T 0368/13 () of 7.6.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T036813.20180607
Datum der Entscheidung: 07 Juni 2018
Aktenzeichen: T 0368/13
Anmeldenummer: 01956569.6
IPC-Klasse: H01R 13/627
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Explosionsgeschützte Verbindungsvorrichtung
Name des Anmelders: Cooper Crouse-Hinds GmbH
Name des Einsprechenden: BARTEC GmbH
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - erster und zweiter Hilfsantrag (nein)
Spät eingereichter dritter Hilfsantrag - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher der Einspruch zurückgewiesen worden ist.

II. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung unter Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer den Parteien mit, dass aller Voraussicht nach der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents neu sei, jedoch Bedenken hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit bestünden.

III. Die mündliche Verhandlung fand am 7. Juni 2018 vor der Kammer statt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche eines der Hilfsanträge 1 und 2, eingereicht mit Schreiben vom 7. Mai 2018, oder des geänderten Hilfsantrags 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2018, aufrecht zu erhalten.

IV. Die folgenden, im Verfahren vor der Einspruchsabteilung genannten Dokumente sind für die Beschwerde relevant:

D1: EP 0 261 307 B2

D2: US 5,462,450

Die Beschwerdeführerin hat darüber hinaus zusammen mit ihrer Beschwerdebegründung noch die folgende DIN-Norm eingereicht, auf welche in Dokument D1 Bezug genommen wird:

D3: DIN EN 50018 vom März 1995

V. Der unabhängige Anspruch 1 des erteilten Patents (Hauptantrag) lautet:

"Verbindungsvorrichtung (1) mit einem Stecker (2) und einer Steckdose (3), wobei der Stecker (2) ein Steckergehäuse (4) mit wenigstens zwei Kontaktelementen (5, 6) und die Steckdose (3) ein Steckdosengehäuse (7) mit wenigstens zwei entsprechenden, in diesem angeordneten Einsteckelementen (8, 9) aufweist, wobei Stekkergehäuse (4) [sic] und Steckdosengehäuse (7) bei bereits voneinander elektrisch getrennten Kontaktelementen (5, 6) und Einsteckelementen (8, 9) in einer Rückhaltestellung (10) vor einem vollständigen Lösen ihrer Verbindung selbsttätig gehalten sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Verbindungsvorrichtung explosionsgeschützt ausgeführt ist und in der Rückhaltestellung (10) zwischen Einsteckelement (8, 9) und Kontaktelement (5, 6) sowie Steckergehäuse (4) und Steckdosengehäuse (7) ein nach außen abgeschlossener Innenraum (11) gebildet ist, wobei das Steckdosengehäuse (7) sich mit einem Endabschnitt (18) über die Einsteckelemente (8, 9) unter Bildung von zu den Kontaktelementen (5, 6) komplementär geformten Führungskanälen (22, 23) im Endabschnitt hinauserstreckt."

VI. Der unabhängige Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags weist gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags zusätzlich das folgende Merkmal auf:

"wobei Steckergehäuse und Steckdosengehäuse in der Rückhaltestellung miteinander verrastet sind."

VII. Der unabhängige Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags weist gegenüber Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags zusätzlich das folgende Merkmal auf:

"und wobei das Rastelement in im wesentlichen vollständig ineinander geschobener Verbindungsstellung (20) von Stecker- und Steckdosengehäuse (4, 7) mit einem zweiten Gegenrastelement (21) in Eingriff ist."

VIII. Der unabhängige Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags weist gegenüber Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags zusätzlich das folgende Merkmal auf:

"und wobei die Kontaktelemente (5, 6) in den Führungskanälen (22, 23) insbesondere zu den Einsteckelementen zünddurchschlagssicher führbar und in diesem [sic] in Rückhaltestellung (10) zumindest teilweise aufgenommen sind."

IX. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag

Dokument D1 offenbare keine Rückhaltestellung. D1 sei auf ein schnelles Herausziehen der Module gerichtet. Hierfür seien eigens Führungsschienen vorgesehen. An keiner Stelle sei ein Reibschluss zwischen Stecker und Steckdose in D1 offenbart. Die unterstellte Reibung liefe auch der Zielsetzung der D1, dem schnellen Herausziehen von Modulen, entgegen. Zusammenfassend offenbare Dokument D1 daher keine Rückhaltestellung. Auch die beanspruchten beiden abgeschlossenen Innenräume zwischen Steckergehäuse und Steckdosengehäuse einerseits und Einsteckelement und Kontaktelement andererseits sei D1 nicht zu entnehmen. D1 offenbare zwar ein explosionsgeschütztes Verbindungselement, es sei jedoch nicht explizit offenbart, durch welche der Vielzahl der in D1 vorgesehenen Elemente der Explosionsschutz hergestellt werde. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher neu gegenüber D1.

Erster Hilfsantrag

Der Fachmann kombiniere die Lehren der Dokumente D1 und D2 nicht miteinander. Die Teile 5 und 6 nach D1 könnten nicht miteinander verrastet werden, da es nicht möglich sei, an deren Gehäusen aufgrund des dort vorgesehenen Kragens bzw. der zugehörigen Ausnehmung Rastelemente anzubringen. D1 ziele darüber hinaus darauf ab, ein schnelles Herausziehen der Module zu ermöglichen. Hierbei sei eine hohe Reibung zwischen Stecker und Steckdose hinderlich. Dokument D2 offenbare jedoch explizit eine hohe Reibung zwischen den zu trennenden Teilen. Das Verbindungselement nach D2 sei zudem nicht explosionsgeschützt und weise auch keine zwei abgeschlossenen Innenräume auf. Folglich sei der Gegenstand des ersten Hilfsantrags nicht nahegelegt.

Zweiter Hilfsantrag

Das Dokument D1 offenbare keine zwei Raststellungen. Die beiden unterschiedlichen Raststellungen nach Dokument D2 würden aus unterschiedlichen Gründen durch unterschiedliche Mittel hergestellt. Demgegenüber beanspruche der Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags ein einziges Rastelement und zwei Gegenrastelemente. Dies sei aus einer Zusammenschau der Dokumente D1 und D2 nicht nahegelegt.

Dritter Hilfsantrag

Die nunmehr im geänderten dritten Hilfsantrag beanspruchte Alternative sei bereits im vormaligen dritten Hilfsantrag enthalten gewesen. Die durchgeführte Änderung stelle daher lediglich eine Einschränkung dar. Der geänderte dritte Hilfsantrag sei somit zulässig.

X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag

Die Rückhaltestellung gemäß Anspruch 1 sei lediglich dadurch definiert, dass kein elektrischer Kontakt mehr bestehe. Anspruch 1 verlange keine definierte Rückhaltestellung. Der Ausdruck selbsttätig bedeute lediglich, dass nicht von Hand eingegriffen werden müsse. Eine Rückhaltestellung im Sinne des Anspruchs 1 sei aus D1 bekannt, denn D1 betreffe eine explosions-sichere Verbindungsvorrichtung mit einem zünddurch-schlagssicheren ex-Spalt. Der Fachmann wisse, dass eine Rückhaltestellung auch durch Reibschluss eingenommen werden könne. Zudem seien auch die beiden abgeschlossenen Innenräume aus D1 bekannt.

Erster Hilfsantrag

Die Rückhaltestellung sei bereits im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 erwähnt und dort zur Abgrenzung gegenüber Dokument D2 eingefügt worden. Ein Fachmann, dem die durch Reibschluss hergestellte Rückhaltestellung nach D1 unzureichend erscheine, wisse, dass Rastverbindungen im Bereich der Verbindungsvorrichtungen fachüblich seien. Dokument D2 zeige eine verrastete Rückhaltestellung, in welcher die elektrischen Kontakte Abstand zueinander hätten. Beide Dokumente beträfen dasselbe technische Gebiet, nämlich Verbindungsvorrichtungen. Der Gegenstand des ersten Hilfsantrags sei daher aus einer Kombination der Dokumente D1 und D2 nahegelegt.

Zweiter Hilfsantrag

Aus Dokument D2 sei auch eine Rastverbindung in Kontaktstellung bekannt. Es gehe bei den zusätzlichen Merkmalen des zweiten Hilfsantrags lediglich um eine fachübliche Lagesicherung der beiden Steckelemente zueinander durch eine Rastverbindung. Daher sei auch der Gegenstand des zweiten Hilfsantrags nahegelegt.

Dritter Hilfsantrag

Der geänderte dritte Hilfsantrag sei während der mündlichen Verhandlung und damit nach Ablauf der von der Kammer gesetzten Schriftsatzfrist eingereicht worden. Zudem enthalte er eine neue Merkmals-kombination. Hierauf sei die Einsprechende nicht vorbereitet gewesen. Bisher sei es ausreichend gewesen, nur eines der beiden durch die im vormaligen dritten Hilfsantrag enthaltene und/oder-Verknüpfung verbundenen Merkmale im Stand der Technik nachzuweisen. Der geänderte dritte Hilfsantrags sei daher nicht zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig

2. Hauptantrag (Artikel 54 (2) EPÜ)

2.1 Es ist unter den Parteien strittig, ob die folgenden Merkmale des Anspruchs 1 des erteilten Patents aus der Offenbarung des Dokuments D1, gegebenenfalls unter Rückgriff auf die Offenbarung des Dokuments D3, bekannt sind. Die strittigen Merkmale lauten wie folgt:

"wobei Stekkergehäuse (4) [sic] und Steckdosengehäuse (7) bei bereits voneinander elektrisch getrennten Kontaktelementen (5, 6) und Einsteckelementen (8, 9) in einer Rückhaltestellung (10) vor einem vollständigen Lösen ihrer Verbindung selbsttätig gehalten sind", und

"in der Rückhaltestellung (10) zwischen Einsteckelement (8, 9) und Kontaktelement (5, 6) sowie Steckergehäuse (4) und Steckdosengehäuse (7) ein nach außen abgeschlossener Innenraum (11) gebildet ist".

2.2 Das erstgenannte Merkmal ist für den Fachmann aus der Offenbarung des Dokuments D1 unmittelbar und eindeutig entnehmbar.

Zwar offenbart D1 an keiner Stelle wörtlich eine Rückhaltestellung, diese ergibt sich für den Fachmann jedoch zweifelsfrei aus der Gesamtoffenbarung von D1.

Laut dem Wortlaut des Anspruchs 1 ist die Rückhaltestellung lediglich durch einen getrennten Zustand der elektrischen Kontaktelemente definiert und nicht durch eine definierte Position des Steckers und der Steckdose zueinander.

Gemäß D1 wird das Steckergehäuse und das Steckdosengehäuse offensichtlich über eine Reibverbindung in Position gehalten, da anderenfalls die in D1 z. B. in Spalte 11, Zeilen 9 bis 18 geforderte Explosionssicherheit nicht gewährleistet wäre. Die zugehörige DIN-Norm D3 schreibt in diesem Zusammenhang ebenfalls keine selbsttätig gehaltene Rückhaltestellung vor, sondern unter Punkt 13.3.3 lediglich, dass "die Druckfestigkeit des Gehäuses im Falle einer inneren Explosion sowohl im gesteckten Zustand als auch im Augenblick der Trennung" gewährleistet sein muss.

Somit ist eine Rückhaltestellung und damit das erstgenannte strittige Merkmal des Anspruchs 1 für einen Fachmann aus dem Dokument D1 unmittelbar und eindeutig entnehmbar.

2.3 Das zweitgenannte Merkmal ist bereits aus D1 bekannt

Zur Herstellung des Explosionsschutzes stellt das Patent im Absatz [0008] sowie im oben zweitgenannten strittigen Merkmal des Anspruchs 1 auf die Bildung eines abgeschlossenen Innenraums zwischen den Einsteckelementen und den Kontaktelementen sowie zwischen dem Steckergehäuse und dem Steckdosengehäuse ab.

Ein abgeschlossener Innenraum zwischen Einsteckelementen und Kontaktelementen zu Zwecken des Explosionsschutzes ist jedoch bereits aus dem Dokument D1 bekannt, siehe dort Spalte 11, Zeilen 9 bis 18. Aus dieser Offenbarungsstelle von D1 ist bekannt, dass der abgeschlossene Innenraum bereits vorhanden ist "noch ehe ein elektrischer Kontakt ... zustande kommt". Im Umkehrschluss bedeutet dies auch, dass der abgeschlossene Innenraum noch vorhanden ist, wenn der elektrische Kontakt geradeso getrennt ist.

Ebenso ergibt sich nach D1 auch ein abgeschlossener Innenraum zwischen dem Steckergehäuse und dem Steckdosengehäuse, beispielsweise aus einer fachmännischen Betrachtung der Figur 5.

Die Argumente der Patentinhaberin, dass ein Kragen des Steckergehäuses nach D1 mit einer Ausnehmung im Steckdosengehäuse zusammenwirke, sodass, wie in Spalte 10 Zeilen 4 bis 6 beschrieben, keine Schutzfunktion entstehe, greifen nicht, da es in der zitierten Stelle der Offenbarung von D1 nicht um die Innenseite des Steckergehäuses, sondern um dessen Außenseite und die entsprechende, sich außerhalb des Steckergehäuses befindliche Ausnehmung in dem Steckdosengehäuse geht.

Folglich ist das oben zweitgenannte Merkmal aus der Offenbarung von D1 bekannt.

2.4 Somit sind beide strittigen Merkmale aus der Offenbarung des Dokuments D1 bekannt bzw. für den Fachmann unmittelbar und eindeutig entnehmbar.

Die Kammer ist folglich zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ nicht neu ist.

3. Erster und zweiter Hilfsantrag (Artikel 56 EPÜ)

3.1 Hinsichtlich des ersten Hilfsantrags ist unter den Parteien strittig, ob der Fachmann die Verbindungsvorrichtung nach D1 mit einer Rastverbindung nach Dokument D2 in naheliegender Weise kombinieren würde.

3.2 Rastverbindungen sind dem Fachmann im Bereich der elektrischen Steckverbinder seit langem allgemein bekannt.

Ein entsprechender Hinweis findet sich sogar im erteilten Patent im Absatz [0005]. Dort wird davon ausgegangen, dass das Dokument D2 eine Verbindungsvorrichtung mit einer bekannten Rückhaltestellung und Rasteingriff offenbart. Dokument D2 offenbart in Figur 2A, Bezugszeichen 20 und 21, explizit eine Verrastung einer Rückhaltestellung.

Der Fachmann ist auch nicht, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, durch den in Dokument D1 genannten Kragen und die entsprechende Ausnehmung daran gehindert, eine Rastverbindung an einem Steckergehäuse und einem Steckdosengehäuse anzubringen, da die Rastverbindung nach Anspruch 1 weder hinsichtlich ihrer Ausgestaltung noch hinsichtlich ihrer Lage näher definiert ist.

Auch das Argument der Beschwerdegegnerin, das Dokument D2 sei nicht auf explosionsgeschützte Verbindungs-vorrichtungen gerichtet, greift nicht durch, da der Explosionsschutz bereits aus dem Dokument D1 bekannt ist.

Der Unterschied des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1 liegt lediglich darin, dass die bereits aus D1 bekannte Rückhaltestellung verrastet ist. Die Lage einer bestimmten Stellung durch Verrastung zu sichern ist jedoch bereits explizit aus der Offenbarung des Dokuments D2 ebenfalls für eine Verbindungsvorrichtung bekannt. Der Fachmann würde daher die Lehre des Dokuments D2 auch mit jener des Dokuments D1 kombinieren.

Ein Verrasten der Rückhaltestellung, wie in Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags beansprucht, ist daher für den Fachmann nahegelegt.

3.3 Ferner ist strittig, ob der Gegenstand des zweiten Hilfsantrags aus einer Zusammenschau der Dokumente D1 und D2 nahegelegt ist.

Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags, d.h. eine Verrastung von Steckergehäuse und Steckdosengehäuse in Verbindungsstellung, ist jedoch explizit in Figur 3A, Bezugszeichen 18 und 19, des Dokuments D2 offenbart.

Die Argumente der Beschwerdegegnerin, aus Dokument D2 sei nicht bekannt, dass ein einziges Rastelement mit zwei Gegenrastelementen zusammenwirke, greift nicht durch, da der Anspruch 1 hinsichtlich der ersten Rastverbindung keine Rast- und Gegenrastelemente definiert, sondern nur, dass "Steckergehäuse und Steckdosengehäuse in der Rückhaltestellung miteinander verrastet sind.". Lediglich bezüglich der Verbindungsstellung ist von einem Rastelement und einem zweiten Gegenrastelement die Rede. Ein erstes Gegenrastelement definiert der Anspruch 1 hingegen nicht. Es bleibt daher offen, durch welche Elemente die Rückhaltestellung bewirkt wird und wie diese Elemente mit den die Verbindungsstellung bewirkenden Elementen zusammenwirken. Eine nicht weiter definierte Verbindungsstellung ist jedoch bereits aus dem Dokument D2 ebenfalls für eine Verbindungsvorrichtung bekannt. Der Fachmann würde daher die Lehre des Dokuments D2 auch mit jener des Dokuments D1 kombinieren.

Daher ist auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags für den Fachmann nahegelegt.

3.4 Die Kammer ist folglich zu dem Schluss gelangt, dass weder der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags noch der Gegenstand des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.

4. Dritter Hilfsantrag (Artikel 13 (3) VOBK)

Der Gegenstand des dritten Hilfsantrags wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erstmals vorgelegt. Die einzige Änderung gegenüber dem vormaligen, mit Schreiben vom 7. Mai 2018 eingereichten dritten Hilfsantrag ist die Streichung des "oder" in der "und/oder"-Verknüpfung der beiden letztgenannten Merkmale des Anspruchs 1.

Die Beschwerdegegnerin argumentiert, der Gegenstand des dritten Hilfsantrags habe sich auch vor der Streichung des "oder" bereits im Verfahren befunden, da er eine der drei möglichen Kombinationen der bereits vorhandenen "und/oder"-Verknüpfung darstelle. Die durchgeführte Änderung führe daher lediglich zu einer Einschränkung des Schutzbegehrens.

Dies ist aus der Perspektive, wie viele unterschiedliche Gegenstände von dem Schutzbegehren umfasst sind, richtig.

Aus der Perspektive der Beschwerdeführerin stellt der geänderte Gegenstand des dritten Hilfsantrags jedoch eine neue Merkmalskombination dar, deren Nachweis im Stand der Technik für eine erfolgreiche Argumentation bisher nicht erforderlich war.

Hinsichtlich des Gegenstands des vormaligen dritten Hilfsantrags war es ausreichend, lediglich eine der beiden durch das "und/oder" verknüpften Alternativen im Stand der Technik nachzuweisen. Der geänderte dritte Hilfsantrag betrifft somit einen Gegenstand, auf den die Beschwerdeführerin nicht vorbereitet sein musste. Die Einführung des geänderten Gegenstands des dritten Hilfsantrags während der mündlichen Verhandlung ist der Beschwerdeführerin daher nicht zuzumuten.

Die Kammer übt folglich ihr Ermessen unter Artikel 13 (3) VOBK dahingehend aus, den geänderten Hilfsantrag 3 nicht ins Verfahren zuzulassen.

5. Da keiner der Anträge der Beschwerdegegnerin gewährbar ist, war dem Antrag der Beschwerdeführerin, das Patent zu widerrufen, stattzugeben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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