European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T033213.20180906 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 September 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0332/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03747126.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | C07C 43/11 C11D 1/722 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | C10-ALKANOLALKOXYLAT-GEMISCHE UND IHRE VERWENDUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | BASF SE | ||||||||
Name des Einsprechenden: | AKZO NOBEL CHEMICALS INTERNATIONAL B.V. Sasol Germany GmbH |
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Kammer: | 3.3.10 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerde hinreichend begründet (ja) Nichtzulassung des Hauptantrages - (verneint) Zurückverweisung (nein) Erfinderische Tätigkeit (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 10. Dezember 2012, mit welcher das europäische Patent Nr. 1 503 976 widerrufen wurde.
II. Im Einspruchsverfahren war das Streitpatent von den Beschwerdegegnerinnen (I) und (II) (Einsprechende I und II) in gesamtem Umfang u.a. unter Artikel 100 a) EPÜ wegen fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden. Unter Bezugnahme auf u.a. die Druckschriften
(1) WO 94/11331 A1,
(2) WO 94/11330 A1 und
(4) US-A-4 969 542
stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Gegenstand der erteilten Ansprüche ausführbar und neu sei. Bei der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit ging sie von der Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik aus. Da die Beispiele des Streitpatentes, sowie die mit Schriftsatz vom 20. Juli 2012 eingereichten Versuche keine Verbesserung gegenüber den in Druckschrift (1) offenbarten Alkanolalkoxylaten belegten, habe die objektive technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung einer Alternative bestanden. Ein Hinweis auf die Verwendung der Alkanolalkoxylat-Gemische mit den Isomeren A1 und A2 habe jedoch u.a. im Hinblick auf die Lehre der Druckschrift (4) nahegelegen.
III. Zusammen mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag ein. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 lautet wie folgt:
"1. Alkoxylat-Gemische, enthaltend Alkoxylate der allgemeinen Formel (I)
C5H11CH(C3H7)CH2O(A)n(B)mH (I)
mit der Bedeutung
A Ethylenoxy
B Propylenoxy,
wobei Gruppen A und B statistisch verteilt, alternierend oder in Form zweier oder mehrerer Blöcke in beliebiger Reihenfolge vorliegen können,
n Zahl von 1 bis 20,
m Zahl von 1 bis 8,
n + m mindestens 1
wobei
70 bis 99 Gew.-% Alkoxylate A1, in denen C5H11 die Bedeutung n-C5H11 hat, und
1 bis 30 Gew.-% Alkoxylate A2, in denen C5H11 die Bedeutung C2H5CH(CH3)CH2 und/oder CH3CH(CH3)CH2CH2 hat,
im Gemisch vorliegen."
IV. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass ausgehend von Druckschrift (1) der Gegenstand des nun geänderten Anspruchs 1 nicht nahegelegen habe. Die Versuche vom 20. Juli 2012 zeigten bei Zubereitungen enthaltend die Alkanolalkoxylat-Gemische gemäß Anspruch 1 eine geringere Schaumentwicklung als Zubereitungen enthaltend nur Alkanolalkoxylate auf Basis des reinen 2-Propylheptanols, entsprechend dem Isomeren A1. Die negative Beurteilung der dem Anspruchsgegenstand zugrunde liegenden erfinderischen Tätigkeit durch die Einspruchsabteilung sei das Ergebnis einer rückschauenden Betrachtung. Die Beschwerdeführerin beantragte, dass die von der Beschwerdegegnerin (II) (Einsprechende 2) verspätet eingereichten Druckschriften
(S15a) Screenshot der Microsoft Access-Datenbank (Wareneingangsliste), jedoch ohne die Schwärzung des Lieferanten "Becker" mit und incl. Ausschnittsvergrößerung,
(S20) Eidesstattliche Versicherung von Herrn Holger Averkamp,
(S21) Eidesstattliche Versicherung von Herrn Dr. Martin Stolz mit Seite 1 und 8 des Veranstaltungsplans SEPAWA 2001,
(S22) DIN EN 14371,
(S23) Proceedings - SEPAWA Conference 2001, Oktober 2001, Tagungsband; Dr. M. Scholtissek, Dr. J. Tropsch (BASF Ludwigshafen) "Tenside auf Basis eines neuen Decylalkohols", Seite 67 bis 72,
(S24) Produktbroschüre MARLIPAL (R) O13, Sasol Germany GmbH, 11/2012, Seiten 1, 2, 12, 13, 15 und letzte Seite, und
(S25) H. Gümbel, "Alkanol-Ethoxylate - Struktur, Ökologie und Einsatzmöglichkeiten", SÖFW-Journal 122. Jahrgang, 6/96, Seiten 370 bis 375
nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden sollten. Hilfsweise beantragte sie die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung für den Fall, dass die Kammer beabsichtige, die Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstandes auf der Grundlage der verspätet eingereichten Druckschriften (S15a), (S20), (S21) und (S23) bis (S25) nicht anzuerkennen. Den mit Schriftsatz vom 16. August 2018 eingereichten Antrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung für den Fall, dass die Kammer die dem beanspruchten Gegenstand zugrundeliegende erfinderische Tätigkeit nicht anerkennt, nahm sie während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 6. September 2018 ausdrücklich zurück.
V. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer rügten beide Beschwerdegegnerinnen, dass die Beschwerde als solche nicht zulässig sei, da die Beschwerdebegründung nicht den vollständigen Vortrag der Beschwerdeführerin enthalte und sich nicht mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetze. Weiterhin beantragten sie für den Fall, dass die Beschwerde als zulässig erachtet werde, dass die Kammer den mit der Beschwerdebegründung vom 4. April 2013 verspätet eingereichten Hauptantrag der Beschwerdeführerin unter Artikel 12(4) VOBK nicht in das Verfahren zulassen solle, da dieser Antrag bereits vor der Einspruchsabteilung hätte vorgelegt werden müssen. Falls die Kammer den Hauptantrag der Beschwerdeführerin in das Verfahren zulasse, beantragten sie die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zusammen mit der Anordnung einer angemessenen Kostenverteilung.
Zusätzlich brachten beide Beschwerdegegnerinnen erneut ihre Einwände in Bezug auf die fehlende Neuheit und die fehlende erfinderische Tätigkeit vor. Darüber hinaus rügte die Beschwerdegegnerin (II), dass die Änderungen in Anspruch 4 nicht im Einklang mit Artikel 123(2) EPÜ stünden. Zur Stützung ihrer Argumente reichte die Beschwerdegegnerin (II) die weiteren Druckschriften (S15a) und (S20) bis (S25) ein (siehe Paragraph IV supra).
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Europäischen Patents im Umfang des Hauptantrags (Ansprüche 1-7), eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 4 April 2013. Weiter beantragte sie die Nichtzulassung der Druckschriften (S15a) und (S20) bis (S25), eingereicht durch die Beschwerdegegnerin (II) mit ihrer Beschwerdeerwiderung vom 19 Oktober 2013. Weiter beantragte sie hilfsweise die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung für den Fall, dass die Kammer die Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstandes auf der Basis der Druckschriften (S15a) und (S20), (S21) und (S23) bis (S25) nicht anerkennt.
VII. Die Beschwerdegegnerinnen (I) und (II) beantragten die Nichtzulassung des Hauptantrags und/oder die Verwerfung der Beschwerde als unzulässig, oder mindestens die Zurückweisung der Beschwerde. Hilfsweise beantragten sie, falls der Hauptantrag der Beschwerdeführerin in das Verfahren zugelassen wird, die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung mit angemessener Kostenverteilung bezüglich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.
VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am wurde die Entscheidung verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 Die beiden Beschwerdegegnerinnen hatten erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer gerügt, dass die Beschwerde der Beschwerdeführerin nicht zulässig sei. Die Beschwerdebegründung enthalte nicht den vollständigen Sachvortrag und die Beschwerdeführerin habe sich nicht mit den Entscheidungsgründen auseinandergesetzt. Zudem sei die Argumentation der Beschwerdeführerin zur erfinderische Tätigkeit des neuen Hauptantrages nicht überzeugend.
1.2 Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es aber anerkannt, dass eine Beschwerde zulässig sein kann, wenn sich zwar aus der Beschwerdebegründung nicht ergibt, warum die Begründung der angefochtenen Entscheidung unrichtig sein soll, wenn aber mit den Anträgen Ansprüche vorgeschlagen werden, mit denen versucht wird, die Einwände der Einspruchsabteilung auszuräumen (T 729/90, Punkt 1.3.1), und damit ein anderes Ergebnis des Einspruchsverfahrens herbeizuführen.| |
1.3 Die Patentinhaberin hat durch Neuformulierung der Ansprüche versucht, die Beanstandungen in der angegriffenen Entscheidung und damit auch den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit auszuräumen.| |
Der neue Hauptantrag stellt daher den Versuch dar, die tatsächliche Basis, auf die der Widerruf des Patents gestützt war, nämlich dass der in den damaligen Ansprüchen beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, auszuräumen, was in der Beschwerdebegründung auch ausführlich erläutert wird und für ihre Zulässigkeit völlig ausreichend ist. Es ist anerkannte Rechtsprechung, dass die Ausräumung des Zurückweisungsgrundes durch Vorlage neuer Ansprüche so interpretiert werden kann, dass die Mindesterfordernisse an die Beschwerde nach Artikel 108 EPÜ erfüllt sind (T 729/90, Punkt 1.3.2). |
1.4 Ob der Vortrag der Beschwerdeführerin ausreichend ist, um eine dem beanspruchten Gegenstand zugrunde liegende erfinderische Tätigkeit zu begründen, ist jedoch keine Frage der Zulässigkeit der Beschwerde nach Artikel 108 EPÜ, sondern eine Frage der Begründetheit der Beschwerde und diese Frage ist im Rahmen der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit zu entscheiden.
1.5 Aus dem vorstehenden ergibt sich, dass die eingereichte Beschwerde sowie die eingereichte Beschwerdebegründung in Verbindung mit dem neu eingereichten Hauptantrag alle Voraussetzungen nach Artikel 106 bis 108 EPÜ erfüllen. Damit ist die eingereichte Beschwerde als zulässig anzusehen.| |
2. Zulässigkeit des Hauptantrages
2.1 Beide Beschwerdegegnerinnen rügten den zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrag als verspätet und beantragten, dass dieser Antrag unter Artikel 12(4) VOBK nicht in das Verfahren vor der Kammer zugelassen werde.
2.2 Gemäß Artikel 12(4) VOBK hat die Kammer die Befugnis, Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.
2.3 Im vorliegenden Fall hatte die Beschwerdeführerin während des Einspruchsverfahrens keine Hilfsanträge eingereicht, sondern hatte am 20. Juli 2012 in ihrer Antwort auf den Ladungsbescheid der Einspruchsabteilung einen weiteren Versuchsbericht vorgelegt. Erst nach Erhalt der angefochtenen Entscheidung hatte sie die endgültige Begründung der Einspruchsabteilung in Bezug auf die fehlende erfinderische Tätigkeit erhalten. Der zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereichte Hauptantrag ist daher nicht verspätet, sondern ist als direkte Reaktion der Beschwerdeführerin auf die in der angefochtenen Entscheidung vorgetragene Begründung der Einspruchsabteilung zu werten.
2.4 Die Beschwerdegegnerinnen hatten vorgetragen, dass die Beschwerdeführerin der Einspruchsabteilung bereits vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung weitere beabsichtigte Änderungen vorlegen hätte müssen, da sie in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend war. Auch sei durch die Änderungen ein vollkommen neuer Sachverhalt entstanden.
Indessen ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin weder verpflichtet ist, in der mündlichen Verhandlung anwesend zu sein, noch vorsorglich weitere Änderungen vorzuschlagen.
Da die Änderungen aus der Kombination von erteilten Ansprüchen entstammen, war auch der Gegenstand der Ansprüche gemäß Hauptantrag bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten. Da sich die Einsprüche der beiden Beschwerdegegnerinnen jeweils gegen alle erteilten Ansprüche richteten, war deren Gegenstand bereits Gegenstand des Einspruchsverfahrens, wenn auch nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung selbst. Daher können die Argumente der Beschwerdegegnerinnen nicht überzeugen.
2.5 Die Kammer kann folglich keine Gründe erkennen, den mit der Beschwerdebegründung eingereichten neuen Hauptantrag nicht in das Verfahren zulassen. Der neue Hauptantrag ist daher Bestandteil des Beschwerdeverfahrens.
3. Zurückverweisung (Artikel 111(1) EPÜ)
3.1 Die Beschwerdegegnerinnen (I) und (II) hatten beantragt, dass, falls der Hauptantrag der Beschwerdeführerin in das Verfahren zugelassen wird, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung mit angemessener Kostenverteilung bezüglich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zurückverwiesen werde.
3.2 Nach der Prüfung, ob die Beschwerde begründet ist, entscheidet die Beschwerdekammer über die Beschwerde. Die Beschwerdekammer wird entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück (Artikel 111 (1) EPÜ).
3.3 Die Einspruchsabteilung hatte in der angefochtenen Entscheidung bereits ausführlich zur Frage der erfinderischen Tätigkeit Stellung genommen. Die Ansprüche des Hauptantrages resultieren aus einer Kombination von erteilten Ansprüchen. Daher erkennt die Kammer keinen grundsätzlich neuen Sachverhalt, der aufgrund höherer Komplexität die Zurückverweisung an die Erstinstanz rechtfertigen könnte. Auch sieht das EPÜ kein Recht auf zwei Instanzen zu jedem einzelnen Gesichtspunkt vor.
3.4 In Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 111 (1) EPÜ sieht die Kammer daher von einer Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung ab.| |
4. Zulassung der Druckschrift (S22)
4.1 Die Beschwerdeführerin hatte beantragt, die Druckschrift (S22) als verspätet nicht in das Verfahren vor der Kammer zuzulassen.
4.2 Bei der Druckschrift (S22), die im Beschwerdeverfahren von der Beschwerdegegnerin (II) eingereicht wurde, handelt es sich um eine Kopie der DIN-Norm "DIN EN 14371", nach der die Vergleichsversuche der Beschwerdeführerin vom 20. Juli 2012 ausgeführt worden sind. Da es sich somit nur um allgemeine technische Literatur zum Beleg des allgemeinen Fachwissens eines Fachmanns handelt, kann die Kammer keinen Grund sehen, weshalb diese Druckschrift nicht in das Verfahren vor der Kammer zugelassen werden sollte.
4.3 Daher lässt die Kammer die Druckschrift (S22) in das Beschwerdeverfahren zu. Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ihren Antrag auf Zurückverweisung, falls die Kammer die Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstandes nicht anerkennt, für den Fall des Zulassung der Druckschrift (S22) explizit zurückgenommen.
Hauptantrag
5. Neuheit und Änderungen
Beide Beschwerdegegnerinnen (I) und (II) hatten die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes, sowie die Zulässigkeit der in den Ansprüchen gemäß Hauptantrag vorgenommenen Änderungen unter Artikel 123(2) EPÜ angegriffen. Da die Kammer in Bezug auf den einzigen Zurückweisungsgrund der angefochtenen Entscheidung, nämlich die erfinderische Tätigkeit, ebenfalls eine negative Beurteilung getroffen hat (siehe Punkt 6. infra), kann eine detaillierte Begründung über die Neuheit und die Zulässigkeit der Änderungen dahinstehen.
6. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
6.1 Anspruch 1 des Streitpatents betrifft Alkanolalkoxylat-Gemische auf Basis eines C10-Alkoholgemisches von 70 bis 99 Gew.-% 2-Propylheptanol und 1 bis 30 Gew.-% 2-Propyl-4-methylhexanol und/oder 2-Propyl-5-methylhexanol. Ähnliche Alkanolalkoxylate sind bereits in den Druckschriften (1) oder (2) offenbart.
6.1.1 Druckschrift (1) offenbart Alkanolalkoxylate auf Basis von 2-Propylheptanol, welche 1 bis 10 Ethylenoxid- und 1 bis 6 Propylenoxid-Einheiten enthalten können (Anspruch 6; Seite 2, Zeilen 12 bis 21). Die dort beschriebenen Alkanolalkoxylate sind geeignet zur Verwendung in Zusammensetzungen zur Reinigung und Entfettung von harten Oberflächen (siehe Seite 3, Zeilen 1 bis 4).
6.1.2 Druckschrift (2) wurde von der Beschwerdegegnerin (II) als nächstliegender Stand der Technik herangezogen. Druckschrift (2) offenbart Alkanolalkoxylate auf Basis von 2-Propylheptanol, welche geringe Schaumentwicklung und hohe Tensidwirkung auf textilen Materialien zeigen (Seite 1, Zeilen 3 bis 7). Die Alkoxylate der Formel (I) können dabei 1 bis 10 Ethylenoxideinheiten und 1 bis 6 Propylenoxideinheiten enthalten (siehe Seite 1, Zeile 32 bis Seite 2, Zeile 2). Die in Beispiel 1, Tabelle 1 offenbarte Verbindung 1 ist ein Alkoxylat von 2-Propylheptanol mit 6 Propylenoxid- und 4 Ethylenoxideinheiten. Da die Offenbarung dieser Druckschrift mit jener der Druckschrift (1) vergleichbar ist, wird sich die Kammer in der weiteren Diskussion der erfinderischen Tätigkeit nur auf Druckschrift (2) als nächstliegenden Stand der Technik beziehen.
6.2 Die Beschwerdeführerin trug vor, dass ausgehend von Druckschrift (2) als nächstliegendem Stand der Technik die Aufgabe darin bestanden habe, Alkanolalkoxylate bereitzustellen, die als Emulgator, Schaumregulierer und Netzmittel für harte Oberflächen geeignet seien. Die Alkoxylate sollen zusätzlich ein gutes Emulgierverhalten und einen geringen Kontaktwinkel auf harten Oberflächen aufweisen, sollen die Grenzflächenspannung in flüssigen Systemen vermindern und ein vorteilhaftes Eigenschaftsspektrum bei der Verwendung als Emulgator, Schaumregulierer oder als Netzmittel zeigen. Zudem soll die Menge an Restalkohol reduziert werden (siehe Streitpatent [0006]).
6.3 Als Lösung dieser Aufgabe bietet das Streitpatent die C10-Alkanolalkoxylate gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages an, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass 70 bis 99 Gew.-% Alkoxylate A1, in denen C5H11 die Bedeutung n-C5H11 hat, und 1 bis 30 Gew.-% Alkoxylate A2, in denen C5H11 die Bedeutung C2H5CH(CH3)CH2 und/oder CH3CH(CH3)CH2CH2 hat, im Gemisch vorliegen.
6.4 Zum Beleg dafür, dass die o.g. Aufgabe erfolgreich gelöst wurde, verwies die Beschwerdeführerin auf die Beispiele des Streitpatentes, sowie die mit Schriftsatz vom 20. Juli 2012 eingereichten Vergleichsbeispiele.
6.4.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag wurde im Beschwerdeverfahren dahingehend beschränkt, dass er nur noch Alkanolalkoxylate umfasst, welche neben Ethylenoxideinheiten auch noch zwingend 1 bis 8 Propylenoxideinheiten enthalten. Dadurch fallen nur noch einzelne Beispiele des Streitpatentes und der nachträglich eingereichten Versuchsbeispiele unter den neuen Anspruch 1.
6.4.2 Die unter den Anspruch 1 fallenden Zusammensetzungen des Beispiels 10 des Streitpatentes untersuchten lediglich die in Abhängigkeit der Anzahl an Alkylenoxideinheiten resultierenden Restalkoholgehalte. Dabei zeigt sich, dass mit zunehmendem Gehalt an Alkylenoxideinheiten der Restalkoholgehalt abnimmt. Die Beschwerdegegnerinnen (I) und (II) brachten vor, dass dies zu erwarten gewesen sei, da mit zunehmendem Überschuss an Alkylenoxiden die Menge an Ausgangs-Alkohol zwangsläufig abnehmen musste. Dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Dieses Beispiel vermag daher keine Verbesserung zu belegen.
6.4.3 Die Beispiele 2, 3 und 4, wie eingereicht von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 20. Juli 2012 untersuchten die gebildete Schaummenge in Abhängigkeit der Menge an Alkoholkomponente A2 im Ausgangsalkohol. Dabei wird ein Alkoxylat (V-1) erhalten aus einer Mischung von 99.5 Gew.-% C10-Alkohol der Struktur A1 mit 0.3 Gew.-% C10-Alkohol der Struktur A2, welches die Alkanolalkoxylate des nächstliegenden Standes der Technik darstellt. Das Alkoxylat (2), erhalten aus einer Mischung von 98.7 Gew.-% C10-Alkohol der Struktur A1 mit 1.1 Gew.-% C10-Alkohol der Struktur A2, stellt das dem nächstliegenden Stand der Technik am nächsten kommende Beispiel dar. Ein mit den Alkanolalkoxylaten durchgeführter Test zeigt im Falle des Beispiels (V-1) die Bildung von 200 ml Schaum, während Beispiel (2) 180 ml Schaum bildet. Bei einer angegebenen Messgenauigkeit von +/- 10 ml ist somit kein unterschiedliches Schaumverhalten feststellbar.
6.4.4 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass nur in einem einzigen Punkt, nämlich im Vergleich der Beispiele (V-1) und (2) eine Überlappung auftrete. Aus den Ergebnissen der Beispiele (3) und (4) sei jedoch mit zunehmendem Anteil an der Struktur A2 eine Tendenz zur Verbesserung erkennbar.
Indessen ist festzustellen, dass selbst bei den Alkoxylaten (3) und (4) mit 11.5 Gew.-% und 30 Gew.-% an C10-Alkohol der Struktur A2 nur 160 ml Schaum erreicht werde. Da die genauen Messbedingungen "im Wesentlichen nach DIN EN 14371" durchgeführt wurden, aber nicht angegeben wurde, worin die Unterschiede bestanden, erscheinen die gefundenen Resultate nicht signifikant und folglich nicht geeignet, eine Verbesserung zu belegen.
6.5 Daher gilt die in Paragraph 6.2 supra angegebene Aufgabe als nicht gelöst.
6.6 Die objektive technische Aufgabe ist folglich dahingehend umzuformulieren, dass sie lediglich in der Bereitstellung einer Alternative bestand.
6.7 Es bleibt nunmehr zu untersuchen, ob die gemäß Streitpatent angebotene Lösung (siehe Paragraph 6.3 supra) im Stand der Technik nahegelegen hat.
6.8 In diesem Zusammenhang verwiesen die Beschwerdegegnerinnen (I) und (II) u.a. auf die Druckschrift (4).
Druckschrift (4) offenbart ein Verfahren zur Herstellung von höheren Alkoholen, die zur Herstellung von Weichmachern und Detergentien eingesetzt werden können. Das nach dem Verfahren des Anspruchs 7 der Druckschrift (4) hergestellte 2-Propylheptanol, entsprechend der Struktur A1 des Basisalkohols gemäß Streitpatent, enthält nicht mehr als 15 Prozent 2-Propyl-4-methylhexanol, welches dem Basisalkohol der Komponente A2 gemäß Anspruch 1 entspricht.
Der Fachmann hätte somit in der Druckschrift (4) die Anregung gefunden, anstelle des in Druckschrift (2) eingesetzten 2-Propylalkohols auch eine Mischung davon mit einer geringen Menge an 2-Propyl-4-methylhexanol zu verwenden, insbesondere, da diese Mischung zwangsläufig bei der Herstellung von 2-Propylheptanol entsteht und damit eine aufwändige Trennung beider Komponenten durch Destillation überflüssig macht.
6.9 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass der Fachmann dennoch destillieren würde, da er zur Verbesserung der Alkoxylat-Gemische kein qualitativ schlechteres Ausgangsprodukt einsetzen würde.
Indessen ist festzustellen, dass die Aufgabe nicht in der Bereitstellung eines verbesserten Alkoxylat-Gemisches, sondern lediglich in der Bereitstellung eines alternativen Alkoxylat-Gemisches bestand. Daher kann auch dieses Argument nicht überzeugen.
6.10 Aus den oben genannten Gründen kommt die Kammer somit zu der Schlussfolgerung, dass der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.
7. Da die Kammer bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit die von der Beschwerdeführerin als verspätet gerügten Druckschriften der Beschwerdegegnerin II nicht herangezogen hat, muss über den darauf bezogenen Antrag auf Zurückverweisung der Beschwerdeführerin (siehe Paragraph VI supra) nicht entschieden werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.