European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T008213.20150611 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 Juni 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0082/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04017509.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | E01F 7/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Unterstützende Energieabsorbierungsstruktur | ||||||||
Name des Anmelders: | Trumer Schutzbauten GesmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Geobrugg AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Änderungen - zulässig (ja) Ausreichende Offenbarung - neuer Einspruchsgrund (ja) zulässig (nein) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) Rechtliches Gehör - Verletzung (nein) Zurückverweisung an die erste Instanz - (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 1 500 747 (im Folgenden: Patent) betrifft eine flexible Schutzverbauung gegen Steinschlag, Holzschlag, Lawinen oder Ähnliches.
II. Gegen das Patent im gesamten Umfang wurde Einspruch eingelegt. Der Einspruch war auf die Gründe der Artikel 100 c) und b) EPÜ sowie auf zwei Gründe des Artikels 100 a) EPÜ gestützt, nämlich mangelnde Neuheit im Hinblick auf eine Druckschrift (D1) und zwei offenkundige Vorbenutzungen, nachfolgend "Artigiana" und "UMM" genannt, sowie mangelnde erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf die D1.
III. Die Einspruchsabteilung kam im Wesentlichen zu folgenden Feststellungen:
- der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ sei schriftlich nicht substantiiert worden und mithin unzulässig;
- die Vorbenutzungen "Artigiana" und "UMM" seien weder entscheidungsrelevant noch ausreichend substantiiert und bewiesen und gehören deshalb nicht zum Stand der Technik;
- die im Zusammenhang mit der Vorbenutzung "UMM" spät vorgelegte Druckschrift D2 sei prima facie relevant und deshalb ins Verfahren eingeführt;
- die weiteren, im Zusammenhang mit den Vorbenutzungen vorgelegten Dokumente gehören nicht zum Stand der Technik.
Die Einspruchsabteilung entschied, dass das Patent in geänderter Fassung den Erfordernissen des EPÜ genüge (Artikel 101 (3) a) EPÜ).
IV. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdeführerin) mit ihrer Beschwerde.
V. In der als Anlage der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mit.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 11. Juni 2015 statt.
VII. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
VIII. Ansprüche:
Der unabhängige Anspruch 1 ist auf den folgenden Gegenstand gerichtet (Einfügungen gegenüber dem Anspruch 1 in der erteilten Fassung sind fett gedruckt, Auslassungen durchgestrichen; die Merkmalsgliederung wurde in der angefochtenen Entscheidung und von beiden Beteiligten verwendet):
1A) Flexible Schutzverbauung gegen Steinschlag, Holzschlag, Lawinen oder ähnlichem mit einer unterstützenden Energieabsorbierungsstruktur [deleted: für flexible Schutzverbauungen gegen Steinschlag, Holzschlag, Lawinen oder ähnlichem,]
1B) mit einer Abfangstruktur (1), die eine Geflechtsauflage enthält;
1C) mit einer Stützstruktur (10), die mittels einer Verbindungsstruktur (2, 3) mit der Abfangstruktur (1) verbunden ist, und
1D) mit Energieabsorbierungselementen (8),
[deleted: dadurch gekennzeichnet, ]
1E) [deleted: dass] wobei eine Verbindungselementestruktur (7; 7', 7'', 7'''), die über die gesamte Verbaulänge der Schutzverbauung, außer in Bereichen einer Führung über die Stützstruktur (10), mit der Abfangstruktur (1) und/oder deren Geflechtsauflage verbunden ist, und
1F) [deleted: dass] wobei die Energieabsorbierungselemente (8) die Verbindungselementestruktur (7; 7', 7'', 7''') im Bereich ihrer [deleted: Befestigung] Führung an der Stützstruktur (10) durch Schäkel, Führungssattel oder ähnlichem und/oder im Bereich ihrer Befestigung im Untergrund dadurch unterstützen,
1G) dass die [deleted: Befestigung] Führung der Verbindungselementestruktur (7; 7', 7'', 7''') an Elementen der Stützstruktur (10) bzw. die Befestigung der Verbindungselementestruktur (7; 7', 7'', 7''') im Untergrund durch Felsanker (9) oder ähnlichem über die Energieabsorbierungselemente (8) erfolgt, die herkömmlicher Bauart sein können und, wenn nötig, in Serie oder parallel geschaltet sein können.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 betreffen besondere Ausführungsformen der Schutzverbauung gemäß Anspruch 1.
IX. Beweismittel
a) In ihrer Beschwerdebegründung nahm die Beschwerdeführerin auf folgende, in der angefochtenen Entscheidung genannten Druckschriften Bezug:
D1: DE 203 00 821 U1
D2: IT 1146501 A
b) In ihrer Beschwerdebegründung verwies die Beschwerdeführerin ebenfalls auf alle bereits im Zuge des Einspruchsverfahrens eingereichten Beweismittel zur Stützung der Vorbenutzungen "Artigiana" und "UMM", und dabei insbesondere auf das folgende Dokument:
D3: Auszug aus einem Prospekt der Artigiana Costruzioni s.r.l. in italienischer Sprache (Seite 1); Zeichnung "Barriera elastoplastica AC 1500/EP" der Artigiana Costruzioni s.r.l. (Seiten 2 und 3); Auszug aus einem Prospekt der Utensilerie Meccaniche Milanesi (kurz "UMM") S.p.A. in italienischer Sprache (Seiten 4 bis 8); alle undatiert
Zum Beweis der Vorbenutzungen bot die Beschwerdeführerin abermals Herrn P. Orgnoni als Zeugen an.
c) Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2015 reichte die Beschwerdeführerin folgende Druckschrift erstmalig ein:
D4: US 5 299 781 A
X. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
a) Auslegung des Anspruchs 1
Vorbringen der Beschwerdeführerin:
Aus dem Wortlaut der Merkmale (1F) und (1G) des Anspruchs 1 ergebe sich, dass die Verbindungselementestruktur an der Stützstruktur durch Schäkel, Führungssattel o. Ä. geführt und/oder im Untergrund durch Felsanker o. Ä. befestigt sei. Aufgrund der Formulierung "und/oder" seien drei alternativen Ausführungsformen definiert, nämlich:
i) die Verbindungselementestruktur ist an der Stützstruktur durch Schäkel, Führungssattel o. Ä. geführt;
ii) die Verbindungselementestruktur ist im Untergrund durch Felsanker o. Ä. befestigt; und
iii) die Verbindungselementestruktur ist sowohl an der Stützstruktur durch Schäkel, Führungssattel o. Ä. geführt als auch im Untergrund durch Felsanker o. Ä. befestigt.
Vorbringen der Beschwerdegegnerin:
Es sei aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 eindeutig, dass nur die von der Beschwerdeführerin genannte Ausführungsform (iii) beansprucht sei und dass die Formulierung "und/oder" im Merkmal (1F) sich nur auf die Anordnung der Energieabsorbierungselemente beziehe, welche die Verbindungselementestruktur hinsichtlich ihrer Führung an der Stützstruktur und/oder hinsichtlich ihrer Befestigung im Untergrund unterstützen. Dieses Verständnis entspreche der Lehre im Absatz 23 der Beschreibung und in den Figuren 1 und 2.
b) Artikel 123 (2) EPÜ
Vorbringen der Beschwerdeführerin:
Im Anspruch 1 sei der Begriff "Befestigung" jeweils durch den Begriff "Führung" ersetzt worden, der eine andere technische Bedeutung habe und ursprünglich nicht offenbart worden sei. Demnach sei diese Änderung nach Artikel 123 (2) EPÜ unzulässig.
Außerdem könne die Ausführungsform (iii) (siehe Punkt X a) oben) den Anmeldungsunterlagen in der ursprünglichen Fassung nicht entnommen werden. Insbesondere sei dort nicht offenbart worden, dass bei dieser Ausführungsform die Führung der Verbindungs-elementestruktur über Energieabsorbierungselemente erfolge, wie die Merkmale (1F) und (1G) nun verlangen.
Vorbringen der Beschwerdegegnerin:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart worden, siehe die Ansprüche 1, 3, 7 bis 10 und die Lehre auf Seite 3, Zeile 4 bis Seite 4, Zeile 11, auf Seite 7, Absatz 4 auf Seite 9, Absatz 3 mit den Figuren 1 und 2.
c) Artikel 123 (3) EPÜ
Vorbringen der Beschwerdeführerin:
Im erteilten Anspruch 1 sei eine "Befestigung" der Verbindungselementestruktur an der Stützstruktur zwingend erforderlich. Aufgrund des Ersetzens des Begriffs "Befestigung" durch "Führung" fordere der geänderte Anspruch 1 dagegen lediglich, dass die Verbindungselementestruktur an der Stützstruktur geführt sei, ohne befestigt zu sein. Somit sei der Schutzbereich erweitert worden. Insbesondere erfasse der geänderte Anspruch 1 die Ausführungsform (i), welche im Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 nicht enthalten sei. Diese Änderung sei deshalb nach Artikel 123 (3) EPÜ unzulässig.
Vorbringen der Beschwerdegegnerin:
Mit den vorgenommenen Änderungen sei der Schutzbereich auf eine besondere Ausführungsform beschränkt worden, die in den erteilten Ansprüchen 1, 6 bis 8 beansprucht und in den Absätzen 8, 9 und 23 und den Figuren 1 und 2 der Patentschrift offenbart sei.
d) Artikel 83 EPÜ
Vorbringen der Beschwerdeführerin:
Der geänderte Anspruch 1 erfülle die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht, weil in der Patentschrift unzurecheichend offenbart sei,
- wie die Verbindungselementestruktur an der Stützstruktur mit der Abfangstruktur bzw. deren Geflechtsauflage nicht verbunden werden solle, wie das Merkmal (1E) des Anspruchs 1 verlangt;
- wie die Führung der Verbindungselementestruktur an der Stützstruktur durch Schäkel, Führungssattel o. Ä. über Energieabsorbierungselemente erfolgen solle, wie die Merkmale (1F) und (1G) für die Ausführungsformen (i) und (iii) verlangen.
Diese Einwände nach Artikel 83 EPÜ seien zulässig, nachdem der vorliegende Anspruch 1 gegenüber dem erteilten Anspruch 1 geändert wurde.
Vorbringen der Beschwerdegegnerin:
Diese Einwände nach Artikel 83 EPÜ hätten bereits gegen die Patentschrift erhoben werden können, siehe Ansprüche 3 und 6 bis 8 und die Lehre in den Absätzen 7 bis 9 und 23 der Patentschrift, und seien offensichtlich nicht durch die im Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen veranlasst. Demnach stellen sie einen Versuch dar, einen neuen Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ einzuführen. Dieser Einspruchsgrund sei aber nicht zu berücksichtigen.
Darüber hinaus sei in der Patentschrift ausreichend offenbart, wie die Merkmale (1E), (1F) und (1G) verwirklicht werden können (siehe insbesondere die Absätze 7 und 23 mit den Figuren 1 und 2 und den Anspruch 3).
e) Neuheit
Vorbringen der Beschwerdeführerin:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei durch die Schutzverbauungen vorweggenommen, die in der D1 (Figur 2), D2 (Figur 6) bzw. D4 (Figur 10) offenbart seien.
Die in der Figur 2 der D1 dargestellte Verbauungsvorrichtung für Wildbäche könne als Schutzverbauung gegen Steinschlag, Holzschlag bzw. Lawinen dienen. Sie umfasse eine Abfangstruktur (Auffangnetz 10') mit einer Geflechtsauflage (siehe feinmaschigeres Sekundärnetz auf Seite 7, Zeilen 6 und 7), eine Stützstruktur (Stützen 30 und 31), eine Verbindungsstruktur (unteres Tragseil 12' und oberes Tragseil 20'), Energieabsorbierungselemente (Bremselemente 27) und eine Verbindungselementestruktur (Tragseil 14') im Sinne des Anspruchs 1. In der Figur 2 sei ersichtlich, dass das Tragseil 14' über die gesamte Verbaulänge, außer im Bereich ihrer Führung über die Stütze 30 bzw. 31, mit dem Auffangnetz 10' verbunden sei (Merkmal (1E)). Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass in der mittleren Zone A die Tragseile 14' und 20' sich parallel erstrecken und bevorzugt innerhalb eines gemeinsamen Schutzrohres befinden und dass nach dem Lösen des oberen Tragseils 20' das Auffangnetz 10' allein durch das Tragseil 14' gehalten werde (siehe Seite 6, Zeile 25 bis Seite 7, Zeile 3). Bremselemente 27 seien sowohl im Bereich der Führung des Tragseils 14' an den Stützen 30 und 31 als auch im Bereich der Befestigung des Tragseils 14' im Untergrund durch Felsanker 15' vorgesehen (Merkmale (1F) und (1G)).
In der Figur 6 der D2 sei eine flexible Sperre gegen Steinschlag offenbart, mit einer Abfangstruktur (Netz e), einer Stützstruktur (Stützen a), einer Verbindungsstruktur (unterstes Tragseil d und oberstes Tragseil d), Energieabsorbierungselementen (Feder c) und einer Verbindungselementestruktur (Mittelseile d) im Sinne des Anspruchs 1. Es sei implizit offenbart, dass die Mittelseile über die gesamte Länge der Sperre, außer in Bereichen ihrer Führung über die Stützen, mit dem Netz verbunden seien (Merkmal (1E)). Im Übrigen würden das Netz und die Mittelseile beim Aufprall eines Felsblocks zwangsläufig in Kontakt treten und mithin eine Verbindung eingehen. Es sei auch implizit offenbart, dass die Mittelseile wie die Zugseile f im Untergrund durch Felsanker g befestigt seien (Abbildung oben rechts). In der Figur 6 sei erkennbar (Abbildung unten links), dass die Mittelseile an den Stützen nicht mit dem Netz verbunden, sondern geführt seien, wobei das Ende jedes Mittelseils durch eine Öse geführt sei, welche über die Feder c und die Rohrschelle b mit der Stütze verbunden sei.
Die D4 offenbare einen flexiblen Zaun der beanspruchten Gattung, umfassend eine Abfangstruktur (grobes Netz 12) mit einer Geflechtsauflage (feines Netz 12'), eine Stützstruktur (Mittelpfosten P und Endpfosten P'), eine Verbindungsstruktur (unteres Tragseil 20 und oberes Tragseil 18), Energieabsorbierungselemente (flexible Verbindungen J und J') und eine Verbindungselementestruktur (Mittelseile 14 und 16) im Sinne des Anspruchs 1. Es sei implizit offenbart, dass die Mittelseile 14 und 16 über die gesamte Länge des Zaunes, außer in Bereichen ihrer Führung über die Pfosten, mit dem Netz 12 verbunden seien (Merkmal (1E)). Auch würden das Netz 12 und die Mittelseile 14 und 16 beim Aufprall eines Felsblocks zwangsweise eine Verbindung eingehen. Das Mittelseil 14 sei am oberen Abschnitt des Endpfostens P' befestigt, der über die flexible Verbindung J' im Untergrund befestigt sei. Die Befestigung des Mittelseils 14 im Untergrund erfolge mithin über den Endpfosten P' und das Energieabsorbierungselement J' (Merkmale (1F) und (1G)). Das Mittelseil 14' sei um den unteren Abschnitt des benachbarten Mittelpfostens P geführt, unterhalb der flexiblen Verbindung J dieses Pfostens. Die Führung des Mittelseils 14 am Mittelpfosten P erfolge mithin über das Energieabsorbierungselement J (Merkmale (1F) und (1G)).
Vorbringen der Beschwerdegegnerin:
Die in der D1 (Figur 2), D2 (Figur 6) und D4 (Figur 10) offenbarten Schutzverbauungen offenbaren keines der Merkmale (1E) bis (1G) des Anspruchs 1.
Die Stützen 30 und 31 in der Figur 2 der D1 verwirklichen nicht die "Stützstruktur" des Anspruchs, weil die Stützen 30 und 31 ausschließlich dem Zweck einer Doppelseilführung in der mittleren Zone A dienen und die Funktion einer Stützstruktur alleine von den Randseilen 25 erfüllt werde. Die Seile 12' und 20' stellen jeweils den Rand des Netzes 10' dar und dürfen also nicht als "Verbindungsstruktur" angesehen werden. Das Seil 14' stelle keine anspruchsgemäße Verbindungselementestruktur dar, da sie weder mit dem Auffangnetz 10' verbunden noch an der Stützstruktur durch Schäkel, Sattel o. Ä. geführt sei. Auch sei weder explizit noch implizit offenbart, dass in der Zone A das Seil 14' mit dem Auffangnetz 10' verbunden sei. Dort seien die Seile 14' und 20' bevorzugt in zwei getrennten Schutzrohren geschützt. Schließlich sei auf Seite 6 bzw. 7 lediglich offenbart, dass zu Räumungszwecken das obere Seil 20' seitlich gelöst werde und dann das Auffangnetz 10' in den Uferzonen B und C nach vorne geklappt werde. Dies erfordere keine Verbindung des Seiles 14' mit dem Auffangnetz 10', denn das Netz 10' könne einfach über das Seil 14' hängen.
Die Sperre in der Figur 6 der D2 umfasse Mittelseile d, die jeweils zwischen zwei Stützen a verspannt seien, wobei die Enden der Mittelseile an den Stützen mittels Rohrschellen b und Federn c befestigt seien. Der D2 könne nicht entnommen werden, dass Mittelseile vorhanden seien, die im Untergrund befestigt seien, selbst wenn Rückhalteseile f dargestellt seien, die zwischen den Stützköpfen und dem Untergrund verspannt und dort durch Felsanker g befestigt seien. Zudem sei nicht offenbart, dass die Mittelseile mit dem Netz verbunden seien. Die Mittelseile stellen mithin keine erfindungsgemäße Verbindungselementestruktur dar, die sich über die gesamte Verbaulänge der Schutzverbauung erstrecke, an Elementen der Stützstruktur durch Schäkel, Führungssattel o. Ä. geführt und gleichzeitig im Untergrund durch Felsanker o. dgl. befestigt sei. Auch sei keine Geflechtsauflage offenbart.
In der Figur 10 der D4 sei das Seil 14 bzw. 16 weder an den Pfosten durch Schäkel, Führungssattel o. Ä. geführt, noch mit dem Netz 12 bzw. 12' verbunden, noch im Untergrund durch Felsanker o. Ä. befestigt. Die Seile 14 und 16 seien vom Netz 12 beabstandet (siehe Figur 5) und jeweils an den Pfosten festgeklemmt, d.h. befestigt (siehe Figuren 5, 7, 9 und 10).
f) Erfinderische Tätigkeit
Vorbringen der Beschwerdeführerin:
Sollte entschieden werden, dass die Sperre der D2 nicht neuheitsschädlich sei, so stellte sie den nächstliegenden Stand der Technik dar. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich davon lediglich dadurch, dass das Netz eine Geflechtsauflage enthalte (Merkmal (1B)) und dass die Mittelseile über die gesamte Länge der Sperre mit dem Netz verbunden seien, außer in den Bereichen der Führung der Mittelseile über die Stützen (Merkmal (1E)). Da zwischen diesen Unterscheidungsmerkmalen kein synergetischer Zusammenhang bestehe, sei eine voneinander unabhängige Erörterung der erfinderischen Tätigkeit möglich. Das Vorsehen einer Geflechtsauflage sei eine naheliegende, fachübliche Maßnahme, um kleine Steine im unteren Bereich der Sperre aufzufangen (siehe u.a. das feine untere Netz 12' in der D4). Um eine sichere Einleitung der auf das Netz einwirkenden Lasten in die Stützen zu gewährleisten, zöge der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens eine Verbindung der Mittelseile mit dem Netz über die gesamte Länge der Sperre in Erwägung, außer in den Bereichen der Führung der Mittelseile über die Stützen. Diese Lösung sei auf dem Gebiet der Maschendrahtzäune für Gärten hinlänglich bekannt. So gelangte der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zu beiden Unterscheidungsmerkmalen. Folglich beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Lichte der D2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, gegebenenfalls in Kombination mit der D4.
Sollte entschieden werden, dass der Anspruch 1 zwingend verlange, dass die Verbindungselementestruktur, d.h. die Mittelseile der D2, im Untergrund durch Felsanker o. Ä. befestigt ist/sind, stellte dieses zusätzliche Merkmal lediglich eine weitere naheliegende Maßnahme dar, um die Einleitung der Lasten in die Stützen zu verbessern. So sei in der Figur 6 der D2 die fachübliche Befestigung von Rückhalteseilen f im Untergrund durch Felsanker g offenbart. Da dieses zusätzliche Merkmal mit den vorgenannten Unterscheidungsmerkmalen keinen synergetischen Effekt ergäbe, könnte es das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.
Vorbringen der Beschwerdegegnerin:
Der beanspruchte Gegenstand unterscheide sich von der D2 im Wesentlichen dadurch, dass die Mittelseile an Stützen durch Schäkel, Führungssattel o. Ä geführt und gleichzeitig im Untergrund durch Felsanker o. Ä. befestigt seien, dass die Mittelseile über die gesamte Länge der Sperre, außer in Bereichen ihrer Führung über die Stützen, mit dem Netz verbunden seien, und dass die Führung der Mittelseile an den Stützen und/oder die Befestigung der Mittelseile im Untergrund über die Energieabsorbierungselemente erfolge/erfolgen. All diese Unterscheidungsmerkmale wirken dahingehend zusammen, dass gegenüber der D2 die Aufprallenergie besser abgebaut werden könne. Ausgehend von der D2 liege die objektive Aufgabe deshalb darin, einen effizienteren Energieabbau zu ermöglichen. Ein mit dieser Aufgabe befasster Fachmann gelangte, unter Berücksichtigung des entgegengehaltenen Standes der Technik und seiner Fachkenntnisse, nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Lösung.
g) Vorbenutzungen "Artigiana" und "UMM"
Vorbringen der Beschwerdeführerin:
Die Vorbenutzungen "Artigiana" und "UMM" stellen jeweils einen Stand der Technik dar, der aufgrund seiner hoher Relevanz zu berücksichtigen sei. Insbesondere komme die in D3 dargestellte Schutzverbauung "Artigiana" der beanspruchten Erfindung näher als die D2, weil sie zusätzlich zu den bereits in der D2 (Figur 6) offenbarten Merkmalen des Anspruchs 1 sowohl eine Geflechtsauflage in Form eines feinmaschigen Sekundärnetzes (Seite 1 von D3) als auch die Befestigung zweier Mittelseile im Untergrund durch Felsanker offenbare (Seite 3 von D3). Die in D3 dargestellte Schutzverbauung "UMM" offenbare zusätzlich eine Führung der Mittelseile an den Stützen über Führungselemente (Seite 8 von D3).
Die Einspruchsabteilung habe die Vorbenutzung "Artigiana" völlig ungerechtfertigt ohne Beurteilung abgewiesen, obwohl die Umstände dieser Vorbenutzung mit den mit der Einspruchsschrift vorgelegten Beweismitteln belegt worden seien. Nachdem die Einspruchsabteilung diesen Stand der Technik in ihrer vorläufigen Stellungnahme ohne Beurteilung abgewiesen habe, sei mit der Erwiderung von 15. April 2012 eine Erklärung des Herrn Orgnoni eingereicht worden. Zudem wurde mitgeteilt, dass Herr Orgnoni als Zeuge geladen werden könne. Während der mündlichen Verhandlung habe der Vorsitzende der Einspruchsabteilung aber völlig überraschend ausgesagt, dass die Beschwerdeführerin keinen Zeugen benannt hätte. Die Einspruchsabteilung habe offensichtlich dieses Beweisangebot nicht beachtet. Dies werde noch dadurch bestätigt, dass in der Entscheidung behauptet werde, die Beschwerdeführerin habe nicht dargelegt, welche Merkmale der erteilten Ansprüche aus D3 zu entnehmen seien, obwohl in der Erwiderung von 15. April 2012 für jedes Merkmal des Anspruchs 1 aufgezeigt worden sei, wo dieses Merkmal sich im vorbenutzten Gegenstand finden lasse.
Damit sei der Beschwerdeführerin ihr rechtliches Gehör nach Artikel 113 (1) EPÜ zur Vorbenutzung "Artigiana" versagt worden. Wegen dieses wesentlichen Verfahrensmangels müsse die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung der Vorbenutzung zurückverwiesen werden.
Vorbringen der Beschwerdegegnerin:
Es wird weiterhin bestritten, dass die Vorbenutzungen "Artigiana" und "UMM" und der Inhalt von D3 einen zu berücksichtigenden Stand der Technik darstellen. Die Einspruchsabteilung habe eingehend erörtert, dass und warum der Gegenstand und die Umstände dieser Vorbenutzungen nicht ausreichend substantiiert seien. Diese Bedenken werden geteilt.
Es könne keine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Einspruchsverfahren erkannt werden, denn die Beschwerdeführerin habe sowohl schriftlich als auch mündlich ausreichend Gelegenheit erhalten, sich zu diesen Fragen zu äußern.
Entscheidungsgründe
1. Auslegung des Anspruchs 1
1.1 Der Anspruch 1 wendet sich an einen auf dem Gebiet der flexiblen Schutzverbauungen gegen Lawinen, Stein- oder Holzschlägen tätigen Fachmann, d.h. an einen Ingenieur, der mit der Planung und Konstruktion solcher Verbauungen zum Auffangen von großen Massen und hohen kinetischen Energien beschäftigt ist.
1.2 Der Fachmann kennt die im Anspruch 1 verwendeten fachüblichen Begriffe "Abfangstruktur", "Stützstruktur", "Verbindungsstruktur" und "Energieabsorbierungselemente", welche die verschiedenen Hauptkomponenten flexibler Schutzverbauungen bezeichnen und meistens ein Auffangnetz, Stahlstützen, straff gespannte Stahlseile wie Trag-, Rückhalte-, Abspannseile u. dgl. und Bremselemente bedeuten. Einzig der Begriff "Verbindungselementestruktur" als solche ist dem Fachmann nicht ohne weiteres geläufig. Die Verbindungselementestruktur wird mittels der Merkmale (1E) bis (1G) definiert.
1.3 Es ist zwischen den Beteiligten streitig, wie die Merkmale (1F) und (1G) des Anspruchs 1 zu verstehen sind.
1.4 Diese strittigen Merkmale sind im Gesamtzusammenhang des Anspruchs 1 unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens zu lesen. Deshalb ist für den Fachmann beim Lesen der Merkmale (1E) bis (1G) implizit, dass die darin verwendeten Begriffe "Befestigung" und "Führung" nicht gleichbedeutend sind: eine "Befestigung" bedeutet eine feste Verbindung mit Freiheitsgrad 0; eine "Führung" dagegen bedeutet eine bewegliche Verbindung mit Freiheitsgrad 1, die senkrecht zu den Relativbewegungen Kräfte bzw. Momente aufnehmen kann.
1.5 "Führung" der Verbindungselementestruktur
Der Anspruch 1 verlangt, dass die Verbindungselementestruktur "über die gesamte Verbaulänge der Schutzverbauung ... mit der Abfangstruktur und/oder deren Geflechtsauflage verbunden ist", "außer in Bereichen einer Führung über die Stützstruktur" (Merkmal (1E)) und dass diese Führung "durch Schäkel, Führungssattel oder ähnlichem" (Merkmal (1F)) "an Elementen der Stützstruktur" erfolgt (Merkmal (1G)). Daraus ergibt sich, dass die Verbindungselementestruktur sich über die gesamte Verbaulänge der Schutzverbauung, inklusive der Stützstruktur, erstreckt und an Elementen der Stützstruktur jeweils nicht befestigt, sondern durch Führungselemente lediglich geführt ist. Dieses technische Verständnis wird in der Patentschrift bestätigt (siehe Absatz 23 mit Figuren 1 und 2).
1.6 "Befestigung" der Verbindungselementestruktur
Der Anspruch 1 verlangt, dass "die Energie-absorbierungselemente die Verbindungselementestruktur im Bereich ihrer Führung an der Stützstruktur ... und/oder im Bereich ihrer Befestigung im Untergrund dadurch unterstützen" (Merkmal (1F)), "dass die Führung der Verbindungselementestruktur an Elementen der Stützstruktur bzw. die Befestigung der Verbindungs-elementestruktur ... im Untergrund durch Felsanker oder ähnlichem über die Energieabsorbierungselemente erfolgt" (Merkmal 1G).
1.7 Aufgrund der Verwendung des Personalpronomens "ihrer" in den Ausdrücken "ihrer Führung" und "ihrer Befestigung" im Merkmal (1F) ist für einen Leser dieses Merkmals im Zusammenhang mit den Merkmalen (1E) und (1G) eindeutig, dass die Verbindungselementestruktur an Elementen der Stützstruktur durch Schäkel, Führungs-sattel o. Ä. geführt ist und gleichzeitig im Untergrund durch Felsanker o. Ä. befestigt ist und dass der Ausdruck "und/oder" im Merkmal (1F) nur die Anordnung der Energieabsorbierungselemente betrifft, nämlich, dass sie im Bereich der Führung der Verbindungs-elementestruktur an der Stützstruktur und/oder im Bereich ihrer Befestigung im Untergrund angeordnet sind. Auch dieses technische Verständnis wird in der Patentschrift bestätigt (siehe Absatz 23 mit Figuren 1 und 2).
1.8 Die Kammer teilt also nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin und der Einspruchsabteilung, dass wegen des Ausdrucks "und/oder" im Merkmal (1F) der Anspruch 1 zwei weiteren Ausführungsformen (i) und (ii) definiere, bei welchen die Verbindungselementestruktur i) lediglich an der Stützstruktur geführt, oder alternativ, ii) lediglich im Untergrund befestigt sei. Im Übrigen führte eine solche Interpretation zu einem internen Widerspruch im Anspruch 1: bei der angeblichen Ausführungsform (ii) wäre die Verbindungselemente-struktur nicht an der Stützstruktur geführt und mithin ergäbe die Angabe zu ihrer Führung im Merkmal (1E) keinen Sinn.
1.9 Somit kommt die Kammer zu dem Schluss, dass im Kontext des Anspruchs 1 die Kombination der Merkmale (1E), (1F) und (1G) so zu verstehen ist:
- dass die Verbindungselementestruktur über Elemente der Stützstruktur durch Schäkel, Führungssattel o. Ä. geführt und gleichzeitig im Untergrund durch Felsanker o. Ä. befestigt ist,
- dass die Verbindungselementestruktur über die gesamte Verbaulänge der Schutzverbauung, außer in Bereichen ihrer Führung über Elemente der Stützstruktur, mit der Abfangstruktur und/oder deren Geflechtsauflage verbunden ist, und
- dass die Führung der Verbindungselementestruktur an Elementen der Stützstruktur und/oder die Befestigung der Verbindungselementestruktur im Untergrund über die Energieabsorbierungselemente erfolgt/erfolgen.
2. Artikel 123 (2) EPÜ
2.1 Nach Artikel 123 (2) EPÜ darf das Patent nicht in der Weise geändert werden, dass sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
2.2 Der Anspruch 1 in der erteilten Fassung resultiert im Wesentlichen aus einer Zusammenlegung der Merkmale der Ansprüche 1, 3 und 10 in der ursprünglich eingereichten Fassung, wobei das Merkmal weggelassen wurde, dass die Verbindung der Verbindungselementestruktur mit der Abfangstruktur und/oder deren Geflechtsauflage "über eine gesamte Feldlänge bzw. Felder, vorzugsweise bis hin zur gesamten Verbaulänge der Schutzverbauung, außer in Bereichen einer notwendigen Führung über die Stützstruktur" erfolgt.
2.3 Der geänderte Anspruch 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 in der erteilten Fassung dadurch, dass der erteilte Anspruch 1 für eine "Energieabsorbierungs-struktur für flexible Schutzverbauungen" in einen Anspruch für eine "flexible Schutzverbauung" mit einer Energieabsorbierungsstruktur umgewandelt wurde. Zusätzlich ist die Schutzverbauung dahingehend beschränkt worden, dass die Verbindung der Verbindungselementestruktur mit der Abfangstruktur und/oder deren Geflechtsauflage "über die gesamte Verbaulänge der Schutzverbauung, außer in Bereichen einer notwendigen Führung über die Stützstruktur", dass die Verbindungselementestruktur über Elemente der Stützstruktur durch Schäkel, Führungssattel o. Ä. geführt und gleichzeitig im Untergrund durch Felsanker o. Ä. befestigt ist und dass diese Führung und/oder diese Befestigung über die Energieabsorbierungselemente erfolgt (siehe Punkt 1.9 oben). Diese Änderungen sind durch die Offenbarung in den ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 7 bis 9 und in der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung gestützt, siehe Seite 3, Zeile 4 bis Seite 4, Zeile 18 und Seite 9, Absatz 3.
2.4 Folglich liegt kein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vor.
3. Artikel 123 (3) EPÜ
3.1 Nach Artikel 123 (2) EPÜ darf das Patent nicht in der Weise geändert werden, dass sein Schutzbereich erweitert wird. Nach Artikel 69(1) EPÜ ist der Schutzbereich durch den Inhalt der Ansprüche bestimmt, wobei jedoch die Beschreibung und Zeichnungen zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen sind.
3.2 Der Anspruch 1 in der erteilten Fassung betrifft eine "unterstützende Energieabsorbierungsstruktur für flexible Schutzverbauungen gegen Steinschlag, Holzschlag, Lawinen oder ähnlichem" und verlangt, dass die Energieabsorbierungselemente die Verbindungselementestruktur "im Bereich ihrer Befestigung an der Stützstruktur und/oder im Untergrund dadurch unterstützen, dass die Befestigung der Verbindungselemente [sic] an Elementen der Stützstruktur bzw. im Untergrund durch Felsanker oder ähnlichem über die Energieabsorbierungselemente erfolgt". Wegen des Ausdrucks "und/oder" definiert der erteilte Anspruch 1 drei alternative Ausführungsformen der unterstützenden Energieabsorbierungsstruktur, bei denen eine Befestigung der Verbindungselementestruktur
a) (nur) an Elementen der Stützstruktur,
b) (nur) im Untergrund, bzw.
c) an Elementen der Stützstruktur und gleichzeitig im Untergrund erfolgt.
Im Unterschied zu Anspruch 1 in der geänderten Fassung lassen sich die alternativen Ausführungsformen (a) und (b) im Kontext des erteilten Anspruchs 1 nicht ausschließen.
3.3 Im Anspruch 8 in der erteilten Fassung wird eine bevorzugte Ausgestaltung der Ausführungsform (b) definiert, bei welcher die Verbindungselementestruktur an Elementen der Stützstruktur (lediglich) geführt ist, wobei diese Führung durch Schäkel, Führungssattel o. Ä. (Anspruch 7) und über die Energieabsorbierungselemente erfolgt (Anspruch 8). Anzumerken ist hier, dass der erteilte Anspruch 8 implizit auf den Anspruch 7 rückbezogen ist, weil er auf die Seilführungselemente Bezug nimmt, die nur im Anspruch 7 definiert sind (siehe auch Absätze 9 und 23 und Figuren 1 und 2 in der Patentschrift).
3.4 Der Anspruch 1 in der geänderten Fassung betrifft eine flexible Schutzverbauung mit einer unterstützenden Energieabsorbierungsstruktur, welche diese im erteilten Anspruch 8 definierte Ausgestaltung aufweist (siehe Merkmale (1F) und (1G)). Der geänderte Anspruch 1 verlangt zusätzlich, dass die Verbindung der Verbindungselementestruktur mit der Abfangstruktur und/oder deren Geflechtsauflage "über die gesamte Verbaulänge der Schutzverbauung, außer in Bereichen einer Führung über die Stützstruktur" erfolgt (siehe Merkmal (1E)).
3.5 Mit all diesen Änderungen ist der Schutzbereich eingeschränkt worden. Folglich liegt kein Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ vor.
4. Artikel 83 EPÜ
4.1 Nach Artikel 83 EPÜ ist die Erfindung im Patent so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann. In diesem Zusammenhang meint der Begriff "die Erfindung" den beanspruchten Gegenstand. Bei der Überprüfung einer ausreichenden Offenbarung kommt es aber nicht auf einzelne Merkmale des Anspruchs 1 an, sondern auf die Lehre des Anspruchs unter Zuhilfenahme der Beschreibung, der Zeichnungen und des allgemeinen Fachwissens.
4.2 Die Beschwerdeführerin hat Einwände nach Artikel 83 EPÜ gegen den geänderten Anspruch 1 erhoben. Diese Einwände beziehen sich auf die Verbindung der Verbindungselementestruktur mit der Abfangstruktur bzw. ihrer Geflechtsauflage (Merkmal (1E)) und auf die Führung der Verbindungselementestruktur an der Stützstruktur über die Energieabsorbierungselemente (Merkmale (1F) und (1G)).
4.3 Die Kammer stellt aus folgenden Gründen fest, dass diese Einwände nicht durch die im erteilten Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen veranlasst wurden, sondern sich bereits aus der erteilten Fassung des Patents ergeben:
4.4 Merkmal (1E)
Im Einspruchsverfahren wurde in den erteilten Anspruch 1 das einschränkende Merkmal aufgenommen, dass die Verbindung der Verbindungselementestruktur mit der Abfangstruktur und/oder deren Geflechtsauflage "über die gesamte Verbaulänge der Schutzverbauung, außer in Bereichen einer Führung über die Stützstruktur" erfolgt (Merkmal (1E)). Mit dieser Beschränkung wurde der Einwand der Beschwerdeführerin nach Artikel 100 c) EPÜ entkräftet, dass diese Beschränkung in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung als erfindungswesentlich für den beanspruchten Gegenstand hingestellt worden sei und deshalb nicht weggelassen werden dürfe. Damit wurde der Anspruch 1 lediglich auf dasjenige beschränkt, was in der Patentschrift gelehrt wird (Absätze 7 bis 9 und 23 und Figuren 1 und 2). Folglich kann diese Beschränkung nicht zu einer vorher nicht dagewesenen mangelnden Ausführbarkeit führen.
4.5 Merkmale (1F) und (1G)
Die in den Merkmalen (1F) und (1G) erforderte Führung der Verbindungselementestruktur an der Stützstruktur über Energieabsorbierungselemente war bereits im erteilten Anspruch 8 definiert (siehe Punkte 3.3 und 3.4 oben). Auch diese Beschränkung kann nicht zu einer vorher nicht dagewesenen mangelnden Ausführbarkeit führen.
4.6 Demnach betreffen die Einwände nach Artikel 83 EPÜ einen neuen Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ im Sinne der Entscheidung G 10/91 (siehe ABl. 1993, 420, Gründe Nr. 18). Die Berücksichtigung dieser Einwände setzt das Einverständnis der Beschwerdegegnerin voraus, das aber nicht vorliegt.
4.7 Folglich werden die Einwände nach Artikel 83 EPÜ nicht berücksichtigt.
5. Stand der Technik
Die D4 ist erstmals zu einem sehr späten Zeitpunkt in das Beschwerdeverfahren eingebracht worden. Allerdings ist sie im Absatz 2 der Patentschrift als nächstliegender Stand der Technik genannt und deshalb zu berücksichtigen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage 2013, IV.C.1.5).
6. Neuheit
6.1 Neuheit gegenüber der D1
6.1.1 In der Figur 2 der D1 (siehe unten) ist eine flexible Schutzverbauung in Form einer Fluss- bzw. Wildbachsperre offenbart, welche als Schutzverbauung gegen Lawinen, Stein- oder Holzschlag dienen könnte. Diese Schutzverbauung umfasst:
- eine Abfangstruktur mit einem Auffangnetz und einem feinmaschigen Sekundärnetz (Seite 7, Zeilen 6 und 7);
- ein horizontal verspanntes Tragseil 12', das den unteren Rand des Auffangnetzes bildet und in den Uferflanken verankert ist;
- zwei Tragseile 14' und 20', die in den Uferflanken verankert und in einer mittleren Zone A des Flussbettes zwischen zwei Stützen 30 und 31 zusammen horizontal geführt und verspannt sind, wobei das Tragseil 20' den oberen Rand des Auffangnetzes bildet;
- Energieabsorbierungselemente in Form von Bremselementen 27 (siehe Seite 5, Zeilen 6 bis 26).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
6.1.2 Aus der Funktion und der Bezeichnung der Stützen 30 und 31 und des oberen Tragseils 20' ergibt sich jeweils eindeutig, dass sie Teile einer Stützstruktur bzw. einer Verbindungsstruktur im Sinne des Anspruchs 1 darstellen. Das Auffangnetz ist an dem Tragseil 20' aufgehängt und damit verbunden. Da das Tragseil 20' an den Stützen 30 und 31 geführt ist, sind diese mit dem Auffangnetz über das Tragseil 20' verbunden (Merkmal (1C)).
6.1.3 Es ist zwischen den Beteiligten streitig, ob diese Sperre die Merkmale (1E) bis (1G) des Anspruchs 1 offenbart.
6.1.4 Die Kammer stellt zunächst fest, dass das Tragseil 14' insofern als eine Verbindungselementestruktur im Sinne dieser Merkmale angesehen werden kann, als es sich im Wesentlichen über die gesamte Länge der Sperre erstreckt, an den Stützen 30 und 31 geführt und gleichzeitig im Untergrund durch Felsanker befestigt ist, wobei die Führung über Energieabsorbierungs-elemente 27 erfolgt.
6.1.5 Allerdings ist in der D1 nicht offenbart, dass das Tragseil 14' über die gesamte Länge der Sperre mit dem Auffangnetz verbunden ist, außer im Bereich ihrer Führung über die Stütze 30 bzw. 31, wie das Merkmal (1E) verlangt. Es ist nicht eindeutig, dass über die Länge der mittleren Zone A das Tragseil 14' mit dem Netz bzw. dem Tragseil 20' verbunden ist, selbst wenn die Tragseile 14' und 20' in Schutzrohren gegen Abrasionseinflüsse durch Wasser und Geschiebe geschützt werden (Seite 5, Zeile 30 bis Seite 6, Zeile 1). Auch ist nicht eindeutig, dass über die Länge der Uferzonen B und C das Tragseil 14' mit dem Netz verbunden ist. Die D1 lehrt zwar, dass bei der Räumung der Sperre zunächst das Tragseil 20' seitlich gelöst wird und das Netz in den Uferzonen B und C nach vorne geklappt wird, wobei die unteren Tragseile ihre Tragfunktion unverändert ausüben (Seite 6, Zeile 25 bis Seite 7, Zeile 3). Dies bedingt jedoch keine Verbindung des Tragseils 14' mit dem Netz. Die nach vorne geklappten Abschnitte des Netzes könnten einfach auf das Tragseil 14' hängen, ohne damit verbunden zu sein.
6.1.6 Ferner ist in der D1 nicht offenbart, dass das Tragseil 14' mittels Führungselementen, wie Schäkeln oder Führungssatteln u. dgl., an den Stützen 30 und 31 geführt ist, wie das Merkmal (1F) verlangt. So könnte das Tragseil 14' direkt über die Köpfe der Stützen 30 und 31 geführt sein.
6.1.7 Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der D1.
6.2 Neuheit gegenüber der D2
6.2.1 Die D2 offenbart in der Figur 6 (siehe unten) eine flexible Schutzverbauung gegen Steinschlag, mit einem Auffangnetz e, Stützen a, Rand- und Mittelseilen d und Energieabsorbierungselementen c und Rückhalteseilen f zur Abspannung der Stützenköpfe in Richtung Berg.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
6.2.2 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin stellen die Mittelseile dieser Schutzverbauung keine Verbindungselementestruktur im Sinne der Merkmale (1E) bis (1G) dar. Erstens erstrecken sich die Mittelseile nicht über die gesamte Länge der Schutzverbauung sondern jeweils nur zwischen zwei benachbarten Stützen. Zweitens sind die Mittelseile weder im Untergrund befestigt noch an den Stützen geführt, sondern an den Stützen über eine Rohrschelle b und eine Feder c befestigt und zwischen zwei Stützen verspannt. Drittens ist nicht eindeutig, dass die Mittelseile jeweils über ihre Länge mit dem Netz verbunden sind. Selbst wenn beim Aufprall eines Steins oder Felsblocks das Netz und die Mittelseile in Kontakt kämen, stellte dies keine Verbindung dar.
6.2.3 Die Kammer teilt also die Meinung der Beschwerdegegnerin, dass die D2 keines der Merkmale (1E) bis (1G) des Anspruchs 1 verwirklicht.
6.2.4 Im Übrigen ist eine Geflechtsauflage im Sinne des Merkmals (1B) in der D2 weder explizit noch implizit offenbart, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin.
6.2.5 Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der D2.
6.3 Neuheit gegenüber der D4
6.3.1 Der flexible Zaun F in der Figur 10 der D4 (siehe unten) weist eine Abfangstruktur aus einem Auffangnetz 12 und einem feinmaschigen Sekundärnetz 12', eine Stützstruktur aus Mittelpfosten P und Endpfosten P' und eine Verbindungsstruktur aus Randseilen 18 und 20 auf. Die Pfosten weisen jeweils einen oberen Abschnitt 26 bzw. 26' und einen unteren Abschnitt 28 bzw. 28' auf, die mittels eines Verbindungsstücks J bzw. J' in Form eines elastischen, biegsamen Seilbündels verbunden sind. Diese Verbindungsstücke dienen als Energieabsorbierungselemente: die kinetische Energie eines aufprallenden Felsblocks wird durch eine Biegebewegung der Verbindungsstücke und die damit verbundene elastische Verformung des Seilbündels absorbiert (Figuren 2 und 3). Sobald die kinetische Energie des Felsblocks absorbiert worden ist, richten sich die Pfosten von selbst auf. Der Zaun weist ferner zwei Seile 14 und 16 auf, die zickzackförmig über die Länge des Zaunes verlaufen.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
6.3.2 Es ist zwischen den Beteiligten streitig, ob diese Seile 14 und 16 eine Verbindungselementestruktur mit allen Merkmalen (1E) bis (1G) verwirklichen.
6.3.3 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, ist in der D4 jedoch nicht offenbart, dass die Seile 14 und 16 an den Stützen über Führungselemente geführt und gleichzeitig im Untergrund über Felsanker befestigt sind. Die Seile 14 und 16 sind abwechselnd um den Kopf bzw. Fuss der Mittelpfosten P aufgewickelt und dort festgeklemmt, d.h. befestigt (siehe Klemmplatten 40, 42 bzw. 50 und Bolzen 40 bzw. 50 in den Figuren 5, 7 und 9; Spalte 4, Zeilen 22 bis 45). In ähnlicher Weise sind die Enden der Seile 14 und 16 um den Kopf bzw. Fuss der Endpfosten P' aufgewickelt und dort festgeklemmt (Spalte 4, Zeilen 46 bis 50).
6.3.4 Der D4 kann genauso wenig entnommen werden, dass die Seile 14 und 16 über die gesamte Länge des Zaunes mit dem groben Netz 12' und/oder dem feinen Netz 12' verbunden sind, außer im Bereich der Pfosten. In der Figur 5 ist ersichtlich, dass die Seile 14 und 16 von den Netzen beabstandet sind.
6.3.5 Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der D4.
7. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von der D2
7.1 Die Beteiligten sind sich einig, dass die Schutzverbauung in der Figur 6 der D2 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Die Kammer teilt diese Auffassung.
7.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dieser Schutzverbauung unter anderem dadurch, dass die Verbindungselementestruktur in Form der Mittelseile die Merkmale (1E) bis (1G) aufweist (siehe Punkt 6.2 oben).
7.3 Die Erstreckung der Mittelseile über die gesamte Länge der Schutzverbauung und ihre durchgehende Verbindung mit der Abfangstruktur, außer im Bereich der Stützen, bewirken, dass die kinetische Energie eines aufprallenden Steins von der gesamten Abfangstruktur, den Mittelseilen und den damit verbundenen Energieabsorbierungselementen abgebaut wird. Die Führung der Mittelseile an den Stützen ermöglicht, dass sich die Mittelseile entsprechend ihrer Belastung an den Stützen korrekt anordnen können. Die abschließende Befestigung der Mittelseile im Untergrund erlaubt die seitliche Abspannung der Schutzverbauung. All diese Maßnahmen wirken zusammen, um einen effizienteren Energieabbau als in der D2 zu ermöglichen.
7.4 Ausgehend von der D2 besteht die objektiv gelöste Aufgabe also darin, den Energieabbau zu verbessern.
7.5 Ein mit dieser Aufgabe befasster Fachmann gelangte, unter Berücksichtigung des entgegengehaltenen Standes der Technik und seiner allgemeinen Fachkenntnisse, nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Lösung. Die Kombination der Merkmale (1E) bis (1G) ist im entgegengehaltenen Stand der Technik weder offenbart noch angeregt. Der Fachmann zöge das Gebiet der Maschendrahtzäune für Gärten nicht heran, denn derartige Zäune sind für den Abbau hoher Aufprallenergien ungeeignet.
8. Berücksichtigung der Vorbenutzungen
8.1 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist in D3 weder explizit noch implizit offenbart, dass bei den dort abgebildeten Schutzverbauungen der Artigiana Costruzioni s.r.l. und der Utensilerie Meccaniche Milanesi die Mittelseile sich über die gesamte Verbaulänge der Schutzverbauung erstrecken, an Elementen der Stützstruktur durch Schäkel, Führungssattel o. Ä. geführt und gleichzeitig im Untergrund durch Felsanker o. dgl. befestigt sind. Der Zeichnung "Barriera elastoplastica AC 1500/EP" der Artigiana Costruzioni s.r.l.(Seiten 2 und 3 von D3) kann nur entnommen werden, dass Rand- und Mittelseile jeweils zwischen benachbarten Stützen verspannt und dort befestigt sind und dass drei seitliche Abspannseile vorgesehen sind ("Controventi laterali"), die an einem Endpfosten befestigt und im Untergrund verankert sind. Der Auszug aus dem Prospekt der Utensilerie Meccaniche Milanesi (Seite 8 von D3) entspricht der Lehre in der Figur 6 der D2, wie die Beschwerdeführerin selbst zugegeben hat.
8.2 Demnach gehen die in D3 dargestellten Schutzverbauungen hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Merkmale (1E) bis (1G) des Anspruchs 1 inhaltlich über die D2 nicht hinaus. So könnten die Gegenstände der behaupteten Vorbenutzungen "Artigiana" und "UMM", selbst wenn sie nachgewiesen wären, zu keiner anderen Beurteilung der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Erfindung führen.
8.3 Bei dieser Sachlage braucht auf die Vorbenutzungen und ihre Offenkundigkeit nicht näher eingegangen zu werden.| |
9. Die Kammer hat sich vergewissert, dass die Änderungen in der Beschreibung lediglich diese an die geänderten Ansprüche anpassen.
10. Nach alledem stimmt die Kammer mit der Einspruchsabteilung überein, dass das Patent in der geänderten Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt.
11. Verletzung des rechtlichen Gehörs
11.1 Die Beschwerdeführerin hat erstmals im Beschwerdeverfahren gerügt, dass ihr rechtliches Gehör im Einspruchsverfahren verletzt worden sei, weil die Einspruchsabteilung die Vorbenutzung "Artigiana" nicht korrekt beurteilt habe. Aus folgenden Gründen kann die Kammer in der Beurteilung der Vorbenutzung durch die Einspruchsabteilung jedoch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Artikel 113 (1) EPÜ erkennen.
11.2 Die Beschwerdeführerin hat keinen Antrag auf Berichtigung oder Ergänzung der Niederschrift gestellt. Es muss also davon ausgegangen werden, dass die Niederschrift den (wesentlichen) Verlauf der mündlichen Verhandlung korrekt wiedergibt.
11.3 Die Einspruchsabteilung hat sowohl in ihrer Ladung vom 8. März 2012 (Punkt 4) als auch während der mündlichen Verhandlung am 25. September 2012 (siehe Punkt 29 der Niederschrift) ihre vorläufige Einschätzung kundgetan, dass der Gegenstand der behaupteten Vorbenutzungen nicht entscheidungsrelevant sei und dass und warum die von der Beschwerdeführerin gemachten Angaben zu den Vorbenutzungen nicht ausreichen, um zweifelsfrei feststellen zu können, was der Öffentlichkeit, wann und wie zugänglich gemacht worden sei. Die Beschwerdeführerin hatte ausreichend Gelegenheit sich schriftlich und mündlich zu dieser vorläufigen Einschätzung zu äußern; sie hat diese Gelegenheit auch tatsächlich wahrgenommen (siehe ihr Schriftsatz vom 15. April 2012 bzw. Punkt 30 der Niederschrift). In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung ihre Meinung aufrechterhalten und bekräftigt (Punkte 6.1.1 bis 6.1.4 der Entscheidungsgründe). Auch hat sie darin begründet, dass die am 24. August 2012 eingereichte schriftliche Erklärung des Herrn P. Orgnoni die Zweifel nicht ausräumen könne (siehe Punkt 6.1.1, letzter Absatz und Punkt 6.1.4). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinne des Artikels 113 (1) EPÜ ist mithin hinreichend gewahrt worden.
11.4 In der Erwiderung auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hatte die Beschwerdeführerin Herrn P. Orgnoni als Zeugen angeboten (siehe Schriftsatz vom 15. April 2012, eingegangen am 28. August 2012). Die Beschwerdeführerin sieht einen wesentlichen Verfahrensmangel darin, dass die Einspruchsabteilung dieses Beweisangebot übersehen habe, und hält die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung insofern für unrichtig, als darin nicht wiedergegeben sei, dass der Vorsitzende der Einspruchsabteilung ausgesagt habe, dass die Beschwerdeführerin keinen Zeugen benannt hätte. Die Kammer stellt jedoch fest, dass in der Niederschrift angegeben ist, dass während der Diskussion der Vorbenutzungen die Beschwerdeführerin Herr P. Orgnoni als Zeuge angeboten hat (Punkt 30 der Niederschrift).
11.5 Schließlich sieht die Beschwerdeführerin einen wesentlichen Verfahrensmangel in der Tatsache, dass der zur Substantiierung der Vorbenutzungen angebotene Zeuge durch die Einspruchsabteilung nicht vernommen wurde. Die Kammer kann jedoch keinen wesentlichen Verfahrensmangel in diesem Handeln der Einspruchsabteilung erkennen. Die Einvernahme des Zeugen war offensichtlich nicht sachdienlich, da die Einspruchsabteilung der Auffassung war, dass der Gegenstand der behaupteten Vorbenutzungen nicht entscheidungsrelevant sei.
11.6 Nachdem der Vorsitzende die Auffassung der Einspruchsabteilung verkündet hatte, dass die Vorbenutzungen nicht ausreichend substanziiert bzw. bewiesen seien und die D4 berücksichtigt werde (Punkt 31 der Niederschrift), hätte die Beschwerdeführerin auf die Zeugeneinvernahme pochen können. Dies hat sie aber nicht getan. Da der angebotene Zeuge nicht anwesend war, hätte die Einspruchsabteilung einem solchen Antrag nicht stattgeben können, ohne dafür die mündliche Verhandlung zu vertagen. Allein aus diesem Grund wäre die Einspruchsabteilung auch berechtigt gewesen, dem Antrag auf Zeugeneinvernahme nicht stattzugeben.
12. Antrag auf Zurückverweisung
Nachdem keine Verletzung des rechtlichen Gehörs ersichtlich ist, braucht auf den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung nicht eingegangen werden. Auch kann die Kammer selbst keinen Grund erkennen, der eine Zurückverweisung rechtfertigen könnte.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.