T 0564/13 () of 15.11.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T056413.20161115
Datum der Entscheidung: 15 November 2016
Aktenzeichen: T 0564/13
Anmeldenummer: 07016617.8
IPC-Klasse: B23C 5/08
B23C 5/28
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Scheibenförmiges Fräswerkzeug
Name des Anmelders: Fette GmbH
Name des Einsprechenden: Sandvik Intellectual Property AB
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag 1 und 2 (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 2 (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 17. Dezember 2012 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung wurde festgestellt, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen gemäß dem damals geltenden Hilfsantrag 2 das europäische Patent Nr. 1 897 642 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.

II. Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) und die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende) haben gegen diese Entscheidung jeweils form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

III. Am 15. November 2016 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Hinsichtlich des Verlaufs der Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen.

IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

Die Beschwerdeführerin 1 beantragte

1) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und

1a) die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter

Fassung (Hauptantrag) oder

1b) hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis des mit Schriftsatz vom 22. April 2013 als Hilfsantrag 1 eingereichten Anspruchssatzes, sowie

2) die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden (d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung nach der angefochtenen Entscheidung, bezeichnet als Hilfsantrag 2) oder

3) weiter hilfsweise, unter Aufhebung der angefochtenen

Entscheidung, die Aufrechterhaltung des Patents in

geänderter Fassung auf der Basis des mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2013 als Hilfsantrag 3 eingereichten Anspruchssatzes.

Die Beschwerdeführerin 2 beantragte

1) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents, sowie

2) die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

V. Folgende Dokumente waren für die vorliegende Entscheidung relevant:

D2: US-A-2,080,401;

P5: Eintrag "Spankammer" aus Wikipedia.

VI. Anspruch 1 des Hauptantrags (Patent wie erteilt) hat folgenden Wortlaut:

"(M1) Scheibenförmiges Fräswerkzeug

(M2) mit einem scheibenförmigen Grundkörper,

(M3) der eine zentrale axiale Durchbohrung für die Aufnahme einer Antriebswelle aufweist

(M4, M5) sowie am Umfang eine Mehrzahl von Taschen für die Aufnahme von Schneidplatten,

(M6) wobei den Taschen Spankammern zugeordnet sind

(M7) und zwischen der zentralen Durchbohrung und den Spankammern ein Kanalsystem angeordnet ist für den Durchgang von Kühlfluid,

(M8) das in den Spankammern austritt,

dadurch gekennzeichnet, daß

(M9) der scheibenförmige Grundkörper aus mindestens zwei koaxial aneinander liegenden Teilscheiben (12, 14, 52, 54) gebildet ist,

(M10) die zwischen sich einen konzentrisch angeordneten Ringkanal (26, 66) bilden,

(M11) der über mindestens einen Verbindungskanal (22, 24, 60, 62) mit der Durchbohrung (18, 20, 64) verbunden ist

(M12) und der Ringkanal über relativ kurze Bohrungsabschnitte mit den Spankammern (32, 34, 58) verbunden ist."

Die Merkmalsgliederung wurde von der Kammer hinzugefügt und entspricht der Merkmalsgliederung in der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin (Anlage P1 zum Schriftsatz vom 22. April 2013).

VII. Hilfsantrag 1:

In Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist im Vergleich zum erteilten Anspruch 1 zum einen

der Begriff "[deleted: Scheibenförmiges Fräswerkzeug]" durch "Scheibenförmiger Zahnform-Fräser" ersetzt worden.

Zum anderen wurde folgendes Merkmal hinzugefügt:

"wobei die Bohrungsabschnitte in den Spankammern (32, 34, 58) austreten und die Länge der Bohrungsabschnitte ein Bruchteil der Länge des mindestens einen Verbindungskanals (22, 24, 60, 62) ist, und wobei der Ringkanal (26, 66) und der mindestens eine Verbindungskanal (22, 24, 60, 62) durch fräsende Bearbeitung geformt sind."

VIII. Hilfsantrag 2

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 mit folgendem zusätzlichen Merkmal:

"wobei der Ringkanal (26) in beiden Teilscheiben ausgebildet ist".

IX. Hilfsantrag 3 hat für diese Entscheidung keine Rolle gespielt.

X. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin 1 im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Hauptantrag - Neuheit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht in D2, insbesondere nicht in den Ausführungsbeispielen der Abbildungen 3, 4 und 6 offenbart.

Zum einen könne der dort gezeigte Planmesserkopf mit axial vorstehenden Planmessern nicht als scheibenförmiges Fräswerkzeug im Sinne des Anspruchs, vgl. Merkmale M1, M4 und M5, angesehen werden. Aus der Offenbarung des Patents, insbesondere Paragraph [0017], ergebe sich nämlich für den Fachmann, dass bei dem beanspruchten scheibenförmigen Fräswerkzeug die Schneidplatten in Umfangsrichtung vorstehen müssten, was bei dem aus D2 bekannten Fräswerkzeug nicht der Fall sei.

Zum anderen weise das aus D2 bekannte Fräswerkzeug keine Spankammern im Sinne des Streitpatents auf. Wie sich aus den Figuren des Patents ergebe, sei unter einer Spankammer ein eindeutig begrenzter, vertiefter Bereich zu verstehen, in dem sich die Späne sammeln. Ein solcher eindeutig begrenzter, vertiefter Bereich zur Aufnahme der Späne finde sich in D2 nicht. Selbst wenn eine funktionelle Definition für den Begriff Spankammer zu Grunde gelegte werde, so könne allenfalls der Bereiche zwischen den Schneidzähnen als Spankammer gelten. Es fehle somit zumindest an einem in den Spankammern austretenden Kanalsystem.

Anspruch 1 sei daher neu über die Offenbarung der D2.

Hilfsantrag 1 - Neuheit und erfinderische Tätigkeit

Zumindest durch die hinzugefügten Merkmale werde Neuheit gegenüber D2 hergestellt. So bedinge der Begriff Zahnform-Fräser ein tangentiales Fräsverfahren, für das der aus D2 bekannte Fräskopf ungeeignet sei. Wie bereits diskutiert, sei auch ein Austreten von Bohrungsabschnitten des Kanalsystems in den Spankammern in D2 nicht offenbart. Weiterhin finde sich im Stand der Technik keinerlei Hinweis auf die nun im Anspruch definierte fräsende Bearbeitung, mit welcher Ringkanal und Verbindungskanal geformt würden. Hierfür seien alternative Herstellungsverfahren, z.B. Gussverfahren denkbar. Selbst wenn der Fachmann von D2 ausgehend nach einem vereinfachten Herstellungs­verfahren für das Fräswerkzeug suche, so könne - ohne jeglichen druckschriftlichen Hinweis - die Verwendung eines Fräsverfahrens nicht als naheliegend angesehen werden.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei somit neu und erfinderisch.

Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 definiere, dass der Ringkanal durch fräsende Bearbeitung geformt und in beiden Teilscheiben ausgebildet sei. Der beanspruchte Gegenstand unterscheide sich somit vom nächstliegenden Stand der Technik gemäß Abbildung 6 der D2 zumindest dadurch, dass der Ringkanal in Deckscheibe und Hauptscheibe gefräst, statt ausschließlich in der Hauptscheibe ausgebildet werde. Zwar sei ein in der Hauptscheibe und einem Abdeckring ausgebildeter Ringkanal in dem Ausführungsbeispiel gemäß Abbildung 4 verwirklicht. Die Abdeckplatte sei dazu jedoch offensichtlich deutlich dicker ausgebildet als im Ausführungsbeispiel der Figur 6. Es gebe zudem für den Fachmann keinerlei Hinweis, das Merkmal dem grundsätzlich anders aufgebauten Ausführungsbeispiel nach Figur 4 isoliert zu entnehmen. Lediglich eine rückschauende Betrachtungsweise könne dazu führen, die Merkmale mosaikartig aus den verschiedenen Ausführungsbeispielen herauszulesen und zu kombinieren, was der Fachmann ohne entsprechende Motivation jedoch nicht machte.

Auch ausgehend von dem Ausführungsbeispiel gemäß Abbildung 4 fehle es an einem Anreiz, die gebohrten Verbindungskanäle wie in Abbildung 6 offenbart als durch eine Abdeckplatte geschlossene Nuten auszubilden, bei dieser Weiterentwicklung jedoch isoliert das Merkmal des in beiden Teilscheiben ausgebildeten Ringkanals aus dem Ausführungsbeispiel gemäß Abbildung 4 zu erhalten.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

XI. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin 2 im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Hauptantrag - mangelnde Neuheit

Das in D2, Abbildungen 3, 4 und 6 gezeigte Fräswerkzeug sei ohne Frage scheibenförmig und weise - wie in der Ladung zur mündlichen Verhandlung ausgeführt - eine Mehrzahl von Taschen für die Aufnahme von Schneidplatten am Umfang seines Grundkörpers aus. Mehr werde vom Anspruchswortlaut nicht verlangt.

Weiterhin bezeichne - ohne eine engere Definition in der Patentschrift - eine "Spankammer", bzw. der synonym gebrauchte Begriff Spanraum, lediglich denjenigen Bereich eines spanenden Werkzeugs, in den die anfallenden Späne gelenkt würden. Insbesondere sei auch die Spankammer gemäß Patent, vgl. Abbildung 4, Nr. 58, keineswegs auf den durch die Projektion der Schneidkanten begrenzten Bereich beschränkt, sondern reiche weiter nach zentral. Genauso erstrecke sich der in D2 zwischen den Schneiden vorhandene, vertiefte Raum zur Aufnahme der Späne, d.h. die Spankammer über den durch die Projektion der Schneiden gebildeten Bereich hinaus nach innen, d.h. dahin, wo das Kanalsystem münde. Kanalsystem und Spanraum erfüllten überdies funktionell denselben Zweck wie Spankammer und Kühlsystem des Patents, vgl. D2, Spalte 1, Zeilen 28 bis 40. D2 weise daher auch das Merkmal eines in den Spankammern austretenden Kanalsystems auf.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei somit nicht neu über die Offenbarung der D2.

Hilfsantrag 1 - mangelnde Neuheit und Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit

Der aus D2 bekannte Fräser sei explizit zur Herstellung von Zahnrädern gedacht, vgl. Spalte 1, Zeilen 1-3. Es handele sich somit um einen Zahnform-Fräser.

Bezüglich der Frage eines Austretens der Bohrungsabschnitte in den Spankammern, gelte die bereits für Anspruch 1 des Hauptantrags vorgebrachte Argumentation.

Weiterhin sei es zwar richtig, dass bezüglich des zur Herstellung von Ringkanal und Verbindungskanal zu wählenden Verfahrens in D2 keine konkreten Angaben gemacht würden. Eine Herstellung derartiger Nuten durch Fräsen sei aber im technischen Gebiet gebräuchlich und für den Fachmann naheliegend.

Hilfsantrag 2 - mangelnde erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei sowohl ausgehend von dem Ausführungsbeispiel D2, Figur 4, als auch von D2, Figur 6, naheliegend.

Der im Unterschied zum Ausführungsbeispiel nach Figur 6 in beiden Platten ausgebildete Ringkanal ermögliche eine Querschnittsvergrößerung des Ringkanals, ohne tiefer fräsen zu müssen. Zudem könnten in der dann in der Abdeckplatte vorhandenen Nut die schrägen Bohrungen leichter angebracht werden. Die technische Aufgabe sei somit in einer vereinfachten Herstellung des Fräswerkzeugs zu sehen. Aus dem Ausführungsbeispiel nach Figur 4 sei jedoch die Ausbildung des Ringkanals in beiden Körpern bereits bekannt. Sie stelle eine für den Fachmann offensichtliche Lösung der technischen Aufgaben dar, wobei der Fachmann selbstverständlich die Dicke der aus Figur 6 bekannten Deckplatte Nr. 54 für die zu fräsende Nut geeignet dimensionieren würde.

Umgekehrt könne auch von dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen werden. Der Unterschied bestehe dann darin, die Verbindungskanäle nicht durch Bohrungen, sondern durch an der Oberfläche geführte, gefräste Kanäle zu realisieren, was ebenfalls eine vereinfachte Herstellung bewirke. In Kenntnis der Ausführungsform gemäß Figur 6 sei es für den Fachmann naheliegend, die Verbindungskanäle als an der Oberfläche des Fräsers gelegene, mit einer Abdeckplatte bedeckte Nuten auszuführen. Dies sei im Ausführungsbeispiel nach Figur 4 in besonders einfacher Weise zu realisieren, da nach Ersetzen der Bohrung durch die oberflächlich ausgebildeten Nuten lediglich die bereits vorhandene Ringplatte als Abdeckung zum Schließen der Kanäle nach radial innen verlängert werden müsse.

Zusammenfassend illustrierten die verschiedenen Ausführungsbeispiele der D2 die Vielfalt von Möglichkeiten zur Ausbildung der Verbindungskanäle oder des Ringkanals des Kühlsystems. Der Fachmann würde erkennen, dass diese unterschiedlichen Möglichkeiten miteinander entsprechend kombiniert werden könnten.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - mangelnde Neuheit über D2

Dokument D2 offenbart:

1.1 Merkmale M1-M3: Ein scheibenförmiges Fräswerkzeug (D2, Figur 6) mit einem scheibenförmigen Grundkörper (Nr. 50), der eine zentrale axiale Durchbohrung ("bore" Nr. 52) für die Aufnahme einer Antriebswelle aufweist.

1.2 Merkmale M4, M5: Die Schneidplatten aus D2, Abbildung 6 sind weiterhin in einer Mehrzahl von am Umfang des Grundkörpers ausgebildeten Taschen angeordnet: In Figur 6 ist neben der den schraffiert dargestellten Scheibenkörper begrenzenden Linie eine weitere, weiter radial außen liegende Linie vorhanden. Der Bereich zwischen den beiden genannten Linien bleibt ohne Schraffur und ist somit den Schneidplatten (Nr. 11, "cutter blades") zuzuordnen. Diese sind daher in sich bis zum Umfang des scheibenförmigen Grundkörpers erstreckenden Taschen aufgenommen.

Im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin 1 ist dem Anspruchswortlaut nicht zu entnehmen, dass die Schneidplatten in Umfangsrichtung vorspringen müssten. Zwar zeigt das konkrete Ausführungsbeispiel des Patents (zu dem auch die genannte Offenbarung in Paragraf [0017] gehört) einen Fräser mit radial vorstehenden Schneidplatten. Dies schränkt den vom Anspruchswortlaut umfassten Gegenstand jedoch keineswegs dahingehend ein.

1.3 Merkmale M6-M8: Streitig ist insbesondere, ob D2 überhaupt Spankammern im Sinne des Streitpatents aufweist, und wenn ja, ob sich diese so weit nach zentral erstrecken, dass das Kanalsystem in diesen Spankammern austritt.

Hier ist zunächst festzustellen, dass das Patent selbst keine Definition des Begriffs "Spankammer" enthält. Zwar zeigen die Abbildungen (vgl. z.B. Abbildung 4, Nr. 58) als "Spankammern" begrenzte, aus dem Grundkörper herausgenommene Bereiche. In den Abbildungen gezeigte Ausführungsformen sind jedoch nicht anspruchs­begrenzend, sondern illustrieren lediglich beispiel­haft, was unter einen bestimmten Begriff fallen kann.

Es ist daher für die Interpretation des streitigen Begriffs "Spankammer" auf das Verständnis des Fachmanns abzustellen, der unter einer "Spankammer" oder einem "Spanraum" eine Vertiefung zwischen den Werkzeug­schneiden an zerspanenden Werkzeugen zur Aufnahme der abgetrennten Späne während des Schneideingriffs versteht (vgl. Wikipedia, Eintrag: Spankammer, Anlage P5). Dabei weist das aus D2, Figur 6, bekannte Fräswerkzeug zwischen den Schneiden der Schneidplatten gelegene, vertiefte Bereiche auf, in denen sich die abgetrennten Späne sammeln. Diese Bereiche zwischen den Schneidplatten sind somit als "Spankammern" im Sinne des Anspruchs anzusehen, welche den Taschen zugeordnet sind.

Der Begriff Spankammer ist weiterhin nicht auf eine bestimmte Erstreckung nach zentral, wie z.B. auf den Raum zwischen den Schneidplatten, beschränkt. Dies zeigt schon die Darstellung der Spankammern im Patent, welche sich weiter nach innen erstrecken, als die Projektion der Schneidkanten. Auch die anfallenden Späne lassen sich nicht im Raum zwischen den Spanplatten halten, sondern dringen weiter nach zentral vor.

Nachdem es weiterhin das erklärte Ziel des Kühlsystems (mit Kanalsystem Figur 6, Nrn. 51, 53 und 55) gemäß D2 ist, die abgetrennten Späne wegzuwaschen, ist davon auszugehen, dass die Kühlflüssigkeit da austritt, wo sich diese wegzuwaschenden Späne sammeln, d.h. in den Spankammern.

Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass der im Patent nicht weiter definierte Begriff "Spankammer" so breit auszulegen ist, dass die Bohrungsabschnitte D2, Figur 6, Nr. 55, als in den Spankammern austretend anzusehen sind.

1.4 Merkmal M9: Der scheibenförmige Grundkörper ist gebildet aus mindestens 2 koaxial aneinander liegenden Teilscheiben (Figur 6, Nrn. 54 und 50).

1.5 Merkmal M10: Die Teilscheiben bilden zwischen sich einen konzentrisch angeordneten Ringkanal (Nr. 53).

1.6 Merkmal M11: Der Ringkanal ist über mindestens einen Verbindungskanal (Nr. 51) mit der Durchbohrung (Nr. 52) verbunden.

1.7 Merkmal M12: Der Ringkanal (Nr. 53) ist über relativ kurze Bohrungsabschnitte (Nr. 55) mit den Spankammern verbunden (vgl. hierzu Punkt 1.3).

Die Entgegenhaltung D2 offenbart daher alle Merkmale des Anspruchs 1 wie erteilt. Die somit fehlende Neuheit steht der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegen.

2. Hilfsantrag 1 - Neuheit und erfinderische Tätigkeit

2.1 Das Merkmal "scheibenförmiger Zahnform-Fräser": Das Fräswerkzeug der D2 ist explizit zur Herstellung von Zahnrädern gedacht (Spalte 1, Zeilen 1-3: "for cutting gears"). Es handelt sich somit um einen Zahnform-Fräser.

2.2 Das Merkmal "Austreten der Bohrungsabschnitte in den Spankammern": Vgl. Punkt 1.3.

2.3 Das Merkmal "die Länge der Bohrungsabschnitte ist ein Bruchteil der Länge des mindestens einen Verbindungskanals": Die Bohrung (Figur 6, Nr. 55) weist einen Bruchteil der Länge des Kanals (Nr. 51) auf. Die Offenbarung dieses Merkmals in D2 wurde im Übrigen von der Beschwerdeführerin 1 in der mündlichen Verhandlung nicht infrage gestellt.

2.4 Das Merkmal "der Ringkanal und der mindestens eine Verbindungskanal sind durch fräsende Bearbeitung geformt": D2 offenbart nicht explizit, wie Ringkanal und Verbindungskanal zu fertigen sind. Die technische Aufgabe wäre somit, ein Verfahren mit herabgesetztem Fertigungsaufwand zur Herstellung dieser in D2, Figur 6, offenbarten Strukturen aufzufinden (vgl. Patent Paragraf [0007]). Dabei ist die Herstellung einer Nut in einer Oberfläche durch fräsende Bearbeitung ein dem Fachmann wohlbekanntes Standardverfahren. Er sähe die Herstellung der genannten Strukturen durch fräsende Bearbeitung somit ohne weiteres als naheliegend an.

Anspruch 1 des Hilfsantrag 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit

3.1 Das Ausführungsbeispiel gemäß D2, Abbildung 6 als nächstliegender Stand der Technik:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von der Offenbarung der D2, Abbildung 6 dadurch, dass der Ringkanal und der mindestens eine Verbindungskanal durch fräsende Bearbeitung geformt sind, wobei der Ringkanal in beiden Teilscheiben ausgebildet ist. Bezüglich der Ausbildung des Ringkanals in beiden Teilscheiben offenbart die Patentschrift keinen spezifischen technischen Effekt (siehe Paragraf [0013]). Man kann daher als technische Aufgabe an das Auffinden einer alternativen Ausgestaltung des Ringkanals denken. Für die weiter ins Gespräch gebrachten Effekte einer vereinfachten Anbringung der kurzen Bohrungsabschnitte oder einer Querschnittserweiterung des Ringkanals gibt es dagegen weder im Patent noch im Stand der Technik einen Hinweis.

Abbildung 4 der D2 offenbart eine solche alternative Ausgestaltung, bei der der Ringkanal in beiden Teilscheiben ausgebildet ist. Allerdings ist die Deckplatte dort deutlich dicker ausgebildet als die relativ dünnwandigere Deckplatte des Ausführungsbeispiels der Abbildung 6. Die Kammer ist der Ansicht, dass der Fachmann davon absähe, diese relativ dünnwandige Deckplatte mit einer Nut zu versehen, da dies zu einer mechanischen Schwächung der Deckplatte führen würde.

Die Beschwerdeführerin 2 hat vorgebracht, dass der Fachmann bei Verwendung der alternativen Ausgestaltung gemäß Figur 4 natürlich die Dicke der dort offenbarten Deckplatte entsprechend beibehielte. Dies führte lediglich zu einer etwas dickeren Ausbildung der in Figur 6 gezeigten Platte, wobei der Materialbedarf hierfür nur unwesentlich höher wäre.

Eine solche Kombination einzelner Details verschiedener Ausführungsformen mit einer zusätzlichen, zielgerichteten, in D2 weder gezeigten noch angeregten Anpassung weiterer Merkmale (hier der Dicke der Deckplatte), muss jedoch als auf einer rückschauenden Betrachtungsweise beruhend angesehen werden.

3.2 Das Ausführungsbeispiel gemäß D2, Abbildung 4 als nächstliegender Stand der Technik:

Das Ausführungsbeispiel gemäß D2, Abbildung 4 weist neben dem in beiden Teilscheiben ausgebildeten Ringkanal einen im Inneren des Scheibengrundkörpers (Figur 4, Nr. 30) verlaufenden gebohrten Kanal (Nr. 35) auf. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich somit vom Ausführungsbeispiel gemäß D2, Abbildung 4, darin, dass der mindestens eine Verbindungskanal durch fräsende Bearbeitung geformt ist. Wie in Paragraf [0007] des Patents beschrieben, ist Fräsen "relativ unaufwendig" im Vergleich zur Herstellung insbesondere längerer Bohrungen.

Die technische Aufgabe wäre somit in einer Vereinfachung der Herstellung des aus D2, Figur 4, vorbekannten Fräswerkzeugs zu sehen.

Allerdings kann der im Inneren des Grundkörpers verlaufende Verbindungskanal nicht durch Fräsen hergestellt werden. Der Fachmann sähe daher - selbst wenn ihm Fräsen als unaufwendiges Herstellungsverfahren geläufig ist - ein Fräsen des in Figur 4 gezeigten Verbindungskanals nicht als naheliegend an.

Erst durch eine weitreichende Modifikation des aus Figur 4 bekannten Fräswerkzeugs (Verlegung des Verbindungskanals an die Oberfläche, entsprechende Verlegung des flüssigkeitszuführenden Systems mit Ausnehmung Nr. 32 nach werkstückseitig, deutliche Vergrößerung der Breite der Ringplatte nach zentral) entstünde überhaupt ein Werkzeug, für welches Fräsen als Herstellungsverfahren in Frage käme. Diese Veränderungen ginge jedoch weit über routinemäßige, vom Fachmann im Rahmen seines üblichen Handelns durchgeführte Maßnahmen hinaus.

Selbst wenn der Fachmann erkennte, dass das Ausführungsbeispiel aus Figur 6 sich für eine einfache fräsende Herstellung eignete, so stellte dieses Ausführungsbeispiel doch selbst eine vollständige Lösung dar. Es gibt - außer in Kenntnis der Erfindung - keinen Anreiz, der den Fachmann veranließe, fast die gesamte Anordnung aus Figur 6 unter Ausnahme ausgerechnet der Ausbildung des Ringkanals in das Ausführungsbeispiel der Figur 4 zu integrieren, dabei jedoch zusätzlich die Dicke der Abdeckplatte entsprechend anzupassen. Auch ein solches Handeln beruhte nach Ansicht der Kammer auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

3.3 Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht in naheliegender Weise aus den Ausführungsbeispielen nach Abbildung 4 und 6 der D2 ergibt.

4. Zusammenfassend kann das Patent in der von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten Fassung gemäß Hilfsantrag 2 aufrechterhalten werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerden sowohl der Patentinhaberin als auch der Einsprechenden werden zurückgewiesen.

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