T 0272/13 () of 11.11.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T027213.20161111
Datum der Entscheidung: 11 November 2016
Aktenzeichen: T 0272/13
Anmeldenummer: 00962480.0
IPC-Klasse: B27N 3/00
B27N 3/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: PLATTENFÖRMIGES FORMELEMENT AUF NATURFASERBASIS UND VERFAHREN ZU SEINER HERSTELLUNG
Name des Anmelders: HOMATHERM GmbH
Name des Einsprechenden: Steico AG
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 1 226 006.

II. Mit ihrem Einspruch hatte die Beschwerdeführerin das Patent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a), 52 (1) und 56 EPÜ) angegriffen.

III. Die Einspruchsabteilung entschied, dass dieser Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegenstünde.

IV. Folgende Entgegenhaltungen aus dem Einspruchsverfahren werden in der vorliegenden Entscheidung erwähnt:

E1: Deutsche Übersetzung der JP 03-246008 A,

E2: DE 196 35 410 A.

V. Am 11. November 2016 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, wegen deren Verlaufs und weiteren Einzelheiten auf das Protokoll Bezug genommen wird.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung), oder hilfsweise, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines der mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2012 als Hilfsanträge 1 bis 4 eingereichten Anspruchssätze.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung von plattenförmigen Formelementen auf Naturfaserbasis, wobei Naturfasern mit Bindemitteln (3) vermischt, die Mischung auf einer Formstation (4) ausgebracht, gegebenenfalls ausgeformt und schließlich gebunden wird, wobei das Bindemittel (3) in Form von wenigstens teilweise nach einer Aktivierung Bindemittel bildenden Mehrkomponentenfasern aus einem Trägermaterial beigemischt wird, wobei die Mehrkomponentenfasern aus einem Trägerelement und einer Ummantelung eines vernetzenden Kunststoffes gebildet sind,

dadurch gekennzeichnet,

dass das Aktivieren mittels Heißluft erfolgt, wobei vor dem Aktivieren mittels Heißluft die ausgebrachte Masse durchdämpft wird."

Im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung ist der Wortlaut des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 bis 4 nicht von Bedeutung.

VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen.

Anspruch 1 des Hauptantrags - erfinderische Tätigkeit

E1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar und zeige alle Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung.

Ausgehend davon sei die objektive technische Aufgabe der Erfindung darin zu sehen, Faserplatten mit geringerer Rohdichte und einer hohen Festigkeit zu fertigen.

Zur Lösung dieser Aufgabe kombinierte der Fachmann aus folgenden Gründen die Lehre der E1 mit der Lehre der E2 und gelangte somit zum Gegenstand von Anspruchs 1, ohne erfinderisch tätig zu werden.

E2 offenbare ein Fertigungsverfahren für Faserplatten, bei dem u.a. gute Ergebnisse hinsichtlich geringerer Rohdichten von Faserplatten erzielt werden (Spalte 4, Zeilen 32 bis 43), wenn Klebstoffe, wie beispielsweise Stärke, als Bindemittel verwendet werden (Spalte 3, Zeile 13). Insbesondere werde in Spalte 4, Zeilen 44 bis 54, der E2 deutlich, welche Vorteile das dort gezeigte trockene Herstellungsverfahren mit einer kurzen Bedampfung gegenüber dem aus dem Stand der Technik bekannten Nassverfahren habe.

Sollte der Fachmann anhand im Hinblick auf die von der Beschwerdegegnerin herangezogenen Textstelle in Spalte 4, Zeilen 37 bis 39, der E2 zur Erkenntnis gelangen, dass die Kombination von E1 und E2 zu keiner geringeren Rohdichte führte, dann konzentrierte er sich aufgabegemäß auf das Erreichen einer hohen Festigkeit und übernähme in das aus E1 bekannte Verfahren die aus E2 bekannten Verfahrensschritte des Bedampfens der ausgebrachten Masse mit einer anschließenden Aktivierung mittels Heißluft.

VIII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen.

Anspruch 1 des Hauptantrags - erfinderische Tätigkeit

E1 betreffe ein Nassverfahren zur Herstellung von Faserplatten, wobei E2 auf ein trockenes Herstellungsverfahren für Faserplatten gerichtet sei.

Die Aktivierungsmechanismen von E1 und E2 seien völlig unterschiedlich. Die Hitzeeinwirkung bewirke in E1 das Schmelzen des Bindemittels und in E2 diene sie dazu, das fertige Gesamtprodukt zu trocknen. Weiterhin diene die Feuchtigkeitszufuhr in E1 dazu, die Effizienz eines Stärkeanteils zu verbessern, und in E2 diene sie dazu, das Bindemittel zu verflüssigen und eine gleichmäßige Benetzung des Strukturstoffes vor der Aktivierung, nämlich dem Aushärten des Bindemittels, zu bewirken.

Die Feuchtigkeit sei im aus E1 bekannten Nassverfahren immanent und brauche daher nicht über einen zusätzlichen Bedampfungsschritt eingeführt werden. Ein Bedampfungsschritt setze ein Trockenverfahren voraus.

E2 lehre dem Fachmann zudem in Spalte 4, Zeilen 37 bis 39, dass die im Trockenverfahren erzielbaren geringen Rohdichten mittels eines nassen Herstellungsverfahrens nicht erreichbar seien.

Es sei damit für den Fachmann offensichtlich, dass eine Kombination des aus E1 bekannten nassen Herstellungsverfahrens mit Verfahrensschritten des aus E2 bekannten trockenen Herstellungsverfahrens nicht zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe, welche u.a. das Erreichung einer geringen Rohdichte verlange, nicht führen könne. Er kombinierte daher schon gar die Lehre der E1 mit der der E2.

Entscheidungsgründe

1. Anspruch 1 des Hauptantrags - erfinderische Tätigkeit

1.1 Unstreitig offenbart E1 ein Nassverfahren zur Herstellung von Faserplatten mit allen Merkmalen des Oberbegriffs von Anspruch 1 und stellt somit den nächstliegenden Stand der Technik dar.

1.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich daher vom aus der E1 offenbarten Verfahren dadurch, dass

i) das Aktivieren mittels Heißluft erfolgt, und

ii) vor dem Aktivieren mittels Heißluft die ausgebrachte Masse durchdämpft wird.

1.3 Es herrscht weiterhin Einvernehmen zwischen den Parteien sowohl über die Wirkung dieser unterscheidenden Merkmale als auch über die daraus resultierende objektive technische Aufgabe, welche darin zu sehen ist, das aus E1 bekannte Verfahren derart weiterzubilden, um Faserplatten mit geringer Rohdichte und einer hohen Festigkeit zu fertigen.

1.4 Streitig und für die vorliegende Entscheidung maßgeblich ist daher die Frage, ob der sich um die Lösung dieser Aufgabe bemühende Fachmann die Lehre der E1, welche ein nasses Faserplattenherstellungsverfahren betrifft, mit der Lehre der E2, welche auf ein trockenes Faserplattenherstellungsverfahren abstellt, überhaupt miteinander kombinierte.

1.5 Betreffend das Erreichen einer geringen Rohdichte, welche den ersten Teil der genannten technischen Aufgabe bildet, ist in Spalte 4, Zeilen 37 bis 39, der E2 angegeben, dass die durch das aus E2 bekannte Trockenverfahren erzielbaren geringen Rohdichten mittels eines nassen Herstellungsverfahren nicht zu erreichen sind.

1.6 Dieser Abschnitt der E2 lehrt somit dem Fachmann, dass die Anwendung der Verfahrensschritte des aus E2 bekannten Trockenverfahrens auf ein nasses Herstellungsverfahren, und ein solches ist das aus E1 bekannte Herstellungsverfahren, nicht zu einer entsprechend geringe Rohdichte führen kann.

1.7 Daraus folgt für den Fachmann die Erkenntnis, dass das durch die objektive Aufgabe definierte Ziel, mittels eines nassen Herstellungsprozesses Faserplatten herzustellen, welche nicht nur eine hohe Festigkeit, sondern auch eine geringe Rohdichte aufweisen, durch eine Kombination der Lehre der E1 mit der Lehre der E2 nicht zu erreichen ist.

1.8 Dies bedeutet, dass durch den erwähnten Abschnitt der E2 der Fachmann sogar davon abgehalten wird, die Lehre der E1 mit der Lehre der E2 zu kombinieren, da er offensichtlich durch eine solche Kombination die ihm gestellte objektive technische Aufgabe nicht löste.

1.9 Das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Argument, wonach sich der Fachmann dann aufgabegemäß nur auf das Erreichen einer hohen Festigkeit konzentrierte und somit die aus der E2 bekannten Verfahrensschritte in das aus E1 bekannte Verfahren integrierte, überzeugt aus folgenden Gründen nicht.

1.10 Wie unter Punkt 1.3 oben ausgeführt, hat die Beschwerdeführerin selbst angegeben, dass die anhand der Wirkung der unterscheidenden Merkmale des Anspruchs 1 definierte objektive technische Aufgabe darin zu sehen ist, das aus E1 bekannte Verfahren derart weiterzubilden, dass Faserplatten nicht nur mit einer hohen Festigkeit, sondern auch mit geringer Rohdichte gefertigt werden können. Diese ist offensichtlich die duale Wirkung, welche seitens beider Parteien den unterscheidenden Merkmalen des Anspruchs 1 zuerkannt wird.

1.11 Technische Merkmale, im vorliegenden Fall die aus E2 bekannte Verfahrensschritte, betreffend das Bedampfen und die anschließende Zufuhr von Heißluft, welche die genannte duale Wirkung bei dem aus E1 bekannten Nassverfahren nicht entfalten und somit die unter Punkt 1.3 oben angegebene objektive technische Aufgabe nicht lösen können, zöge der Fachmann schon nicht in Betracht.

1.12 Im Ergebnis kombinierte der Fachmann die Lehre der E1 nicht mit der Lehre der E2, mit der Folge, dass der Gegenstand von Anspruch 1 dem Fachmann nicht durch den von der Beschwerdeführerin herangezogenen Stand der Technik nahelegt wird.

2. Die Beschwerdeführerin hat somit die von ihr geltend gemachte mangelnde erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht dargetan. Der von ihr erhobene Einspruchsgrund nach Artikel 100 a), 52 (1) und 56 EPÜ steht folglich der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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