T 0507/13 () of 26.9.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T050713.20170926
Datum der Entscheidung: 26 September 2017
Aktenzeichen: T 0507/13
Anmeldenummer: 07711816.4
IPC-Klasse: B31F 1/07
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Prägevorrichtung für mindestens zweilagige Flächenprodukte wie Toilettenpapier, Taschentücher oder dergleichen
Name des Anmelders: Metsä Tissue Oyj
Name des Einsprechenden: SCA Tissue France
SCA Hygiene Products AB
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Zulassung des 1. Hilfsantrags, der am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht wurde - nein
Zulassung des 2. Hilfsantrags - ja
Unzulässige Erweiterung - nein
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein), 2. Hilfsantrag (ja)
Ausführbarkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 02) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die am 21. Dezember 2012 zur Post gegeben wurde und mit der der Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 1 991 411 zurückgewiesen wurde, am 21. Februar 2013 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 22. April 2013 eingegangen.

Mit den Einsprüchen war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 b) EPÜ (mangelnde Ausführbarkeit, Artikel 83 EPÜ) und Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, Artikel 56 EPÜ, mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) angegriffen worden.

II. In einer Mitteilung vom 24. Juli 2017 zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung äußerte die Kammer ihre vorläufige Auffassung, dass der Beschwerdeerwiderung vom 2. September 2013 nicht zu entnehmen zu sein scheint, aus welchen Gründen die mit diesem Schriftsatz eingereichten 1. bis 6. Hilfsanträge gewährbar sein sollen. Die Beschwerdeerwiderung scheint somit, entgegen der Erfordernisse des Artikels 12 (2) VOBK, nicht den vollständigen Sachvortrag zur Patentfähigkeit der Hilfsanträge aufzuweisen, so dass das Vorbringen der Beschwerdegegnerin mit dem Antrag, das Patent auf der Grundlage von Hilfsanträgen aufrechtzuerhalten, von der Kammer nicht zu berücksichtigen wäre, Artikel 12 (4) VOBK, siehe Punkt 4 der Mitteilung.

Zu dem Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit führte die Kammer Folgendes aus:

"5.1 Anspruch 1 wie erteilt weist folgendes Merkmal auf:

- mit mindestens einem Leimwerk (32) ... mittels welchem Leim (34) auf die Prägepunkte (38) der Prägewalze (20) aufgebracht wird.

Nach vorläufiger Einschätzung der Kammer würde der Fachmann der Ausdruck "Leim (34) auf die Prägepunkte (38) der Prägewalze (20)" als einen offensichtlichen Fehler im Sinne der Regel 139 EPÜ erkennen und als Berichtigung "Leim (34) auf die durch die Prägepunkte (38) der Prägewalze (20) erzeugten Erhebungen" mitlesen (Hervorhebung der Kammer), vgl. Spalte 8, Zeilen 44 bis 48).

5.2 Die Kammer kommt somit zu dem vorläufigen Ergebnis, dass die in Anspruch 1 des Patents beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann."

III. Mit Schreiben vom 22. August 2017 legte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) dar, aus welchen Gründen die 1. bis 6. Hilfsanträge gewährbar sein sollten.

IV. Am 26. September 2017 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, an der die weitere Verfahrensbeteiligte (Einsprechende 01), obschon ordnungsgemäß geladen, nicht teilnahm.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, oder hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten 1. oder 2. Hilfsantrages aufrechtzuerhalten.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht vertretene Verfahrensbeteiligte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

VI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Prägevorrichtung (10) für mindestens zweilagige Flächenprodukte (40) wie Toilettenpapier, Taschentücher oder dergleichen

- mit mindestens einem ersten und mindestens einem zweiten Walzenpaar (12, 14), gebildet jeweils aus einer Prägewalze (16, 20) und einer Gummiwalze (18, 22), wobei die Prägewalze (16) des ersten Paares (12) über ihre gesamte Prägefläche gleichmäßig verteilt eine Vielzahl von Prägepunkten (38) in einer Anzahl von etwa 20 bis etwa 70 pro cm**(2) zur Erzeugung einer flächigen Mikroprägung auf mindestens einer Lagenbahn (24) aufweist, und wobei die Prägewalze (20) des zweiten Paares (14) über ihre Prägefläche verteilt erste und zweite Bereiche (26, 28) aufweist, wobei die ersten Bereiche (26) eine Vielzahl von Prägepunkten (38) in einer Anzahl von etwa 45 bis etwa 70 pro cm**(2) zur Erzeugung einer flächigen Mikroprägung auf mindestens einer weiteren Lagenbahn (30) aufweisen, und die zweiten Bereiche (28) keine Prägepunkte aufweisen, wobei die zweiten Bereiche (28) nicht mehr als 40% der gesamten Prägefläche bilden und nicht untereinander verbunden sind,

- mit mindestens einem Leimwerk (32), welches benachbart der Prägewalze (20) des zweiten Paares (14) und nachfolgend der entsprechenden Gummiwalze (18) angeordnet ist, mittels welchem Leim (34) auf die Prägepunkte (38) der Prägewalze (20) aufgebracht wird,

- wobei die Prägewalzen (16, 20) unter Bildung eines Spaltes (17) zur Zusammenführung der geprägten Lagenbahnen (24, 30) zueinander angeordnet sind, und

- wobei nachfolgend zur Bildung einer Lagenverbindung der Lagenbahnen (24, 30) benachbart der Prägewalze (16) des ersten Paares (12) eine Verbindungswalze (36) angeordnet ist."

Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der Ausdruck "wobei eine erste bis fünfte ein Dekormuster umgebende Linie von Prägepunkten (38) der ersten Bereiche (26) eine Höhe in einem Bereich von 1.0 bis 1.5 mm aufweist, und die übrigen im Bereich zwischen den jeweiligen Dekormustern angeordneten Prägepunkte (38) der ersten Bereiche (26) eine Höhe in einem Bereich von 0.7 bis 0.9 mm aufweisen" am Ende des Textes des ersten Teilstriches angefügt, und dass der Ausdruck "Gummiwalze (18)" durch den Ausdruck "Gummiwalze (22)" ersetzt worden ist.

Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags dadurch, dass der Ausdruck "eine erste bis fünfte" durch den Ausdruck "mindestens eine erste" ersetzt worden ist.

VII. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Druckschriften Bezug genommen:

D5 WO 97/48551;

D6 US 2005/0098281 A1;

D9 WO 00/73585;

D11 US 5,339,730.

VIII. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag)

Druckschrift D5 stelle den nächstliegenden Stand der Technik da. Diese Druckschrift offenbare in der Figur 5 eine Prägevorrichtung mit zwei Prägewalzen 13, 15 und entsprechende Gegenwalzen ("pressure rollers 16, 17") aus einem elastischen Material. Die Prägewalze 15 des zweiten Paares weise über ihre Prägefläche verteilt erste und zweite Bereiche 1, 7 auf (vgl. Figur 3), wobei die ersten Bereiche 1 eine Vielzahl von Prägepunkten in einer Anzahl von 5 bis 100 pro cm**(2) zur Erzeugung einer flächigen Mikroprägung aufweise, und die zweiten Bereiche 7 keine Prägepunkte aufweisen. Druckschrift D5 sei nicht zu entnehmen, wie die zueinander angeordneten geprägten Lagenbahnen anschließend verbunden werden und wieviel Prozent der gesamten Prägefläche durch die zweiten Bereiche 7 gebildet werde.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags unterscheide sich deshalb von der aus der Druckschrift D5 bekannten Prägevorrichtung dadurch, dass

1) das Material der Gegenwalzen 18, 20 aus Gummi sei;

2) nachfolgend zur Bildung einer Lagenverbindung der Lagenbahnen (24, 30) eine Verbindungswalze (36) angeordnet sei, und

3) die zweiten Bereiche (28) nicht mehr als 40% der gesamten Prägefläche bilden.

Die unterscheidenden Merkmale 1 bis 3 lösten drei Teilaufgaben: erstens, ein geeignetes Material für die Gegenwalze zu finden; zweitens, eine gute Lagenhaftung herzustellen und drittens, eine gute Sichtbarkeit des Dekormusters des hergestellten Produkts zu erreichen.

Zu 1):

Prägevorrichtungen für zwei- oder mehrlagige Flächenprodukte wie Toilettenpapier, Taschentücher oder dergleichen, die Gegenwalzen aus Gummi aufweisen, seien aus dem Stand der Technik bekannt, siehe Absatz [0002] des Streitpatents. Bei der Suche nach einem geeigneten Material für die Gegenwalze würde der Fachmann Druckschrift D6 bzw. D11 heranziehen, welche in Figur 3A bzw. in Figur 2 eine ähnliche Prägevorrichtung wie in Figur 5 der Druckschrift D5 zeigen. Figur 3A der Druckschrift D6 zeige Gegenwalzen aus Gummi ("rubber rolls 42, 28"), siehe auch Absatz [0087] und Figur 2 der Druckschrift D11 zeige ebenfalls Gegenwalzen aus Gummi, siehe Spalte 2, Zeilen 10 bis 24.

Zu 2):

Für die zweite Teilaufgabe, nämlich eine gute Lagenhaftung herzustellen, würde der Fachmann ebenfalls Druckschrift D6 oder D11 heranziehen. Figur 3A der Druckschrift D6 und Figur 2 der Druckschrift D11 zeigen beide eine Verbindungswalze: "marrying roll 54" bzw. "compression roller 117" (vgl. Druckschrift D11, Zeile 30).

Zu 3):

Was die dritte Teilaufgabe betreffe, sei zu bemerken, dass im Streitpatent keine Untergrenze für den Prozentsatz der Prägepunktfreie Bereiche angegeben sei und dass dem Streitpatent nicht zu entnehmen sei, ob, wenn die Prägepunktfreie Bereiche mehr als 40% der gesamten Prägefläche ausmachen würden, die Sichtbarkeit des Dekormusters schlechter werde oder nicht. In diesem Sinne scheine den beanspruchten Bereich willkürlich zu sein. Der Fachmann würde diesen Prozentsatz nicht allzu groß wählen, da sonst die Bereiche mit Prägepunkte nicht länger einwandfrei mit Leim versehen werden können. Bei der Suche nach einem geeigneten Maß für den Prozentsatz der Prägepunktfreie Bereiche würde der Fachmann Druckschrift D9 heranziehen. Diese Druckschrift offenbare ein Faservlies aus Zellulose mit geprägtem Muster, das eine ästhetische Erscheinung darstelle und das Faservlies Bauschigkeit verleihe. Auf Seite 7, Zeilen 6 bis 14, werde ausgeführt, dass es sich empfehle, dass einerseits die Gesamtfläche von diskreten, markante Prägepunktfreie Gebiete ("discrete, distinctive lands 16") nicht weniger als 3% der gesamten Prägefläche bilden, damit diese Prägepunktfreie Gebiete 16 deutlich und klar für den Verbraucher erkennbar seien und andererseits nicht mehr als 35 % der gesamten Prägefläche bilden, damit die Prägepunktfreie Gebiete die Verschachtelung der Faservliese nicht stören, wenn sie aufgewickelt oder in einer Box gestapelt werden. Wenn der Fachmann ausgehend von Druckschrift D5 die Lehre der Druckschrift befolge, liegen die Prägepunktfreie Bereiche der Prägewalze des zweiten Paares im beanspruchten Bereich von "nicht mehr als 40% der gesamten Prägefläche". Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruhe deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Zulassung der Hilfsanträge

Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer habe die Beschwerdegegnerin die 1. bis 4. und 6. Hilfsanträge zurückgezogen und der 5. Hilfsantrag als 1. Hilfsantrag umnumeriert. Dieser 1. Hilfsantrag entspräche dem 2. Hilfsantrag eingereicht mit Schreiben vom 9. Oktober 2012, sei erst mit Schreiben vom 22. August 2017 substantiiert worden und wurde während der mündlichen Verhandlung nochmals geändert. Dieser Antrag sollte deshalb nicht im Beschwerdeverfahren zugelassen werden. Am Ende der mündlichen Verhandlung habe die Beschwerdegegnerin einen neuen 1. Hilfsantrag eingereicht und ihren bisherigen 1. Hilfsantrag als 2. Hilfsantrag umnummeriert. Der neue 1. Hilfsantrag werfe Fragen auf, zum Beispiel die Frage der erfinderischen Tätigkeit, die in diesem Stadium der Kammer und der Beschwerdeführerin ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten seien. Der neue 1. Hilfsantrag sollte deshalb nicht im Beschwerdeverfahren zugelassen werden.

Erfinderische Tätigkeit (2. Hilfsantrag)

Es werden keine Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit gemacht.

Ausführbarkeit (2. Hilfsantrag)

In der angefochtenen Entscheidung (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 2) seien Argumente in Bezug auf Artikel 100 b) EPÜ gegeben. Im Hinblick auf das Merkmal, wonach "Leim (34) auf die Prägepunkte (38) der Prägewalze (20) aufgebracht wird", komme die Einspruchsabteilung zu folgenden Ansichten:

i) Die Formulierung sei an sich klar;

ii) Die Formulierung finde keine Stütze in der Beschreibung (Artikel 84 EPÜ sei jedoch kein Einspruchsgrund);

iii) Die Erfindung sei ausreichend offenbart, weil ein Fachmann den eindeutigen Wortlaut des oben genannten Merkmals einfach ignoriere und ihn durch den Wortlaut in der Beschreibung ersetze (der nicht den Wortlaut des Anspruchs stützt).

Wenn die Formulierung eines Anspruchs an sich klar sei, definiere sie den Schutzbereich des Patents. Artikel 69 EPÜ bestimme, dass die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen seien, um die Ansprüche auszulegen. Nichtsdestotrotz, wenn sich für ein bestimmtes Merkmal keine Stütze in der Beschreibung finde, bedeutet dies nicht, dass der klare Wortlaut eines Anspruchs so ausgelegt werden könne, dass die klare Bedeutung als solches völlig aufgegeben werde und durch eine andere technische Auslegung ersetzt werde, nur weil sie in der Beschreibung gefunden werde. Dies sei, was die Einspruchsabteilung in die Entscheidung getan habe. Der Schutzbereich des Anspruchs 1 des Streitpatents sei deshalb von der Einspruchsabteilung auf unzulässige Weise uminterpretiert worden. Dieser Ansatz sei rechtlich fehlerhaft.

Im Hinblick auf die vorstehenden Feststellungen bezüglich einer korrekten Auslegung des Anspruchs 1, beziehe sich die Beschreibung in Spalte 8, Zeilen 44 bis 47 und Figur 1 des Streitpatents auf eine andere Vorrichtung, die nicht durch Anspruch 1 wie erteilt umfasst sei. Ohne jegliche Stütze der Lehre des Anspruchs 1 in der Beschreibung stelle sich die Frage, ob ein Fachmann aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 ausreichenden Informationen erhalte, um die Erfindung auszuführen.

Erstens, es stelle kein technisches Problem dar, Leim auf die Prägepunkte der Prägewalze anzubringen. Soweit der Fachmann mit einem Problem konfrontiert werde, beträfe dies das letzte Merkmal des Anspruchs 1, wonach eine Lagenverbindung der Lagenbahnen gebildet werden sollte. Wie könne dies realisiert werden, wenn Leim auf die Prägepunkte der Prägewalze aufgebracht werde, jedoch nicht auf der Lagenbahn 30? In dieser Hinsicht werde der Fachmann mit einem unzumutbaren Aufwand konfrontiert um eine angemessene Lösung für dieses Problem zu finden.

Eine Lösung ist per se zwar nicht unmöglich. Abhängig von der Art des Leims und der Lagenbahn könne ein ausreichender Dochteffekt generiert werden, sodass der Leim die Lagenbahn durchdringe und eine Lagenverbindung der Lagenbahnen nach Anspruch 1 gebildet werde. Jedoch sei es schwierig eine solche Vorrichtung zu konzipieren und weitere Informationen seien nötig gewesen um unter Vermeidung von ungebührlichen Versuchen eine geeignete Kombination von Leimmaterial und Lagenbahnmaterial und anderen relevanten Betriebsparameter zu finden.

Ein Fachmann erhalte keinen Hinweisen aus der Patentschrift die beanspruchte Prägevorrichtung zu entwerfen und zu betreiben. Aus diesem Grund sei die in Anspruch 1 des Patents beanspruchte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

IX. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag)

In ihrer Mitteilung vom 24. Juli 2017 äußerte die Kammer ihre vorläufige Auffassung, dass Druckschrift D5 nicht zu entnehmen zu sein scheint, dass das elastische Material der Gegenwalzen 16, 17 Gummi ist, dass das letzte Merkmal des Anspruch 1, nämlich "wobei nachfolgend zur Bildung einer Lagenverbindung der Lagenbahnen (24, 30) benachbart der Prägewalze (16) des ersten Paares (12) eine Verbindungswalze (36) angeordnet ist", ebenfalls nicht offenbart zu sein scheint und dass - da Zeichnungen in einer Patentschrift als schematisch zu betrachten sind (z. B. Figur 3) - das Merkmal, wonach "wobei die zweiten Bereiche (28) nicht mehr als 40% der gesamten Prägefläche bilden" sich weder aus der Beschreibung noch aus der Zeichnungen eindeutig und unmittelbar aus dieser Druckschrift zu ergeben scheint.

Das zu lösende technische Problem sei, eine Prägevorrichtung zur Verfügung zu stellen, mit der ein zweilagiges Flächenprodukt mit ausreichenden Lagenhaftung mit gleichzeitig gut sichtbaren Design im fertigen Produkt geschaffen werden kann. Dieser Aufgabe werde gemäß dem Anspruch 1 des Hauptantrags durch die genannten unterscheidenden Merkmale gelöst. Die Beschwerdeführerin habe die erfinderische Tätigkeit ausgehend von der Druckschrift D5 in Kombination mit der Lehren der Druckschriften D6, D9 und D11 angegriffen und vorgetragen, dass eine drei-geteilte Aufgabe bestehen würde, nämlich ein geeignetes Material für die Gegenwalze zu finden, eine gute Lagenhaftung herzustellen und eine gute Sichtbarkeit des Dekormusters des hergestellten Produkts zu erreichen. Dabei übersiehe die Beschwerdeführerin jedoch, dass, da die zweiten Bereiche keine Prägepunkte aufweisen, diese mithin ausgelassen seien, es erforderlich sei, aufgrund der in diesen Bereichen schlechteren Verbindung mit einer mikrogeprägten Lage, gleichzeitig eine gute Lagenverbindung herzustellen. Daher stünden die drei Teilaufgaben entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht nebeneinander, sondern seien miteinander verbunden und aufeinander bezogen.

Die Beschwerdeführerin mache es sich dann einfach und betrachte die Merkmale einzeln und nicht im Ganzen vor dem Hintergrund der vollständigen Lehre gemäß dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags, indem im Hinblick auf das Material der Gegenwalzen und das Merkmal gemäß dem letzten Teilstrich des Anspruchs 1 betreffend die Verbindungswalze auf die Druckschrift D6 oder D11 verwiesen werde. Weshalb der angesprochene Fachmann jedoch überhaupt die Druckschrift D6 oder D11 heranziehen soll, oder auch nur ein Hinweis aufgrund der Lehre der Druckschrift D5 bekomme, sich mit der Lehre der Druckschrift D6 oder D11 zu befassen, werde nicht dargelegt. Würde gemäß der Lehre der Druckschrift D5 eine Verbindungswalze wo und wie auch immer angeordnet, auf jeden Fall nachfolgend der Zusammenführung der geprägten Lagenbahnen, würde die durch die Lehre der Druckschrift D5 erfolgte "überhöhte" Prägung, wie besonders gut Figur 6 entnehmbar (siehe die dortigen Bereiche 13 C und 15 C) wieder eine Egalisierung des Musters und dadurch eine Verschlechterung des graphischen Erscheinungsbildes erfolgen.

In Hinblick auf die dritte Teilaufgabe versuche die Beschwerdeführerin, die Erfindung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags "kleinzureden", in dem diese darauf hinweise, dass die graphische Erscheinung einer Lage einer Tissue-Bahn unabhängig von der Anzahl der Lagen oder anderen Funktionalitäten wäre, siehe Punkt 4.3 der Beschwerdebegründung. Dies stimme nicht. Denn bei mehrlagigen Produkten, und nur über solche verhalte sich das Streitpatent, beeinflussen die Strukturen und das graphische Erscheinungsbild der weiteren Lagen sehr wohl die Gesamterscheinung des hergestellten Produktes. Hier sei nur auf die Ausführungen im Streitpatent in Spalte 3, Zeilen 29 bis 31, Spalte 6, Zeilen 15 bis 23, Spalte 7, Zeilen 21 bis 27, als auch in den Absätzen [0031], [0032] und [0034] verwiesen. Daher könne der angesprochene Fachmann ausgehend von der Druckschrift D5 auch keinen Hinweis auf die Offenbarung der Druckschrift D9 finden, insbesondere deren Lehre nicht heranziehen. Es sei daher festzuhalten, das die Argumentation der Beschwerdeführerin eindeutig in Kenntnis der Lehre des Anspruchs 1 des Hauptantrags erfolge, und nur im Wissen dessen der angesprochene Fachmann Anlass gehabt hatte, die Lehren der D5 mit denjenigen der Druckschrift D6 oder D11 und der Druckschrift D9 zu verbinden. Aufgrund der Vorsehung einer Verbindungswalze gemäß Druckschrift D6 oder D11 hatte er dabei sogar noch in Kauf genommen, dass das gemäß der Lehre der Druckschrift D5 durch Auslassungen erzeugte Muster zumindest in Teilen verschlechtert worden wäre, und hatte zudem von den Auslassungen gemäß Druckschrift D5 in Form von Rücksprüngen ("recesses") auf die Lehre der Druckschrift D9 schließen müssen, die zumindest in Teilen von ungeprägten Dekorbereichen spreche. Die Lehre des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei damit im Hinblick auf einer Kombination der Lehren der Druckschriften D5, D6 oder D11 und D9 erfinderisch.

Zulassung der Hilfsanträge

Für die Diskussion der nunmehr verbliebenen 1. und 2. Hilfsanträge seien keine neuen Dokumente notwendig. Diese Anträge sollten im Beschwerdeverfahren zugelassen werden. Es stünde im Ermessen der Kammer diese Hilfsanträge zuzulassen.

Erfinderische Tätigkeit (2. Hilfsantrag)

Der Hilfsantrag 2 definiere erste bis fünfte ein Dekormuster umgebende Linien in ihrer Höhe im Unterschied zu sonstigen Prägepunkten in den ersten Bereichen. Der zu erzielende Effekt könne insbesondere Figur 6 des Streitpatentes entnommen werden. Hierdurch werde die Steifigkeit des erhaltenen geprägten Materiales verringert und ein schöner optischer Effekt erzielt, wie in Absatz [0018] ausgeführt. Solches sei keinem der entgegengehaltenen Dokumente zu entnehmen. Daher sei der Gegenstand des Anspruches 1 des 2. Hilfsantrags erfinderisch in Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik.

Ausführbarkeit (2. Hilfsantrag)

Die Einspruchsabteilung sei in ihrer Zwischenentscheidung zu der Auffassung gelangt, dass der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit einen Klarheitseinwand auf Basis von Artikel 84 EPÜ darstellen würde. Hingegen seien die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfüllt, da das in Rede stehende Merkmal, wonach "mit mindestens einem Leimwerk (32) ... mittels welchem Leim (34) auf die Prägepunkte (38) der Prägewalze (20) aufgebracht wird" im Zusammenhang mit der Offenbarung in der Beschreibung in Spalte 8, in Zeilen 44 bis 47 und Figur 1 des Streitpatentes zu sehen sei, wodurch eindeutig hervorgehe, dass Leim auf die erzeugte Erhebung der Prägepunkte 38 aufgetragen werde und nachfolgend die beiden Lagen verbunden werden. Dies stelle letztendlich eine ausführbare und nacharbeitbare Lehre dar, sodass Artikel 83 EPÜ erfüllt sei. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass der seitens der Beschwerdeführerin zitierte Artikel 69 EPÜ in erster Linie zur Verwendung durch die für Patentverletzungsfragen zuständigen Gerichte gedacht sei, ebenso wie das zugehörige Protokoll. Ein europäisches Patent müsse als Dokument als Ganzes ausgelegt werden, Beschreibungen und Bezeichnungen eines Patentes seien zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen, wenn es darum gehe, den objektiven Inhalt eines Anspruches festzustellen. Die Frage, ob Artikel 83 EPÜ erfüllt sei, sei danach auszurichten, ob der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage sei die Lehre des Patentanspruchs auf Grundlage der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht werde. Das strittige Merkmal sei als Verfahrensmerkmal und damit funktional definiert. Aus den vorstehenden Offenbarungsstellen des Streitpatentes ist dem Fachmann ein ausführbarer Weg zur Erzielung des erfindungsgemäßen Erfolges so deutlich und vollständig offenbart, dass er die Erfindung ohne Weiteres ausführen könne.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

HAUPTANTRAG

2. Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ 1973

2.1 Auslegung des Anspruchs 1 des Hauptantrags

Anspruch 1 des Hauptantrags weist folgendes Merkmal auf:

- mit mindestens einem Leimwerk (32) ... mittels welchem Leim (34) auf die Prägepunkte (38) der Prägewalze (20) aufgebracht wird.

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass das obengenannte Merkmal klar besage, dass Leim auf die Prägepunkte der Prägewalze 20 aufgebracht werde und, dass ein Uminterpretieren des Wortlauts im Sinne der Beschreibung und Zeichnung 1 des Streitpatents unzulässig sei. Wenn die Lagenbahn eine geeignete Dochtwirkung für den Leim aufweise könne die beanspruchte Prägevorrichtung funktionieren. Das wäre aber schwierig und weitere Informationen wären notwendig. Da der Fachmann aber aus der Patentschrift keine Anleitung bekommt, wie er die Prägevorrichtung ausgestalten und betreiben muss, kann er die Erfindung nicht ausführen.

Dieses Argument hat die Kammer nicht überzeugt. Der Beschreibung des Streitpatents ist nicht zu entnehmen, dass die Lagenbahn eine bestimmte Dochtwirkung für den Leim aufweisen soll. Der Fachmann auf dem Gebiet von Prägevorrichtungen für mindestens zweilagige Flächenprodukte wie Toilettenpapier, Taschentücher oder dergleichen, die ein oder mehrere Leimwerke aufweisen, wird bei der Lektüre des Anspruchs 1 erwarten, dass Leim auf die Lagenbahn 30 aufgebracht wird und zwar auf die durch die Prägepunkte der Prägewalze 20 erzeugten Erhebungen dieser Lagenbahn. Wenn er die Beschreibung liest, so wird ihm gleich in Absatz [0002] bestätigt, dass Leim auf der Lagenbahn und nicht auf die Prägewalze aufgebracht wird, siehe letzter Satz.

Nach Einschätzung der Kammer wird der Fachmann der Ausdruck "Leim (34) auf die Prägepunkte (38) der Prägewalze (20)" deshalb als einen offensichtlichen Fehler im Sinne der Regel 139 EPÜ erkennen und im Sinne von "Leim (34) auf die durch die Prägepunkte (38) der Prägewalze (20) erzeugten Erhebungen" verstehen, vgl. Spalte 8, Zeilen 44 bis 48.

2.2 Druckschrift D5 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar. Diese Druckschrift offenbart eine Prägevorrichtung für mindestens zweilagige Flächenprodukte (siehe Figur 5, Seite 4, Zeilen 24 bis 29 und Seite 7, Zeilen 3 bis 37), mit einem ersten Walzenpaar (13, 16) und einem zweiten Walzenpaar (15, 17), gebildet jeweils aus einer Prägewalze (13, 15) und einer Walze (16, 17) aus einem elastischen Material.

Dieser Druckschrift ist nicht zu entnehmen, dass das elastische Material Gummi ist.

Das letzte Merkmal des Anspruch 1, wonach "benachbart der Prägewalze (16) des ersten Paares (12) eine Verbindungswalze (36) angeordnet ist" (siehe Figur 1 der Patentschrift), ist ebenfalls nicht offenbart. Figur 5 zeigt keine Verbindungswalze. Der Passus auf Seite 6, Zeile 37 bis Seite 7, Zeile 2, erwähnt zwar eine Walze ("counter-roller"), aber dieser Passus bezieht sich auf die in der Figur 1 gezeigte einzige Lagenbahn ("strip material N") und nicht auf die in der Figur 5 gezeigten zwei Lagenbahnen ("webs V1 and V2").

Dass die vertieften Bereiche in der Prägewalze 15 nicht mehr als 40% der gesamten Prägefläche der Walze bilden, ist in Druckschrift D5 nicht expressis verbis offenbart. Da Zeichnungen in einer Patentschrift als schematisch zu betrachten sind, ergibt sich das Merkmal "wobei die zweiten Bereiche (28) nicht mehr als 40% der gesamten Prägefläche bilden" weder aus der Beschreibung noch aus der Zeichnungen eindeutig und unmittelbar aus dieser Druckschrift.

2.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags unterscheidet sich deshalb von der aus der Druckschrift D5 bekannten Prägevorrichtung dadurch, dass

i) "[Prägevorrichtung ..., gebildet jeweils aus einer Prägewalze (16, 20)] und einer Gummiwalze (18, 22);

ii) "wobei nachfolgend zur Bildung einer Lagenverbindung der Lagenbahnen (24, 30) benachbart der Prägewalze (16) des ersten Paares (12) eine Verbindungswalze (36) angeordnet ist";

iii) "wobei die zweiten Bereiche (28) nicht mehr als 40% der gesamten Prägefläche bilden".

Die unterscheidenden Merkmale lösen die objektive Aufgabe, eine Prägevorrichtung zur Verfügung zu stellen, mit der ein zweilagiges Flächenprodukt mit ausreichender Lagenhaftung bei gleichzeitig gut sichtbarem Design des fertigen Produkts geschaffen werden kann.

2.4 Konventionelle Prägevorrichtungen für mindestens zweilagige Flächenprodukte wie Toilettenpapier, Taschentücher oder dergleichen mit mindestens einem ersten und mindestens einem zweiten Walzenpaar sind in vielfältiger Weise aus dem Stand der Technik bekannt.

Es ist dem Fachmann daraus bekannt, dass solche Walzenpaare aus einer Prägewalze aus Stahl und einer Gegenwalze aus Gummi bestehen können, siehe zum Beispiel Druckschrift EP 1 096 069 A2 (siehe Figur 3A), die in Absatz [0002] des Streitpatents zitiert ist. In diesem Absatz wird auch ausgeführt: "Die jeweiligen Lagenbahnen werden geprägt, eine der Lagenbahnen mit Leim versehen und diese anschließend zur Bildung einer so genannten "Nested"-Struktur durch einen zwischen den beiden Prägewalzen der Walzenpaare angeordneten Spalt geführt und die Lagen über eine nachfolgende Verbindungswalze fest miteinander verbunden" (Hervorhebung durch die Kammer). Die im Streitpatent zitierte Druckschrift ist ein Familienmitglied der Druckschrift D6.

Um die obengenannte Aufgabe zu lösen, würde der Fachmann, ausgehend von der Druckschrift D5 die Druckschrift D6 heranziehen um ein geeignetes Material für die Gegenwalze zu finden. Dabei würde er auf das Material Gummi stoßen, siehe Absatz [0005] und Figur 3A vgl. Merkma i). Er würde auch veranlasst, nachfolgend zur Bildung einer Lagenverbindung der Lagenbahnen benachbart der Prägewalze des ersten Paares eine Verbindungswalze ("marrying roll 54", Absatz [0089] und Figur 3A) vorzusehen, die in der Lage ist, die Lagen fest miteinander zu verbinden, vgl. Merkmal ii).

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass der Fachmann, ausgehend von der Prägevorrichtung nach der Druckschrift D5, deren Vertiefungen 7 hervorstehende Prägungen 13 C, 15C hervorrufen, keine Verbindungswalze vorsehen würde, da dies zu einer Egalisierung des Musters und dadurch zu einer Verschlechterung des graphischen Erscheinungsbildes führen würde: die Verbindungswalze würde die Prägungen 13 C, 15C "plätten".

Dem kann die Kammer nicht folgen, da Anspruch 1 des Hauptantrags offen lässt, ob die Höhe der Prägepunkte gleich oder unterschiedlich ist. Nach Auffassung der Kammer würde der Fachmann die Verbindungswalze so gestalten, dass das Muster nicht egalisiert wird, zum Beispiel durch geeignetes Versehen der Verbindungswalze mit Prägepunkten. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass im Streitpatent ebenfalls ein Ausführungsbeispiel beschrieben wird, bei dem um die zweiten Bereiche 28 zwei oder drei Prägenoppenreihen 50 bzw. im Inneren der zweiten Bereiche 28 eine Prägenoppenreihe 50 angeordnet sind, welche eine höhere Höhe als die Prägenoppen in den ersten Bereichen 26 aufweisen, siehe Absatz [0032].

Darüber hinaus würde der Fachmann zur Lösung der obengenannten Aufgabe im Hinblick auf ein gut sichtbares Design ds fertigen Produkts Druckschrift D9 heranziehen, die ebenfalls ein- und mehrlagige Flächenprodukte betrifft (siehe Seite 8, Zeile 22). Dort findet er (siehe Seite 7, Zeilen 6 bis 14) Hinweise, wie groß die relative Fläche der prägepunktfreien Gebiete 16 sein sollen, damit sie deutlich und klar für den Verbraucher erkennbar sind und die Faservliese noch aufgewickelt oder in einer Box gestapelt werden können, nämlich zwischen 3% bis 35% der Gesamtfläche, siehe auch Seite 3, Zeilen 18 bis 19.

2.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ 1973.

HILFSANTRÄGE

3. Zulassung der Hilfsanträge

3.1 Die Kammer hat den 2. Hilfsantrag zum Verfahren zugelassen, da der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber demjenigen des Hauptantrags prima facie in zulässiger Weise beschränkt (Artikel 13 (1) VOBK) und die Änderungen sowohl der Kammer als auch der Beschwerdeführerin zumutbar erschienen.

3.2 Der 1. Hilfsantrag wurde von der Beschwerdegegnerin erst ganz am Ende der mündlichen Verhandlung vorgelegt. Im Vergleich zum 2. Hilfsantrag wurde der Gegenstand des Anspruchs 1 wieder erweitert. Die Prüfung dieses Hilfsantrags hätte dadurch auf neue Sachverhalte ausgedehnt werden müssen, die weder im Einspruchs- noch im bisherigen Beschwerdeverfahren eine Rolle gespielt haben. Dies war weder der Kammer noch der Beschwerdeführerin zumutbar, Artikel 13 (3) VOBK.

4. Zulässigkeit der Änderungen, Artikel 123 (2) EPÜ

4.1 Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags im Wesentlichen dadurch, dass der Ausdruck "wobei eine erste bis fünfte ein Dekormuster umgebende Linie von Prägepunkten (38) der ersten Bereiche (26) eine Höhe in einem Bereich von 1.0 bis 1.5 mm aufweist, und die übrigen im Bereich zwischen den jeweiligen Dekormustern angeordneten Prägepunkte (38) der ersten Bereiche (26) eine Höhe in einem Bereich von 0.7 bis 0.9 mm aufweisen" am Ende des Textes des ersten Teilstiches eingefügt worden ist.

Eine Stütze für dieses Merkmal ist der Passus auf Seite 6, Zeilen 17 bis 23 der der ursprünglich eingereichten Anmeldung (veröffentlichte Fassung).

4.2 Die vorgenommenen Änderungen gehen somit nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, Artikel 123 (2) EPÜ.

5. Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ 1973

5.1 Das gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags hinzugefügte Merkmal bewirkt, dass Leim nur auf diejenigen Prägepunkte bzw. Prägenoppen aufgebracht wird, welche die größere Höhe aufweisen. Dies weist den Vorteil auf, dass hierdurch die Steifigkeit des erhaltenen geprägten Materiales verringert wird. Zudem kann durch den Einsatz eines farbigen Leims, welcher ausschließlich auf die Prägepunkte bzw. Prägenoppen mit der größeren Höhe aufgebracht wird, ein schöner optischer Effekt erzielt werden, vgl. Spalte 6, Zeilen 35 bis 44, des Patents.

5.2 Keinem der entgegengehaltenen Druckschriften kann einen Hinweis auf dieses Merkmal entnommen werden.

5.3 Mangels einer Anregung im Stand der Technik ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des 2. Hilfsantrags für den Fachmann nicht naheliegend und beruht deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ 1973.

6. Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ 1973

6.1 Der Einwand der Beschwerdeführerin bezüglich Artikel 83 EPÜ 1973 basierte auf der wortwörtliche Auslegung des Anspruch 1 des Hauptantrags, wonach "Leim (34) auf die Prägepunkte (38) der Prägewalze (20)" aufgebracht wird. Nach der wortwörtlichen Auslegung sei die beanspruchte Erfindung nicht ausführbar.

Die Kammer kam in Punkt 2.1 zu dem Ergebnis, dass der Fachmann den Ausdruck "Leim (34) auf die Prägepunkte (38) der Prägewalze (20)" als einen offensichtlichen Fehler im Sinne der Regel 139 EPÜ erkennen und als Berichtigung "Leim (34) auf die durch die Prägepunkte (38) der Prägewalze (20) erzeugten Erhebungen" mitlesen wird.

6.2 Die Beschwerdeführerin hat nicht widersprochen, dass nach der in Punkt 2.1 ausgearbeitete Auslegung die Erfindung ausführbar ist.

Die in Anspruch 1 des Patents beanspruchte Erfindung ist deshalb so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wir aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche:

1 bis 15, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 26. September 2017 als 2. Hilfsantrag;

Beschreibung:

Seiten 2 bis 7, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 26. September 2017 als 2. Hilfsantrag;

Zeichnungen:

Figuren 1 bis 5, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 26. September 2017 als 2. Hilfsantrag.

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