T 0291/13 () of 11.3.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T029113.20150311
Datum der Entscheidung: 11 März 2015
Aktenzeichen: T 0291/13
Anmeldenummer: 02021927.5
IPC-Klasse: F41H 5/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Luke mit multifunktionalem Aufnahmering für gepanzerte Fahrzeuge
Name des Anmelders: Rheinmetall Landsysteme GmbH
Name des Einsprechenden: Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 54(1)
Schlagwörter: Hauptantrag: mangelnde Klarheit
Hilfsantrag: mangelnde Neuheit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit Entscheidung vom 3. Dezember 2012 hat die Einspruchsabteilung das auf der Basis der Patentanmeldung 02021927.5 erteilte Europäische Patent Nr. 1318375 widerrufen.

II. Gegen vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Patentinhaberin am 6. Februar 2013 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet.

Mit der am 5. April 2013 eingereichten Beschwerdebegründung wurde ein geänderter Anspruchssatz vorgelegt, auf dessen Basis das Patent aufrechtzuerhalten sei.

III. In der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden die Parteien auf die vorläufige Meinung der Kammer hingewiesen.

IV. Am 11. März 2015 fand vor der Kammer eine mündliche Verhandlung statt, die mit der Verkündung der Entscheidung endete.

V. Anträge

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis des mit Schriftsatz vom 6. Februar 2015 eingereichten Anspruchssatzes oder, hilfsweise, auf der Basis des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchs 1.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

VI. Die jeweiligen unabhängigen Ansprüche 1 haben folgenden Wortlaut:

a) Gemäß Hauptantrag

"Luke (2) für ein Fahrzeug- oder Turmdach (1) eines gepanzerten Fahrzeuges, welches mit einem Radfahr- oder Kettenlaufwerk und einem Antrieb zur Fortbewegung sowie einem Fahrzeugaufbau zur Aufnahme und Einbau aller Komponenten für den Betrieb des Fahrzeugs einschließlich einer Fahrzeugbesatzung und einer spezifischen Ausrüstung oder Bewaffnung für ein Missionsfahrzeug ausgerüstet ist, und ein im Dachbereich des Fahrzeuges befestigter, multifunktionaler Aufnahmering (6), wobei die Luke (2) als eigenständige Einbau- und Funktionseinheit aus einem Lukendeckel (4), einem Scharnier (3) und einem Lukenring (5) besteht, der Lukenring (5) passend zum multifunktionalen Aufnahmering (6) bezüglich der mechanischen Schnittstelle ausgebildet ist und die Luke (2) über den Lukenring (5) mit dem fahrzeugfesten, multifunktionalen Aufnahmering (6) auf dem Fahrzeugdach (1) mittels geeigneter Befestigungselemente (8) lösbar verbunden ist, sodass die Luke (2) austauschbar auf dem multifunktionalen Aufnahmering (6) montiert werden kann und somit den Tausch und Anbau von anderen Funktionseinheiten anstelle der Luke (2) erlaubt."

b) Gemäß Hilfsantrag

[Die Änderung gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags ist unterstrichen dargestellt]

"Luke (2) für ein Fahrzeug- oder Turmdach (1) eines gepanzerten Fahrzeuges, welches mit einem Radfahr- oder Kettenlaufwerk und einem Antrieb zur Fortbewegung sowie einem Fahrzeugaufbau zur Aufnahme und Einbau aller Komponenten für den Betrieb des Fahrzeugs einschließlich einer Fahrzeugbesatzung und einer spezifischen Ausrüstung oder Bewaffnung für ein Missionsfahrzeug ausgerüstet ist, und Fahrzeugdach (1) mit befestigtem, multifunktionalem Aufnahmering (6), wobei die Luke (2) als eigenständige Einbau- und Funktionseinheit aus einem Lukendeckel (4), einem Scharnier (3) und einem Lukenring (5) besteht, der Lukenring (5) passend zum multifunktionalen Aufnahmering (6) bezüglich der mechanischen Schnittstelle ausgebildet ist und die Luke (2) über den Lukenring (5) mit dem fahrzeugfesten, multifunktionalen Aufnahmering (6) auf dem Fahrzeugdach (1) mittels geeigneter Befestigungselemente (8) lösbar verbunden ist."

VII. Inter alia zitierter Stand der Technik:

D8*: "Armour and Artillery Upgrades", Jane's, Edited by Tony Cullen and Christopher F Foss, Tenth Edition 1997-98, ISBN 0 7106 1543 4, daraus kopierte 11 Seiten

D8.1 Auszug aus D8, Seite 266, "Wegmann Type 2365"

* Das Buch D8 wurde im Original während der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen; dabei waren insbesondere die Details des auf Seite 266 abgebildeten Typs 2365 (D8.1), anders als in den kopierten Unterlagen, deutlich zu erkennen.

VIII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:

a) Hauptantrag

Der Anspruch 1 sei klar im Sinne von Artikel 84 EPÜ. Definiert sei eine Luke als eigenständige Einheit zusammen mit einem an einem Fahrzeugdach befestigten, multifunktionalen Aufnahmering, mit welchem die Luke mittels des Lukenrings lösbar verbindbar sei.

Zudem erfülle Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123 (2), (3) EPÜ.

b) Hilfsantrag

Durch das Weglassen der letzten Merkmalgruppe, d. h. der im Hauptantrag angegebenen Austauschbarkeit der Luke, im Anspruch 1 des Hilfsantrags sei kein neuer Sachverhalt entstanden, da die Austauschbarkeit sich durch die Merkmale des Anspruchs, insbesondere die Ausbildung der Luke als Einheit, implizit ergebe.

Ferner sei die funktionelle Beziehung zwischen der Luke und dem Fahrzeugdach eindeutig im Streitpatent dargestellt.

Der beanspruchte Gegenstand sei gegenüber der in D8/D8.1 offenbarten Vorrichtung neu (Artikel 54 (1) EPÜ). Die Lafette des Typs 2365 (D8.1) weise einen drehbaren Lafettenring mit Waffe und Deckel auf.

Ein Lukenring im Sinne des Streitpatents sei nicht offenbart.

In D8.1 fehle zudem ein multifunktionaler, am Fahrzeugdach befestigter Aufnahmering, da der in der Abbildung ersichtliche konische Kranz oder Turm, in welchem die Deckel-Waffe-Einheit eingesetzt werde, ebenfalls zur Lafette gehöre.

Schließlich offenbare D8.1 weder eine lösbare Verbindung zwischen einem Lukenring und einem Aufnahmering mittels Befestigungsmittel, noch eine mechanische Schnittstelle für eine derartige Verbindung.

IX. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Hauptantrag

Der Gegenstand des Anspruchs 1 betreffe eine Luke und einen im Dachbereich des Fahrzeuges befestigten Aufnahmering. Damit werde der Aufnahmering durch das Merkmal eines Dachbereichs definiert, wobei letzteres nicht Bestand des beanspruchten Gegenstands sei.

Der Anspruch 1 sei daher unklar (Artikel 84 EPÜ).

Das Ersetzen des Ausdrucks "[Luke] in Verbindung mit einem multifunktionalen Aufnahmering" vom erteilten Anspruch 1 durch den ursprünglich nicht offenbarten Begriff "[Luke] und ein ... multifunktionaler Aufnahmering" verstoße sowohl gegen Artikel 123 (2) als auch gegen Artikel 123 (3) EPÜ, weil dadurch nun ein verallgemeinerter Gegenstand beansprucht sei.

b) Hilfsantrag

Auf Seite 266 der D8 sei eine als "Wegmann 7,62 mm gun mount Type 2365" (D8.1) bezeichnete Ringlafette abgebildet und beschrieben, welche eine Luke - bei Ringlafetten sei die Luke zusätzlich mit einer Waffe versehen - mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 aufweise.

Die eine Einheit bildende Luke umfasse einen Lukendeckel, ein Scharnier und einen Lukenring, an welchem gegenüber dem Scharnier zusätzlich eine Waffe montiert sei. Der fahrzeugseitige Aufnahmering sei im Bereich des Fahrzeugdachs in der Abbildung zu sehen und in der Textstelle in Spalte 2, oben beschrieben.

Dieser Aufnahmering könne auch andere Einheiten aufnehmen und sei folglich auch "multifunktional" im Sinne des Streitpatents.

Ferner sei der Lukenring offensichtlich passend zum Aufnahmering bezüglich der im Anspruch nicht weiter definierten mechanischen Schnittstelle ausgebildet.

Der Lukenring werde durch in der Abbildung ersichtliche Befestigungsschrauben am Aufnahmering lösbar befestigt.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Änderungen

Im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, welcher nun nicht mehr die Luke allein sondern in Kombination mit dem Aufnahmering betrifft, sind unter anderem folgende, aus der Beschreibung herangezogene Merkmale (A, B) aufgenommen worden:

- Merkmal A:

"und ein im Dachbereich des Fahrzeuges befestigter, multifunktionaler Aufnahmering"

- Merkmal B:

"die Luke über den Lukenring mit dem fahrzeugfesten, multifunktionalen Aufnahmering auf dem Fahrzeugdach mittels geeigneter Befestigungselemente lösbar verbunden ist, sodass die Luke austauschbar auf dem multifunktionalen Aufnahmering montiert werden kann und somit den Tausch und Anbau von anderen Funktionseinheiten anstelle der Luke erlaubt"

1.1 Artikel 123 EPÜ

Die Offenbarung der hinzugefügten Merkmale ergibt sich ohne Weiteres aus den Absätzen [0017], [0018], [0021] und [0023] der veröffentlichten Anmeldung (EP-A-1 318 375).

Dass der beanspruchte Gegenstand nun eine Luke und einen Aufnahmering anstelle einer Luke in Verbindung mit einem Aufnahmering nach dem erteilten Anspruch 1 betrifft, erweitert keineswegs den Schutzumfang. Der fachkundige Leser interpretiert den Begriff "in Verbindung mit" nicht als eine strukturelle mechanische Verbindung, sondern lediglich als Äquivalent von "im Zusammenhang mit" bzw. "und".

Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

1.2 Artikel 84 - Klarheit

Der Erfindungsgedanke des Streitpatents liegt darin, den an einem Fahrzeugdach befestigten Aufnahmering und den Lukenring bzw. den jeweiligen zu verbindenden Ring einer Funktionseinheit aufeinander abzustimmen, sodass an einem bestimmten Aufnahmering unterschiedliche Einheiten wie Luken und Waffentürme montiert werden können. Die im Streitpatent definierte Luke betrifft nicht nur eine Öffnung entsprechend dem üblichen Verständnis dieses Begriffs, sondern eine konstruktive Einbaueinheit mit Lukenring, Scharnier und Lukendeckel.

1.2.1 Laut Anspruch 1 des Hauptantrags beruht der Gegenstand allein auf einer Kombination von Luke und Aufnahmering.

Die Kammer ist der Auffassung, dass der Dachbereich des Fahrzeugs zweifellos einen wesentlichen Bestandteil des Erfindungsgegenstands darstellt, da die im Patent vorgeschlagene technische Lehre eine Befestigung des Aufnahmerings auf dem Dachbereich vorsieht. Das hinzugefügte Merkmal A fordert aber lediglich eine Art Zweckangabe, nämlich den Aufnahmering auf einem dem Umfang des beanspruchten Gegenstands nicht angehörenden Dachbereich zu befestigen.

Daher gelangt die Kammer zu der Entscheidung, dass der Anspruch 1 die erfindungswesentliche Kombination von einer Luke und einem Fahrzeugdach mit darauf befestigtem Aufnahmering nicht definiert und dass daher der beanspruchte Gegenstand im Sinne von Artikel 84 EPÜ unklar ist.

1.2.2 Ferner liegt auch in dem aus der Beschreibung herangezogenen Merkmal B eine Unklarheit im Sinne von Artikel 84 EPÜ vor. Die Angabe, dass die Lukeneinheit durch andere Funktionseinheiten ausgetauscht und somit aus dem beanspruchten Gegenstand vollständig weggelassen werden kann, steht in vollem Widerspruch zur Grundlage des beanspruchten Gegenstands, nämlich eine Luke zusammen mit einem Aufnahmering.

1.2.3 Der Anspruch 1 in der geänderten Fassung gemäß Hauptantrag erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

2. Hilfsantrag

2.1 Artikel 123 und 84 EPÜ

Die Merkmale A und B des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sind beim Hilfsantrag durch folgende Merkmale ersetzt worden:

- Merkmal A1:

"und Fahrzeugdach mit befestigtem, multifunktionalem Aufnahmering"

- Merkmal B1:

"die Luke (2) über den Lukenring (5) mit dem fahrzeugfesten, multifunktionalen Aufnahmering (6) auf dem Fahrzeugdach (1) mittels geeigneter Befestigungselemente (8) lösbar verbunden ist"

Die nun beanspruchte Kombination von Luke und Fahrzeugdach ergibt sich in eindeutiger Weise aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen und stellt keine Erweiterung des Schutzumfangs dar.

Das Ersetzen der Merkmale A und B des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch die Merkmale A1 und B1 gemäß Hilfsantrag behebt ganz eindeutig die beim Hauptantrag festgestellten Klarheitsmängel.

Der Anspruch 1 des Hilfsantrags stellt demnach keinen neuen Sachverhalt ("fresh case") dar und erfüllt auch die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

2.2 Artikel 54 (1) EPÜ

Auf Seite 266 der D8 sei eine als "Wegmann 7,62 mm gun mount Type 2365" (D8.1) bezeichnete Ringlafette abgebildet und beschrieben.

Bei sogenannten Ringlafetten handelt es sich nicht um

reine Luken, sondern um Luken, die zusätzlich mit einer Waffe versehen und in Azimut drehbar sind. Die Drehbarkeit wird durch einen im unteren Bereich vorgesehenen Ring erreicht. Auch die in D8.1 offenbarte Luke ist für ein Fahrzeug- oder Turmdach eines gepanzerten Fahrzeuges vorgesehen (vgl. Abbildung).

Die in D8.1 offenbarte Luke umfasst einen Lukendeckel, ein Scharnier und einen Lukenring, an welchem gegenüber dem Scharnier zusätzlich eine Waffe montiert ist. Die Luken derartiger Ringlafetten bilden eigenständige Einbau- und Funktionseinheiten und werden von oben her in eine Öffnung im Dachbereich des Fahrzeugs eingesetzt. Der Dachbereich des Fahrzeugs weist dafür einen Aufnahmering auf, an welchem die Lukeneinheit montiert wird (vgl. Abbildung vom Typ 2365 und Seite 266, mittlerer Absatz oberhalb des Photos: "It can be mounted on top of any vehicle capable of taking a circular track mounting ..."). Dieser Aufnahmering ist auch multifunktional im Sinne des Streitpatents, da in eindeutiger Weise auch andere Gegenstände aufnehmbar sind. Ferner ist der Lukenring offensichtlich passend zum Aufnahmering bezüglich der im Anspruch nicht weiter definierten mechanischen Schnittstelle ausgebildet. Der Lukenring wird durch in der Abbildung ersichtliche Befestigungsschrauben am Aufnahmering lösbar befestigt.

Im Ergebnis stellt die Kammer fest, dass sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag aus der Beschreibung der Ringlafette D8.1 vom Typ "Wegmann 7,62 mm gun mount Type 2365" - siehe Abbildung und zugehörige Beschreibung - bekannt sind.

Der im Anspruch 1 des Hilfsantrags definierte Gegenstand erfüllt somit nicht die Erfordernisse der Artikel 52 (1) und 54 (1) EPÜ.

3. Im Ergebnis liegt kein Anspruchssatz vor, welcher sämtliche Erfordernisse des EPÜ erfüllen könnte.

EntscheidungsformelAus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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