T 0290/13 () of 5.7.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T029013.20170705
Datum der Entscheidung: 05 Juli 2017
Aktenzeichen: T 0290/13
Anmeldenummer: 08010964.8
IPC-Klasse: F16L 19/028
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schraubelement und Rohranschlusseinrichtung für den Anschluss von Rohrleitungen
Name des Anmelders: TI Automotive (Heidelberg) GmbH
Name des Einsprechenden: Cooper-Standard Automotive (Deutschland) GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Verspätetes Vorbringen - nicht zugelassen
Ausführbarkeit - ja
Erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 10. Dezember 2012 über die Fassung, in der das europäische Patent Nr. 2 136 119 in geändertem Umfang aufrechterhalten werden kann, am 5. Februar 2013 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 15. April 2013 eingegangen. Die Beschwerdeerwiderung der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) ist am 7. August 2013 fristgerecht eingegangen.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 b) EPÜ (mangelnde Ausführbarkeit, Artikel 83 EPÜ) und Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, Artikel 56 EPÜ, mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass das Patent die in allen Anträgen beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 100 b), Artikel 83 EPÜ) und, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten 2. Hilfsantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, siehe Entscheidungsgründe 2 und 5.3.

III. Mit Schreiben von 22. Oktober 2013 zeigten die zugelassenen Vertreter des Zusammenschlusses Nr. 381 die Vertretung der Beschwerdeführerin an.

IV. In einer Mitteilung vom 23. März 2017, die als Anlage der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, vertrat die Kammer die vorläufige Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1, auf dessen Grundlage die Einspruchsabteilung das Patent in geändertem Umfang beabsichtigte aufrechtzuerhalten, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, dass die in Anspruch 1 beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig offenbart zu sein scheint, dass ein Fachmann sie ausführen kann und dass die Beschwerde somit zurückzuweisen sein dürfte (vgl. Punkte 8.3 und 9.3).

Ferner wies die Kammer darauf hin, dass nach Artikel 13 (1) VOBK es im Ermessen der Kammer liegt, Änderungen des Vorbringens nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder der Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen und dass gemäß Artikel 13 (3) VOBK Änderungen des Vorbringens nicht zugelassen werden, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.

V. Auf die Mitteilung der Kammer hat keine der beiden Parteien geantwortet.

VI. Am 5. Juli 2017 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen, hilfsweise die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen.

VIII. Der geltende unabhängige Anspruch 1, auf dessen Grundlage die Einspruchsabteilung das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten beabsichtigte, lautet wie folgt:

"Rohranschlusseinrichtung für den Anschluss von Rohrleitungen (2), insbesondere von Kraftfahrzeugrohrleitungen, mit einem Schraubelement,

wobei das Schraubelement ein Gewinde (3) aufweist sowie zumindest eine gewindefreie Kontaktfläche (4, 5),

wobei an das Schraubelement eine Rohrleitung (2) angeschlossen ist und dass das Schraubelement an ein Anschlusselement durch Verschraubung anschließbar ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass das Gewinde (3) zumindest bereichsweise mit einer ersten Beschichtung (7) versehen ist, die einen ersten Reibwert (my1) aufweist,

wobei die Kontaktfläche (4, 5) zumindest bereichsweise mit einer zweiten Beschichtung (8) versehen ist, die einen zweiten Reibwert (my2) aufweist,

dass der erste Reibwert (my1) größer ist als der zweite Reibwert (my2),

dass die erste Beschichtung (7) auf dem Gewinde (3) die Außenoberfläche im Bereich des Gewindes (3) bildet."

IX. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Druckschriften Bezug genommen:

D1 EP 0 997 677 A2;

D2 EP 1 624 183 A1;

D3 DE 22 11 138 C3;

D4 DE 195 07 715 C1;

D5 DE 42 28 625 C1;

D6 DE 847 534 B;

D7 DE 177 5018 A;

D8 DIN 74 234 Hydraulische Bremsanlagen, Bremsrohre, Bördel, September 1992,Seiten 1 bis 4;

D8a DIN 74 233, Teil 1, Hydraulische Bremsanlagen, Bremsrohrarmaturen, Überwurfschrauben für Bremsrohre, Februar 1991, Seiten 1 bis 3;

D8b DIN 74 235 Hydraulische Bremsanlagen, Gewindelöcher, August 1991, Seite 1.

D9 Auszug von Wikipedia "Polytetrafluorethylen", http://de.wikipedia.org/wiki/Polytetrafluorethylen, Abruf am 27.09.2012;

D10 Dubbel Taschenbuch für den Maschinenbau, Springer, 18. Auflage 1994, Seiten XV bis XVIII, E59 bis E61, G46 und G47;

D11 DE 102 43 205 A1.

X. Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdebegründung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Mangelnde Ausführbarkeit

Das Streitpatent stelle darauf ab, dass der erste Reibwert der ersten Beschichtung größer sei als der zweite Reibwert der zweiten Beschichtung. Um bestimmen zu können, ob dieses Merkmal realisiert werde oder nicht, sei es für den Fachmann erforderlich, beiden Reibwerte zu bestimmen, um dann einen Vergleich durchführen zu können.

Das Streitpatent beschreibe die Reibwerte so, als handele es sich um Parameter, die den Beschichtungen unmittelbar zugeordnet werden kannten. Bei dem Parameter des "Reibwerts" sei dies aber nicht der Fall. Das Wesen einer Reibung bestehe darin, dass ein erster Körper gegen einen zweiten Körper gedrückt oder gepresst werde, dabei entlang der Oberfläche des zweiten Körpers bewegt werde und dieser Bewegung eine Reibkraft entgegenwirke.

Die Reibkraft bestimme sich in Abhängigkeit der Höhe der Anpresskraft und eines Reibungskoeffizienten (auch Reibungszahl oder einfach Reibwert genannt). Der Reibwert sei für den Fall einer Gleitreibung gleich dem Verhältnis zwischen der Anpresskraft und der Reibkraft und hänge von einer Vielzahl von Faktoren ab, beispielsweise von dem für den ersten Körper verwendeten Material und dessen Oberflächenbeschaffen­heit (rau, glatt), von dem für den zweiten Körper verwendeten Material und dessen Oberflächenbeschaffen­heit (rau, glatt), sowie von weiteren Faktoren, welche einen Einfluss auf die tatsachlich auftretende Reibung zwischen dem ersten und dem zweiten Körper haben (beispielsweise Temperatur und Feuchte im Bereich des Reibkontakts oder auch schmierend wirkende Zusatzstoffe oder Verunreinigungen). In der Praxis werden die Reibwerte daher für eine ganz bestimmte Kombination zweier Körper mit einem ganz bestimmten Oberflächen­zustand mittels eines Reibungsmessgeräts ermittelt. Bei aus Tabellen entnehmbaren Reibwerten handele es sich ebenfalls um Werte, die für eine ganz bestimmte Kombination von Materialien ermittelt wurden. Die Vielzahl dieser Faktoren erfordere es, dass ein Reibwert nur dann eindeutig bestimmbar sei, wenn auch die vorstehend genannten Faktoren bekannt seien. Hierzu schweige sich das Streitpatent aus.

Es sei nicht möglich ein zur Prüfung eines Reibungskoeffizienten einer ebenen, gewindefreien Kontaktfläche geeignetes Prüfverfahren im Bereich eines dreidimensional geformten Gewindes anzuwenden, d. h. wenn zum Beispiel der erster Körper ein Innengewinde und der zweite Körper ein Außengewinde aufweise.

Das Streitpatent fordere, dass unterschiedliche erste und zweite Beschichtungsmaterialien mit jeweils unterschiedlichen Reibwerten auf einem Schraubelement aufgebracht sein sollen. Die zugehörigen Referenzflächen seien aber nicht definiert, ebenso wenig wie die Testbedingungen. Der Fachmann unterliege also einer Vielzahl von "arbritrary choices", die den Fachmann je nach Auswahl zu unterschiedlichen Ergebnissen führen werden.

Die Ermittlung eines Reibwerts sei aber, wie vorstehend erläutert, von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, sodass nicht erkennbar sei, wie die geforderte Eindeutigkeit eines Testergebnisses erreicht werden soll. Das Streitpatent schweige sich dazu jedenfalls aus. Daher offenbare das Streitpatent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne, sodass die Erfordernisse des Artikels 100 b) EPÜ nicht erfüllt seien.

Mangelnde erfinderische Tätigkeit

Aus Figur 1 der Druckschrift D1 sei eine Rohranschlusseinrichtung für den Anschluss einer Rohrleitung 13 bekannt, mit einem Schraubelement 12, das ein Außengewinde 12b sowie eine gewindefreie Kontaktfläche aufweise.

Eine Rohranschlusseinrichtung für den Anschluss einer Rohrleitung sei auch aus Figur 1 der Druckschrift D2 bekannt, mit einem Schraubelement in Form eines Fittings 5, die ein Außengewinde 12b sowie eine gewindefreie Kontaktfläche aufweise. Aus dem Passus in Spalte 1, Zeilen 25 bis 28 und 42 bis 44 erhalte ein Fachmann die Maßgabe, dass bei einer Rohranschlussein­richtung eine möglichst funktionssichere Verbindung mit hohen Klemmkräften erforderlich sei und dass eine Rohrleitung möglichst torsionsfrei verschraubt werden solle.

Die Druckschrift D3 offenbare in Figur 1 eine selbstsichernde Schraube 10, welche im Bereich eines Gewindeschafts 12 ein Gewinde aufweist, und welche eine gewindefreie Kontaktfläche aufweise. Im Außenbereich des Gewindes 12 sei eine metallische Abdeckschicht 13 vorgesehen, welche gemäß Spalte 2, Zeilen 54 bis 58 elastisch verformbar sei, sodass ein erhöhter Reibungswiderstand gegenüber einem unerwünschten Lösen der Schraubverbindung zwischen der Schraube 10 und dem zugehörigen Befestigungselement zustande komme. Gemäß Spalte 3, Zeilen 66 bis Spalte 4, Zeilen 7 der Druckschrift D3 könne eine mit einer Abdeckschicht 13 versehene Schraube einer Nachbehandlung unterzogen werden. So können die Schrauben (und somit auch eine gewindefreie Kontaktfläche) mit einer dünnen Schicht eines Schmiermittels versehen werden, also mit einer zweiten Beschichtung, welche einen zweiten Reibwert aufweise. Diese zweite Beschichtung soll also schmierend wirken, beispielsweise unter Verwendung von Molybdän-Disulfid oder SA E-30-Öl (Spalte 4, Zeilen 5 und 6), also unter Verwendung reibungsminimierender Materialien. Hieraus ergebe sich, dass der erste Reibwert, welcher der Abdeckschicht 13 zugeordnet ist, höher ist als der zweite Reibwert, der dem Schmiermittel zugeordnet ist. Die Druckschrift D3 offenbare somit sämtliche Merkmale des Anspruchs 1, mit der Ausnahme des Merkmals, wonach "das Schraubelement eine Rohrleitung (2) angeschlossen ist". Ausgehend von einer Rohranschlusseinrichtung mit Schraubelement nach der Druckschrift D1 oder D2 werde der Fachmann die aus der D3 bekannten Maßnahmen, nämlich die Gewindeschaft des Schraubelement mit einer metallischen Abdeckschicht zu versehen und das Schraubelement mit einer dünnen Schicht eines Schmiermittels zu überziehen, auf die aus den Druckschriften D1 oder D2 bekannten Schraubelemente übertragen, sodass die jeweilige Rohrleitungen möglichst torsionsfrei verschraubt werden können.

Darüber hinaus sei die Erhöhung des Reibwerts im Bereich eines Gewindes einer Schraube auch aus den Druckschriften D4 bis D7 bekannt, siehe Druckschrift D4, Spalte 3, Zeilen 53 bis 56 (Gewinde mit einem reibungserhöhenden Belag versehen); Druckschrift D5, Spalte 2, Zeile 64 bis Spalte 3, Zeile 11 (ein ausgehärtete Kleber oder ein zähflüssiges Material auf dem Gewinde anbringen); Druckschrift D6, Anspruch 1 (ein Film aus einer flüssigen oder teigigen Masse im Bereich eines Gewindes aufbringen, die rasch erstarrt und nach der Erstarrung elastisch ist und einen erhöhten Reibungskoeffizienten besitzt).

Der vermeintlichen Erfindung liege die Aufgabe zugrunde, ein aus den Druckschriften D3 bis D6 jeweils bekanntes Schraubelement so weiterzubilden, dass es für eine Rohranschlusseinrichtung geeignet sei und im Bereich einer Kontaktfläche eine möglichst geringe Haftwirkung aufweise. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt die Druckschrift D7 vor, eine Schraube 10 mit einem Schaft 12 und einem Gewinde 14 an der Unterseite 18 eines Schraubenkopfs 16 mit einem Überzug 22 aus "Polytetrafluoräthylenharz" vorzusehen, auch bekannt unter dem Warenzeichen "Teflon" (vgl. Seite 5, letzter Absatz bis Seite 7, erster Absatz in Verbindung mit Figur 2). Genausonaheliegend sei es, ausgehend von der aus der Druckschrift D7 bekannten Schraube den Reibwert im Bereich des Gewindes 14 zu erhöhen, um eine Schraubensicherung zu erreichen. Vor die Aufgabe gestellt, eine Schraube gegen Lösen zu sichern, erhalte der Fachmann aus den Druckschriften D3 bis D6 jeweils klare Anweisungen, das Gewinde mit einer reibungserhöhenden Beschichtung zu versehen. Auch auf diesem Weg gelange der Fachmann zu dem Gegenstand des Anspruchs 1, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.

Der neu bestellte Vertreter der Beschwerdeführerin (siehe Punkt III. oben) hat in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Mangelnde Ausführbarkeit

Als Schraubfittings ausgebildete Schraubelemente, mit denen eine Rohrleitung an ein Anschlusselement anschließbar sei, seien in der Regel mit einer Beschichtung, insbesondere mit einer Korrosionsschutz­beschichtung versehen, die normalerweise das gesamte Fitting bedecke. Die Außenflächen von Bremsrohren müssten eine Korrosionsschutzbeschichtung aufweisen, vgl. Druckschrift D8, Punkt 4. Beim Verschrauben solcher Schraubfittings könne es zu einem Mitdrehen der Rohrleitung kommen und durch eine Torsion der Rohrleitung werde Federkraft gleichsam in der Rohrleitung gespeichert. Diese Torsion der Rohrleitung erzeuge ein Rückdrehmoment, das zu einem unerwünschten bzw. unkontrollierten Lockern bzw. Lösen der Schraubverbindung führen könne, vgl. Absatz [0002] des Patents.

Der Erfindung liege das technische Problem zugrunde, eine Rohranschlusseinrichtung anzugeben, mit der ein unerwünschtes Lockern oder Lösen der zugeordneten Schraubverbindung auf einfache, effektive und funktionssichere Weise vermieden werden könne, vgl. Absatz [0004] der angepassten Beschreibung des Patents. Zur Lösung dieses technischen Problems lehre die Erfindung, dass das Schraubelement, an dem eine Rohrleitung (2) angeschlossen sei, ein Gewinde bzw. zumindest eine gewindefreie Kontaktfläche aufweise, bereichsweise Beschichtungen mit unterschiedlichen Reibwerte aufwiesen, wobei der Reibwert des Gewindes größer als der Reibwert der gewindefreie Kontaktfläche sei, vgl. Anspruch 1.

Im Streitpatent seien Reibwerte als Eigenschaften einer Beschichtung dargestellt. Dies stimme nicht. Ein Reibwert sei keine Eigenschaft einer Beschichtung als solche, sondern sei zu verstehen als einen Reibwert zwischen dieser Beschichtung und dem komplementären Kontaktfläche. Demgemäß seien der Ausdruck "die einen ... Reibwert ... aufweist" in Anspruch 1 als "die einen ... Reibwert ... hervorruft" zu verstehen.

Reibwert-Paarungen seien im Streitpatent nicht erwähnt. Daher sei die Erfindung nicht so deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

Mangelnde erfinderische Tätigkeit

Druckschrift D2 zeige in der Figur 1 eine Rohranschlusseinrichtung nach dem Stand der Technik für den Anschluss von Rohrleitungen, insbesondere von Kraftfahrzeugrohrleitungen, siehe Absatz [0016]. Die Rohrleitung 1 weise an einem Ende ein Stirnelement auf, das im Ausführungsbeispiel als Bördel 2 ausgebildet sei und dass mit einer stirnseitigen Dichtfläche 3 ausgestattet sei. Ein die Rohrleitung 1 bzw. das Rohrleitungsende 4 umgebender Fitting 5 sei vorgesehen ist, welcher Fitting 5 den Bördel 2 mit seiner stirnseitigen Dichtfläche 3 an eine Anschlussfläche 6 eines Anschlusselementes anpresse. Der Fachmann würde mitlesen, dass das Gewinde der Fitting 5 eine Korrosionsschutzbeschichtung aufweise, vgl. Druckschrift D8, Punkt 4 und D8a, D8b. Es sei bekannt (vgl. Absatz [0003] des Streitpatents) solche Schraub­fittings im Bereich ihres Gewindes mit einer Adhäsiv­beschichtung zu versehen, wodurch der Schraubfitting nach dem Verschrauben fixiert werde und ein unerwünschtes Lockern bzw. Lösen der Schraubverbindung zumindest weitgehend vermieden werden könne. Im Absatz [0018] werde darauf hingewiesen, dass der Fittung 5 unmittelbar den Bördel 2 des Rohrleitungsendes 4 beaufschlage und dessen Dichtfläche an die Anschluss­fläche 6 des Anschlussblockes 7 drücke, wodurch es beim Einschrauben des Fittings 5 es hier zum Verdrehen der Rohrleitung 1 bzw. des Rohrleitungsendes 4 kommen könne. Der Fachmann würde deshalb die Reibwerte in diesem Bereich verringern um ein solches Verdrehen zu verhindern.

Druckschrift D1 zeige in der Figur 6 eine Rohranschlusseinrichtung nach dem Stand der Technik. In Absatz [0007] werde ausgeführt: Um zu verhindern, dass sich das Rohr ("flare tube 103") mit der Schraubfitting ("flare nut 102") dreht, kann man ein Öl mit niedriger Reibung (z. B. ein rostverhinderndes Öl auf vegetarischer Basis) auf dem Außengewinde 102b und der vorderen Fläche 102c der Schraubfitting 102 vorsehen.

Ausgehend von der Rohranschlusseinrichtung nach Figur 1 der Druckschrift D2 oder nach Figur 6 der Druckschrift D1 war es für den Fachmann naheliegend mit Hilfe seines allgemeinen Fachwissens das Außengewinde der Schraubfitting mit einem höheren Reibwert als den Reibwert der gewindefreien Fläche zu versehen.

Verspätetes Vorbringen

Der Sachvortrag während der mündlichen Verhandlung sei eine Reaktion auf den Ladungszusatz der Kammer. Der Vortrag und die zugehörigen Druckschriften D8a, die bereits in Druckschrift D8 erwähnt wurde sowie D8b seien ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.

Zurückverweisung an die ersten Instanz

Abhängige Ansprüche 5 und 11 beträfen eine Weiterbildung der Rohranschlusseinrichtung, wonach "das Schraubelement eine Schraubenmutter ist, die ein als Innengewinde ausgebildetes Gewinde (3) aufweist". Dies stünde im Widerspruch zu Anspruch 1. Auch gebe es Widersprüche in der Beschreibung. Aus diesem Grund werde hilfsweise beantragt, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

XI. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Ausreichende Offenbarung

Im Anspruch 1 werde lediglich ein Verhältnis zwischen dem ersten Reibwert my1 und dem zweiten Reibwert my2 beansprucht. Im Absatz [0022] des Streitpatents werde die Ausbildung einer Rohranschlusseinrichtung anhand eines konkreten Ausführungsbeispiels beschrieben, womit dem Fachmann alle erforderlichen Informationen aus der Patentschrift zugänglich seien, die zur Ausführung der Erfindung erforderlich seien. In diesem Zusammenhang sei zu betonen, dass dem Fachmann selbstverständlich bekannt sei, wie Reibwerte zu bestimmen seien. Der Reibwert stelle eine Konstante dar, die durch den Quotienten der Reibungskraft und der Anpresskraft gebildet sei. Es sei dabei selbstverständlich, dass zur Bestimmung des Reibwertes der ersten Beschichtung und der zweiten Beschichtung jeweils gleiche Messbedingungen eingestellt werden müssen, um vergleichbare Messergebnisse zu erzielen. Die Bestimmung des Reibwertes sei für den Fachmann also unkritisch.

Der Einwand der Beschwerdeführerin betreffe die im Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht relevante Klarheit gemäß Artikel 84 EPÜ und nicht die Ausführbarkeit gemäß Artikel 83 EPÜ. Im Ergebnis sei also festzustellen, dass die Lehre nach dem geltenden Patentanspruch 1 ausführbar sei.

Erfinderische Tätigkeit

Gemäß dem im Absatz [0007] der Druckschrift D1 beschriebenen Stand der Technik bestünde die Möglichkeit, das Gewinde und die Kontaktfläche des Schraubelements mit einem die Reibung vermindernden Gleitmittel zu beschichten. Diese Ausführungsform sei allerdings als nachteilig beschrieben. Um ein Mitdrehen des Bördels der Rohrleitung beim Einschrauben des Schraubelements in das Anschlusselement zu verhindern, schlage Druckschrift D1 eine besondere Ausbildung des Bördels vor. Gemäß Druckschrift D1 komme einer Nut des Bördels eine große Bedeutung zu, die innerhalb des Bördels angeordnet sei und die bei der Herstellung der Verbindung in der Rohranschlusseinrichtung im Wesentlichen keine Veränderung erfahre, vgl. Absätze [0025] und [0026].

Der Aufbau einer Rohranschlusseinrichtung gemäß Druckschrift D2 entspreche dem Aufbau der Rohranschlusseinrichtung gemäß Druckschrift D1, allerdings sei zwischen dem Schraubelement und einem Bördel der Rohrleitung ein Zwischenelement angeordnet. Dieses Zwischenelement könne auch als Gleitring bezeichnet werden, mit dem eine Übertragung der Drehbewegung des Schraubelements auf den Bördel verhindert werden solle. Daher sei es erforderlich, dass der Reibbeiwert zwischen der Dichtfläche des Bördels und der Kontaktflache des Anschlusselements größer sei als der Reibbeiwert zwischen dem Gleitelement und der Bördelruckseite beziehungsweise dem Gleitelement und dem Schraubelement. Auch wenn in Druckschrift D2 die Merkmale des Oberbegriffs des geltenden Patentanspruchs 1 offenbart seien, führe die Offenbarung von Druckschrift D2 den Fachmann ebenfalls von der erfindungsgemäßen Merkmalskombination weg, da zur Verhinderung des Mitdrehens der Rohrleitung im Vergleich zu Druckschrift D1 eine weitere Möglichkeit aufgezeigt werde, nämlich das Einsetzen eines Gleitelements zwischen das Schraubelement und den Bördel der Rohrleitung. Somit wird dem Fachmann auch durch die Offenbarung von Druckschrift D2 die Lehre nach dem geltenden Patentanspruch 1 nicht nahegelegt.

In Druckschrift D3 sei eine Schraube beschrieben, die als Befestigungselement mit einer Selbstsicherung ausgebildet sei. Auf einen ausgewählten Bereich des Gewindes des Gewindeschaftes sei eine elastisch verformbare, metallische Abdeckschicht aufgetragen. Beim Einschrauben der Schraube in ein Muttergewinde werde die metallische Abdeckschicht elastisch verformt, sodass ein erhöhter Reibungswiderstand gegenüber einem unerwünschten Lösen der Schraubverbindung zwischen der Schraube und dem zugehörigen Befestigungselement zustande komme. Wesentlich gemäß Druckschrift D3 sei also nicht der Reibwert der metallischen Abdeckschicht, sondern die elastische Verformbarkeit der Abdeckschicht. Dadurch werden die Gewindegänge der Schraube ausgefüllt und gegen komplementäre Gewindegange eines komplementären Gewindes verpresst. Die deformierte Abdeckschicht bewirke die Selbstsicherung einer Verbindung zwischen einer Schraube und einer Gewindemutter, wobei der Reibwert der Abdeckschicht wenig relevant sei. Grundsätzlich sei es gemäß Druckschrift D3 möglich, dass die Schraube mit einer dünnen Schicht eines Schmiermittels überzogen werden könne. Aus der Offenbarung der Druckschrift D3 gehe nicht hervor, wie sich die Reibwerte der ersten Beschichtung und der zweiten Beschichtung zueinander verhalten. Ebenso gehe aus Druckschrift D3 nicht hervor, dass die erste Beschichtung auf dem Gewinde die Außenoberfläche im Bereich des Gewindes bilde, da die Schraube - also die vollständige Schraube - mit einer dünnen Schicht eines Schmiermittels versehen werden könne.

Da die Druckschriften D1 und D2 jeweils Rohranschlusseinrichtungen beträfen und in Druckschrift D3 allgemein eine speziell behandelte Schraube offenbart sei, sei es bereits fraglich, ob der Fachmann im Hinblick auf die Druckschriften D1 oder D2 Druckschrift D3 in Betracht ziehen würde. Selbst wenn der Fachmann die Offenbarungen der Druckschriften D1 und D2 mit der von Druckschrift D3 kombinieren wurde, könne er lediglich dazu angeregt werden, in den Gewindegängen eine Abdeckschicht anzuordnen.

Die erfindungsgemäße Ausbildung des Schraubelements stelle bedingt durch die Eigenschaften der beiden Beschichtungen sicher, dass einerseits ein unbeabsichtigtes Lösen des Schraubelements in dem Anschlusselement erschwert und andererseits ein Mitdrehen der Rohrleitung ausgeschlossen beziehungsweise zumindest minimiert werde. Wesentlich dabei sei, dass das Gewinde des Schraubelements aufgrund der ersten Beschichtung mit dem ersten Reibwert zuverlässig in dem Anschlusselement gesichert sei, während der gegenüber dem ersten Reibwert kleinere zweite Reibwert der Beschichtung an den Kontaktflachen sicherstelle, dass die Rohrleitung bei der Montage der Rohranschlusseinrichtung nicht mitdrehe. Somit werde ausgeschlossen, dass eine Torsionsenergie in der Rohrleitung gespeichert werde, die beispielsweise durch Vibrationen begünstigt freigesetzt werden könne und ein Lösen des Schraubelements initiieren könne. Die Lehre nach Anspruch 1 sei daher gegenüber einer Zusammenschau der Druckschriften D1 oder D2 mit Druckschrift D3 erfinderisch.

Die Lehre nach Anspruch 1 sei auch gegenüber einer Zusammenschau der Druckschriften D3, D4, D5 oder D6 mit D7 erfinderisch.

Druckschrift D4 betreffe eine Vorrichtung zur Befestigung eines Bauteils an einem Träger, wobei beim Festdrehvorgang einer Schraube in eine Mutter die Mutter zuverlässig in eine Sperrstellung überführt werde. Gemäß einer Ausführungsform sei ein Bereich des Schraubgewindes mit einem reibungserhöhenden Belag versehen, um die Mutter beim Einschrauben der Schraube in ihre Sperrstellung zu bringen. Gemäß Druckschrift D4 sei also eine Wechselwirkung zwischen der Schraube und der Mutter in der Art gefordert, dass beim Drehen der Schraube die Schraubenmutter in einem gewissen Maße mitgedreht werde. Die Erfindung nach dieser Druckschrift beträfe also ein anderes technisches Problem. Die besondere Kombination der Anordnung zweier verschiedener Beschichtungen auf dem Schraubelement könne dem Fachmann durch die Offenbarung der Druckschrift D4 nicht nahegelegt werden, da insbesondere ein geringer Reibwert an Kontaktflächen der Schraube dort nicht erforderlich oder sogar vorteilhaft sei.

Druckschrift D5 beträfe eine Schraubverbindung zwischen zwei in einem Abstand liegenden Bauteilen, weswegen die dort beschriebene Technologie einer anderen Gattung als die erfindungsgemäße Rohranschlusseinrichtung zuzuordnen sei. Diese Druckschrift lasse offen, ob weitere Beschichtungen vorgesehen sein können und wie diese gegebenenfalls auszubilden wären.

In Druckschrift D6 seien Mittel beschrieben, durch welche die unerwünschte Lockerung von Schrauben verhindert werden sollen. Dazu werde zwischen die Gewindegänge der zusammenwirkenden Teile ein flüssiger oder teigiger Film eingebracht, der nach einem Erhärten eine erhebliche Elastizität und einen erhöhten Reibungskoeffizienten besitze.

Druckschrift D7 beziehe sich auf ein abdichtendes, gewindetragendes Befestigungselement zum Herstellen einer flüssigkeitsdichten Abdichtung. Wesentlich gemäß Druckschrift D7 sei, dass eine schaftseitige Oberfläche des Kopfes der Schraube als Dichtflache ausgebildet und mit einer Fluorkohlenstoffharzschicht versehen sei. Der Beschichtung komme weiterhin eine Korrosionsschutz­wirkung zu. Gemäß Druckschrift D7 sei es möglich, dass eine zusätzliche, dickflüssige Dichtmasse vorgesehen sei, die allerdings an dem Fluorkohlenstoffüberzug, der auf der Schraube vorgesehen ist, nicht haftet, wodurch die Wiederverwendbarkeit der Schraube sichergestellt werde. Der Überzug werde, wie in Figur 4 dargestellt und auf Seite 10, letzter Abschnitt beschrieben, nicht auf dem Gewinde, sondern nur auf die gewindefreien Bereiche der Schraube aufgetragen. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass keine weiteren Schichten auf diesem Überzug angeordnet werden können (Seite 11, erster Absatz).

Da gemäß Druckschrift D3 lediglich eine vollständige Beschichtung der Schraube mit dem Schmiermittel vorgesehen sei, könne dem Fachmann die Verwirklichung des Merkmals, wonach die erste Schicht im Bereich des Gewindes die Außenschicht auf dem Schraubelement sei, nicht nahegelegt werden. Ein Hinzuziehen der Druckschrift D7 würde der Fachmann nicht in Betracht ziehen, da in dieser Druckschrift (Seite 4, letzter Abschnitt) lediglich offenbart sei, eine Fluorkohlenstoffharzschicht auf einer Schraube anzuordnen, welche Schicht sich durch einen besonders geringen Reibungskoeffizienten auszeichne.

Wurde der Fachmann nunmehr die Offenbarung von Druckschrift D4 mit der von Druckschrift D7 kombinieren, könne er lediglich dazu angeregt werden auf dem Gewinde einer Schraube entweder eine Abdeckschicht mit einem erhöhten Reibwert oder gemäß Druckschrift D7 einen Überzug mit einem geringen Reibwert anzuordnen. Da gemäß Druckschrift D7 die Erhöhung des Reibwertes einer Oberfläche überhaupt nicht gewollt sei, um insbesondere einem Lösen und Wiederverwenden der Schraube nicht entgegenzuwirken, ergibt eine Zusammenschau der Druckschriften D4 und D7 daher hinsichtlich der Ausbildung einer Rohranschluss­einrichtung für den Anschluss von Rohrleitungen keinen Sinn.

Da weder in Druckschrift D5 noch in Druckschrift D7 die Ausbildung einer Rohranschlusseinrichtung für den Anschluss von Rohrleitungen mit einem Schraubelement, könne dem Fachmann die Lehre nach Anspruch 1 durch eine Zusammenschau der Druckschriften D5 und D7 nicht nahegelegt sein.

Auch die Offenbarung gemäß Druckschrift D6 sei nicht mit der von Druckschrift D7 kombinierbar, da in Druckschrift D7 betont sei, dass der Überzug über der Schraube einen geringen Reibungskoeffizienten aufweise. Die Druckschriften D6 und D7 beträfen also entgegengesetzte Lehren, nämlich die Erhöhung eines Reibwertes im Bereich eines Gewindes gemäß Druckschrift D6 und die Verminderung eines Reibwertes im Bereich eines Gewindes gemäß Druckschrift D7.

Aus den vorstehenden Ausführungen folge, dass, wie auch die Einspruchsabteilung bereits festgestellt habe, die Lehre nach Anspruch 1 erfinderisch sei.

Verspätetes Vorbringen

Die erst während der mündlichen Verhandlung eingereichten Druckschriften D8a und D8b und der diesbezügliche Vortrag seien nicht zum Beschwerdeverfahren zuzulassen. Das gelte auch für den Vortrag in der mündlichen Verhandlung über angeblichen Widersprüche in den abhängigen Ansprüche und in der Beschreibung.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit des verspäteten Vorbringens

2.1 Der neu bestellte Vertreter der Beschwerdeführerin (siehe Punkt III. oben) hat in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer zum ersten Mal zur Beschwerdeerwiderung vom 7. August 2013 und zur Mitteilung der Kammer vom 23. März 2017 Stellung genommen. Mit Bezug zur erfinderischen Tätigkeit wurden zwei neue Druckschriften E8a und E8b vorgelegt. Der Vertreter der Beschwerdeführerin hat diese Verspätung nicht begründet.

2.2 In ihrer Mitteilung hat die Kammer ausdrücklich auf die Bestimmungen der Artikel 13 (1) und 13 (3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (VOBK) hingewiesen.

Nach Artikel 12 (2) VOBK müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachverhalt eines Beteiligten enthalten und gemäß Artikel 13 (1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens zuzulassen und zu berücksichtigen, wobei bei der Ausübung des Ermessens unter anderem die Umstände, ob das späte Vorbringen begründet und für die Lösung bestehender Probleme zielführend ist, berücksichtigt werden. Gemäß Artikel 13 (3) VOBK sind nach Anberaumen einer mündlichen Verhandlung vorgelegte Änderungen nicht zuzulassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.

2.3 In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin ihren Vortrag zur erfinderischen Tätigkeit dahingehend geändert, dass der Fachmann in Druckschrift D2 mitlesen würde, dass das Fittinggewinde eine Korrosionsschutzbeschichtung aufweise, wie sich aus der Druckschrift D8 und den erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Druckschriften D8a und D8b ergebe.

Diese wesentliche Änderung des Vortrags zu einem sehr späten Verfahrenszeitpunkt war für die Beschwerdegegnerin nicht vorhersehbar und deshalb überraschend. Sie ist weder ihr noch der Kammer ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung zumutbar.

2.4 Dieser Sachvortrag sowie die spät vorgelegten diesbezüglichen Druckschriften D8a und D8b werden daher nicht zum Beschwerdeverfahren zugelassen (Artikel 13 (3) VOBK).

3. Einwand mangelnder Ausführbarkeit, Artikel 100 b) EPÜ in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ

3.1 Anspruch 1 betrifft eine Rohranschlusseinrichtung für den Anschluss von Rohrleitungen mit einem Schraubelement, das ein Gewinde 3 sowie zumindest eine gewindefreie Kontaktfläche 4, 5 aufweist. Das Schraubelement, woran eine Rohrleitung 2 angeschlossen ist, ist durch Verschraubung an ein Anschlusselement anschließbar. Dies bedeutet, dass das Schraubelement ein Schraubfitting (oder Überwurfschraube) mit einer Axialbohrung ist, wie in der Figuren 3 und 4 des Patents gezeigt.

Diese Figuren zeigen eine erfindungsgemäße Rohranschlusseinrichtung, wobei das Schraubfitting 1 in eine Sackbohrung 15 eines als Anschlussblock 12 ausgebildetes Anschlusselements eingeschraubt ist, siehe Absatz [0029] des Patents. In Spalte 10, Zeilen 17 bis 19, wird ausgeführt: "Es versteht sich, dass die Sackbohrung 15 ein entsprechendes komplementäres Innengewinde aufweist". Die gewindefreie Kontaktfläche 4 drückt auf den Bördel 10 der Rohrleitung 2.

Die ersten zwei kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 lauten:

- dass das Gewinde (3) zumindest bereichsweise mit einer ersten Beschichtung (7) versehen ist, die einen ersten Reibwert (my1) aufweist,

- wobei die Kontaktfläche (4, 5) zumindest bereichsweise mit einer zweiten Beschichtung (8) versehen ist, die einen zweiten Reibwert (my2) aufweist.

Der Reibwert my ist ein dimensionsloses Maß für die Reibungskraft im Verhältnis zur Anpresskraft zwischen zwei Körpern.

Die beanspruchte Rohranschlusseinrichtung weist drei Elemente auf: ein Schraubelement, eine Rohrleitung und ein Anschlusselement. Nach Auffassung der Kammer wird der Fachmann den ersten Reibwert my1 der Gewindebeschichtung als den Reibwert zwischen dem Außengewinde des Schraubelements und dem Innengewinde der Sackbohrung des Anschlusselements ("erste komplementäre Kontaktfläche") verstehen und den zweiten Reibwert my2 der Kontaktflächebeschichtung als den Reibwert zwischen der gewindefreien Kontaktfläche 4 des Schraubelements und dem Bördel der Rohrleitung ("zweite komplementäre Kontaktfläche").

Das dritte kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 lautet:

- dass der erste Reibwert (my1) größer ist als der zweite Reibwert (my2).

Anspruch 1 verlangt nicht, dass die Reibwerte my1 und my2 in bestimmten Bereichen liegen müssen. Der Reibwert my1 der (ersten) Beschichtung 7 des Gewindes soll lediglich größer sein als der Reibwert my2 der (zweiten) Beschichtung 8 der gewindefreie Kontaktfläche. Dies heißt in anderen Worten, dass das aufzubringende Drehmoment um das Schraubelement 1 gegenüber der Sackbohrung 15 an der ersten Beschichtung zu verdrehen größer ist als das aufzubringende Drehmoment um das Schraubelement 1 gegenüber der Rohrleitung 2 an der zweiten Beschichtung zu verdrehen.

3.2 Die Parteien stimmen darin überein, dass für Rohranschlusseinrichtungen der beanspruchten Art ein Maschinenbauingenieur mit Erfahrung auf dem Gebiet von Rohranschlusseinrichtung ist.

Zwar hängt der Reibwert einer Werkstoffpaarung von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel Materialpaarung, Oberfläche, Schmierung, Temperatur, Feuchte, Verschleiß. Die Kammer hat jedoch keine Zweifel, dass dieser Fachmann die Werkstoffpaarungen an den ersten und zweiten Beschichtungen so einstellen kann, das die in Anspruch 1 genannte Bedingung erfüllt ist. Denn diese Bedingung ist schon dann erfüllt, wenn die erste Beschichtung ein, wie in Absatz [0015] beschriebenes, den Reibwert erhöhendes Gleitmittel und die zweite Beschichtung ein den Reibwert erniedrigendes Gleitmittel, z. B. PTFE aufweist. Die Werkstoffpaarung muss also so gewählt werden, dass sich die Rohrleitung 2 beim Verschrauben nicht mitdrehen kann, siehe Patentschrift, Spalte 1, Zeile 29.

Dazu stehen ihm, im Bedarfsfall, auch die Beschrebung, insbesondere die in den Absätzen [0015] bis [0017] beschriebenen Informationen zu Verfügung. Gegebenenfalls kann er die Erfüllung der Bedingung auch durch einfache Versuche feststellen.

3.3 Die in Anspruch 1 beanspruchte Erfindung ist somit so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

4. Einwand mangelnder erfinderischen Tätigkeit, Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ

4.1 Druckschrift D1

Druckschrift D1 offenbart (siehe Absätze [0019] bis [0021] und Figur 1) eine Rohranschlusseinrichtung für den Anschluss von Rohrleitungen, bei der das Schraubelement ("flare nut 12") ein Gewinde ("external thread 12b") und eine gewindefreie Kontaktfläche ("front surface 12c") aufweist, mit allen Merkmalen des Oberbegriffs von Anspruch 1. Dieser Druckschrift ist nicht zu entnehmen, dass das Gewinde 12b und die gewindefreie Kontaktfläche 12c der erfindungsgemäßen Rohranschlusseinrichtung Beschichtungen oder unterschiedliche Reibwerte aufweisen oder hervorrufen.

4.2 Druckschrift D2

Druckschrift D2 offenbart (siehe Absätze [0016] bis [0019] und Figuren 2a und 2b) eine Rohranschlusseinrichtung für den Anschluss von Rohrleitungen, bei der das Schraubelement ("Fitting 5") ein Außengewinde 9 und eine gewindefreie Kontaktfläche (zwischen dem Fitting 5 und dem ringförmigen Druckelement 13, siehe Figur 3 und Absatz [0008]) aufweist.

Der Erfindung nach der Druckschrift D2 liegt die Erkenntnis zu Grunde (siehe Absatz [0011]), dass durch Einfügen eines erfindungsgemäßen Druckelementes eine unerwünschte Torsion der Rohrleitung, die ein unerwünschtes Rückdrehmoment erzeugt und zum Lösen der Schraubverbindung führen kann, wirksam reduziert bzw. vermieden werden kann.

Druckschrift D2 lehrt, dass der Reibbeiwert my3 des Kontaktes zwischen der gewindefreien Kontaktfläche der Fitting 5 und dem ringförmigen Druckelement 13 kleiner sein soll als der Reibbeiwert my1 des Kontaktes zwischen Dichtfläche 3 und Anschlussfläche 6. Dieser Druckschrift ist nicht zu entnehmen, dass das Außengewinde 9 und die gewindefreie Kontaktfläche Beschichtungen aufweisen.

4.3 Keine der Druckschriften D3 bis D7 offenbart eine Rohranschlusseinrichtung für den Anschluss von Rohrleitungen. Deshalb kommen sie nicht als nächstliegender Stand der Technik in Betracht.

4.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von den aus der Druckschriften D1 und D2 bekannten Rohranschlusseinrichtungen dadurch

i) dass das Gewinde (3) zumindest bereichsweise mit einer ersten Beschichtung (7) versehen ist, die einen ersten Reibwert (my1) aufweist,

ii) wobei die Kontaktfläche (4, 5) zumindest bereichsweise mit einer zweiten Beschichtung (8) versehen ist, die einen zweiten Reibwert (my2) aufweist,

iii) dass der erste Reibwert (my1) größer ist als der zweite Reibwert (my2),

iv) dass die erste Beschichtung (7) auf dem Gewinde (3) die Außenoberfläche im Bereich des Gewindes (3) bildet.

Die unterscheidenden Merkmale i) bis iv) lösen das im Absatz [0005] des Patents formulierte Problem, siehe insbesondere Absatz [0024] des Patents.

Da keine der Druckschriften D3 bis D7 eine Rohranschlusseinrichtung für den Anschluss von Rohrleitungen offenbart, würde der Fachmann sie nicht in Betracht ziehen, um das obengenannte Problem zu lösen.

Nach Auffassung der Kammer können die Druckschriften D1 und D2 den Fachmann, auch unter Berücksichtigung seines allgemeinen Fachwissens, weder einzeln noch in Kombination mit anderen im Verfahren zitierten Druckschriften dazu anregen eine Rohranschlusseinrich­tung durch Aufbringung verschiedener Beschichtungen am Schraubelement, wie sie im Anspruch 1 beansprucht wird, bereitzustellen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Antrag der Beschwerdeführerin die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

Da der Gegenstand von Anspruch 1 ausführbar ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, war es gegenstandslos geworden über den zum Beginn der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hilfsweise gestellten Antrag auf Zurückverweisung zu entscheiden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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