T 0407/13 () of 9.3.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T040713.20160309
Datum der Entscheidung: 09 März 2016
Aktenzeichen: T 0407/13
Anmeldenummer: 07801563.3
IPC-Klasse: B60T 17/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: DRUCKLUFTVERSORGUNGSEINRICHTUNG
Name des Anmelders: KNORR-BREMSE Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH
Name des Einsprechenden: WABCO GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag 3 (nein)
Änderungen - unzulässige Erweiterung
Änderungen - Hilfsanträge 1, 2, 2' (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin hat Beschwerde eingelegt gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 2 051 891 in geändertem Umfang aufrechterhalten worden ist.

II. Gegen das vorliegende Patent war Einspruch eingelegt worden aufgrund der in Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit sowie unter Artikel 100 b) EPÜ wegen mangelnder Ausführbarkeit. Es wurde unter anderem auf folgendes Dokument verwiesen:

D10: JP 09088829 A.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 gemäß dem mit Schreiben vom 25. September 2012 definierten neuen Hauptantrag, eingereicht am 9. August 2011 als Hilfsantrag 1, gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße.

III. Am 9. März 2016 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 15 des Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 15 eines der Hilfsanträge 1, 2, 2' oder 3, alle Anträge eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 15. April 2013.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag entspricht Anspruch 1 in der erteilten Fassung und lautet wie folgt:

"Druckluftversorgungseinrichtung (10) für ein Nutzfahrzeug, mit einem Ventilgehäuse (12) und einer lösbar mit dem Ventilgehäuse verbundenen Lufttrocknerpatrone (14), dadurch gekennzeichnet, dass das Ventilgehäuse (12) und die Lufttrocknerpatrone (14) über einen Bajonettverschluss (16) miteinander verbunden sind."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt (die gegenüber dem erteilten Anspruch 1 hinzugefügten Merkmale sind von der Kammer durch Unterstreichen gekennzeichnet, Streichungen durch Durchstreichen):

"Druckluftversorgungseinrichtung (10) für ein Nutzfahrzeug, mit einem Ventilgehäuse (12) und einer lösbar mit dem Ventilgehäuse verbundenen Lufttrocknerpatrone (14), [deleted: dadurch gekennzeichnet,][deleted: dass] wobei das Ventilgehäuse (12) und die Lufttrocknerpatrone (14) über einen Bajonettverschluss (16) miteinander verbunden sind, und wobei in dem Ventilgehäuse (12) Ventileinrichtungen untergebracht sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Ventileinrichtungen ein Druckregler und ein Mehrkreisschutzventil sind."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 [bzw. mit einer zusätzlichen Ergänzung gemäß Hilfsantrag 2'] wurde gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 um folgende zusätzliche Merkmale ergänzt:

"..., und dass die Druckluftversorgungseinrichtung (10) zusätzlich zu pneumatischen Komponenten eine elektronische Steuerung sowie elektrisch ansteuerbare Komponenten [und eine mit der elektronischen Steuerung in Verbindung stehende Sensorik] enthält."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 entspricht der im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren eingereichten Fassung gemäß damaligem Hauptantrag und lautet wie folgt (das gegenüber dem erteilten Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal wurde durch Unterstreichen gekennzeichnet):

"Druckluftversorgungseinrichtung (10) für ein Nutzfahrzeug, mit einem Ventilgehäuse (12) und einer lösbar mit dem Ventilgehäuse verbundenen Lufttrocknerpatrone (14), wobei das Ventilgehäuse (12) eine Druckluftzuführung und eine Druckluftabführung für die Lufttrocknerpatrone (14) zur Verfügung stellt, dadurch gekennzeichnet, dass das Ventilgehäuse (12) und die Lufttrocknerpatrone (14) über einen Bajonettverschluss (16) miteinander verbunden sind."

VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit es für die vorliegende Entscheidung relevant ist, lässt sich wie folgt zusammenfassen:

D10 beschreibe eine Lufttrocknerpatrone, die mit einem Zylinderkopf eines Kompressors verbunden sei. Der Zylinderkopf eines Kompressors sei jedoch kein Ventilgehäuse einer Druckluftaufbereitungsanlage. Dieser Zylinderkopf umfasse ein Gehäuse, in dem ein Einlassventil und ein Auslassventil des Kompressors angeordnet seien. Im Gegensatz dazu sei gemäß erteiltem Anspruch 1 eine Druckluftversorgungseinrichtung eines Nutzfahrzeugs mit einem Ventilgehäuse beansprucht, weshalb dem Ventilgehäuse weitere Eigenschaften zuzusprechen seien. Absatz [0002] des Streitpatents stelle explizit klar, dass das Ventilgehäuse eingerichtet sei, einen Druckregler und ein Mehrkreisschutzventil aufzunehmen, welche die von der Druckluftversorgungseinrichtung erfüllten Aufgaben der Druckregelung und sicheren Verteilung der Druckluft übernähmen. Das im erteilten Anspruch 1 genannte Ventilgehäuse sei somit als Ventilgehäuse mit darin untergebrachten Ventileinrichtungen "Druckregler und Mehrkreisschutzventil" zu verstehen. Hinsichtlich des Begriffs "Ventilgehäuse" stelle die Streitpatentschrift ihr eigenes Wörterbuch dar. Da die Figuren im Streitpatent nur eine ebene Schnittdarstellung des Ventilgehäuses zeigten, sei nur ein Auslass für die Druckluft zu erkennen. Das Ventilgehäuse der Druckluftaufbereitungsanlage müsse zudem dem Kompressor nachgelagert sein, da die Druckluft von dem Kompressor geliefert werde. In D10 seien die in dem Zylinderkopf angeordneten Ein- und Auslassventile des Kompressors der Druckluftaufbereitungsanlage vorgelagerte Ventileinrichtungen und nicht der Druckluft­aufbereitungsanlage selbst zuzurechnen. Ein Mehrkreisschutzventil sei in D10 aus thermischen Gründen fern vom Zylinderkopf anzuordnen. Die Neuheit der Druckluftversorgungseinrichtung gemäß Anspruch 1 in der erteilten Fassung sei daher gegeben.

Der Hilfsantrag 1 sei gegenüber dem Hauptantrag dahingehend geändert, dass in Anspruch 1 explizit die Anordnung eines Druckreglers und eines Mehrkreisschutz­ventils in dem Ventilgehäuse aufgenommen sei. Dies sei ursprünglich offenbart, da gemäß Absatz [0001] der Beschreibung des Streitpatents die Erfindung eine Druckluftversorgungseinrichtung für ein Nutzfahrzeug betreffe, die gemäß Absatz [0002] bestimmte Eigenschaften und Komponenten aufweise. Hierzu gehörten die in Absatz [0002] explizit genannten Ventil­einrichtungen. Die explizite Charakterisierung der in dem Ventilgehäuse angeordneten Ventileinrichtungen als Druckregler und Mehrkreisschutzventil charakterisiere den Rahmen der durch das Streitpatent beanspruchten Druckluftversorgungseinrichtung, was im Hinblick auf D10 relevant sei. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 oder Hilfsantrag 2' umfasse weitere Präzisierungen der Druckluftversorgungseinrichtung.

Hilfsantrag 3 sei zulässig, da die spezielle Anordnung der Druckluftzuführung und Druckluftabführung für die Lufttrocknerpatrone durch das Ventilgehäuse nicht in einem engen technischen Zusammenhang mit dem Bajonettverschluss stehe. Die in der Beschreibung erwähnten Filterelemente seien der Lufttrocknerpatrone zuzurechnen. Der Ausdruck "für die Lufttrocknerpatrone" in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 beziehe sich sowohl auf die Zufuhr als auch auf die Abfuhr von Druckluft. Dabei gehe es nicht um den Eingang 52 oder Ausgang 54 des Ventilgehäuses, sondern um die Anschlüsse für die Lufttrocknerpatrone. Es sei üblich, z. B. wegen des Mehrkreisschutzventils, dass die getrocknete Druckluft wieder dem Ventilgehäuse zugeführt werde. D10 zeige gerade eine nicht typische Ausführungsform, in der nur eine Leitung 11 zur Lufttrocknerpatrone führe.

VII. Die Beschwerdegegnerin entgegnete wie folgt:

D10 zeige eine Druckluftversorgungseinrichtung mit einem Ventilgehäuse 12 mit Ventilen 13, 14 und einer mit dem Ventilgehäuse über einen Bajonettverschluss 18C, 12B verbundenen Lufttrocknerpatrone 16 (siehe Figuren 2 und 3). Somit sei D10 neuheitsschädlich für den erteilten Anspruch 1. Die Elemente "Druckregler, Mehrkreisschutzventil" seien nicht Teil des erteilten Anspruchs 1. Ein Mehrkreisschutzventil erfordere mehrere Ausgänge zum Anschluss mehrerer Kreise. Im Streitpatent sei hingegen nur ein Ausgang gezeigt und beschrieben (siehe z. B. Spalte 10, Zeilen 15 ff.). In den Absätzen [0002] bis [0004] des Streitpatents werde nur der Stand der Technik beschrieben, wobei Absatz [0002] nur fakultative Merkmale aufzähle und zwischen dem "Ventilgehäuse" und "Ventileinrichtungen" unterscheide. Die Druckluftversorgungseinrichtung wie beansprucht enthalte nur dieses - lediglich zur Aufnahme der Ventile geeignete - Ventilgehäuse, nicht aber später einzusetzende Ventileinrichtungen. Der Begriff "Ventilgehäuse" sei nicht mehrdeutig und die Rechtsprechung der Beschwerdekammern zur Auslegung mehrdeutiger Begriffe nicht relevant. Die Ausführungen, wonach die Ventileinrichtungen Teil des Ventilgehäuses sein sollten, seien im Übrigen als verspätetes Vorbringen zurückzuweisen. Absatz [0002] beziehe sich somit auf spezielle Druckluftversorgungseinrichtungen gemäß dem Stand der Technik, die nachfolgend in den Absätzen [0003] und [0004] weiter beschrieben würden ("Lufttrocknerpatronen ... über ein mehrgängiges Gewinde angebracht"). Davon ausgehend setze das Streitpatent einen Bajonettverschluss und gerade kein Gewinde an. Diese Absätze stellten somit keine für den Fachmann eindeutig einschränkenden Merkmale dar. In D10 sei die Bajonettverbindung nicht am Kompressorgehäuse, sondern an einem Gehäuse 12 - dem Ventilgehäuse für die Lufttrocknerpatrone - angebracht. Lufttrocknerpatrone 16 und Ventilgehäuse 12 bildeten die an den Kompressor angeschlossene "Druckluftversorgungseinrichtung". Anspruch 1 sei auf keine Position eines Kompressors gerichtet und ein "nachgelagertes" Ventilgehäuse nicht zwingend erforderlich. Allerdings sei auch in D10 das Ventilgehäuse dem Kompressor nachgelagert, da der Kompressor 1 die Luft über das Ventilgehäuse und die Ventile 13, 14 ausgebe.

Die zusätzlichen Merkmale gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 seien nicht ursprünglich offenbart, da sie im Streitpatent lediglich im Zusammenhang mit dem Stand der Technik beschrieben seien. In Absatz [0003] sei auch das Gewinde zwischen Lufttrocknerpatrone und dem Ventilgehäuse genannt, also nicht die im Streitpatent nachfolgend (ab Absatz [0006]) offenbarte Erfindung mit spezieller Ventilgehäuse-Ausbildung und Verbindung von Ventilgehäuse und Lufttrocknerpatrone (mit Bajonettverschluss). Ein "Mehrkreisschutzventil und Druckregler" werde nicht einmal mehr erwähnt. Auch die zusätzlichen Merkmale gemäß Hilfsantrag 2 seien nur zum Stand der Technik genannt.

Das zusätzliche Merkmal gemäß dem nicht konvergierenden Hilfsantrag 3 sei nicht ursprünglich und auch nur im Zusammenhang mit spezifischen Ausführungsbeispielen offenbart (siehe Figur 1 und Absatz [0030]: Druckluft werde über Kanal 72 des Ventilgehäuses 12 zum Vorfilter 70 der Lufttrocknerpatrone 14 geführt und ströme nach Durchströmen der Lufttrocknerpatrone über das innere Rohrstück 62 und den Filtervlies 68 wieder in das Ventilgehäuse 12). Der Begriff "zur Verfügung stellen" lege nicht fest, ob die Druckluftzuführung oder Druckluftabführung Teil des Ventilgehäuses oder der Lufttrocknerpatrone sei, so dass das neue Merkmal unklar formuliert sei. Bei breiter Interpretation von Anspruch 1 - es werde keine "Druckluftabführung der Lufttrocknerpatrone" beansprucht - sei D10 weiterhin neuheitsschädlich, denn es werde dem Ventilgehäuse Druckluft zugeführt und über Leitung 11 abgeführt.

Entscheidungsgründe

1. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag - Neuheit

1.1 Die Entgegenhaltung D10 ist für den Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag als neuheitsschädlich zu betrachten (Artikel 54(1) EPÜ).

1.2 D10 offenbart (Figur 1 sowie Zusammenfassung) einen Kompressor (1), der über ein Gehäuse (12) mit darin angeordneten Ventilen (13, 14), also über ein Ventilgehäuse, mit einer Lufttrocknerpatrone (16) verbunden ist. Der Kompressor dient zur Bereitstellung von Druckluft, so dass in Figur 1 der D10 eine Druckluftversorgungseinrichtung gezeigt ist, die zudem die Funktion der Lufttrocknung aufweist und damit für Nutzfahrzeuge geeignet ist. Die Verbindung des Ventilgehäuses mit der Lufttrocknerpatrone ist in D10 über einen Bajonettverbindung (18C, 12B) realisiert (siehe Figuren 2 und 3).

Damit ist eine Druckluftversorgungseinrichtung mit einem Ventilgehäuse und einer lösbar mit dem Ventilgehäuse verbundenen Lufttrocknerpatrone entsprechend dem Oberbegriff von Anspruch 1 des Hauptantrags aus D10 bekannt. In D10 ist die lösbare Verbindung auch mittels eines Bajonettverschlusses realisiert, wie mit dem kennzeichnenden Merkmal von Anspruch 1 gefordert. D10 offenbart somit sämtliche Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag.

1.3 Die Beschwerdeführerin führte zwar an, dass in D10 ein Zylinderkopf eines Kompressors gezeigt sei und kein Ventilgehäuse einer Druckluftaufbereitungsanlage. Die Tatsache allein, dass dieser Zylinderkopf - wie von der Beschwerdeführerin zugestanden - ein Einlassventil und ein Auslassventil enthält, qualifiziert diesen Zylinderkopf, also das in D10 gezeigte Gehäuse (12) bereits als Ventilgehäuse. Da die vom Kompressor bereitgestellte Druckluft über den Zylinderkopf dann der Lufttrocknerpatrone zugeführt wird, in der eine Trocknung und damit eine Aufbereitung der Druckluft erfolgt, stellt der aus D10 bekannte Zylinderkopf ein Ventilgehäuse einer Druckluftaufbereitungsanlage dar.

1.4 Da der erteilte Anspruch 1 auf eine Druckluft­versorgungseinrichtung eines Nutzfahrzeugs mit einem Ventilgehäuse gerichtet sei, möchte die Beschwerdeführerin, insbesondere unter Hinweis auf den einleitenden Teil der Beschreibung des Streitpatents (Absatz [0002]), den Begriff "Ventilgehäuse" als Ventilgehäuse mit darin untergebrachtem Druckregler und Mehrkreisschutzventil verstanden wissen, auch weil die Streitpatentschrift ihr eigenes Wörterbuch darstelle.

Zunächst ist festzustellen, dass das Ventilgehäuse in Anspruch 1 nicht näher spezifiziert wird, insbesondere nicht im Hinblick auf die darin aufzunehmenden Ventile. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Beschreibung des Streitpatents nur zur Auslegung von unklaren oder mehrdeutigen Begriffen heranzuziehen, was nach Auffassung der Kammer für das Merkmal "Ventilgehäuse" nicht zutrifft. Der Begriff "Ventilgehäuse" beschreibt als Bauteil ein Gehäuse, das zur Aufnahme von Ventilen geeignet ist. Selbst wenn man der Beschwerdeführerin darin folgen würde, dass der Begriff "Ventilgehäuse" ein Ventilgehäuse mit den darin untergebrachten Ventilen beschreibe, so ist immer noch offen gelassen, welche Art von Ventilen bzw. welche spezifischen Ventileinrichtungen darin untergebracht sind. Ein Ventilgehäuse mit darin angeordneten Ventilen ist aber wie bereits ausgeführt aus D10 bekannt. Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin als verspätet anzusehen ist.

Die Kammer kann auch nicht erkennen, dass im Streitpatent - im Sinne eines Wörterbuches - dem Begriff "Ventilgehäuse" eine von der üblichen Bedeutung dieses Begriffs abweichende Bedeutung zugewiesen werden soll, dass also ein "Ventilgehäuse mit Druckregler und Mehrkreisschutzventil" zu verstehen sei. Absatz [0002] des Streitpatents beschreibt den Stand der Technik für Druckluftversorgungseinrichtungen für Nutzfahrzeuge, die Druckluftverbraucher mit aufbereiteter Druckluft beliefern, und listet in diesem Zusammenhang typische Druckluftverbraucher beispielhaft auf ("ein pneumatisches Bremssystem oder eine Luftfederung") sowie typische Funktionen ("Trocknung und Reinigung der Luft", "Andere wichtige Aufgaben bestehen in der Druckregelung ... sowie in der sicheren Verteilung der Druckluft auf die verschiedenen Verbraucherkreise."). Damit wird aber allenfalls der Rahmen für mögliche (fakultative) Ausführungsformen der beanspruchten Druckluftversorgungseinrichtung gesetzt, ohne dass eine einschränkende Bedeutung des Begriffs "Ventilgehäuse" abzuleiten ist. Zwar werden gemäß Absatz [0002] die Aufgaben der Druckregelung und der sicheren Verteilung der Druckluft durch in einem Ventilgehäuse untergebrachte Ventileinrichtungen - Druckregler und Mehrkreisschutzventil - übernommen. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist aber weder auf einen bestimmten Druckluftverbraucher (wie z. B. ein pneumatisches Bremssystem mit mehreren Bremskreisen, welches aus Sicherheitsgründen ein Mehrkreisschutzventil aufweisen mag) noch auf eine bestimmte Funktion (Druckregelung oder -verteilung) eingeschränkt und impliziert nach Auffassung der Kammer damit keine eingeschränkte Interpretation des Begriffs "Ventilgehäuse". Zudem wird nachfolgend im Streitpatent bei Beschreibung der Erfindung anhand der Ausführungsbeispiele nicht einmal auf die Integration eines Druckreglers und eines Mehrkreisschutzventils in das Ventilgehäuse hingewiesen und auch, anders als bei einer mehrkreisigen Ausführung zu erwarten, nur von einem einzigen Ausgang für die aufbereitete Druckluft gesprochen. Selbst wenn die Schnittdarstellungen in den Figuren des Streitpatents ein Mehrkreisschutzventil nicht ausschließen mögen, so gibt die Beschreibung der Erfindung im Streitpatent keinerlei Hinweise auf ein Ventilgehäuse mit Druckregler und Mehrkreisschutzventil.

1.5 Schließlich argumentiert die Beschwerdeführerin, dass das Ventilgehäuse dem Kompressor nachgelagert sein müsse, da Druckluft von dem Kompressor geliefert werde. Abgesehen davon, dass auch das aus D10 bekannte Ventilgehäuse als dem Kompressor nachgelagertes Gehäuse aufzufassen ist, da die vom Kompressor gelieferte Druckluft über ein Ventil im Ventilgehäuse an die Lufttrocknerpatrone geliefert wird, ist dem Wortlaut von Anspruch 1 keine weitere Einschränkung hinsichtlich der Anordnung des Ventilgehäuses zu entnehmen. Anspruch 1 verlangt lediglich ein lösbar mit einer Lufttrocknerpatrone verbundenes Ventilgehäuse als Bestandteil einer Druckluftversorgungseinrichtung, und dies ist in D10 gezeigt.

2. Zulässigkeit der Hilfsanträge 1, 2 und 2'

2.1 In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wird explizit spezifiziert, dass in dem Ventilgehäuse als Ventileinrichtungen ein Druckregler und ein Mehrkreisschutzventil untergebracht sind. Wie bereits weiter oben ausgeführt, ist dieses Merkmal zwar im einleitenden Teil der Beschreibung in Absatz [0002] des Streitpatents (entsprechend zweiter Absatz auf Seite 1 der ursprünglich eingereichten Unterlagen) offenbart, allerdings nur in Zusammenhang mit der Erläuterung des bekannten Standes der Technik. Nachfolgend - in Verbindung mit dem erfindungsgemäßen Bajonettverschluss zwischen Ventilgehäuse und Lufttrocknerpatrone - findet sich in den Anmeldungsunterlagen jedoch kein Hinweis auf eine spezielle Ausbildung des Ventilgehäuses zur Aufnahme eines Druckreglers und Mehrkreisschutzventils.

Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht also auf der Kombination von Merkmalen eines im Stand der Technik bekannten Ausführungsbeispiels mit dem die Erfindung charakterisierenden Merkmal. Diese Kombination geht jedoch nicht unmittelbar und eindeutig aus den Anmeldungsunterlagen in der ursprünglich eingereichten Fassung hervor. Der Fachmann liest eine derartige Kombination bzw. eine derartig eingeschränkte Interpretation des Ventilgehäuses auch nicht implizit mit, wie weiter oben bereits in Bezug auf mangelnde Neuheit ausgeführt.

Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist somit unzulässig erweitert und erfüllt nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

2.2 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 bzw. 2' umfasst die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 1 sowie weitere Präzisierungen, die ebenfalls nur in Zusammenhang mit dem in Absatz [0002] des Streitpatents (Seite 1 der Anmeldung in der eingereichten Fassung) genannten Stand der Technik genannt werden. Mit gleicher Begründung wie zu Hilfsantrag 1 verstoßen die Hilfsanträge 2 und 2' damit gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ und sind daher unzulässig.

3. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 - Neuheit

3.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 wurde gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags dahingehend ergänzt, dass das Ventilgehäuse nun eine Druckluftzuführung und eine Druckluftabführung für die Lufttrocknerpatrone zur Verfügung stellt. Dies ist nach Auffassung der Kammer jedoch nicht geeignet, eine Abgrenzung gegenüber dem als neuheitsschädlich angesehenen Dokument D10 herzustellen (Artikel 54 (1) EPÜ).

3.2 Das in D10 (Figur 1) gezeigte Ventilgehäuse (12) weist mehrere Kanäle bzw. "Luftführungen" auf, beispielsweise eine Luftzufuhr zum Kompressor über Einlassventil 13, eine Zufuhr von komprimierter Druckluft vom Kompressor zum Auslassventil 14 und von dort eine Druckluftführung über Kanal 11 zur Lufttrocknerpatrone. Im Streitpatent finden sich entsprechend auch mehrere "Luftführungen", beispielsweise über den Eingang 52, über den dem Ventilgehäuse komprimierte Druckluft vom Kompressor zugeführt wird, sowie einen Kanal 72, über den Druckluft zur Lufttrocknerpatrone geführt wird, und einen Kanal 74, über den getrocknete Druckluft zu einem Ausgang 54 geführt wird. Selbst wenn man der Beschwerdeführerin darin folgt, dass der Ausdruck "für die Lufttrocknerpatrone" sich sowohl auf die Druckluftzuführung als auch die Druckluftabführung bezieht, so gibt das Streitpatent jedoch keine genauere Definition der Begriffe "Druckluftzuführung für die Lufttrocknerpatrone" und "Druckluftabführung für die Lufttrocknerpatrone". Diese Begriffe sind deshalb ihrem Wortsinn nach breit zu interpretieren, zumindest insofern dies auch durch die in der Beschreibung und den Zeichnungen gegebene Lehre des Streitpatents gestützt ist.

3.3 Im Streitpatent selbst kann nach Auffassung der Kammer unter einer durch das Ventilgehäuse zur Verfügung gestellten "Druckluftzuführung für die Lufttrockner­patrone" sowohl der Eingang 52 als auch der Kanal 72 verstanden werden, da sowohl der Eingang 52 als auch der Kanal 72 Ausformungen des Ventilgehäuses darstellen, über die Druckluft in Richtung der Lufttrocknerpatrone fließt und damit der Lufttrockner­patrone zugeführt wird. Stellt der Eingang 52 die Druckluftzuführung für die Lufttrocknerpatrone dar, so kann der Kanal 72 als Druckluftabführung für die Lufttrocknerpatrone aufgefasst werden, da über diesen Kanal Druckluft aus dem Ventilgehäuse in Richtung der Lufttrocknerpatrone abgeführt wird. Exakt diese Konfiguration liegt aber auch bei dem aus D10 bekannten Ventilgehäuse vor, da Druckluft vom Kompressor über den Eingang des Auslassventils 14 dem Ventilgehäuse zugeführt wird, und über den Kanal 11 wird die Druckluft für die Lufttrocknerpatrone abgeführt.

3.4 Damit ist der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 nicht neu gegenüber D10, auch wenn in D10 nur eine zur Lufttrocknerpatrone führende Leitung gezeigt ist.

3.5 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass mit den zusätzlichen Merkmalen gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 die Anschlüsse für die Lufttrockner­patrone gemeint seien, über die die zu trocknende Luft und die getrocknete Luft fließen. Dieser Interpretation widerspricht aber, dass keine "Druckluftabführung der Lufttrocknerpatrone" beansprucht wird, sondern eine "Druckluftabführung für die Lufttrocknerpatrone", die durch das Ventilgehäuse zur Verfügung gestellt wird. Darunter versteht der sachkundige Leser auch eine vom Ventilgehäuse in Richtung der Lufttrocknerpatrone führende Luftführung, also im Sinne eines Ausgangsanschlusses des Ventilgehäuses, und nicht notwendigerweise einen an den Ausgang der Lufttrockner­patrone angeschlossenen Anschluss des Ventilgehäuses, wie von der Beschwerdeführerin vorausgesetzt.

4. Wenn man der Beschwerdeführerin darin folgen würde, dass die Druckluftzuführung und -abführung gemäß Anspruch 1 die Anschlüsse zwischen Ventilgehäuse und Lufttrocknerpatrone charakterisieren solle, so wird eine Druckluftzuführung und Druckluftabführung in diesem Sinne zwar in den Ausführungsbeispielen im Streitpatent beschrieben, allerdings nur in Verbindung mit weiteren Merkmalen (siehe z. B. Absatz [0030] des Streitpatents bzw. ab Seite 11 der Anmeldungsunterlagen). Es ist dabei unerheblich, ob beispielsweise die in der Beschreibung erwähnten Filterelemente der Lufttrocknerpatrone (und nicht dem Ventilgehäuse) zuzurechnen sind, da der mit Anspruch 1 spezifizierte Gegenstand auch die Lufttrocknerpatrone mit umfasst. Zumindest die ursprünglich in engem Zusammenhang offenbarten Merkmale hinsichtlich der Luftführung im Anschlussbereich zwischen Lufttrockner­patrone und Ventilgehäuse hätten bei dem von der Beschwerdeführerin angenommenen Verständnis der zusätzlichen Merkmale von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 also mit aufgenommen werden müssen. In diesem Fall läge also eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vor, wie bereits in der angefochtenen Entscheidung durch die Einspruchsabteilung in Bezug auf den damaligen Hauptantrag festgestellt. Bei diesem Verständnis der Begriffe in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 wäre die angefochtene Entscheidung diesbezüglich zu bestätigen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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