dies so wäre, dann würde das im Absatz [0017] erwähnte Aufbringen von Bindemittel auf die Fasern vor dem Einstreuen der Fasern in die Holzspäne, wobei es um das gleiche Bindemittel geht, das für die Holzspäne verwendet wird, keinen Sinn machen. Es wird ohnehin später auf das Gemisch wieder Bindemittel aufgebracht, so wie es optional der Anspruch 1 verlangt.

1.7 Somit umfasst der im Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung angegebene Schritt des Aufbringens "eines Bindemittels zumindest auf die Späne" auch eine Ausführung des beanspruchten Verfahrens, bei welcher (beleimte oder unbeleimte) Fasern in bereits beleimte Holzspane eingestreut werden.

Eine solche spezifische Ausführungsform, bei welcher Fasern in bereits beleimte Holzspane eingestreut werden, ist übrigens auch eindeutig im allgemeinen Tell der Beschreibung der Streitpatentschrift zu finden, nämlich im Absatz [0024], und dabei als Vorteil der Erfindung (siehe Absatz [0023]) offenbart. Dort ist explizit angegeben, dass mehrere Streuköpfe vorgesehen sein können, die eine im Schichtaufbau des Holzwerkstoffkörpers bzw. der Holzwerkstoffplatte variable Einbringung und damit Lage der Fasern ermöglichen; und dass mindestens ein Streuaggregat für die beleimten Späne vorgesehen sein kann, in welches Streuaggregat oder zwischen welche Streuaggregate ein Fasersprühkopf integriert werden kann.

1.8 Genau eine solche Ausführungsform, bei welcher Fasern in bereits beleimte Holzspane eingestreut werden, wird jetzt im Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag explizit beansprucht.

1.9 Dadurch, dass nach Meinung der Kammer die Auflistung der Verfahrensschritte im Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung nicht zwingend die Reihenfolge dieser Schritte vorschreibt, ist es nicht mehr vom Bedeutung, dass dieser Anspruch auch eine Ausführungsform "E" mit umfasste, bei der nicht mit Bindemittel versehene (Carbon- und Glas-) Fasern in nicht mit Bindemittel versehene Holzspäne eingestreut werden, das Gemisch mit Bindemittel versehen wird, und nur die Holzspäne mit dem Bindemittel versehen werden, weil das Bindemittel nicht an den Fasern haftet. Die Tatsache, dass diese Ausführungsform jetzt nicht mehr vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag mit umfasst ist, ist eine Einschränkung und nicht eine Erweiterung des Schutzbereichs. Die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ sind somit erfüllt.

1.10 Die Beschwerdeführerin hat weiterhin moniert, dass nach der Offenbarung des Absatzes [0024] im Falle von mehreren hintereinander angeordneten Streuaggregaten und eines dazwischen angeordneten Fasersprühkopfes, die Faser auf eine Schicht von beleimten Spänen und somit auf die beleimten Späne und nicht in die beleimten Späne, wie es im Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag beansprucht sei, eingestreut werden.

1.11 Die Kammer sieht dies nicht so.

Es stimmt, dass Absatz [0024] von Schichten in Verlegplatten und das Vorsehen von Fasern zwischen den Schichten, bzw. an den Oberflächen spricht. Dieses Vorsehen wird, nach fachmännischem Verständnis, nicht so sein, dass die Fasern nicht mit den Holzspänen vermischt sind. Eine Verlegplatte mit nur Fasern an den Außenseiten ist unbrauchbar. Das Gleiche gilt auch für Verlegplatten, die zwischen Mittelschicht und Deckschichten eine reine Faserschicht hätten. Solche Platten würden sich schnell in den unterschiedlichen Schichten trennen. Somit ist auch im Absatz [0024] die Rede davon, dass die Fasern in die Holzspänemenge, d.h. zwischen den Holzspänen eingestreut werden.

Im Übrigen ist der oben zitierte Ausdruck des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung: "Einstreuen der Fasern in die Holzspäne" ohne jegliche Sinnentstellung in der Form von "Fasern, die in die mit dem Bindemittel beleimten Holzspäne eingestreut werden" auch im Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag vorhanden.

1.12 Ihr Argument, dass in den Absätzen [0017] und [0024] der Streitpatentschrift Alternativen des im Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung beanspruchten Verfahrens angegeben seien, welche zwar möglich, aber vom Wortlaut dieses Anspruchs nicht umfasst seien, hat keine Auswirkung auf die vorstehende Schlussfolgerung, denn - falls dies zutreffen würde - wären diese Alternativen dann auch nicht vom Anspruch 1 nach dem Hauptantrag umfasst.

1.13 Aus den oben genannten Gründen erfüllt der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ.

2. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag: Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

2.1 Kombination der Lehren von D2/D3 und D1

2.1.1 D2/D3 offenbart ein Verfahren, bei dem nach einem Trockenmischen von Fasern und Holzspänen bis ein einigermaßen homogenes Mischprodukt entstanden ist, das Mischprodukt mit einer Harzlösung gemischt und anschließend verpresst wird.

2.1.2 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von dem aus D2/D3 bekannten Verfahren dadurch, dass die Fasern in die bereits mit Bindemittel beleimten Holzspäne eingestreut werden, und dass ein Spänekuchen mit den Holzspänen und Fasern unter Verwendung von zumindest einem Streuaggregat für die beleimten Späne gebildet wird, wobei in das [Streuaggregat] oder zwischen die [Streuaggregate] ein Fasersprühkopf für das Einstreuen der Fasern integriert ist.

2.1.3 Diese Unterscheidungsmerkmale ermöglichen eine variable Einbringung der Fasern und somit eine Verbesserung der Festigkeitseigenschaften des Holzwerkstoffkörpers, siehe Absätze [0008] und [0024] der Streitpatent-schrift.

2.1.4 Ausgehend von dem aus D2/D3 bekannten Verfahren liegt der vorliegenden Erfindung die Aufgabe zugrunde, die Flexibilität des aus D2/D3 bekannten Verfahrens zu verbessern und die Festigkeitseigenschaften des Holzwerkstoffkörpers weiter zu erhöhen.

2.1.5 Die Kammer, der Argumentation der Beschwerdeführerin folgend, nimmt an, dass der mit der Lösung der o.g. Aufgabe betraute der Fachmann auch in benachbarten technischen Gebieten nach Lösungen suchen würde und somit auf die Lehre der D1 stoßen und diese in Betracht ziehen würde.

2.1.6 Dabei offenbart D1 eine Vorrichtung zur Herstellung von mit Verstärkungsfasern durchsetzten Kunststoffteilen. Die Vorrichtung gemäß D1 ist ausschließlich für die Verstärkung von Kunststoffen mit Fasern gedacht.

In D1 ist weder von Holzspänen, geschweige denn von beleimten Holzspänen die Rede. D1 enthält auch keinerlei Anregung, die darin beschriebene Vorrichtung irgendwie in Verbindung mit beleimten Holzspänen zu verwenden.

Es kommt hinzu, dass sich auch keine Integration des in D1 beschriebenen Fasersprühkopfes in ein Streuaggregat (und gar nicht für beleimte Späne) entnehmen lässt.

In der aus D1 bekannten Vorrichtung ist es wesentlich, dass im Auslaufrohr 7, 70 eine schlauchförmige Strömung aus Reaktionsgemisch erzeugt wird, in die Fasern zentrisch eingetragen werden, siehe Absätze [0035] und [0040]. Dabei ist es vorgesehen, dass das Auslaufrohr 7, 70 an eine Plastifiziereinheit oder an einen Extruder angeschlossen wird, siehe Absatz [0042].

Aus der Tatsache, dass in D1 von einem fließfähigen

Reaktionsgemisch die Rede ist, kann auch nicht auf eine Übertragung auf ein Gemisch von beleimten Holzspänen geschlossen werden, so wie es die Beschwerdeführerin behauptete und schon gar nicht über die ex-post-facto Erkenntnis, dass in der Kunststoffverarbeitung, Granulatsmischungen auch als "fließfähig" bezeichnet werden. Der generische Begriff "fließfähig" kann eben nicht dem spezifischen Begriff "Granulatsmischung", bzw. "Mischung beleimter Holzspäne" gleichgestellt werden.

2.1.7 Selbst wenn der Fachmann die Lehren der D1 auf das Verfahren nach D2/D3 anwenden würde, müsste er den wesentlichen Vorteil der gründlichen Mischung in dem Behälter nach D2/D3, siehe D3, Spalte 2, Zeilen 15 - 19, aufgeben. Anstatt dessen müsste er ein konzentrisches Einbringen von Fasern in irgendeiner schlauchförmigen Masse von beleimten Holzspänen vornehmen und in ein Streuaggregat oder zwischen mehreren Streuaggregaten den Fasersprühkopf nach D1 integrieren.

2.1.8 Die Kammer ist daher der Meinung, dass der Fachmann solche Maßnahmen nicht durchführen würde.

2.2 Kombination der Lehren von D4 und D1

2.2.1 D4 offenbart ein Verfahren zur Herstellung von Holzwerkstoffplatten aus lignozellulosem Material. Dabei werden auch nicht-lignozelluloses Material, wie etwa Glasfasern, mit dem lignozellulosen Material gemischt. Von einem Einstreuen von Fasern in beleimte Späne ist in D4 kein Hinweis zu finden.

D4 geht daher gegenüber dem Gegenstand des Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der D2/D3 hinaus.

2.2.2 Die unter den Punkten 2.1.2 bis 2.1.8 oben dargestellten Überlegungen der Kammer gelten daher auch mutatis mutandis für die Kombination der Lehren von D4 und D1.

2.3 Aus den oben genannten Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

3. Anspruch 13 gemäß dem Hauptantrag: Änderungen, Artikel 123 (3) EPÜ

Die unter Punkt 1 oben dargestellten Überlegungen der Kammer in Bezug auf die Änderungen des Verfahrensanspruchs 1 gelten mutatis mutandis für die Änderungen des Vorrichtungsanspruchs 13.

4. Anspruch 13 gemäß dem Hauptantrag: Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

Die unter Punkt 2 oben dargestellten Überlegungen der Kammer in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Verfahrensanspruchs 1 gelten mutatis mutandis für den Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs 13.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation