T 0426/13 (Sterisch anspruchsvolle Nickel-Phosphit-Komplexe/BASF) of 16.11.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T042613.20161116
Datum der Entscheidung: 16 November 2016
Aktenzeichen: T 0426/13
Anmeldenummer: 05024540.6
IPC-Klasse: C07F 9/145
C07F 15/04
C07C 253/10
C07C 253/30
B01J 31/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Nickel Komplexe mit Phosphitliganden
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: INVISTA Technologies S.à.r.l.
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Alle Anträge: Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das europäische Patent Nr. 1 630 166 in geändertem Umfang aufrechterhalten werden kann, Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit, unzureichender Offenbarung und Erweiterung des Gegenstands des Streitpatents über die ursprünglich eingereichte Fassung hinaus angegriffen worden (Artikel 100 a), b) und c) EPÜ).

III. Der angefochtenen Entscheidung lag der mit Schreiben vom 8. Juni 2011 eingereichte Hauptantrag zu Grunde.

Anspruch 1 dieses Antrags lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von Übergangsmetallkomplexen, dadurch gekennzeichnet, dass man Ni(0) oder eine Ni(0) enthaltende chemische Verbindung mit einem Phosphit der Formel I

P(O-R**(1))x(O-R**(2))y(O-R**(3))z(O-R**(4))p I

mit a)

R**(1): aromatischer Rest mit einem C1-C18-Alkyl-substituenten in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen Rest verbindet, oder mit einem aromatischen Substituenten in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, oder mit einem in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, annelierten aromatischen System,

R**(2): aromatischer Rest mit einem n-Propyl-, i-Propyl-, n-Butyl-, i-Butyl-, s-Butyl-, n-Pentylrest sowie deren Isomeren, n-Hexylrest sowie deren Isomeren, Cyclopentyl- oder Cyclohexylrest, wobei die cyclischen Alkylreste lineare oder weitere cyclische Alkylreste oder aromatische Reste und die Alkylreste cyclische Alkylreste oder aromatische Reste als Substituenten tragen können, in m-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, oder mit einem aromatischen Substituenten in m-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, oder mit einem in m- Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, annelierten aromatischen System, wobei der aromatische Rest in o- Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, ein Wasserstoffatom trägt,

R**(3): aromatischer Rest mit einem C1-C18-Alkyl-substituenten in p-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, oder mit einem aromatischen Substituenten in p- Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, wobei der aromatische Rest in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, ein Wasserstoffatom trägt,

R**(4): aromatischer Rest, der in o-, m- und p-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, andere als die für R**(1), R**(2) und R**(3) definierten Substituenten trägt, wobei der aromatische Rest in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, ein Wasserstoffatom trägt,

y, x: 1 oder 2

z, p: unabhängig voneinander 0 oder 1 mit der Maßgabe, dass x + y + z + p = 3,

oder mit b)

R**(1): aromatischer Rest mit einem C1-C18-Alkyl-substituenten in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen Rest verbindet, oder mit einem aromatischen Substituenten in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, oder mit einem in o- Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, annelierten aromatischen System,

R**(2): aromatischer Rest mit einem C1-C18-Alkyl-substituenten in m-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, oder mit einem aromatischen Substituenten in m-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, oder mit einem in m-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, annelierten aromatischen System, wobei der aromatische Rest in o- Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, ein Wasserstoffatom trägt.

R**(3): aromatischer Rest mit einem n-Propyl-, i-Propyl-, n-Butyl-, i-Butyl-, s-Butyl-, n-Pentylrest sowie deren Isomeren, n-Hexylrest sowie deren Isomeren, Cyclopentyl- oder Cyclohexylrest, wobei die cyclischen Alkylreste lineare oder weitere cyclische Alkylreste oder aromatische Reste und die Alkylreste cyclische Alkylreste oder aromatische Reste als Substituenten tragen können, in p-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, oder mit einem aromatischen Substituenten in p-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, wobei der aromatische Rest in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, ein Wasserstoffatom trägt.

R**(4): aromatischer Rest, der in o-, m- und p-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, andere als die für R**(1), R**(2) und R**(3) definierten Substituenten trägt, wobei der aromatische Rest in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, ein Wasserstoffatom trägt,

z, x: 1 oder 2,

y, p: unabhängig voneinander 0 oder 1 mit der Maßgabe, dass x + y + z + p = 3,

umsetzt.

Die unabhängigen Ansprüche 5, 6, 9 und 11 sind auf eine gemäß Anspruch 1 erhältliche spezifische Gruppe von Übergangsmetallkomplexen, deren Verwendung als Katalysator und auf Verfahren zur Hydrocyanierung olefinischer Doppelbindungen oder Isomerisierung organischer Nitrile mit Hilfe dieser Katalysatoren gerichtet.

IV. Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Hauptantrag den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genüge. Die erfolgten Änderungen ließen sich aus dem Gesamtinhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableiten. Eine Selektierung neuer Subgruppen sei nicht erfolgt. Ausreichende Offenbarung der Erfindung, Neuheit und das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit wurden anerkannt.

V. In ihrer Beschwerdebegründung hielt die Beschwerdeführerin ihre Einwände mangelnder Neuheit, mangelnder erfinderischer Tätigkeit, unzureichender Offenbarung und insbesondere Erweiterung des Gegenstands des Streitpatents über die ursprünglich eingereichte Fassung hinaus aufrecht.

VI. In ihrer Beschwerdeerwiderung vom 5. November 2013 verteidigte die Beschwerdegegnerin den der Entscheidung zu Grunde liegenden Hauptantrag. Darüber hinaus legte sie die Hilfsanträge 1 bis 7 vor.

Der Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Hauptantrag durch die Streichung des Produktanspruchs 5 und der darauf bezogenen Verwendungs- und Verfahrensansprüche 6 bis 12.

Der Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass der Anspruch 1 auf ein Verfahren mit einem Phosphit der Formel P(O-R**(1))x(O-R**(2))y(O-R**(3))z für die Gruppen a) und b) beschränkt ist, mit der Maßgabe, dass x + y + z = 3 ist. Der Anspruch 2 mit dem Merkmal p = 0 und die Definition des Restes R**(4) wurde dementsprechend gestrichen. Im Produktanspruch 4 wurde das Merkmal p = 0 gestrichen. Im Hilfsantrag 3 wurden zusätzlich der Produktanspruch 4 und die Verwendungs- und die Verfahrensansprüche 5 bis 11 gestrichen.

Der Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Hilfsantrag 2 dadurch, dass in der Formel P(O-R**(1))x(O-R**(2))y(O-R**(3))z im Anspruch 1 die Indizes x, y und z in den Gruppen a) und b) dem Wert 1 entsprechen. Im Produktanspruch wurde die Maßgabe, dass y und z für 1 oder 2 stehen dementsprechend gestrichen.

Der Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom Hilfsantrag 4 durch die Streichung der Gruppe b) in Anspruch 1. Die Kammer bezieht sich an dieser Stelle auf den handschriftlich geänderten Hilfsantrag 5, da in der Reinschrift die Definition des Index z offensichtlich fehlt (siehe auch die Erläuterungen auf Seite 2, siebter Absatz der Beschwerdeerwiderung).

Der Hilfsantrag 6 unterscheidet sich vom Hilfsantrag 5 dadurch, dass in der Formel P(O-R**(1))x(O-R**(2))y(O-R**(3))z in der verbliebenen Gruppe zusätzlich der Rest R**(2) im Anspruch 1 auf folgende Definition eingeschränkt wird: "aromatischer Rest mit einem i-Propylrest in m-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, wobei der aromatische Rest in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, ein Wasserstoffatom trägt". Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 wurden gestrichen und die verbleibenden Ansprüche umnummeriert.

Der Hilfsantrag 7 ist auf ein Isomerisierungsverfahren beschränkt. Der einzige unabhängige Anspruch lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Isomerisierung organischer Nitrile in Gegenwart eines Katalysators, wobei man als Katalysator einen Übergangsmetallkatalysator erhältlich durch ein Verfahren zur Herstellung von Übergangsmetallkomplexen, bei dem man Ni(0) oder eine Ni(0) enthaltende chemische Verbindung mit einem Phosphit der Formel I

P(O-R**(1))x(O-R**(2))y(O-R**(3))z I

mit

R**(1): aromatischer Rest mit einem C1-C18-Alkyl-substituenten in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen Rest verbindet, oder mit einem aromatischen Substituenten in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, oder mit einem in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, annelierten aromatischen System,

R**(2): aromatischer Rest mit einem i-Propylrest in m-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, wobei der aromatische Rest in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, ein Wasserstoffatom trägt

R**(3): aromatischer Rest mit einem C1-C18-Alkyl-substituenten in p-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, oder mit einem aromatischen Substituenten in p- Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, wobei der aromatische Rest in o-Stellung zu dem Sauerstoffatom, das das Phosphoratom mit dem aromatischen System verbindet, ein Wasserstoffatom trägt,

z, y, x: 1

umsetzt,

einsetzt.

VII. Die im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente der Beschwerdeführerin, soweit sie die entscheidungserheblichen Sachverhalte betreffen, können wie folgt zusammengefasst werden:

Anspruch 1 des Hauptantrags vorstoße gegen den Artikel 123 (2) EPÜ. Die vorgenommenen Änderungen beruhten auf einer zweifachen Auswahl, die zur Bildung neuer Gruppen führt.

Eine erste Auswahl betreffe die Identität des Substituenten in den Resten R**(2) beziehungsweise R**(3) der Gruppen a) und b) des Anspruchs 1. Gemäß den Absätzen [0010], [0023] und [0036] der A1-Schrift gebe es keine Differenzierung in der generischen Definition der Reste R**(1), R**(2) und R**(3). Insbesondere gebe es in den genannten Absätzen keine Bevorzugung räumlich anspruchsvoller Substituenten. Eine derartige Bevorzugung lasse sich mit Blick auf die Beispiele und den Absatz [0057] der A1-Schrift allenfalls für den ortho-substituierten Rest R**(1) ableiten. Dies stehe aber geradezu im Gegensatz zu den beanspruchten Gruppen des Anspruchs 1 des Hauptantrags, in denen der meta-substituierte Rest R**(2) beziehungsweise der para-substituierte Rest R**(3) einen räumlich anspruchsvollen Substituenten tragen.

Eine zweite Auswahl betreffe die Wahl der Indizes x, y, z und p. Im Absatz [0056] der A1-Schrift seien die neun Kombinationsmöglichkeiten, die sich aus der Definition der Indizes x, y, z und p in den Absätzen [0053] und [0054] ergeben, offenbart. Die einzig bevorzugte Auswahl finde sich mit p = 0 im Absatz [0055]. Im Anspruch 1 des Hauptantrags seien durch die Definition der Indizes jedoch davon unterschiedliche Gruppen definiert. So seien nur vier von neun Kombinationsmöglichkeiten für die Gruppe a) und vier von neun Kombinationsmöglichkeiten für die Gruppe b) ausgewählt worden, die zudem nicht den in Absatz [0055] bevorzugten Kombinationsmöglichkeiten entsprächen. Darüber hinaus sei durch die geänderten Indizes der Rest R**(2) bzw. R**(3) nun zwingend vorhanden, wofür es ebenfalls keine Grundlage in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen gebe.

Die gleichen Einwände gälten auch für den Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 7, wobei für die zusätzliche Einschränkung im Anspruch 1 der Hilfsanträge 4 und 5, nämlich dass die Indizes x, y und z den Wert 1 annehmen, ebenfalls keine Basis in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung zu finden sei. In den Hilfsanträgen 6 und 7 werde zudem der Substituent am Rest R**(2) auf Isopropyl eingeschränkt. Auch für diese Änderung gebe es keine Grundlage in den ursprünglichen eingereichten Unterlagen.

VIII. Die im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente der Beschwerdegegnerin, soweit sie die entscheidungserheblichen Sachverhalte betreffen, können wie folgt zusammengefasst werden:

Es liege kein Verstoß gegen den Artikel 123 (2) EPÜ vor. Die Änderungen bezüglich des meta- und para-Substituenten in den Resten R**(2) und R**(3) fänden ihre Basis in den Absätzen [0023] und [0036] der A1-Schrift. Die dort genannten Listen mit elf Elementen seien lediglich jeweils um zwei Alternativen verkürzt worden. Das Vorhandensein räumlich anspruchsvoller Substituenten entspreche der allgemeinen Lehre der ursprünglichen Anmeldung, auch wenn dies nur für den ortho-substituierten Rest R**(1) illustriert worden sei. Eine Verschiebung des Schwerpunkts der Erfindung läge daher nicht vor.

Die Änderung in den Resten R**(2) für die Gruppe a) und R**(3) für die Gruppe b) träten nur in Erscheinung, wenn diese Reste auch vorlägen. Im geänderten Anspruch sei dies nunmehr definiert. Die Grundlage dafür finde sich im Absatz [0054] der A1-Schrift, die für y und z Werte von 1 und 2 offenbarten. Die Änderungen in den Substituenten der Reste R**(2) und R**(3) und den Indizes y und z beschränkten das identische Merkmal, nämlich die Bedeutung des Restes R**(2) beziehungsweise R**(3). Eine Auswahl aus zwei Listen liege nicht vor, da keine zwei Restebedeutungen (R**(1), R**(2), R**(3), R**(4)), sondern lediglich ein Rest mit dem dazugehörigen Index, eingeschränkt worden seien. Der Anspruch 1 basiere zudem auf den Zeilen 2, 3 und 5 bis 9 der Tabelle im Absatz [56] der A1-Schrift.

Das gleich gelte auch für den Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 7. Der Anspruch 1 in den Hilfsanträgen 4 und 5 beruhe auf dem Anspruch 5 des Hauptantrags. Auch hier liege keine Auswahl aus zwei Listen vor, sondern nur eine Einschränkung eines Restes und des dazugehörigen Indexes. Im Übrigen basiere diese Änderung auf Absatz [0055] der A1-Schrift sowie Zeile 6 der Tabelle in Absatz [0056]. Der Isopropyl-Substituent im Anspruch 1 der Hilfsanträge 6 und 7 finde seine Basis im Absatz [0023] der A1-Schrift.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 1 630 166 zu widerrufen.

X. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen oder, hilfsweise, das Patent auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 7, eingereicht mit Schreiben vom 5 November 2013, aufrechtzuerhalten.

XI. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag und Hilfsantrag 1

2. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

2.1 Anspruch 1 des Hauptantrags richtet sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Übergangsmetallkomplexen, dadurch gekennzeichnet, dass man Ni(0) oder eine Ni(0) enthaltende chemische Verbindung mit einem Phosphit der Formel P(O-R**(1))x(O-R**(2))y(O-R**(3))z(O-R**(4))p umsetzt. Der Anspruch unterscheidet zwei Gruppen von Phosphiten. In der Gruppe a) entspricht die Variable R**(2) einem aromatischen Rest mit einem räumlich anspruchsvollen Substituenten in meta-Stellung. Die Indizes y und x entsprechen dem Wert 1 oder 2 und die Indizes z und p dem Wert 0 oder 1. In der Gruppe b) entspricht die Variable R**(3) einem aromatischen Rest mit einem räumlich anspruchsvollen Substituenten in para-Stellung. Die Indizes z und x entsprechen dem Wert 1 oder 2 und die Indizes y und p dem Wert 0 oder 1. Somit ist in der Gruppe a) neben dem ortho-substituierten Rest R**(1) mindestens ein meta-substituierter Rest R**(2) und in der Gruppe b) mindestens ein para-substituierter Rest R**(3) vorhanden. Darüber hinaus gilt für beide Gruppen, dass die Summe der Indizes x, y, z und p gleich drei ist.

2.2 Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin finden die anspruchsgemäß eingesetzten Phosphitgruppen eine unmittelbare und eindeutige Basis in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen. Sie verwies dabei insbesondere auf die Absätze [0023], [0036], [0053], [0054] und [0056] der A1-Schrift (Seite 4, Zeile 34 bis Seite 5, Zeile 2, Seite 6, Zeilen 20 bis 30, Seite 8, Zeile 27 und Zeilen 29 bis 30, Seite 9, Zeilen 1 bis 4 der ursprünglichen Anmeldeunterlagen).

2.3 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht.

2.3.1 Die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart Phosphite der Formel P(O-R**(1))x(O-R**(2))y(O-R**(3))z(O-R**(4))p, wobei der Index x gleich 1 oder 2 ist (siehe Absatz [0053] der A1-Schrift) und die Indizes y, z, und p gleich 0, 1 oder 2 sind mit der Maßgabe, dass die Summe der Indizes gleich drei ist (siehe Absatz [0054] der A1-Schrift). Die sich aus diesen Bedingungen ergebenden gleichwertigen Kombinationsmöglichkeiten für die Indizes x, y, z, und p werden in der Tabelle im Absatz [56] der A1-Schrift aufgeführt. Gemäß diesen Angaben ist lediglich der Rest R**(1) zwingend vorhanden. Eine Grundlage für die Aufteilung in zwei Gruppen a) und b) mit einem zwingend vorhandenen Rest R**(2) beziehungsweise R**(3) ergibt sich aus diesen Absätzen nicht.

2.3.2 Darüber hinaus ist festzustellen, dass sich den ursprünglichen Anmeldeunterlagen explizit keine Differenzierung hinsichtlich der Reste R**(1), R**(2) und R**(3)entnehmen lässt, außer der Tatsache, dass der Rest R**(1) im Gegensatz zu den Resten R**(2) und R**(3) zwingend vorhanden ist. Die Substituenten in ortho-, meta- und para-Stellung sind identisch definiert (cf. Absatz [0010] der A1-Schrift (Seite 3, Zeilen 5 bis 15 der ursprünglichen Anmeldeunterlagen) mit den Absätzen [0023] und [0036] der A1-Schrift). Einen Hinweis auf einen bevorzugten, räumlich anspruchsvollen Substituenten gibt es in den genannten Absätzen nicht. Im Gegenteil räumlich weniger anspruchsvolle Substituenten wie Methyl und Ethyl werden als gleichwertige Alternativen zu den räumlich anspruchsvolleren Propyl- und Butylsubstituenten angesehen (siehe den jeweils letzten Satz in den Absätzen [0010], [0023] und [0036]).

2.3.3 Soweit eine Differenzierung der Reste R**(1), R**(2) und R**(3)bezüglich der Größe der jeweiligen Substituenten für den Fachmann aus den ursprünglichen Anmeldeunterlagen überhaupt erkennbar ist, gilt dies allenfalls für den ortho-substituierten Rest R**(1). So wird in allen Beispielen der ursprünglichen Anmeldeunterlagen lediglich der ortho-Substituent variiert. Nur für den Rest R**(1) werden räumlich anspruchsvolle Substituenten offenbart, die tendenziell einen positiven Einfluss auf Umsatz und Selektivität ausüben (siehe Tabelle 3, Beispiele 19 bis 24). Die meta- oder para-Stellungen der Reste R**(2) oder R**(3) in den Beispielen sind ausnahmslos durch einen räumlich wenig anspruchsvollen Methylrest substituiert (siehe Beispiel 1 bis 12). Auch im Absatz [0057] der A1-Schrift (Seite 9, Zeilen 5 bis 13 der ursprünglichen Anmeldeunterlagen) sind in vier der dort genannten fünf spezifischen Phosphitgruppen die Reste R**(1), R**(2) und R**(3) entweder durch den gleichen räumlich wenig anspruchsvollen Methylrest substituiert oder enthalten einen Rest R**(1) mit einem räumlich anspruchsvollen Substituenten in ortho-Stellung.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei festgestellt, dass auch aus den Ansprüchen der ursprünglich eingereichten Fassung eine Differenzierung der Reste R**(1), R**(2) und R**(3) lediglich zugunsten des ortho-subsituierten Restes R**(1) erkennbar ist.

2.3.4 Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass der Fokus der Erfindung auf der Verwendung von Phosphiten mit ortho-substituierten Resten liegt. Insoweit andere substituierte Reste vorhanden sind - so zum Beispiel gemäß der einzig bevorzugten Phosphitgruppe mit p = 0 - wird deren Substitution keine Bedeutung beigemessen und beschränkt sich, wie in den Beispielen, auf einen einzigen räumlich wenig anspruchsvollen Methylrest. Die Kammer teilt daher die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass sich durch die Änderungen in den Indizes y und z und der Identität des Substituenten in den Resten R**(2) und R**(3) der Fokus der ursprünglichen Offenbarung zugunsten neuer Phosphitgruppen verschiebt, ohne dass es dafür eine unmittelbare und eindeutige Grundlage in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen gibt.

2.4 Dem Argument der Beschwerdegegnerin, dass keine zweifache Auswahl vorliege, da die Änderungen ein und denselben Rest beträfen, kann die Kammer nicht zustimmen. Die Streichung des Wertes 0 für die Indizes y und z ist nicht lediglich eine Einschränkung der im Absatz [0056] der A1-Schrift offenbarten Kombinationsmöglichkeiten, sondern entspricht zugleich einer ersten Auswahl, nämlich dass neben dem vorhandenen ortho-substituierten Rest R**(1) mindestens ein meta-substituierter Rest R**(2) in der Gruppe a) und mindestens ein para-substituierter Rest R**(3)in der Gruppe b) zwingend vorhanden ist. Darüber hinaus wird durch die Änderung des Substituenten eine weitere Auswahl getroffen, nämlich dass dieser eine bestimmte Größe haben muss. Mit den Änderungen werden somit nicht bloß Listen verkürzt, sondern wie im Punkt 2.3 oben erläutert, neue Phosphitgruppen definiert, für die es keine Grundlage in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen gibt. Selbst wenn man berücksichtigt, dass gemäß Absatz [0055] der A1-Schrift (p = 0) Phosphite bevorzugt sind, die neben dem Rest R**(1) zumindest einen Rest R**(2) oder R**(3) haben, so geht aus diesem Absatz jedoch keinesfalls hervor, dass der Substituent in diesen Resten räumlich anspruchsvoll ist.

Auch dem Argument, dass räumlich anspruchsvolle Substituenten der Lehre der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung entsprächen und somit nicht nur für den Rest R**(1) sondern auch für Reste R**(2) und R**(3) bevorzugt seien, kann die Kammer nicht zustimmen. Wie bereits erläutert (siehe Punkt 2.3.2 oben) gibt es keine expliziten Hinweise auf eine Bevorzugung räumlich anspruchsvoller Gruppen. Eine solche ergibt sich nur implizit aus den Beispielen und nur im Zusammenhang mit dem Rest R**(1). Die Übertragung dieses Merkmals auf die Reste R**(2) und R**(3) mag eine naheliegende Überlegung für den Fachmann sein. Das Naheliegen eines Merkmals ist aber kein Ersatz für eine fehlende Grundlage in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen.

2.5 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die in Anspruch 1 des Hauptantrags vorgenommenen Änderungen über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen und dieser Anspruch somit gegen den Artikel 123 (2) EPÜ verstößt. Die gleiche Schlussfolgerung gilt für den wortgleichen Anspruch 1 des Hilfsantrags 1.

Hilfsanträge 2 und 3

3. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

Die gleichen Änderungen hinsichtlich der Variablen y und z und der Identität des Substituenten in meta- beziehungsweise para-Stellung finden sich auch im Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 3, der auf Phosphite der Formel P(O-R1)x(O-R2)y(O-R3)z (p = 0) beschränkt ist. Somit gelten die gleichen Erwägungen und die gleiche Schlussfolgerung wie unter Punkt 2.3 bis 2.5 oben. Folglich sind auch die Hilfsanträge 2 und 3 gemäß Artikel 123 (2) nicht gewährbar.

Hilfsanträge 4 und 5

4. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 entsprechen die Indizes x, y und z in der Formel P(O-R1)x(O-R2)y(O-R3)z (p = 0) dem Wert 1. Dies entspricht einer weiteren Auswahl, nämlich dass in den Gruppen a) und b) nun zwingend jeweils ein ortho-, ein meta- und ein para-substituierter Rest vorhanden ist. Eine Basis für eine derartige Definition der Indizes x, y und z in Kombination mit der Änderung der Identität des meta- (Gruppe a)) beziehungsweise para-Substituenten (Gruppe b)) findet sich nicht in den ursprünglichen Anmeldunterlagen. Es gelten die gleichen Erwägungen und die gleiche Schlussfolgerung wie unter den Punkten 2.3 bis 2.5 oben. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Hilfsantrag 4 gemäß Artikel 123 (2) EPÜ nicht gewährbar ist.

Die gleiche Schlussfolgerung gilt für den Hilfsantrag 5, dessen Anspruch 1 sich lediglich dadurch unterscheidet, dass die Gruppe b) gestrichen wurde.

Hilfsanträge 6 und 7

5. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 sind die Phosphite auf die Gruppe a) mit y, z und x = 1 und p = 0 beschränkt. Darüber hinaus wird der Substituent in meta-Stellung auf Isopropyl beschränkt. Eine derartige Gruppe von Phosphiten mit einem ortho-, meta- und para-Substituenten in Kombination mit einem räumlich anspruchsvollen Isopropylsubstituenten in meta-Stellung wird in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen an keiner Stelle offenbart. Es gelten die gleichen Erwägungen und die gleiche Schlussfolgerung wie in Punkten 2.3 bis 2.5 oben, die durch die zusätzliche Beschränkung auf einen einzigen spezifischen meta-Substituenten noch verstärkt werden. Folglich verstößt auch der Hilfsantrag 6 gegen den Artikel 123 (2) EPÜ.

Der Hilfsantrag 7 unterscheidet sich vom Hilfsantrag 6 dadurch, dass er nicht auf ein Verfahren zur Herstellung von phosphithaltigen Übergangsmetallkomplexen, sondern auf deren Verwendung zur Isomerisierung organischer Nitrile gerichtet ist (siehe Punkt VI oben). Die Definition der Phosphite ist identisch mit denjenigen des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 6, so dass auch der Hilfsantrag 7 gegen den Artikel 123 (2) EPÜ verstößt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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