T 0197/13 () of 6.2.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T019713.20150206
Datum der Entscheidung: 06 Februar 2015
Aktenzeichen: T 0197/13
Anmeldenummer: 04025108.4
IPC-Klasse: B25J 9/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Positionieren eines Handhabungsgerätes
Name des Anmelders: KUKA Roboter GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention R 115(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 15(3)
Schlagwörter: Mündliche Verhandlung - Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 04 025 108.4 Beschwerde eingelegt und beantragt, die Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Ansprüche zu erteilen. Für den Fall, dass dem Hauptantrag nicht stattgegeben werden kann, wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

II. Der Wortlaut des maßgeblichen Anspruchs 1 lautet wie folgt:

Verfahren zum genauen Positionieren zumindest eines Teils eines Handhabungsgeräts, insbesondere eines Werkzeugs eines Mehrachs-Industrieroboters, in einem vom Handhabungserät proqrammgesteuert anzufahrenden Zielpunkt innerhalb eines Arbeitsbereiches des Roboters, wobei das Teil des Handhabungsgeräts zunächst zu einem Referenzpunkt in der Nähe des Zielpunktes verfahren wird, dort ein Inertialmesssystem mittels eines externen Absolut-Messsystems kalibriert wird und anschließend eine Position des zu positionierenden Teils des Handhabungsgeräts mittels des Inertialmesssystems bestimmt und aus einer Abweichung der Position im Inertialmesssystem vom Zielpunkt eine Korrektur für die Bewegung des Handhabungsgeräts bestimmt wird.

III. Die angefochtene Entscheidung stützte sich u.a. auf den folgenden Stand der Technik:

D1: EP 0 062 657 B1

D4: AT 392 605 B

IV. Die mangelnde erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 wurde damit begründet, dass, ausgehend von D1, alle Unterscheidungsmerkmale aus D4 bekannt waren und daher zur Lösung derselben Aufgabe für den Fachmann auf der Hand lagen.

V. Die Beschwerdeführerin argumentierte, insoweit erheblich für die vorliegende Entscheidung, dass die angefochtene Entscheidung weder die korrekte Wirkung noch die korrekte Aufgabe behandelt habe, und dass die Lehre der D4 unsachgemäß bewertet wurde.

VI. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2014, der als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung vor der Kammer beigefügt war, teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung im Hinblick auf die Ansprüche 1 und 8 mit.

Anspruch 1 schien die Erfordernisse von Artikel 52 und 56 EPÜ aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht zu erfüllen, und bestätigte somit im Ergebnis vorläufig die angefochtene Entscheidung.

Die Kammer nahm zur Frage der erfinderischen Tätigkeit wie folgt Stellung:

2.1 Startpunkt für die Diskussion

Die Kammer ist der Auffassung, dass D1 den besten Ausgangspunkt bietet, um die erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1 zu diskutieren.

Dieses Dokument beschreibt ausführlich ein Verfahren zum genauen Positionieren eines Teils eines Handhabungsgeräts anhand von Inertialmesssystemen.

D1 (siehe Anspruch 1) offenbart ein:

Verfahren zum genauen Positionieren zumindest eines Teils eines Handhabungsgeräts, insbesondere eines Werkzeugs eines Mehrachs-Industrieroboters, in einem vom Handhabungsgerät proqrammgesteuert (siehe Anspruch 2) anzufahrenden Zielpunkt (als Sollposition bezeichnet) innerhalb eines Arbeitsbereiches des Roboters, wobei das Teil des Handhabungsgeräts zunächst zu einem Referenzpunkt (als Indexpositionen bezeichnet, siehe Anspruch 3) verfahren wird.

D1 offenbart auch, dass das Inertialmesssystem (siehe Anspruch 1, Spalte 4, Zeilen 41-42) mittels eines externen Absolut-Messsystems (als "erd- oder raumfesten Koordinatensystem" bezeichnet, siehe Spalte 2, Zeilen 40-48) beim Referenzpunkt ("dort" im Anspruch 1) kalibriert wird (siehe auch Spalte 3, Zeilen 45-49).

"Absolut-Messsystem" heißt, nach der vorliegenden Anmeldung, ein bezüglich des Handhabungsgeräts extern angeordnetes Messsystem (Seite 10, Zeilen 34 und 35 der ursprünglichen Beschreibung, oder Absatz [0026] der A-Schrift).

Das erd- oder raumfeste Koordinatensystem der Spalte 2, Zeilen 40-48 der D1 kann somit als Absolut-Messsystem betrachtet werden.

D1 offenbart auch, dass nach der Kalibrierung eine Position des zu positionierenden Teils des Handhabungsgeräts mittels des Inertialmesssystems bestimmt und aus einer Abweichung der Position im Inertialmesssystem vom Zielpunkt eine Korrektur für die Bewegung des Handhabungsgeräts bestimmt wird (siehe die Ausführungsform von Spalte 4, Zeilen 3-25).

2.2 Unterschied

D1 offenbart nicht, dass der Referenzpunkt sich in der Nähe des Zielpunktes befindet.

2.3 Wirkung und Aufgabe

Das Merkmal, dass die Fahrt zwischen Referenzpunkt und Zielpunkt besonders kurz ist, bewirkt, dass die für eine begrenzte Zeit und innerhalb eines begrenzten Raumes durch die Inertialsensoren erreichte sehr hohe Genauigkeit während dieser (besonders kürzen) Fahrt erhalten bleibt (siehe von Seite 14, Zeile 31 bis Seite 15, Zeile 2 der ursprünglichen Beschreibung, oder Spalte 9, Zeilen 30-32 der A-Schrift).

Anhand dieser Wirkung wird die Aufgabe gelöst, die Genauigkeit des bekannten Robotersystems zu verbessern, indem stellungsabhängige Abweichungen der realen Roboterpositionen im Arbeitsraum des Roboters minimiert werden (siehe Seite 2, Zeilen 27-30 und Seite 6, Zeilen 21-25 der ursprünglichen Beschreibung, A-Schrift).

2.4 Diskussion der erfinderischen Tätigkeit

2.4.1 D4

D4, das die Anwendung von Inertialmesssystemen zur Positionsbestimmung bei Industrierobotern betrifft, lehrt (Seite 2, Zeilen 34-45), dass es bei wachsenden Messzeiten und wachsenden zurückgelegten Wegen bei deren Anwendung steigende Ungenauigkeiten gibt.

Der Leser von D4 versteht somit, dass Inertialmesssysteme eine gute und einfache Lösung bieten, wenn sowohl Messzeiten als auch die zu bemessenden Entfernungen klein sind.

Diese Lehre könnte mit den Worten des vorliegenden Anspruchs 1 so zusammengefasst werden: je kürzer der Weg vom Referenzpunkt zum Zielpunkt, desto kleiner die Messzeit und dadurch, desto besser die Genauigkeit einer Messung durch Inertialmesssysteme.

Die einfachste und direkteste Übertragung dieser Lehre auf das Verfahren der D1 ist, dass der bekannte Referenzpunkt sich am besten in der Nähe des angestrebten Zielpunktes befinden soll.

Der Fachmann wird somit anhand dieser Lehre ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

Es ist nach Auffassung der Kammer für diese Argumentation nicht wirklich relevant, dass D4 nur einen allgemein mit der Zeit wachsenden Verlust an Genauigkeit und keine echte "Drift" offenbart.

2.5 Zusammenfassung

Die obige Diskussion zeigt, dass, wenn der Fachmann weiß, dass Inertialmesssysteme nach einer Kalibrierung ihre Genauigkeit mit der Zeit ziemlich schnell verlieren können, es für ihn naheliegend ist, diese Systeme bevorzugt für kürze Messperioden und somit zur Messung entlang kurzer Strecken anzuwenden.

Die Kammer teilt somit, zumindest vorläufig, die Auffassung der Prüfungsabteilung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht als erfinderisch (Artikel 52(2) und 56 EPÜ) betrachtet werden kann.

VII. Mit Fax vom 30. Januar 2015 teilte die Beschwerdeführerin nur mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde und beantragte eine Entscheidung nach Aktenlage.

VIII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 6. Februar 2015 statt. Da die Beschwerdeführerin, wie schriftlich angekündigt, nicht erschienen war, wurde die mündliche Verhandlung gemäß Regel 115(2) EPÜ und Artikel 15(3) VOBK in ihrer Abwesenheit durchgeführt.

IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung.

Entscheidungsgründe

1. Erfinderische Tätigkeit (Artikeln 52 und 56 EPÜ)

1.1 In ihrem oben genannten Bescheid hat die Kammer in den Punkten 2.1 bis 2.4 und 2.5 dargelegt, warum es nach ihrer Ansicht dem Gegenstand des Anspruchs 1 an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit mangelt (siehe oberen Punkt VI).

1.2 Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Antwortschreiben auf den Bescheid der Kammer zu dieser Beanstandung nicht Stellung genommen (siehe Punkt VII oben).

Somit hat es keinerlei Versuch der Beschwerdeführerin gegeben, die von der Kammer im genannten Bescheid geäußerte vorläufige Meinung zu widerlegen. Die Kammer sieht daher auch nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage keinen Grund, von ihrer ursprünglich vorläufigen Meinung abzuweichen.

Somit mangelt es dem Gegenstand des Anspruchs 1 an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit (Artikeln 52 und 56 EPÜ).

Der einzige vorliegende Antrag ist daher nicht gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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