T 0028/13 () of 3.5.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T002813.20160503
Datum der Entscheidung: 03 Mai 2016
Aktenzeichen: T 0028/13
Anmeldenummer: 03742497.5
IPC-Klasse: C01B 15/023
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON WASSERSTOFFPEROXID
Name des Anmelders: Evonik Degussa GmbH
Name des Einsprechenden: SOLVAY (SOCIETE ANONYME)
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1080/99
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent EP-B1-1 476 395 zurückzuweisen.

Der Wortlaut des einzigen unabhängigen Anspruchs ist wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von Wasserstoffperoxid nach dem Anthrachinonverfahren in einer kontinuierlich betriebenen Produktionsanlage, umfassend

(i) eine Hydrierstufe, wobei eine ein oder mehrere Anthrachinonderivate enthaltende organische Arbeitslösung in Gegenwart eines heterogenen Katalysators hydriert wird,

(ii) eine Oxidationsstufe, wobei hydrierte Arbeitslösung unter Bildung von Wasserstoffperoxid oxidiert wird, indem ein sauerstoffhaltiges Oxidationsgas, insbesondere Luft, mit einem Überdruck Pi von mindestens 1 bar in einen Oxidationsreaktor eingeführt und mit der Arbeitslösung aus der Stufe (i) kontaktiert wird, Oxidationsabgas, aus dem Oxidationsreaktor abgeführt und bei Bedarf in einer Abgasreinigungsanlage gereinigt wird, und

iii) eine Stufe zur Isolierung des Wasserstoffperoxids aus der oxidierten Arbeitslösung, insbesondere eine Extraktionsstufe,

dadurch gekennzeichnet, dass man das Oxidationsabgas, dessen Überdruck Pa kleiner als Pi aber größer als Atmosphärendruck P0 ist, als Treibgasstrom einem oder mehreren Gasstrahlern zuführt und damit Vakuum für im Anthrachinonverfahren erforderliche Hilfsprozesse erzeugt, insbesondere Vakuum für die Trocknung der extrahierten Arbeitslösung vor der Rückführung derselben in die Hydrierstufe und/oder für die Destillation wässriger Wasserstoffperoxidlösung und/oder zum Ansaugen von Beatmungsgasen an Emissionsstellen von Lösungsmitteldämpfen innerhalb der Produktionsanlage einschließlich Lösungsmittellagertanks."

II. In der Entscheidung wurden unter anderem folgende Dokumente zitiert:

D1: US-A-4 485 084

D5: Robert B. Power "Steam jet ejectors for the process

industries" 1993.

III. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Einsprechende (Beschwerdeführerin) folgende Dokumente ein:

D6: J.L. Ryans and D.L. Roper, Process Vacuum System Design and Operation, 1986, Kapitel 9, Seiten 229 bis 237

D7: WO 96/26895

D8: EP 1 101 731 A1

D10: Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5. Auflage, 1989, Band A13, Seiten 447 bis 457.

IV. Die Argumente der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) können wie folgt zusammengefasst werden:

D1 könne als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden. D1 offenbare nicht, dass das Oxidationsabgas als Treibgasstrom einem oder mehreren Gasstrahlern zugeführt werde. Da die Erzeugung des Vakuums der technische Effekt sei, der durch den Gasstrahler erzeugt werde, könne er in der Aufgabenformulierung enthalten sein. Ausgehend von D1 bestehe die zu lösende Aufgabe daher darin, ein alternatives Verfahren bereitzustellen, das die Energie aus dem Oxidationsabgas nutzt, um ohne Einsatz von mechanischer oder elektrischer Energie ein Vakuum zu erzeugen. Aus D1 sei nicht ersichtlich, wie effizient das offenbarte Verfahren sei, vor allem auch deshalb nicht, weil das Beispiel nur eine Simulation sei und nicht unter realen Bedingungen durchgeführt worden sei. Der Fachmann ziehe deshalb alle möglichen Alternativen in Betracht, auch solche, die die Wiedergewinnung von Lösungsmittel auf anderem Weg als durch isentrope Entspannung beträfen. Zudem stehe die Verwendung eines Gasstrahlers der Wiedergewinnung des Lösungsmittels nicht entgegen. Dieses Ziel könne auch auf anderem Weg als in D1 erreicht werden. Dass die Rückgewinnung des Lösungsmittels möglich sei, gehe aus Absatz 22 des Patents hervor.

Auf der Suche nach einer Lösung der gestellten Aufgabe würde der Fachmann die Lehre von D5 heranziehen. D5 offenbare, dass Gas und Verfahrensdampf als Treibgas für den Betrieb eines Gasstrahlers geeignet seien. Zudem sei dies energetisch günstig, wie dies aus D6 hervorgehe. D5 lege somit die Verwendung des Abgases als Treibgas für einen Gasstrahler nahe.

Zudem belege D6, dass Gasstrahler fast isentrop betrieben würden, sodass der Fachmann auch die Verwendung eines Gasstrahlers in Betracht ziehe.

D7 zeige, dass es bekannt war unter Druck stehenden Verfahrensdampf als Treibgas für Gasstrahler zu verwenden.

D8 lehre, dass die Energie, die in einem unter Druck stehenden Gas vorhanden sei, dadurch genutzt werden könne, dass das Gas als Treibgas in einem Gasstrahler verwendet werde.

Der Gasstrahler sei eine einfache Vorrichtung, die der Fachmann deshalb anderen Vakuumpumpen vorgezogen hätte.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei naheliegend angesichts der Kombination von D1 mit dem allgemeinen Fachwissen, wie dies durch Dokumente D5 bis D8 belegt sei.

D7 könne auch als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden. Zudem sei der Gegenstand des Anspruchs 1 naheliegend angesichts der Kombination von D10 mit dem allgemeinen Fachwissen.

V. Die Argumente der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) können wie folgt zusammengefasst werden:

D1 verfolge primär den Zweck, aus dem Abgas der Oxidationsstufe des Anthrachinonverfahrens Lösungsmittel zurückzugewinnen. Die Verringerung der zum Betrieb des Verfahrens erforderlichen Energie sei nur ein zusätzliches Ziel. D1 lehre, dass zur Rückgewinnung des Lösungsmittels das Abgas isentrop entspannt werden müsse. Die bei der Entspannung erzeugte mechanische Energie könne verwendet werden, um den Energiebedarf des Verfahrens zu verringern.

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von D1 durch den kennzeichnenden Teil.

Die zu lösende Aufgabe bestehe darin, ein alternatives Verfahren zur Nutzung der im Oxidationsabgas enthaltenen Energie bereitzustellen. Die Bespiele 1 bis 3 zeigten, dass die Aufgabe erfolgreich gelöst sei.

Die Formulierung der Aufgabe durch die Beschwerdeführerin enthalte bereits Lösungsansätze und sei somit nicht im Einklang mit der Rechtsprechung der Beschwerdekammern. Vakuum sei ein technisches Merkmal, das nicht in die Aufgabenformulierung mitaufgenommen werden könne. Ein Gasstrahler müsse nicht zwangsläufig zur Vakuumerzeugung benutzt werden, sondern könne auch zur Gasverdichtung verwendet werden.

Das Oxidationsabgas müsse als Luft im Sinne von D5 verstanden werden. D5 lehre, dass es schwieriger sei, angesaugte Prozessdämpfe aus dem Abgas auszukondensieren, wenn der Gasstrahler mit Luft als Treibmedium betrieben werde. Der Gasstrahler sei also gegenüber der isentropen Expansion nachteilig. Zudem lehre D5 nichts über die Nutzung der in einem Abgas eines Verfahrens enthaltenen Energie. Nach dem Mischen von Oxidationsabgas mit einem weiteren Gas könne nur noch ein geringer Teil des Lösungsmitteldampfes kondensiert werden. Ein Gasstrahler sei deshalb keine geeignete Alternative zu den in D1 beschriebenen Apparaten.

D6 beziehe sich nicht auf Gasstrahler sondern auf Dampfstrahlpumpen, welche mit Wasserdampf als Treibmedium betrieben würden. Deren Betrieb erfolge nicht isentrop.

D7 offenbare nicht die Erzeugung eines Vakuums. Der Gasstrahler 21 werde zum Verdichten eines unter Überdruck stehenden wasserstoffhaltigen Gases verwendet. Der Gasstrahler 21' werde zum Verdichten von unter Atmosphärendruck stehender Luft verwendet. Die in D7 zur Verwendung von Gasstrahlern offenbarte Lehre stehe in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem Abgas der Oxidationsstufe oder einer Erzeugung von Vakuum.

D8 liege nicht auf dem technischen Gebiet der Herstellung von Wasserstoffperoxid. Die dort beschriebene Vakuumerzeugung beziehe sich auf eine Druckwechsel-Adsorptionsanlage. D8 offenbare nur den Betrieb eines Gasstrahlers zum Verdichten eines Restgases.

D10 könne nicht wie D1 als nächstliegender Stand der Technik herangezogen werden, da es nicht die Nutzung der im Oxidationsabgas enthaltenen Energie betreffe.

VI. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 100(a) / Artikel 56 EPÜ

1.1 Erfindung

Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Wasserstoffperoxid nach dem Anthrachinonverfahren, wobei das Oxidationsabgas energetisch genutzt wird (siehe Absatz [0001] des Streitpatents).

1.2 Nächstliegender Stand der Technik

Der zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit heranzuziehende nächstliegende Stand der Technik ist in der Regel ein Dokument des Standes der Technik, das einen Gegenstand offenbart, der zum gleichen Zweck oder mit demselben Ziel entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung und die wichtigsten technischen Merkmale mit ihr gemein hat, der also die wenigsten strukturellen Änderungen erfordert (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, siebte Auflage, September 2013, I.D.3.1.).

Die Kammer sieht D1 als nächstliegenden Stand der Technik an, da dieses Dokument auch ein Verfahren zur Herstellung von Wasserstoffperoxid nach dem Anthrachinonverfahren betrifft, dessen Energieverbrauch reduziert werden soll (Spalte 1, Zeilen 4 bis 7).

Dabei wird Lösungsmittel aus dem Oxidationsabgas wiedergewonnen. Dies geschieht dadurch, dass das Abgas aus der Oxidationsstufe isentrop entspannt wird, was dazu führt, dass das Lösungsmittel unter den Taupunkt abgekühlt wird und kondensieren kann (Spalte 2, Zeilen 13 bis 22). Dies geschieht in Kolbenmaschinen oder Turbinen (Spalte 2, Zeilen 46 bis 49). Die bei der Expansion freiwerdende mechanische Energie wird bevorzugt dazu genutzt, einen elektrischen Generator anzutreiben und dabei elektrische Energie zu gewinnen (Spalte 2, Zeilen 61 bis 68).

Demgegenüber ist D7 weniger als nächstliegender Stand der Technik geeignet, da dieses Dokument nicht die Energierückgewinnung aus dem Anthrachinonverfahren betrifft, sondern die Nutzung von Dampf aus der Papiererzeugung in einem Anthrachinonverfahren (Seite 4, Zeilen 18 bis 22). In D7 wird das Oxidationsabgas aus dem Anthrachinonverfahren nach Abgasreinigung nicht weiter genutzt und in die Atmosphäre abgegeben (Seite 6, Zeilen 26 bis 29 und Figur 1).

In D10 wird ganz allgemein das Anthrachinonverfahren beschrieben, ohne auf die energetische Nutzung von Abgasen einzugehen. D10 ist deshalb auch weniger als nächstliegender Stand der Technik geeignet als D1.

1.3 Aufgabe

Gemäß dem Patent besteht die Aufgabe darin, die im Oxidationsabgas enthaltene Energie im Rahmen des gesamten Verfahrens zur Herstellung von Wassserstoffperoxid zu nutzen und den Einsatz von Fremdenergie zur Erzeugung des an verschiedenen Stellen im Anthrachinonverfahren benötigten Vakuums zu reduzieren (Absatz [0011]).

Gemäß ständiger Rechtsprechung muss bei der Formulierung der Aufgabe jedoch darauf geachtet werden, dass sie keine Lösungsansätze enthält (op.cit.,

I.D.4.3.1).

Die im Patent formulierte Aufgabe enthält jedoch "Vakuum" als ein zu erreichendes Ziel, obwohl "Vakuum" ein technisches Merkmal des Anspruchs ist, welches unstreitig nicht in D1 offenbar ist, und somit als Teil der Lösung anzusehen ist. Dabei vermag die Kammer der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zu folgen, wonach Vakuum das zwangsläufige Ergebnis der Verwendung des Gasstrahlers ist und deshalb dieses Merkmal in die Aufgabenformulierung aufgenommen werden könne. Der Gasstrahler ist nämlich Teil der vorgeschlagenen Lösung. Ein Merkmal, welches eine zwingende Folge des Gasstrahlers ist, ist somit auch Teil der Lösung und kann deshalb nicht in die Aufgabenformulierung aufgenommen werden. Zudem ist die Erzeugung von Vakuum mittels Gasstrahlern nicht zwingend, da diese auch als Verdichter eingesetzt werden können (siehe z.B. D5, Seite 13, Tabelle 2.1).

Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass die sich aus dem Patent ergebende Aufgabe darin zu sehen ist, die im Oxidationsabgas enthaltene Energie im Rahmen des gesamten Verfahrens zu nutzen.

1.4 Lösung

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent ein Verfahren gemäß Anspruch 1 vor, das dadurch gekennzeichnet ist, dass das Oxidationsabgas als Treibgasstrom einem oder mehreren Gasstrahlern zugeführt wird und damit Vakuum für im Anthrachinonverfahren erforderliche Hilfsprozesse erzeugt wird.

1.5 Erfolg der Lösung

Die Beispiele 1 bis 3 des Patents zeigen, dass die im Oxidationsabgas enthaltene Energie im Rahmen des gesamten Verfahrens genutzt wird, wenn mittels eines Gasstrahlers erzeugtes Vakuum für im Anthrachinonverfahren erforderliche Hilfsprozesse eingesetzt wird, wobei der Gasstrahler mit Oxidationsabgas als Treibgas betrieben wird.

D1 offenbart jedoch bereits, dass die bei der Expansion freiwerdende mechanische Energie im Rahmen des gesamten Verfahrens genutzt werden kann (Spalte 2, Zeilen 62 bis 68). Eine Verbesserung der Energierückgewinnung gegenüber D1 wurde nicht gezeigt und kann auch aus den Beispielen des Patents nicht abgeleitet werden. Demzufolge muss die Aufgabe gegenüber D1 umformuliert werden.

1.6 Umformulierung der Aufgabe

Die Aufgabe kann darin gesehen werden, ein alternatives Verfahren zur Herstellung von Wasserstoffperoxid nach dem Anthrachinonverfahren bereitzustellen, wobei das Oxidationsabgas energetisch genutzt wird.

1.7 Naheliegen

1.7.1 In D1 wird die Rückgewinnung des Lösungsmittels als wesentlich dargestellt (Spalte 2, Zeilen 56 bis 61 und Spalte 4, Zeilen 30 bis 32). Die Rückgewinnung des Lösungsmittels führt auch dazu, dass weniger Adsorptionsmittel für die Behandlung des Abgases verwendet werden muss (Spalte 3, Zeilen 1 bis 7). Die Zusammenfassung von Dokument D1 scheint nicht vollständig im Einklang mit der eigentlichen Lehre des Dokuments D1 zu sein, da die Rückgewinnung des Lösungsmittels darin nicht als wesentlich dargestellt wird. Der Inhalt einer Zusammenfassung muss jedoch im Lichte des ihr zugrunde liegenden Dokuments ausgelegt und möglicherweise neu bewertet werden (T 1080/99, Gründe 4.6).

D1 lehrt, dass die isentrope Entspannung des Oxidationsabgases die Kondensation des Lösungsmittels ermöglicht. Um die Wiedergewinnung des Lösungsmittels zu optimieren und negative Folgen, wie z.B. die Bildung von Eis in Gegenwart von Wasser, zu vermeiden, müssten ggf. die Temperatur und der Druck vor der Expansion in einem bestimmen Bereich eingestellt werden (Spalte 2, Zeilen 26 bis 36 und Spalte 3, Zeilen 16 bis 43). Dies geht auch aus dem Beispiel hervor, wo eine bestimmte Temperatur berechnet wird (82°C), falls der Turboexpander unter bestimmten Druckbedingungen mit einer gewünschten Abflusstemperatur (1,7°C) betrieben werden soll. Das in D1 offenbarte Verfahren zeigt somit unzweifelhaft, dass sowohl die Rückgewinnung des Lösungsmittels als auch die Rückgewinnung von Energie möglich ist, auch wenn genaue Daten über die Effizienz fehlen.

Da in D1 die Wiedergewinnung des Lösungsmittels und die damit einhergehende Reduzierung der Adsorptionsmittelmenge eine wichtige Rolle spielen, würde der Fachmann zur Lösung der Aufgabe ein Verfahren suchen, das gleichwertig zum Verfahren aus D1 ist und somit auch die Wiedergewinnung des Lösungsmittels aus dem Oxidationsabgas ermöglicht. Es ist deshalb nicht plausibel, dass der Fachmann von der isentropen Entspannung unter Bildung von Lösungsmittelkondensat abweichen würde. Da D1 die Stromerzeugung als bevorzugte Möglichkeit der Energierückgewinnung lehrt (Spalte 2, Zeilen 66 bis 68), stünden dem Fachmann viele Möglichkeiten offen, sich die so erzeugte elektrische Energie im gesamten Anthrachinonverfahren zu Nutze zu machen.

1.7.2 D5 offenbart allgemein, dass unter Druck stehende Dämpfe und Gase als Treibgas in Gasstrahlern verwendet werden können (Tabelle 2.1). Die Verwendung von unter Druck stehenden Dämpfen in Dampfstrahlvakuumpumpen kann energetische Vorteile mit sich bringen (Seite 18, erster Absatz; Seite 357, vierter und fünfter Absatz). Auf die Herstellung von Wasserstoffperoxid nach dem Anthrachinonverfahren wird nicht verwiesen. Es ist fraglich, ob der Fachmann die Angaben, die Dampf betreffen, auch auf ein Oxidationsabgas eines Anthrachinonverfahrens beziehen würde, da ein solches vor allem aus Stickstoff und Sauerstoff besteht. D5 offenbart jedoch auch Luft als Treibgas (Seite 360, zweiter Absatz).

Falls der Fachmann eine Dampfstrahlvakuumpumpe bzw. einen Gasstrahler in D1 einsetzen würde, wozu es jedoch weder in D1 noch in D5 einen Hinweis gibt, und diese mit dem Oxidationsabgas als Treibgas betreiben würde, würde das Oxidationsabgas mit einem anderen Gas, nämlich dem angesaugten Gas, vermischt, sodass das Lösungsmittel des Oxidationsabgases verdünnt würde, was wiederum die Kondensation des Lösungsmittels erschweren würde. Eine solche Konstellation würde der in D1 propagierten Rückgewinnung des Lösungsmittels (Spalte 2, Zeilen 56 bis 60 und Spalte 4, Zeilen 30 bis 32) und vor allem der Verringerung der benötigten Adsorptionsmittelmenge und der damit einhergehenden Energiegewinnung beim Stripping (Spalte 3, Zeilen 1 bis 7) entgegenlaufen. Eine solche der Lehre von D1 entgegenstehende Lösung würde der Fachmann nicht in Betracht ziehen, vor allem auch deshalb nicht, weil es weder in D1 noch in D5 einen Hinweis hierzu gibt.

1.7.3 D6 betrifft Dampfstrahlpumpen bzw. mit Dampf betriebene Gasstrahler im weitesten Sinne und offenbart, dass diese annährend isentrop betrieben werden können (Seite 235, zweitletzter Absatz). D6 offenbart jedoch nichts über andere Treibmedien als Dampf und die Nutzung eines unter Druck stehenden Abgases. Es ist nicht ersichtlich, wieso ein Fachmann auf der Suche nach der Lösung der gestellten Aufgabe D6 in Betracht ziehen sollte.

1.7.4 D7 zeigt, dass es bekannt war, unter Druck stehenden Verfahrensdampf, der aus der Papiererzeugung stammt, in einem Anthrachinonverfahren als Treibgas für einen Gasstrahler zu verwenden. Jedoch beschäftigt sich D7 nicht mit der Rückgewinnung der Energie aus dem Anthrachinonverfahren selbst, sodass der Fachmann D7 nicht entnehmen kann, wie das Anthrachinonverfahren energetisch optimal betrieben werden könnte. Das Oxidationsabgas aus D7 wird nach Reinigung in die Atmosphäre geleitet (Seite 6, Zeilen 26 bis 29). Die Verwendung des Gasstrahlers in D7 steht somit in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem Abgas der Oxidationsstufe oder einer Erzeugung von Vakuum.

1.7.5 D8 ist auf ein Verfahren und eine Anlage zur Herstellung von Synthesegas, Wasserstoff und/oder Reduziergas unter Einsatz eines mantelseitig befeuerten Primärreformers gerichtet, der im Verbund mit einer Druckwechsel-Adsorptionsanlage zur Reinigung des Produktgases betrieben wird (Absatz 1). Ziel ist es, die Arbeitsfähigkeit des Brenngases, die bei diesem Herabspannen üblicherweise ungenutzt bleibt, zu nutzen (Absatz 7). Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass mit Hilfe der Arbeitsfähigkeit des einzusetzenden Brenngases mittels eines Ejektors ein Vakuum erzeugt wird, sodass es möglich ist, das Abgas aus Desorption und Spülung der Druckwechsel-Adsorptionsanlage miteinander zu vermischen (Absatz 18). Der Fachmann würde D8 nicht zur Lösung der Aufgabe heranziehen, insbesondere weil D8 sich nicht mit der Rückgewinnung von Energie aus einem ein Lösungsmittel enthaltenden Abgas befasst.

1.7.6 D10 befasst sich nicht mit der energetischen Nutzung der Abgase, sodass der Fachmann dort keinen Hinweis auf die Lösung der gestellten Aufgabe bekommt.

1.8 Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das Gleiche gilt demzufolge für die abhängigen Ansprüche 2 bis 8.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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