T 0118/13 () of 4.8.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T011813.20150804
Datum der Entscheidung: 04 August 2015
Aktenzeichen: T 0118/13
Anmeldenummer: 07000659.8
IPC-Klasse: E06B 3/663
E06B 3/677
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Ganzglasecke aus Isolierglas
Name des Anmelders: Thiele Glas GmbH
Name des Einsprechenden: BELLAPART, S.A.U.
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Zwischenentscheidung über die Fassung in der das Europäische Patent Nr. 1 811 114 in geändertem Umfang aufrechterhalten werden kann, wurde am 29. November 2012 zur Post gegeben.

Die Beschwerdeführerin (Ein­sprechende) hat gegen diese Entscheidung form- und fristgerecht Beschwerde ein­gelegt.

II. Am 4. August 2015 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, den Widerruf des europä­ischen Patents und den Hilfsantrag 2 der Beschwerde­gegnerin nicht in das Verfahren zuzulassen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurück­zuweisen oder hilfsweise das Patent auf der Grundlage einer der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht mit Schrei­ben vom 3. Juli 2015, aufrechtzuerhalten.

III. Folgende Entgegenhaltungen wurden im Beschwerdeverfahren benutzt:

D5: US-A-5 589 248

D15: DE-A-103 00 389

D17: "Glazing" S.J. Thompson, Construction Press, 1983, Seiten 64 bis 67 und 90 bis 93

D18: US-A-5 849 832

IV. Anspruch 1 wie von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachtet hat folgenden Wortlaut:

"Ganzglasecke aus Isolierglas mit zwei in einem Winkel unter Ausbildung einer Eck­anordnung zusammen­gestoßenen Isolierglasteilen (2, 4), die jeweils mindestens zwei Glasscheiben (6a, 8a, 6b, 8b) aufweisen, die mittels Abstandshalterteilen (10a, 10b, 10c, 10d, 10e, 10f) unter Ausbildung eines mit einem Gas befüllten Scheiben­zwischenraumes (12a, 12b) verbunden sind,

wobei die beiden Isolierglasteile (2, 4) derart zusammen­gestoßen sind, dass sie im Bereich ihrer Stoßenden einen durch­gehenden mit Gas befüllten Scheiben­zwischenraum (12a, 12b) bilden [Merkmal A]

dadurch gekennzeichnet, dass

die Glasscheiben (6a, 8a, 6b, 8b) an ihren Stoßenden auf Gehrung ausgeführt sind [Merkmal B] und

die Stoßflächen (18a, 18b, 20a, 20b) jeweils zweier zusammenstoßender Glasscheiben (6a, 8a, 6b, 8b) mittels eines beidseitig klebenden Klebe­streifens (22, 24) oder eines Heißschmelz-Klebstoffs oder mittels eines Kunst­stoffstreifens (36) unter Auf­bringung von Wärme (Q) und Druck (p) miteinander ver­bunden sind [Merkmal C]."

Die Merkmalsbezeichnung [Merkmale A bis C] wurde von der Kammer hinzugefügt.

Die übrigen Anträge sind für die vorliegende Ent­schei­dung nicht relevant.

V. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die in D5 Spalte 2, Zeilen 32 bis 58 als Stand der Technik beschriebene Ganzglasecke mit jeweils mindestens zwei Glasscheiben aufweisenden Glasteilen stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar und umfasse alle Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1.

Das Merkmal A sei aus Spalte 2 Zeilen 49 bis 56 zu entnehmen. Dort werde nämlich eine rahmenlose Eck­anordnung beschrieben, bei der jeweils die Kante einer Glasscheibe mit der Kante einer anderen Glasscheibe verklebt werde. Dies führe zwingend dazu, dass zwischen der von einem Scheibenpaar und der vom zweiten Scheiben­paar gebildeten Ecken ein durch­gehender mit Gas be­füllter Scheibenzwischenraum im Sinne des Merkmals A entstehe.

Somit unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der in D5 offenbarten Ganzglasecke lediglich durch die kennzeichnenden Merkmale B und C. Die Stoßenden auf Gehrung auszu­führen und sie dann mittels eines Klebers zu verbinden sei jedoch naheliegend und z. Bsp. aus E17, in Figur 7.26 (c) bekannt, so dass das Merkmal B keine erfinde­rische Tätigkeit begründen könne. Ferner um­fassten die in Merkmal C angegebenen Kleber fast das gesamte Spektrum der gängigen Klebstoffe, so dass sie keine spezifische technische Aufgabe lösten und ihre Wahl willkürlich und ebenfalls naheliegend sei.

Folglich beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Grundsätzlich könne D5 nicht dazu anregen, eine Ganz­glasecke entsprechend Anspruch 1 zu gestal­ten. D5 löse nämlich durch das Biegen ein­stückiger Glas­scheiben die Aufgabe eine höhere Durch­sichtigkeit zu erzielen und nicht wie im Streitpatent durch das Vorsehen rahmen­loser Ecken. In dem von der Beschwerdeführerin zitierten Absatz der D5 werde lediglich ein vor der D5 bekannter, nach­teiliger Stand der Technik beschrieben. D5 rate dem Fachmann sogar davon ab, eine dort beschriebene Ganz­glasecke vorzusehen, weil die gängigen Dicht­stoffe wie z. Bsp. Butyl-Kautschuk nicht lange der Sonnen­ein­strahlung standhalten könnten (siehe Spalte 2, Zeilen 56 bis 58).

Außerdem könne man aus Spalte 2 der D5 nicht klar und ein­deutig entnehmen, dass - wie von Merkmal A verlangt - die Glasscheiben so zusammengeführt werden, dass ein durchgehender mit Gas befüllter Scheibenzwischenraum gebildet werde. Eine solche Lösung werde auch von keiner der übrigen genannten Entgegenhaltungen be­schrieben oder nahe­gelegt.

Folglich beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 sehr wohl auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 D5 beschreibt in Spalte 2, Zeilen 32 bis 58 unstreitig eine Ganzglasecke aus Isolierglas mit zwei in einem Winkel unter Ausbildung einer Eck­anordnung zusammen­gestoßenen Isolierglasteilen, die jeweils mindestens zwei Glasscheiben aufweisen, die mittels Abstands­halter­teilen unter Ausbildung eines mit einem Gas befüllten Scheiben­zwischenraumes verbunden sind.

2.2 Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass dort auch das Merkmal A offenbart sei. Durch das in Zeilen 52 bis 56 beschriebene Zusammenfügen jeweils zweier Scheiben­kanten entstehe nämlich, wie vom Merkmal A verlangt, zwingend ein durchgehender mit Gas befüllten Scheiben­zwischenraum.

2.3 Um zu beurteilen, ob das Merkmal A in der Tat von D5 offenbart ist, muss zunächst interpretiert werden, was unter einem durchgehenden mit Gas befüllten Scheiben­zwischenraum im Bereich der Stoßenden zu verstehen ist. Aus der Beschreibung, insbesondere aus Absatz [0029] und der Figur 2, ist zu entnehmen, dass damit offen­sichtlich ein Zwischenraum (12a, 12b) definiert wird, der offen mit den Zwischenräumen der Glasscheiben (6a, 8a, 6b, 8b) verbunden ist. Im Gegensatz hierzu zeigt z. Bsp. D15 eine Eckanordnung für Isolier­glas­elemente, bei der aufgrund der Abstandshalter (5, 51) und Klebeverbindungen (8, 81) kein durchgehender, sondern ein abgeschlossener Scheibenzwischenraum im Eckbereich vorliegt.

2.4 Im Hinblick auf diese Interpretation muss beurteilt werden, was unmittelbar und eineutig in Spalte 2 Zeilen 32 bis 58 der D5 offenbart ist. Diese Text­passage ist eine kurze Beschreibung des Stands der Technik, von dem ausgehend in der dortigen Patent­anmeldung die Aufgabe gelöst werden sollte, die Durchsichtigkeit der Ecke zu verbessern.

Es wird eine Glasecke beschrieben, ähnlich wie sie in der dortigen Figur 11 gezeigt ist, bei der die Enden der Glasplatten, die die Isolier­scheibe bilden, über Ab­stands­halter, Kleber und Dichtstoffe in der ge­wünschten relativen Position zueinander gehalten werden. Jede Isolier­scheibe ist in einer Seite eines Rahmens gesteckt, der die un­durchsichtige Ecke der Eck­anordnung darstellt.

Diese Text­stelle beschreibt ferner, dass es im Prinzip möglich wäre durch das Weg­lassen des Rahmens und das Verkleben der Scheiben­enden die Eckanordnung durch­sichtiger zu gestalten. Jedoch wird nicht detailliert beschrieben, wie die Enden der Scheiben miteinander verklebt werden. Insbesondere wird keine Aussage darüber getroffen, ob bei diesem Umbau die an den Enden der jeweiligen Isolier­glas­teile befindlichen Abstands­halter, Klebe- und Dicht­mittel beibehalten oder entfernt werden.

Da aber nur im zweiten Fall beim Verkleben der beiden Isolier­glas­teile eine Ganzglasecke mit einem durch­gehend mit Gas befüll­ten Scheiben­zwischen­raum gemäß Merkmal A gegeben wäre, offenbart die von der Be­schwerdeführerin genannten Text­passage das Merkmal A nicht unmittelbar und eindeutig.

2.5 Von D5 ausgehend kann das Vorsehen des Merkmals A auch nicht als naheliegend angesehen werden, da D5 selbst zum Vermeiden der in den Zeilen 56 bis 58 beschriebenen Nachteile des vorangehend genannten Standes der Technik (kurze Lebensdauer einer rahmenlosen Glasecke) den Ein­satz gekrümmter Scheiben vorschlägt. Für den Fachmann gibt es daher von dem in D5 offenbarten Stand der Technik ausgehend keinen Grund, eine Glasecke vor­zu­sehen, bei der die Glasteile derart zusammengestoßen sind, dass sie im Eckbereich einen durchgehenden Scheiben­zwischen­raum bilden

Da somit bereits das Vorsehen des Merkmals A auf einer erfinde­rischen Tätigkeit beruht, kann dahingestellt bleiben, ob die Merkmale B und C z. Bsp. durch D17 nahe­gelegt werden oder nicht.

2.6 Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinde­rischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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