European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T049913.20150505 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 Mai 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0499/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01990552.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | F41A 17/06 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | HANDFEUERWAFFE MIT INDIVIDUELLER KENNUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | Heckler & Koch GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Carl Walther GmbH Gaston Glock J.P. Sauer & Sohn GmbH gegr. 1751 |
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Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 10. Dezember 2012, mit der das Patent Nr. EP-B- 1 340 032 widerrufen wurde.
II. In ihrer Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zum Ergebnis, dass der Anspruchssatz gemäß dem Hauptantrag die Erfordernisse der Artikel 100 b), 123 (2) und (3) sowie 54 (1) EPÜ zwar erfülle, aber die im Hauptantrag sowie im 1. Hilfsantrag beanspruchte Handfeuerwaffe auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Der 2. Hilfsantrag wurde nicht zugelassen, weil die Änderungen auf der Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung beruhten.
III. Gegen vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Patentinhaberin am 19. Februar 2013 Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet und die Beschwerdebegründung am 18. April 2013 nachgereicht.
IV. Berücksichtigter Stand der Technik:
E1 EP-A- 0 955 618
E2 DE-A- 39 11 804
E9 Auszug aus dem Prospekt "Equipol" der Firma
Rivolier
V. Anträge
Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines der Anspruchssätze, eingereicht mit Schriftsatz vom 18. April 2013 als Haupt- und Hilfsantrag, nebst jeweils angepassten Beschreibungen.
Die Beschwerdegegnerinnen II und III (Einsprechende I und III), letztere sinngemäß im schriftlichen Verfahren, beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende I) hat im gesamten Beschwerdeverfahren weder zur Sache vorgetragen noch einen Antrag gestellt und war in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht anwesend/vertreten.
VI. Die unabhängigen Ansprüche gemäß Hauptantrag haben folgenden Wortlaut:
a) Anspruch 1
"Handfeuerwaffe mit einem Kunststoffgriffstück (1) mit einem daran einstückig angeformten Abzugsbügel (3) sowie einer ersten, üblichen, ablesbaren Kennung (9)
und einer zweiten, zusätzlichen, von der ersten unabhängigen und individuellen, ablesbaren Kennung (5), wobei die zweite Kennung (5) an unauffindbarer Stelle angeordnet ist, nämlich auf einem als Kennungsträger dienenden Transponder (5) im Abzugsbügel (3)."
b) Anspruch 5
[Der abhängige Anspruch 3, auf welchen sich Anspruch 5 bezieht, lautet: "Handfeuerwaffe nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Transponder (5) zylindrisch oder eckig ist."]
"Verfahren zur Herstellung einer Handfeuerwaffe nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass
- mit einer Kennung vorprogrammierte Transponder (5) bereitgestellt werden,
- das Waffengriffstück (1) oder -gehäuse mit einer ersten üblichen Kennung (9) versehen wird,
- in den Abzugsbügel (3) der Handfeuerwaffe eine Ausnehmung, deren Maße denen des Transponders (5) entsprechen, eingebracht wird,
- ein Transponder (5) in die Ausnehmung eingelassen wird, und
- dass dann die Kennung des Transponders (5) in einem Lesegerät abgelesen und als zusätzliche zweite Kennung der ersten Kennung (9) zugeordnet wird."
VII. Am 5. Mai 2015 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in welcher die Beschwerdegegnerinnen I und III nicht anwesend bzw. vertreten waren, und die mit der Verkündung der Entscheidung endete.
Wegen der Einzelheiten der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
VIII. Die Beschwerdeführerin hat zum Hauptantrag im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:
Der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrag sei in das Verfahren zuzulassen.
Der Einwand mangelnder Klarheit sei nach G 3/14 nicht zulässig, zumal die angeblich unklaren Begriffe nicht neu, sondern im erteilten Anspruchssatz bereits vorhanden gewesen seien.
Die geänderten Unterlagen des Patents gemäß dem Hauptantrag verstießen nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ, insbesondere sein keine unzulässige Verallgemeinerung eingeführt, da der fachkundige Leser der ursprünglich eingereichten Beschreibung keineswegs die Lehre entnehme, dass sämtliche Detailelemente des in Seite 9 beschriebenen Ausführungsbeispiels in Kombination mit den Merkmalen des beanspruchten Erfindungsgegenstands wesentlich seien.
Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 sei neu, da E1 weder einen aus Kunststoff hergestellten Abzugsbügel, noch einen im Abzugsbügel angeordneten
Transponder offenbare.
Er beruhe ferner auf einer erfinderischen Tätigkeit, da E1 sich nicht mit der Problematik des Streitpatents befasse, die Funktion bzw. die Arbeitsweise des Transponders zu verbessern. Eine Anregung, den Transponder in einem einstückig mit einem Griffstück aus Kunststoff hergestellten Abzugsbügel anzuordnen, sei auch nicht in E2 oder E9 zu finden.
IX. Die Argumente der Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende II und III) hinsichtlich des Hauptantrags können wie folgt zusammengefasst werden:
Die Patentinhaberin hätte den geänderten Anspruchssatz gemäß Hauptantrag bereits im Einspruchsverfahren vorlegen müssen; das Vorbringen des Hauptantrags im Beschwerdeverfahren sei daher nach Artikel 12 (4) VOBK nicht zulässig.
Die im Anspruch 1 definierte Handfeuerwaffe sei aufgrund des Widerspruchs zwischen zwei, die zweite Kennung definierenden Merkmalen, nämlich einerseits ihrer unauffindbaren Stelle und andererseits ihrer Ablesbarkeit, im Sinne von Artikel 84 EPÜ unklar.
Anspruch 1 verstoße gegen Artikel 123 (2) EPÜ, weil das aufgenommene Merkmal des Abzugsbügels in der ursprünglich eingereichten Anmeldung, s. Seite 9, eng mit weiteren wesentlichen Merkmalen verbunden sei.
Das Fehlen im Anspruch 1 der Merkmale einer Selbstladepistole, eines einstückig am überwiegend aus Kunststoff gefertigten Griffstück angeformten Abzugsbügels, sowie der Lage des Transponders in einer Sackbohrung im Bereich einer Verdickung am Abzugsbügel stelle eine ursprünglich nicht offenbarte Zwischenverallgemeinerung dar.
Die für den Gegenstand nach Anspruch 1 und für das Verfahren nach Anspruch 5 neuheitsschädliche, aus E1 bekannte Handfeuerwaffe offenbare ein Griffstück und einen daran einstückig angeformten Abzugsbügel (vgl. Figur 1). El weise implizit, weil gesetzlich vorgeschrieben und somit unabdingbar, eine erste Kennung auf, z.B. in Form einer Seriennummer. Eine zweite, z.B. Identifikationsdaten (Absatz [0023]) der Waffe tragende Kennung sei gemäß Absatz [0018] auf einem Transponder angeordnet. Laut Absatz [0018] könne der Transponder an jeder Stelle der Waffe verortet sein, also auch im Abzugsbügel, da dieser von der Waffe nicht lösbar sei. Den Abzugsbügel aus Kunststoff herzustellen, sei dem Fachmann bekannt und aus dem Verweis auf "epoxy" im Absatz [0018] sogar vorgeschlagen.
Der beanspruchte Gegenstand beruhe auf keine erfinderischen Tätigkeit, da es für den Fachmann nahe liege, den Transponder von E1 in den Abzugsbügel einzubringen, welcher Teil des Griffstücks sei. Da der Abzugsbügel am weitesten vom Lauf der Waffe entfernt sei, sei der Transponder von den vom Schuss ausgehenden Erschütterungen soweit möglich verschont.
Das Griffstück aus Kunststoff zu formen sei nicht Gegenstand der Aufgabe.
Zudem sei es am Anmeldezeitpunkt auch üblich gewesen, Griffstücke aus Kunststoff wegen der voraussehbaren Vorteile, wie reduziertes Gewicht, einfache Verarbeitung, gute Formbarkeit, herzustellen (vgl. E2 und E9). Auch für das elektronische Abrufen der Transponderdaten eigne sich Kunststoff besser als Metall für das Griffstück. Die Erfindung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sei daher naheliegend.
Entscheidungsgründe
1. Berücksichtigung der Anträge - Artikel 12 (4) VOBK
Die geänderten Anspruchssätze des Hauptantrags und des
Hilfsantrags wurden mit der Beschwerdebegründung vom
18. April 2013 eingereicht.
Folglich beurteilt sich deren von den Beschwerdegegnerin beanstandete Berücksichtigung im
Beschwerdeverfahren nach Artikel 12 (4) VOBK.
Bei Anwendung ihres im Rahmen von Artikel 12 (4) VOBK eingeräumten Ermessens hat die Kammer insbesondere folgende Aspekte berücksichtigt.
1.1 Die im Haupt- oder Hilfsantrag beanspruchte Handfeuerwaffe ist gegenüber dem von der Einspruchsabteilung als nicht gewährbar erachteten Gegenstand wegen mangelnder erfinderischen Tätigkeit auf eine (A2(a)) von vier umfassten Varianten beschränkt worden.
Die geänderten Anspruchssätze stellen somit eine
zeitlich angemessene und zulässige Reaktion auf die
Begründung des Widerrufs des Patents dar.
1.2 Die Kammer stellt diesbezüglich weiter fest, dass im
Verlauf des Einspruchsverfahrens die Patentinhaberin,
soweit aktenkundig, nachvollziehbar und u.a. aufgrund
der von der Einspruchsabteilung mitgeteilten
vorläufigen Meinung zur Sache, keinen eindeutigen
Anlass hatte, derartig geänderte Anspruchssätze früher,
also bereits noch im Einspruchsverfahren vorzulegen.
1.2.1 In der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der
Einspruchsabteilung ist z.B. keine Unterscheidung
ersichtlich, welche erkennen lässt, dass nur
eine einzige Variante des geprüften Anspruchs 1 bzw. dessen Gegenstand naheliegend ist.
1.2.2 Der mit der Ladung vom 17. April 2012 mitgeteilten
vorläufigen Würdigung des Falles durch die
Einspruchsabteilung war auch keinen entsprechenden
Hinweis entnehmbar, zumal die Würdigung lediglich auf
mögliche Mängel hinsichtlich der Erfordernisse des
Artikels 123 und der Regel 80 EPÜ hinwies, gleichwohl
die Patentfähigkeit aber in Aussicht stellte, indem die
Einspruchsabteilung die Meinung vertrat, dass: "Im
Übrigen scheint jedoch der Gegenstand von Anspruch 1
beider Anträge nicht naheliegend zu sein, ..." (vgl.
vorletzter Absatz der Seite 2).
1.3 Aufgrund dieser Betrachtungen besteht für die Kammer
kein Anlass, unter Verwendung von Artikel 12 (4) VOBK, den Hauptantrag und den Hilfsantrag in das Verfahren nicht zuzulassen.
2. Hauptantrag - Änderungen
2.1 Die unabhängigen Ansprüche 1 und 5 des Hauptantrags sind durch die ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen, und insbesondere durch die Ansprüche 1, 2, 4 bis 6 und 8 sowie durch die Beschreibung (Seite 5, Zeile 31 bis Seite 6, Zeile 5; Seite 6, Zeilen 26 bis 36; Seite 9, Zeilen 9 bis 24) gestützt.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 und 6 des Hauptantrags entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 3, 7, 8 und 10.
Die Beschreibung ist lediglich an die Definition des beanspruchten Gegenstands gemäß Hauptantrag angepasst.
Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ sind somit erfüllt.
2.2 Dem Argument der Beschwerdegegnerin II, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag eine ursprünglich nicht offenbarte Zwischenverallgemeinerung eines Ausführungsbeispiels darstelle, vermag die Kammer nicht folgen.
Das Einlegen des Transponders in eine durch eine Abdeckung verschlossene Sackbohrung ist für den fachkundigen Leser nicht die einzig offenbarte Lagerungsart. Laut Beschreibung (Seite 5, Zeilen 20 bis
22; Seite 6, Zeilen 26 bis 30) und Anspruch 5 der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen kann der Transponder auch im Kunststoff eingebettet bzw. bei
der Herstellung des Griffstücks mit eingespritztwerden.Der Fachmann würde auch der Verdickung im Abzugsbügel
keine wesentliche/zwingende Bedeutung bezüglich der
Unterbringung des Transponders im Abzugsbügel zumessen.
Derartige Verdickungen sind bei gängigen Handwaffen üblich und sollen einen besseren Halt schaffen bzw. ein Abrutschen verhindern (vgl. ursprünglich eingereichte Beschreibung Seite 9, Zeilen 9 bis 17 bzw. Absatz [0035] der Patentschrift).Die Verdickung wird also nicht gesondert für das Lagern des Transponders geschaffen, auch wenn sie sich als Lagerungsort für den Transporter anbietet.
Folglich leitet der Fachmann aus der ursprünglich eingereichten Anmeldung keineswegs her, dass die von der Beschwerdegegnerin II als wesentlich angesehenen Komponenten, nämlich das Formen einer Sackbohrung in einer Verdickung des Abzugsbügels für das Einsetzen des Transponders, zur Lösung wie beansprucht unabdingbar beitragen. Vielmehr stellen diese Merkmale nur bevorzugte Weiterbildungen dar.
2.3 Zur Begründung für die geltend gemachte Verletzung des Artikels 123 (3) EPÜ hat die Beschwerdegegnerin II lediglich pauschal auf das frühere Einspruchsverfahren
hingewiesen (vgl. die Beschwerdeerwiderung der
Einsprechenden II, Seite 1, Absatz 2, oder Seite 6,
Absatz 30). Ein derartiger Verweis auf den Gesamt- oder Teilinhalt eines früheren, im Einspruchsverfahren eingereichten Schriftsatzes bzw. Vortrags zu einem Einwand nach Artikel 123 (3) EPÜ entspricht nicht den Voraussetzungen des Artikels 12 (2) VOBK (siehe auch Rechtsprechung 7. Auflage 2013, IV.E.2.6.4).
Während der mündlichen Verhandlung wurde diesbezüglich auf einen Vortrag seitens der Beschwerdegegnerin II verzichtet.
Die Kammer stellt daher fest, dass keine substantiierte Begründung hinsichtlich des erhobenen Einwands nach Artikel 123 (3) EPÜ vorliegt.
Vollständigkeit halber kann noch hinzugefügt werden,
dass eine reine Beschränkung des beanspruchten Gegenstands gegenüber dem erteilten Anspruch, wie im vorliegenden Fall, keine Schutzerweiterung im Sinne von Artikel 123 (3) EPÜ verursacht.
3. Hauptantrag - Klarheit
3.1 Der von der Beschwerdegegnerin II erhobene Einwand mangelnder Klarheit des im Anspruch 1 definierten Gegenstands bezieht sich auf die Begriffe der unauffindbaren Stelle und der Ablesbarkeit der zweiten Kennung.
3.2 Allerdings befinden sich beide Begriffe bereits im erteilten Anspruch 1, wo definiert wird, dass die Handfeuerwaffe mit einer "zweiten ... ablesbaren Kennung (5)" versehen ist (Oberbegriff), welche "an unauffindbarer Stelle angeordnet" ist (Kennzeichen).
Da die Klarheit keinen Einspruchsgrund im Sinne von Artikel 100 EPÜ definiert, ist der Einwand der Beschwerdegegnerin II nicht zulässig.
3.3 Gemäß der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 3/14 vom 24. März 2015 ist die Klarheit von Patentansprüchen im Sinne von Artikel 84 EPÜ, ausschließlich dann, wenn eine Änderung einen Klarheitsmangel einführt, und dann auch nur in diesem Umfang beschränkt, zu prüfen.
Dieser Ausnahmefall trifft im vorliegenden Fall in eindeutiger Weise nicht zu, da die Merkmale der unauffindbaren Stelle der zweiten Kennung und der genaue Angabe der Unterbringung des Transponders (im Abzugsbügel), bereits im erteilten Anspruchssatz (vgl. Ansprüche 1, 2, 4 und 5 des Streitpatents) vorhanden waren. Der Einwand mangelnder Klarheit des beanspruchten Gegenstands ist daher nicht zulässig.
4. Hauptantrag - Neuheit
4.1 Die aus E1 bekannte Handfeuerwaffe weist ein Griffstück, einen daran einstückig angeformten Abzugsbügel auf (Figur 1). Eine erste, frei ablesbare Kennung wird in E1 zwar nicht ausdrücklich genannt, dennoch ist sie der Gesamtoffenbarung der El implizit zu entnehmen, da eine derartige Kennung, meistens in Form einer Seriennummer, bei Handfeuerwaffen gesetzlich vorgeschrieben und somit unabdingbar ist. Darüber hinaus offenbart E1 eine zweite, zusätzliche, von der ersten unabhängige und individuelle, ablesbare Kennung
("electronic tag", vgl. Absätze [0004] bis [0006],[0023] bis [0026]). Dabei ist die zweite Kennung auf einem als Kennungsträger dienenden Transponder an einer unauffindbaren Stelle angeordnet ist, vgl. Absätze [0007] und [0018].
4.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von E1 dadurch, dass das Griffstück aus Kunststoff hergestellt und die zweite Kennung im mit dem Griffstück einstückig angeformten Abzugsbügel angeordnet ist.
Das Argument der Beschwerdegegnerin II, dass der Fachmann durch die Materialangabe "epoxy" im Absatz [0018] der E1 den Hinweis bekomme, den Abzugsbügel einstückig mit dem Griffstück aus Kunststoff herzustellen, kann schon deshalb nicht überzeugen, weil laut dieser Textstelle, nicht das Griffstück an sich, sondern eine Schutzummantelung für den in eine Aufnahmetasche eingesetzten Transponder aus Kunststoff (epoxy) herzustellen ist.
Hinsichtlich des Herstellungsmaterials für das Griffstück und dessen Abzugsbügel schweigt E1.
Ferner lehrt E1, den Transponder allgemein in eine unauffindbare Stelle anzuordnen. Im einzigen Ausführungsbeispiel befindet sich diese Stelle im Handgriffteil des Griffstücks.
4.3 Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 sind also gegenüber E1 neu und erfüllen die Erfordernisse der Artikel 52 (1) und 54 (1) EPÜ.
5. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
5.1 Der nächstliegende Stand der Technik wird durch E1 dargestellt.
5.2 Die unterscheidenden Merkmale, nämlich das Griffstück aus Kunststoff herzustellen und die zweite Kennung im mit dem Griffstück einstückig angeformten Abzugsbügel anzuordnen, bewirken in Kombination einen technischen Effekt, nämlich den Transponder der zweiten Kennung von Metallteilen der Handfeuerwaffe möglichst weit entfernt zu halten. Damit wird folglich eine ungestörte Ablesung der zweiten Kennung gewährleistet.
Daraus ist die technische Aufgabe herzuleiten, die Funktion bzw. die Arbeitsweise der zweiten Kennung zu verbessern.
5.3 Weder E1 noch E2 oder E9 befassen sich mit dieser Problematik.
Wie bereits dargelegt, lehrt E1, den Transponder lediglich mit seiner Schutzumhüllung aus Kunststoff in eine Aufnahmetasche im Griffstück einzusetzen.
Sowohl die Offenlegungsschrift E2 als auch das Prospekt E9 dienen ausschließlich als Nachweis dafür, dass es dem Fachmann am Anmeldetag bereits bekannt war, Griffstücke von Handfeuerwaffen aus Kunststoff herzustellen.
Der Fachmann hat jedoch keine Anregung durch diesen Stand der Technik erhalten können, den Transponder im den Metallkomponenten der Handfeuerwaffe meist entfernten Teil eines Griffstücks aus Kunststoff anzuordnen, nämlich in dessen einstückig angeformten Abzugsbügel.
5.4 Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 beruhen somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 52 (1) und 56 EPÜ.
6. Da die geänderten Unterlagen des Streitpatents gemäß dem Hauptantrag die Erfordernisse des EPÜ erfüllen, erübrigt sich eine Entscheidung über den Hilfsantrag.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Fassung auf der Basis der folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
null Ansprüche 1 bis 6, eingereicht als Hauptantrag mit
Schriftsatz vom 18. April 2013
null Beschreibung:
- Seiten 1, 2, 4, 5 und 7 bis 10, eingereicht als Anlage S12 mit Schriftsatz vom 1. April 2015 (Reinschrift), sowie
- Seiten 3 und 6, eingereicht während der mündlichen Verhandlung
null Figuren 1 und 2 der Patentschrift