T 0476/13 () of 10.10.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T047613.20131010
Datum der Entscheidung: 10 October 2013
Aktenzeichen: T 0476/13
Anmeldenummer: 06025165.9
IPC-Klasse: B62D 33/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Rungensystem für Nutzfahrzeugaufbauten
Name des Anmelders: F. HESTERBERG & SÖHNE GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (Hauptantrag) (nein)
Zurückverweisung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 16. Oktober 2012 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 06025165.9 zurückzuweisen.

II. Die Prüfungsabteilung hat entschieden, dass die von der Anmelderin während des Prüfungsverfahrens durchgeführte Änderung des Anspruchs 1 gegen den Artikel 123 (2) EPÜ verstößt.

III. Mit einem Bescheid gemäß Regel 100 (2) EPÜ teilte die Kammer der Anmelderin (Beschwerde führerin) mit, dass ihrer Ansicht nach der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht hinausgeht, und dass die Kammer eine Zurückverweisung an die erste Instanz zur Entscheidung über die weiteren Patenterfordernisse erwägt.

IV. Die Beschwerde führerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der Unterlagen, die der Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung zugrunde lagen (Hauptantrag), hilfsweise auf der Grundlage der geänderten Beschreibungsseiten 1 bis 3, eingereicht mit der Beschwerde begründung, und ansonsten den ursprünglich eingereichten Unterlagen. Eine mündliche Verhandlung beantragt die Beschwerde führerin mit Schreiben vom 2. September 2013 nur hilfsweise für den Fall, dass die Kammer den Hauptantrag im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ für nicht zulässig halten sollte.

V. Der Anspruch 1, eingegangen am 3. November 2008 mit Schreiben vom 31. Oktober 2008, lautet wie folgt:

Rungensystem für Nutzfahrzeugaufbauten, beinhaltend einen mit vorgebbarem Querschnitt ausgebildeten länglichen Grundkörper (2), seitlich des Grundkörpers (2) positionierbare Planlattentaschen (3) sowie einen im Bereich eines Endes des Grundkörpers (2), innerhalb desselben gegebenenfalls teleskopierbar, vorgesehenen mit einem Laufwagen (13) zusammenwirkenden Einschubelement (4, 10), dadurch gekennzeichnet, dass der Grundkörper (2), die Planlattentaschen (3) sowie das Einschubelement (4, 10) mit definierten Lochbildern (5, 6, 7, 11, 12, 30) versehen sind, und die einzelnen Bauteile (2, 3, 4, 10) nach Art eines Baukastensystems im Bereich ihrer jeweiligen Lochbilder (5, 6, 7, 11, 12) dergestalt zueinander positionierbar sind, dass sie zur Herbeiführung unterschiedlicher Stellungen der Planlattentaschen (3) und des Einschubelements (4, 10) am Nutzfahrzeugaufbau mit vorgebbaren Höhenschritten mittel- oder unmittelbar zueinander festlegbar sind.

VI. Die Argumente der Beschwerde führerin lauten wie folgt:

Die Änderung des beanspruchten Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag - bestehend aus der Einfügung "der Planlattentaschen und des Einschubelements" - gehe nicht über den Inhalt der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht hinaus.

So würde durch die Änderung nicht definiert, dass der Rungenkörper 2 feststehe. Eine derartige positive Definition sei im Übrigen auch nicht zulässig, da dies nicht ursprünglich offenbart sei.

Stattdessen habe die Anmelderin die ursprünglich vorhandene Teildefinition gestrichen, derzufolge auch der Rungenkörper unterschiedliche Höhenstellungen am Fahrzeugaufbau einnehmen könne, da dies nirgends aus den ursprünglichen Unterlagen entnehmbar sei.

Auch sei eine Einstellbarkeit der Rungenkörper in horizontaler Richtung aus fachmännischer Sicht abwegig, da sich die Erfindung mit der Höhenpositionierung von Bauteilen auseinandersetze.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wie er der Prüfungsabteilung zur Entscheidung vorgelegen hat, geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

2.1 Der vorliegende Anspruch 1 unterscheidet sich im Wesentlichen vom ursprünglichen Anspruch 1 dadurch, dass das letzte Merkmal durch die Einfügung "der Planlattentaschen und des Einschubelements" präzisiert wurde, so dass nun die "einzelnen Bauteile nach Art eines Baukastensystems im Bereich ihrer jeweiligen Lochbilder dergestalt zueinander positionierbar sind, dass sie zur Herbeiführung unterschiedlicher Stellungen der Planlattentaschen und des Einschubelements am Nutzfahrzeugaufbau mit vorgegebenen Höhenschritten mittel- oder unmittelbar festlegbar sind."

2.2 Die Prüfungsabteilung hat entschieden, dass die Einfügung "der Planlattentaschen und des Einschubelements" in das Merkmal des Anspruchs 1 eine Einschränkung darstelle, die ursprünglich nicht offenbart sei.

2.3 Die Kammer sieht indes in dieser Einfügung lediglich eine Präzisierung in der Formulierung des beanspruchten Gegenstands derart, dass die Bauteile "Grundkörper", "Planlattentaschen" und "Einschubelement" derart zueinander positionierbar sind, dass Planlattentaschen und das Einschubelement in der Höhe verändert werden können.

2.3.1 Die Formulierung des Anspruchs 1 wie ursprünglich eingereicht definiert, dass die einzelnen Bauteile (Rungengrundkörper, Planlattentaschen und Einschubelemente) derart „positionierbar sind, dass sie“ - nämlich die o.g. Bauteile - „zur Herbeiführung unterschiedlicher Stellungen“ - der o.g. Bauteile - „mit vorgegebenen Höhenschritten ... festlegbar sind“.

Der geänderte Anspruch betont nun lediglich, dass mit der Positionierung der Bauteile (Rungengrundkörper, Planlattentaschen und Einschubelemente) unterschiedliche Stellungen "der Planlattentaschen und des Einschubelements" festlegbar sind.

2.3.2 Dabei schließt aus Sicht der Kammer diese Formulierung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht aus, dass auch mit dem Rungengrundkörper unterschiedliche Stellungen am Nutzfahrzeugaufbau festlegbar sind. Die Änderung des Anspruchs 1 bedeutet daher insbesondere nicht, dass nur die Planlattentaschen und das Einschubelement unterschiedliche Stellungen am Fahrzeugaufbau einnehmen, vgl. angefochtene Entscheidung, Seite 3, fünfter Absatz.

2.4 Dabei bleibt hier offen, ob eine Einschränkung, die den Rungenkörper von der Festlegung in unterschiedlichen Stellungen am Nutzfahrzeugaufbau ausnehmen würde (nur die Planlattentaschen und das Einschubelement), im Einklang mit Artikel 123(2) EPÜ wäre. So ist es deshalb im Zusammenhang mit der vorliegenden Änderung auch unerheblich, ob in der Beschreibung oder in den Zeichnungen eine Ausführungsform beschrieben oder dargestellt ist, bei der auch der Rungengrundkörper in unterschiedlichen Stellungen am Nutzfahrzeugaufbau festlegbar ist, vgl. Schreiben der Beschwerde führerin vom 9. Juli 2009, Seite 2, erster Absatz.

Vor allem kann die Kammer nicht erkennen, dass die Beschwerde führerin eine ursprünglich vorhandene Teildefinition gestrichen hat, derzufolge auch der Rungengrundkörper 2 unterschiedliche Höhenstellungen am Fahrzeugaufbau einnehmen kann, vgl. Beschwerde begründung, Seite 3, dritter Absatz. Wie bereits ausgeführt, besagt die Einfügung lediglich, dass unterschiedliche Stellungen an Planlattentaschen und am Einschubelement herbeigeführt werden können, ohne dabei die Definition für den Rungengrundkörper in irgendeiner Form zu verändern.

3. Damit ist die von der Anmelderin mit Schreiben vom 31. Oktober 2008 vorgelegte Änderung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ.

4. Da sich die Entscheidung der Prüfungsabteilung nicht mit den weiteren Erfordernissen des EPÜ für eine Patenterteilung auseinandersetzt (insbesondere Neuheit, erfinderische Tätigkeit, Klarheit), wird die Angelegenheit zur weiteren Prüfung an die erste Instanz gemäß Art. 111 (1) EPÜ 1973 zurückverwiesen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen, mit der Anordnung das Prüfungsverfahren fortzusetzen.

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