T 0390/13 () of 14.8.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T039013.20180814
Datum der Entscheidung: 14 August 2018
Aktenzeichen: T 0390/13
Anmeldenummer: 01122899.6
IPC-Klasse: H02P 9/30
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 369 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage sowie Windenergieanlage
Name des Anmelders: Wobben, Aloys
Name des Einsprechenden: O1: NORDEX ENERGY GmbH
O2: Woodward Kempen GmbH
O3: REpower Systems SE
O4: Vestas Wind Systems A/S
O5: Vestas Benelux B.V.
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde des Patentinhabers (im Folgenden: Beschwerdeführer) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das als EP 1 164 691 B1 veröffentlichte europäische Patent (im Folgenden "Streitpatent") widerrufen wurde.

Das Streitpatent beruht auf der als EP 1 164 691 A1 veröffentlichten europäischen Teilanmeldung Nummer 01 122 899.6, welche auf die europäische Stammanmeldung Nummer 98 966 834.8 zurückgeht, die als WO 99/33165 A1 veröffentlicht wurde.

II. Folgende Einsprechende waren am erstinstanzlichen Verfahren beteiligt:

O1: Nordex Energy GmbH;

O2: Woodward Kempen GmbH (zuvor: Woodward SEG GmbH & Co KG bzw. SEG GmbH & Co KG);

O3: REpower Systems SE(zuvor REpower Systems AG);

O4: Vestas Wind Systems A/S; und

O5: Vestas Benelux B.V. (Beitretende).

III. Die Einsprechenden O4 und O5 haben ihre Einsprüche schon während des erstinstanzlichen Verfahrens zurückgenommen und waren deswegen am weiteren Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

Die Einsprechenden O1, O2 und O3 haben zwar eine Beschwerdeerwiderung eingereicht, haben aber ihre Einsprüche vor der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren zurückgenommen und waren deshalb am Beschwerdeverfahren nicht mehr beteiligt.

IV. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 14. August 2018 statt. Abschließend erklärte der Beschwerdeführer, dass er alle Anträge außer dem in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 25. November 2011 eingereichten Hilfsantrag 9 (im folgenden: "Hilfsantrag 9") zurücknehme und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrags 9 aufrechtzuerhalten.

Die vorliegende Entscheidung wurde am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet.

V. Der einzige Anspruch des Hilfsantrags 9 lautet wie folgt (Merkmalsgliederung eingefügt durch die Kammer):

A Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage mit einem von einem Rotor antreibbaren elektrischen Generator zum Abgeben elektrischer Leistung an ein elektrisches Netz (6), insbesondere an dessen angeschlossene Verbraucher (8),

dadurch gekennzeichnet,

B dass die von dem Generator an das Netz (6) abgegebene elektrische Leistung in Abhängigkeit von einer dem Netz (6) anliegenden elektrischen Spannung geregelt wird, und

C wobei zum Netz-Überspannungsschutz eine Leistungsabgabe erfolgt, die geringer ist als die verfügbare Generatorleistung der Windenergieanlage, und

D dass die reduzierte Leistungsabgabe bereits vor Erreichen eines definierten maximalen Netzspannungswertes (Umax) nach Überschreiten eines bestimmten Netzspannungswertes (P1) erfolgt und

E dass die von dem Generator an das Netz (6) abgegebene elektrische Leistung nach Überschreiten des bestimmten Netzspannungswertes (P1) bei weiter ansteigender Netzspannung bis zum Erreichen des definierten maximalen Netzspannungswertes (Umax) weiter reduziert wird und

F dass dann, wenn die Netzspannung den definierten, maximalen Netzspannungswert (Umax) erreicht, die eingespeiste elektrische Leistung Null ist, und

G das [sic] selbst in dem Fall, wenn eine hohe Windleistung vorhanden ist, bei Erreichen des vordefinierten maximalen Netzspannungswertes (Umax) keine elektrische Leistung in das Netz eingespeist wird.

VI. In der Begründung der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung folgende Dokumente herangezogen:

E5: "Wind Turbines Impact on Voltage Quality", EWEA '96, Rome, Italy, 7 - 9 Oct. 96;

E7: "E-40 Kurzbeschreibung; Rotor Generator Netz";

E8: "E-40 beste am Netz", Wind-Kraft & Naturliche Energien Journal, Ausgabe 2/96, März/April;

E17: "Del 3: Overtoner og driftsforhold ved invertertilsluttede vindmøller", Forskningscenter Risø, Roskilde, Januar 1996, Teile 5., 5.1. und 5.2., mit englischer Übersetzung.

Bezüglich Dokument E7 hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass aufgrund der schriftlichen Beweismittel (Schriftliche Erklärung unter Eid von Herrn Dipl.-Ing. Weißferdt) und des Ergebnisses der Zeugenvernehmung von Herrn Dipl.-Ing. Weißferdt bewiesen sei, dass Dokument E7 zum schriftlichen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehöre (Entscheidungsgründe, Punkte 7.1.1 und 7.1.3).

Bezüglich Hilfsantrag 9 hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs gegenüber E7, E5 und E8 neu sei (Entscheidungsgründe, Punkt 7.2), aber dass mit Hinblick auf E7 als nächstliegender Stand der Technik der Gegenstand des Anspruchs nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Entscheidungsgründe, Punkt 7.3).

VII. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass der Anspruch des Hilfsantrags 9 die formalen Erfordernisse nach Artikel 123(2) und 84 EPÜ erfüllt und dass sein Gegenstand neu und erfinderisch ist.

Die Einsprechenden O1 bis O3 sind dem entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Beschwerdeverfahren eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde ist zulässig.

2. Klarheit, Artikel 84 EPÜ

2.1 Während des erstinstanzlichen Verfahrens brachten die Einsprechenden O1 und O2 vor, dass der einzige Anspruch des Hilfsantrags 9 nicht klar sei. Im Beschwerdeverfahren wurde dieser Einwand vor der Rücknahme der Einsprüche der Einsprechenden O1, O2 und O3 weiterverfolgt. Dazu wurde insbesondere ausgeführt, dass der hinzugefügte Ausdruck "hohe Windleistung" unklar sei. Zudem stelle sich die Frage, ob das Einspeisen einer "elektrischen Leistung Null" dasselbe sei, wie das Einspeisen "keiner elektrischen Leistung".

Die Einwände betreffen die Merkmale F und G (siehe Merkmalsgliederung im Abschnitt V. oben).

2.2 Nach Ansicht der Kammer ist das Merkmal G nicht als eine weitere Einschränkung des Merkmals F anzusehen. Merkmal G betont lediglich, dass egal wie hoch die vorhandene Windleistung sein mag, die eingespeiste elektrische Leistung Null sein muss, wenn die Netzspannung Umax erreicht. Diese Betonung mag zwar überflüssig sein, aber es macht das beanspruchte Verfahren an sich nicht unklar. Aus diesem Grund spielt auch die Ungenauigkeit des Merkmals "hohe Windleistung" an sich keine Rolle für die Klarheit des beanspruchten Verfahrens.

3. Zulässigkeit der Änderungen, Artikel 123 (2) und 76 (1) EPÜ

3.1 Die Einsprechende O2 hat eine Verletzung des Artikels 123 (2) EPÜ geltend gemacht, weil die Ordinatenbeschriftung von "Windleistung" in Figur 3 der eingereichten Teilanmeldung auf "von der Windenergieanlage abgegebene Leistung" in Figur 3 des Streitpatents geändert wurde.

Nach Ansicht der Kammer ist die Neubeschriftung jedoch durch Spalte 4, Zeilen 42 bis 46 der veröffentlichten Teilanmeldung gestützt. Somit wurde Artikel 123 (2) EPÜ durch die Neubeschriftung nicht verletzt. Ebenso wenig ist Artikel 76 (1) verletzt, weil auch die Stammanmeldung eine entsprechende Passage enthält (WO 99/33165, Seite 5, 4. Absatz).

3.2 Die Einsprechende O2 hat eine weitere Verletzung des Artikels 123 (2) EPÜ geltend gemacht, indem die Merkmale des abfallenden Bereichs von Figur 3 im Anspruch des Hilfsantrags 9 aufgenommen wurden, ohne die Merkmale des "Maximalleistungsbereichs" aufzunehmen. Dieser Maximalleistungsbereich betrifft den Fall, dass dann, wenn die Netzspannung nur wenig von ihrem Sollwert abweicht, der zwischen den Spannungswerten (Umin, Umax) liegt, eine gleichbleibende elektrische Leistung von dem Generator in das Netz abgegeben wird (siehe Spalte 4, Zeilen 46 bis 51 der veröffentlichten Teilanmeldung).

Nach Ansicht der Kammer ist für den Fachmann erkennbar, dass der Maximalleistungsbereich für die Erfindung nicht wesentlich ist. Zum Netz-Überspannungsschutz ist es nur erforderlich, dass die Leistungsabgabe nach Überschreiten von P1 und vor erreichen von Umax (im Vergleich zur verfügbaren Generatorleistung) reduziert wird, und dass beim Erreichen von Umax die eingespeiste elektrische Leistung Null ist. Somit wurde weder Artikel 123 (2) EPÜ noch Artikel 76 (1) EPÜ durch das Weglassen des oben erwähnten Merkmals verletzt.

4. Stand der Technik, Artikel 54 (2) EPÜ

4.1 Der Beschwerdeführer bestreitet die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass Herrn Dipl.-Ing. Weißferdt das Dokument E7 im August 1996 erhalten hat und deswegen zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehöre.

4.2 Da die Beschwerdekammer zu dem Schluss gelangt ist, dass der Gegenstand des Anspruchs gegenüber dem Dokument E7 neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (siehe Begründung im Abschnitt 5. unten), kann die Frage, ob das Dokument E7 zum Stand der Technik gehört, offen bleiben.

5. Neuheit, Artikel 54 (2) EPÜ

5.1 Dokument E7

5.1.1 In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass das Merkmal F nicht direkt und eindeutig aus Dokument E7 zu entnehmen sei (siehe Entscheidungsgründe, Abschnitt 7.2.1, Seite 25, 4. Absatz).

5.1.2 Dies wurde von der Einsprechenden O3 bestritten, mit dem Argument, dass dieses Merkmal durch die folgenden Hinweise auf der achten und neunten Seiten der E7 implizit offenbart sei:

- "Ein komplettes Abschalten der Windenergieanlage ist dadurch nicht mehr, wie bisher, nötig"; und

- "Über den gesamten Leistungsbereich von 0 bis 500 kW bleibt der cosphi=l konstant".

5.1.3 Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt. Es gibt nämlich kein Indiz für die Annahme, dass ein Abschalten nur durch eine Reduzierung der eingespeisten Leistung auf Null vermieden werden kann. Zudem gibt es kein Indiz für die Annahme, dass der gesamte Leistungsbereich von 0 bis 500 kW für die Leistungsreduzierung im Falle einer Netzspannungssteigung verwendet wird.

5.1.4 Aus diesen Gründen ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass das Merkmal F aus Dokument E7 nicht bekannt ist. Aus den in Absatz 2.2 angegeben Gründen gilt das auch für Merkmal G.

5.1.5 Der Beschwerdeführer bestreitet zudem die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass das Merkmal E aus Dokument E7 bekannt sei.

5.1.6 Die Einspruchsabteilung begründete diese Feststellung wie folgt (siehe Einspruchsbegründung, Abschnitt 7.2.1, Seite 25, 3. Absatz):

"Die Sätze der E7 "Durch diesen aktiven Spannungssensor kann stets die maximal mögliche Leistung, die das Netz aufnehmen kann, eingespeist werden" und "Das heißt, die eigentliche Leistung wird in Abhängigkeit der Aufnahmefähigkeit des Netzes reduziert" bedeuten, dass die Leistung mit der Aufnahmefähigkeit des Netzes reduziert wird. Weil die Aufnahmefähigkeit mit steigender Spannung senkt, entsteht somit eine nicht weiter beschriebene Kennlinie für den Regler, wonach bei weiter ansteigender Netzspannung die abgegebene Leistung reduziert wird."

5.1.7 Der Beschwerdeführer hat hierzu angemerkt, dass laut Dokument E7 die eingespeiste Leistung sofort reduziert werde, wenn die Spannung ansteigt, dann "Ein Regelkreis regelt den eingespeisten Strom so schnell, daß keine Spannungserhöhungen auftreten." (siehe erster Absatz unter dem Titel "Netzspannungsabhängige Leistungseinspeisung"). Er trägt vor, dass der Fachmann diese Hinweise dahingehend verstehe, dass sobald die Netzspannung ansteigt (d.h. sobald eine Schwelle vergleichbar mit Umax im Streitpatent überstiegen wird), die eingespeiste Leistung soviel und so schnell reduziert werde, dass sich die Spannung gar nicht weiter erhöhe. Somit käme ein weiteres Ansteigen der Netzspannung im Sinne von Merkmal E gar nicht vor und eine weitere Reduzierung der eingespeisten Leistung sei weder vorgesehen noch notwendig.

Der Beschwerdeführer trägt zudem vor, dass der Hinweis, dass "stets die maximal mögliche Leistung, die das Netz aufnehmen kann, eingespeist" wird in dem Sinne zu verstehen sei, dass bis zum Erreichen einer mit Umax vergleichbaren Spannung die maximale Leistung eingespeist werde, und danach die Leistung sofort reduziert werde. Damit erfolge die Leistungsreduzierung erst bei höchstmöglicher Netzspannung, wenn das Netz nicht mehr fähig sei, Leistung aufzunehmen. In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer verdeutlichte der Beschwerdeführer den Unterschied zum Streitpatent anhand einer Skizze, basierend auf Figur 3 des Streitpatents, auf der er die aus E7 zu entnehmende Beziehung zwischen eingespeister Leistung und Netzspannung einzeichnete.

Der Beschwerdeführer betonte, dass Dokument E7 keine klare Beziehung zwischen der Netzspannung und der dort erwähnten "Aufnahmefähigkeit des Netzes" beschreibe und[deleted: ]bestritt, dass E7 zu entnehmen sei, dass die Aufnahmefähigkeit des Netzes mit steigender Netzspannung sinkt, wie dies die Einspruchsabteilung argumentierte (siehe Entscheidung 7.2.1, Seite 25, 3. Absatz und 7.3, Seite 27, letzter Absatz sowie Beschwerdebegründung Seite 34 oben). Insbesondere sei E7 nicht zu entnehmen, dass die abgegebene Leistung abgesenkt werde, bevor Umax erreicht wird.

5.1.8 Für die Kammer ist entscheidend, dass es nach dem geltenden Anspruch bereits beim Erreichen des Grenzwerts P1 zu einer Reduzierung der Leistung kommt, die dann bei weiter ansteigender Spannung weiter reduziert wird und beim Erreichen von Umax auf Null reduziert wird. Dem Umstand, dass der Anspruch eine weitere Reduzierung erfordert, ist zu entnehmen, dass die Leistung nach dem Erreichen von P1 nicht auf Null gesetzt wird, sondern lediglich reduziert wird bis Umax erreicht wird.

Demgegenüber geht nicht klar und eindeutig aus E7 hervor, dass nach Überschreiten eines bestimmten Netzspannungswertes bei weiter ansteigender Netzspannung bis zum Erreichen eines definierten maximalen Netzspannungswertes die abgegebene Leistung weiter reduziert wird (Merkmal E). Vielmehr sieht E7 vor, dass "stets die maximal mögliche Leistung, die das Netz aufnehmen kann, eingespeist wird. Das aber spricht nicht für eine Reduzierung der Leistung schon vor dem Erreichen von Umax. Darüber hinaus geht aus E7 nicht eindeutig hervor, dass es nach dem Erreichen eines Grenzwertes einen weiteren Spannungsanstieg gibt, denn E7 sieht folgendes vor: "Ein Regelkreis regelt den eingespeisten Strom so schnell, daß keine Spannungserhöhungen auftreten."

5.1.9 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass auch das Merkmal E aus Dokument E7 nicht bekannt ist.

5.2 Dokument E5

5.2.1 Die Beschwerdekammer teilt die Ansicht der Einspruchsabteilung (siehe Entscheidungsgründe, 7.2.2, vorletzter Absatz), dass Dokument E5 nicht offenbart, dass die eingespeiste elektrische Leistung Null ist, wenn die Netzspannung den definierten, maximalen Netzspannungswert erreicht, (Merkmale F und G).

5.2.2 Die Kammer ist aber zudem der Auffassung, dass aus E5 nicht klar und eindeutig hervorgeht, dass nach Überschreiten eines bestimmten Netzspannungswertes bei weiter ansteigender Netzspannung bis zum Erreichen eines definierten maximalen Netzspannungswertes die abgegebene Leistung weiter reduziert wird (Merkmal E).

Der Hinweis auf eine spannungsabhängige Leistungsreduzierung ("Voltage Dependent Reduction of Wind Turbines Output Power") ist zu allgemein gefasst, um Merkmal E vorwegzunehmen. Zudem ist der Hinweis auf eine Reduzierung der Windturbinenleistung in kleinen Schritten ("if the wind turbine output was reduced in small steps") nicht mit dem Vorhandensein einer weiter ansteigenden Netzspannung verknüpft.

5.2.3 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass die Merkmale E, F und G aus Dokument E5 nicht bekannt sind.

5.3 Dokument E8

5.3.1 Dokument E8 berichtet über die Anlagensteuerung der E40-Anlage von Enercon. In den Zeilen 6 bis 11 ist folgendes offenbart:

"In der Anlagensteuerung kann vorgesehen werden, daß bei Ansteigen der Netzspannung in der Nähe des Maximalwertes die Ausgangsleistung entsprechend reduziert wird, damit keine unerwünscht hohen Spannungen am Einspeisepunkt entstehen."

5.3.2 Die Einspruchsabteilung hat die Auffassung vertreten (siehe Entscheidungsgründe, 7.2.3, erster Absatz), dass der Begriff "entsprechend" so zu verstehen sei, dass zwischen der "Nähe" der in der E8 definierten Umax und der Reduzierung der "Ausgangsleistung" ein Kausalitätsverhältnis entsteht, so dass wenn die Netzspannung weiter ansteigt, die abgegebene Leistung weiter reduziert wird.

5.3.3 Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass so ein Kausalitätsverhältnis nicht klar und eindeutig aus dem Begriff "entsprechend" zu entnehmen ist. Der Satz kann auch so verstanden werden, dass sobald die Netzspannung ansteigt die eingespeiste Leistung entsprechend dieser Tatsache um soviel reduziert wird, dass gar keine weitere Spannungserhöhung auftritt. Somit würde ein weiteres Ansteigen der Netzspannung im Sinne von Merkmal E gar nicht vorkommen und eine weitere Reduzierung der eingespeisten Leistung hätte keinen Sinn.

5.3.4 Die Kammer teilt die Ansicht der Einspruchsabteilung (siehe Entscheidungsgründe, 7.2.3, 2. und 3. Absätze), dass ein Betrieb mit "Null eingespeister Leistung" bei einem definierten, maximalen Netzspannungswert (d.h. Merkmale F und G) aus E8 nicht zu entnehmen ist.

5.3.5 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass die Merkmale E, F und G aus Dokument E8 nicht bekannt sind.

5.4 Zusammenfassung

Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs gemäß Hilfsantrag 9 im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ neu ist.

6. Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

6.1 Ausgehend davon, dass sich der Gegenstand des Anspruchs lediglich durch die Merkmale F und G von dem Verfahren des Dokuments E7 unterscheidet, ist die Einspruchsabteilung zu dem Schluss gekommen, dass es für den Fachmann naheliegend sei, die Leistung auf Null zu regeln, wenn die Netzspannung den Wert Umax erreicht, weil die Aufnahmefähigkeit des Netzes dann Null sei. Deshalb sei der Gegenstand des Anspruchs nicht erfinderisch.

6.2 Die Kammer ist jedoch, wie oben dargelegt, zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs sich nicht nur durch die Merkmale G und F, sondern auch durch das Merkmal E von dem Verfahren des Dokuments E7 unterscheidet.

6.3 Davon ausgehend, dass beim Dokument E7, aufgrund der sofortigen Reduzierung der eingespeisten Leistung bei einem Anstieg der Netzspannung (d.h. beim Erreichen einer gewissen Schwelle), ein weiteres Ansteigen der Netzspannung im Sinne von Merkmal E nicht vorkommt, hätte eine weitere Reduzierung der abgegebene Leistung nach Überschreiten der Netzspannungs-Schwelle gar keinen Sinn. Eine weitere Leistungsreduzierung gemäß Merkmal E ist deshalb durch Dokument E7 nicht nahegelegt. Darüber hinaus sieht E7 vor, dass stets die maximal mögliche Leistung eingespeist wird ("Durch diesen aktiven Spannungssensor kann stets die maximal mögliche Leistung, die das Netz aufnehmen kann, eingespeist werden"). Die Lehre der E7 gibt dem Fachmann daher keine Veranlassung, die Leistung schon vor dem Erreichen von Umax zu reduzieren, da dies bedeuten würde, dass weniger als die maximal mögliche Leistung eingespeist würde.

6.4 Eine weitere Reduzierung der abgegebene Leistung in der in Merkmal E geschilderten Situation ist aus dem weiteren Stand der Technik (beispielsweise Dokumente E5 und E8) auch nicht bekannt. Damit ist der Gegenstand des Anspruchs auch nicht durch eine Kombination der weiteren Dokumente aus dem Stand der Technik nahegelegt.

6.5 Die in Merkmal E in Kombination mit den Merkmalen F und G definierte gesteuerte Reduzierung der eingespeisten Leistung in Abhängigkeit der Netzspannung bis zur Nullleistung bei Umax trägt zur Lösung der in Absatz [0008] des Streitpatents erwähnten Aufgabe bezüglich der Vermeidung von unerwünschten Abschaltungen bei.

6.6 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs gemäß Hilfsantrag 9 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

7. Schlussfolgerung

Der Anspruch nach Hilfsantrag 9 genügt demnach den Erfordernissen des EPÜ. Die angefochtene Entscheidung ist somit aufzuheben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2011 eingereichten Hilfsantrags 9 und einer gegebenenfalls anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

Quick Navigation