T 0023/13 () of 20.8.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T002313.20150820
Datum der Entscheidung: 20 August 2015
Aktenzeichen: T 0023/13
Anmeldenummer: 06819388.7
IPC-Klasse: F26B 1/00
C08J 3/00
C08J 3/12
B29B 13/06
B01J 20/30
B01J 20/26
C08F 6/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG WASSERABSORBIERENDER POLYMERPARTIKEL
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Nippon Shokubai Company Limited
Evonik Degussa GmbH
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention R 50(3)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin sowie der Einsprechenden I und II richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einsruchsabteilung, das Patent EP 1 949 011 im Umfang der Ansprüche 1 bis 18 gemäß Hilfsantrag 1 beschränkt aufrechtzuerhalten.

II. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 lautete wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel, umfassend die Schritte

i) Trocknung eines Hydrogels zur Herstellung eines getrockneten Hydrogels,

ii) Abtrennung unvollständig getrockneter Polymerpartikel aus dem getrockneten Hydrogel und

iii) Trocknung der abgetrennten unvollständig getrockneten Polymerpartikel,

dadurch gekennzeichnet, dass ein Umluftbandtrockner für die Trocknung i) eingesetzt wird, bei der Trocknung i) soweit getrocknet wird, dass die unvollständig getrockneten Polymerpartikel einen Wassergehalt von mindestens 10 Gew.-% aufweisen und die abgetrennten unvollständig getrockneten Polymerpartikel vor der Trocknung iii) zerkleinert werden."

Die Ansprüche 2 bis 18 waren abhängige Ansprüche.

III. Die Einsprechenden I und II hatten, gestützt auf die Gründe gemäß Artikel 100a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und 100b) EPÜ, Einspruch eingelegt. Unter anderem wurden im Einspruchsverfahren folgende Dokumente genannt:

D1 EP 0 926 162 B1

D2a US 6 641 064 B1

D3 EP 0 948 997 A2

D4 F.L. Buchholz et al. "Modern Superabsorbent Polymer Technology", edited by WILEY-VCH, S. 72-74 und 84-103 (1998)

D9a JP 06107800 A, teilweise englische Übersetzung

D10 EP 1 367 081 A1.

IV. Die Entscheidungsgründe der Einspruchsabteilung, die zur Aufrechterhaltung des Patents auf Basis des Hilfsantrags 1 führten, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Ausführbarkeit - Artikel 100b)/83 EPÜ

Das Merkmal des Anspruchs 1, dass die unvollständig getrockneten Polymerpartikel einen Wassergehalt von mindestens 10 Gew.-% aufweisen sollen, könne die Ausführbarkeit nicht in Frage stellen, da eine Korrelation zwischen der Partikelgröße und dem Wassergehalt des Partikels bestehe. Somit könne die Einhaltung eines bestimmten Mindestwassergehalts über einen bestimmten Siebschritt erfolgen, bei dem nur Teilchen mit einer Mindestgröße, die mit einem Mindestwassergehalt von 10 Gew.-% korreliert, auf dem Sieb zurückbleiben. Zudem gehöre die Bestimmung des Wassergehalts zu den Standardanalysemethoden.

Änderungen

Die Einführung des Merkmals "Umluftbandtrockner" in den Anspruch 1 bewirke keine Unklarheit, da ein Umluftbandtrockner ein bestimmter Typ des Bandtrockners sei, der bereits in dem Standardwerk D4 beschrieben sei.

Die Merkmale "Umluftbandtrockner" und der Mindestwassergehalt von 10 Gew.-% seien durch die Ursprungsunterlagen gestützt.

Neuheit

Die Neuheit gegenüber allen zitierten Dokumenten sei durch die Aufnahme des Merkmals "Umluftbandtrockner" gegeben. Insbesondere werde dadurch die Neuheit gegenüber dem Verfahren gemäß Figur 12 von D3 hergestellt.

Erfinderische Tätigkeit

Ausgehend von D2a als nächstliegendem Stand der Technik sei das zu lösende Problem in der Bereitstellung eines verbesserten Verfahrens zur kontinuierlichen Herstellung von Superabsorbern bei erhöhter Kapazitätsauslastung bereits bestehender Produktions­anlagen zu sehen. Das gegenüber D2a unterscheidende Merkmal der Zerkleinerung der unvollständig getrockneten Polymerpartikel vor der Trocknung iii) gemäß Anspruch 1 sei jedoch weder aus D1 noch aus D3 nahegelegt.

V. Alle Parteien legten gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde ein.

Da alle Parteien sowohl Beschwerdeführer als auch Beschwerdegegner sind, werden im folgenden aus Gründen der Übersichtlichkeit die Bezeichnungen "Patentinhaberin", "Einsprechende I" und "Einsprechende II" beibehalten.

VI. Mit Bescheid vom 11. Juni 2013 stellte die Kammer fest, dass die Beschwerde und die Beschwerdebegründung der Einsprechenden II offenbar nicht durch vertretungs­berechtigte Personen unterzeichnet worden seien. Die Einsprechende II wurde aufgefordert, die Unterschrift innerhalb einer Frist von 2 Monaten nachzuholen, da die Beschwerdeschrift und/oder die Beschwerdebegründung ansonsten als nicht eingereicht gelten würden.

Mit Schreiben vom 23. Juli 2013 widersprach die Einsprechende II der Auffassung der Beschwerdekammer, dass die von ihr am 7. Januar 2013 eingereichte Beschwerdeschrift und die am 14. Januar 2013 eingereichte Beschwerdebegründung im Hinblick auf Regel 50(3) EPÜ als nicht unterschrieben gelten sollten, und gab hierzu eine begründete Stellungnahme ab. Als Hauptantrag beantragte sie, die (ursprünglich eingereichten) Schriftstücke vom 7. Januar 2013 und vom 14. Januar 2013 für unterschrieben im Sinne von Regel 50(3) EPÜ, die Aufforderung zur Unterzeichnung der Beschwerdeschrift für gegenstandslos und damit die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründung als frist- und formgerecht eingereicht zu erklären. Hilfsweise beantragte sie gemäß Hilfsantrag 1, die Große Beschwerdekammer mit dieser Rechtsfrage zu befassen. Weiter hilfsweise reichte sie als Hilfsantrag 2 in der Anlage zum Schreiben eine von Dr. Arne Lang, zugelassener Vertreter, unterschriebene Kopie der Beschwerde­schrift vom 7. Januar 2013 und der Beschwerdebegründung vom 14. Januar 2013 ein, um den beanstandeten Mangel zu beseitigen.

VII. In den Beschwerdebegründungen der Einsprechenden I und II bzw. in der Beschwerdeantwort der Einsprechenden I wurden die im Einspruchsverfahren vorgebrachten Einwände der fehlenden Ausführbarkeit, Klarheit, Neuheit und erfinderischen Tätigkeit aufrecht erhalten. Die Einsprechende I reichte neue Dokumente (als D11 und D12 bezeichnet) ein.

VIII. Die Patentinhaberin beantragte in ihrer Beschwerde­begründung, das Patent wie erteilt, hilfsweise auf Basis eines der als Anlage beigefügten Hilfsanträge 1 bis 11, aufrechtzuerhalten. In ihren Schreiben vom 17. Mai 2013 und 26. Juli 2013 nahm sie zu den Beschwerdebegründungen der beiden Einsprechenden Stellung.

IX. In ihrem Bescheid vom 17. Juli 2015 brachte die Kammer ihre vorläufige und nichtbindende Meinung zu den strittigen Punkten der Ausführbarkeit der Erfindung, der Änderungen in den Hilfsanträgen 8 bis 11 mit Bezug auf Artikel 84 und 123(2) EPÜ, der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit zum Ausdruck.

Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden II, stellte die Kammer die Frage, ob überhaupt ein Rechtsschutzinteresse an einer Entscheidung über die rechtsgültige Unterzeichnung der ursprünglich eingereichten Beschwerdedokumente bestehe, nachdem die Einsprechende II auf Aufforderung der Kammer fristgerecht korrekt unterschriebene Kopien der Beschwerdeschrift und der Beschwerdebegründung eingereicht hatte.

X. Die Patentinhaberin reichte in Antwort auf den Bescheid mit Schreiben vom 20. Juli 2015 geänderte Hilfsanträge 8 bis 11 ein.

XI. Die Einsprechende I reichte mit Schreiben vom 23. Juli 2015 nochmals eine Stellungnahme ein.

XII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 20. August 2015 statt. Zu Beginn der Verhandlung erklärte die Kammer nach kurzer Diskussion, dass die Beschwerde der Einsprechenden II nach Einreichung einer von einem zugelassenen Vertreter unterzeichneten Fassung der Beschwerde - gemäß Hilfsantrag 2 des Schreibens der Einsprechenden II vom 23. Juli 2013 - zulässig sei. Eine hilfsweise Zulässigkeit der Beschwerde sei nicht vorgesehen. Auch bestehe keine Notwendigkeit der Vorlage einer Rechtsfrage an die Große Beschwerdekammer (gemäß Hilfsantrag 1 der Einsprechenden II in vorgenanntem Schreiben).

Anschließend wurden der Hauptantrag (Ansprüche wie erteilt) und die Hilfsanträge 1 und 3 (eingereicht mit der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin vom 18. März 2013) im Hinblick auf folgende Fragen diskutiert:

Hauptantrag - Anspruch 1

Ausreichende Offenbarung: Die Kammer kam zu dem Schluss, dass die Erfindung gemäß Anspruch 1 ausführbar sei.

Neuheit gegenüber D3, D4/D4a, D9, D10: Die Kammer kam zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu sei gegenüber dem Verfahren gemäß Figur 12 von D3, die Neuheit gegenüber D4/D4a, D9 und D10 jedoch gegeben sei.

Hilfsantrag 1 - Anspruch 1

Unzulässige Erweiterung: Die Kammer kam zu dem Schluss, dass die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt seien.

Erfinderische Tätigkeit: Die Kammer erklärte, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber einer Kombination von D2a mit D1 nicht erfinderisch sei.

Hilfsantrag 3

Die Patentinhaberin reichte einen geänderten Hilfsantrag 3 ein, in dem gegenüber dem bisherigen Hilfsantrag 3 lediglich ein Schreibfehler im Anspruch 7 korrigiert worden war.

Die Kammer erklärte, dass der Gegenstand des Hilfsantrags 3 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und dieser Antrag im Ergebnis daher gewährbar erscheine.

Daraufhin reichte die Patentinhaberin an den Hilfsantrag 3 angepasste Beschreibungsseiten 2 und 3 ein.

XIII. Sämtliche anderen Anträge zog die Patentinhaberin zurück.

XIV. Die nachfolgend zusammengefassten Argumente der Parteien beziehen sich daher nur auf den Gegenstand des Hilfsantrags 3 als einzig verbliebenen Antrag, dessen Anspruch 1 eine Kombination der erteilten - und ursprünglichen - Ansprüche 1 und 6 ist und wie folgt lautet:

"1. Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel, umfassend die Schritte

i) Trocknung eines Hydrogels zur Herstellung eines getrockneten Hydrogels,

ii) Abtrennung unvollständig getrockneter Polymerpartikel aus dem getrockneten Hydrogel und

iii) Trocknung der abgetrennten unvollständig getrockneten Polymerpartikel,

dadurch gekennzeichnet, dass die abgetrennten unvollständig getrockneten Polymerpartikel vor der Trocknung iii) zerkleinert werden, die zerkleinerten unvollständig getrockneten Polymerpartikel vor der Trocknung iii) klassiert werden und nur das Grobkorn in die Trocknung iii) überführt wird."

XV. Argumente der Einsprechenden I und II

Ausführbarkeit der Erfindung

Da im Anspruch 1 eine Definition für den Wassergehalt fehle, sei es für den Fachmann nicht möglich zu entscheiden, wann ein Hydrogel als getrocknet anzusehen ist und welchen Mindestwassergehalt unvollständig getrocknete Polymerpartikel aufweisen. Diesbezüglich sei auch die Beschreibung der Patentschrift irreführend, da gemäß Abschnitt [0019] das getrocknete Hydrogel einen Wassergehalt von 1 bis 20 Gew.-% und gemäß Abschnitt [0021] die unvollständig getrockneten Polymerpartikel einen Wassergehalt von 10 bis 30 Gew.-% aufweisen, woraus hervorgehe, dass sich beide Bereiche überschneiden.

Die Patentschrift gebe zudem dem Fachmann keine Anleitung, wie er gemäß Schritt ii) des Anspruchs 1 eine vollständige Abtrennung der unvollständig getrockneten Polymerpartikel vom getrockneten Hydrogel erzielen solle. Im Patent werde nur das Siebverfahren beschrieben, das jedoch für eine vollständige Abtrennung nicht geeignet sei. Selbst wenn man davon ausgehe, dass Teilchen mit einem höheren Wassergehalt tendenziell eine größere Partikelgröße als getrocknete Partikel haben, so sei zu bedenken, dass Partikel­fraktionen eine Teilchengrößenverteilung aufweisen. Es sei daher damit zu rechnen, dass getrocknete Partikel partiell die Größe unvollständig getrockneter Partikel haben und bei Auswahl einer bestimmten Sieb-Maschenweite als Überkorn auf dem Sieb liegenbleiben und damit von den unvollständig getrockneten Partikeln nicht abgetrennt werden. Der Fachmann werde somit über die genaue Maschenweite des Siebs zur vollständigen Abtrennung im Unklaren gelassen.

Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Größe der Partikel nicht linear mit ihrem Wassergehalt korreliert, da die Quellung der Partikel durch Wasseraufnahme, und damit deren Partikelgröße, von mehreren Faktoren, unter anderem dem Vernetzungsgrad des Polymeren abhänge. Daher müsse der Fachmann im Rahmen eines Forschungsprogramms die Relation zwischen dem gewünschten Trocknungsgrad des Hydrogels, dem Wassergehalt der unvollständig getrockneten Polymerpartikel und der entsprechenden Partikelgröße ermitteln.

Erfinderische Tätigkeit

Der nächstliegende Stand der Technik werde durch D2a repräsentiert. D2a beschreibe ein Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3, das sich von dem beanspruchten Verfahren lediglich dadurch unterscheide, dass vor der Trocknung iii) kein Zerkleinerungsschritt vorgesehen ist.

Das von der Patentinhaberin angesprochene Kern-Schale-Modell unvollständig getrockneter Partikel, wonach der wasserreichere Kern der Partikel von einer Hülle umgeben ist, die durch Zerkleinerung gesprengt werden kann und dann den Kern freilegt, sei bereits aus D1 bekannt. D1 lehre nämlich in den Absätzen [0004] und [0022/23], dass das Innere wasserabsorbierender Polymerpartikel schlechter getrocknet wird und dass durch Freilegen des inneren feuchten Kerns eine effektivere Trocknung erzielt werden kann. Ebenso gebe D4 auf der Seite 85, Absatz 2 (Punkt 3.2.4.2) den Hinweis, dass die Trocknungsrate durch Reduzierung der Teilchengröße der Partikel gesteigert werden kann. Ein Zerkleinerungsschritt vor der anspruchsgemäßen Nachtrocknung iii) sei daher durch Kombination von D2a mit D1 oder D4 nahegelegt.

Die im Anspruch 1 weiter vorgesehene Klassierung der zerkleinerten unvollständig getrockneten Polymerpartikel und die Überführung nur des Grobkorns in die Trocknung iii) stelle praktisch lediglich eine Wiederholung der Schritte ii) und iii) des Anspruchs 1 dar und könne eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

XVI. Argumente der Patentinhaberin

Ausführbarkeit der Erfindung

Die Verfahrensschritte i) bis iii) im Oberbegriff des Anspruchs 1 seien Stand der Technik, zumal die unvollständig getrockneten Polymerpartikel ein in der Fachwelt bekanntes Problem seien. Daher wisse der Fachmann, was unter dem Begriff "unvollständig getrocknete Polymerpartikel" gemeint ist. Die Schritte i) bis iii) würden beispielsweise auch in D3, das von der Einsprechenden I stamme, durchgeführt.

Die fehlende Angabe eines Mengenbereichs für den Wassergehalt der Polymerpartikel könne die Ausführbarkeit ebenfalls nicht in Frage stellen, da der Fachmann ohnehin den maximalen Wassergehalt des getrockneten Hydrogels als Zielprodukt des Verfahrens je nach dessen Verwendungszweck definieren würde und somit den Grenzwert zu unvollständig getrockneten Polymerpartikeln kenne. Anhand dieser Vorgaben würde dann der Fachmann durch Vorversuche die Relation zwischen dem Wassergehalt und der Partikelgröße als bekanntes Phänomen bei Superabsorbern routinemäßig bestimmen und die Siebgröße entsprechend auswählen, so dass bei der eigentlichen Durchführung des beanspruchten Verfahrens keine weitere Messung erforderlich sei.

Im Übrigen fordere Anspruch 1 keine vollständige Abtrennung der unvollständig getrockneten Polymerpartikel aus dem getrockneten Hydrogel im Schritt ii). Der Fachmann wäre auch ohne weiteres in der Lage, die Maschenweite des Siebs zu verändern, wenn bei der Abtrennung Probleme auftauchen sollten.

Erfinderische Tätigkeit

Die Erfindung basiere auf der Erkenntnis, dass unvollständig getrocknete Polymerpartikel aus einem wasserreichen, elastischen Inneren und einem wasserarmen, spröden Äußeren bestehen. Dieses wasserreiche, elastische Innere werde durch die erfindungsgemäße Zerkleinerung vor der Trocknung iii) freigelegt und könne dann besser nachgetrocknet werden.

Für die Existenz dieses Kern-Schale-Aufbaus unvollständig getrockneter Polymerpartikel gebe es im Stand der Technik keinen Hinweis. Insbesondere offenbare D1 nichts darüber, dass unvollständig getrocknete Partikel aus einem weichen Kern und einer spröden Schale aufgebaut sind. Die Offenbarung in den Abschnitten [0022/23] von D1 beziehe sich somit nicht auf die Relation zwischen dem Äußeren und Inneren der Partikel, sondern beschreibe nur das Trocknungs­verhalten unterschiedlich großer Partikel, wobei die auf einem Umluftbandtrockner schneller trocknenden kleineren Partikel Aggregate bilden, die nachträglich auf eine bestimmte Größe zerkleinert werden müssen, um in eine zweite Trocknungsstufe übergeführt zu werden. Eine Abtrennung unvollständig getrockneter Partikel vor dieser zweiten Trocknungsstufe finde jedoch nicht statt. Die Bildung von Aggregaten sei im Stand der Technik bekannt und in D4, Seite 93, vorletzter Absatz beschrieben.

Eine Kombination von D2a mit D1 lege daher das beanspruchte Verfahren nicht nahe.

XVII. Schlussanträge

Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hilfsantrags 3 als einzigem Antrag, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.

Die Einsprechenden I und II beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerden

Die Beschwerden aller Parteien sind zulässig.

Insbesondere ist die Beschwerde der Einsprechenden II zulässig, nachdem mit Schreiben vom 23. Juli 2013 eine ordnungsgemäß unterschriebenen Beschwerdeschrift und Beschwerdebegründung eingereicht wurde.

2. Anträge der Einsprechenden II vom 23. Juli 2013 bezüglich der Zulässigkeit ihrer Beschwerde

Die Kammer forderte die Einsprechende II in ihrem Bescheid vom 11. Juni 2013 auf, ordnungsgemäß (d.h. von vertretungsberechtigten Personen) unterschriebene Kopien der Beschwerdeschrift und der Beschwerdeantwort einzureichen. Mit dem Schreiben vom 23. Juli 2013 der Einsprechenden II wurden entsprechend unterschriebene Kopien der Beschwerdedokumente eingereicht (vgl. Sachverhalt und Anträge, Nr. VI.VI. ). Der Einwand der fehlenden Unterschriften im Sinne von Regel 50(3) EPÜ stand der Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden II seither nicht mehr im Wege.

Mit ihren Anträgen im Schreiben vom 23. Juli 2013 (vgl. Sachverhalt und Anträge, Nr. VI.VI. , zweiter Absatz) möchte die Einsprechende II - allenfalls durch eine Vorlage an die Große Beschwerdekammer - feststellen lassen, ob ihre Beschwerde auch zulässig wäre, wenn sie die nach Auffassung der Kammer fehlenden Unterschriften nicht nachgereicht hätte. An einer solchen rechtlichen Beurteilung eines hypothetischen Sachverhalts kann die Einsprechende II kein Rechtsschutzinteresse geltend machen; die rechtliche Beurteilung hätte keinerlei Einfluss auf die Frage der Zulässigkeit ihrer Beschwerde. Entsprechend kommt auch eine Vorlage an die Große Beschwerdekammer nicht in Frage, weil die Beantwortung der von der Einsprechenden II aufgeworfenen Fragen im Hinblick auf das vorliegende Beschwerdeverfahren nicht "erforderlich" im Sinne von Artikel 112(1)a) ist.

3. Ausführbarkeit der Erfindung

Das Verfahren des Anspruchs 1 umfasst im Oberbegriff die drei wesentlichen Schritte des Verfahrens, nämlich

i) die Trocknung eines Hydrogels,

ii) die Abtrennung unvollständig getrockneter Polymerpartikel und

iii) die Nachtrocknung.

Diese Schritte sind Stand der Technik und beispielsweise in D2a (Anspruch 1, Schritte a), d) und e)) beschrieben, das auf demselben technischen Gebiet der wasserabsorbierenden Polymeren liegt. Schritt d) i.V.m. dem Beispiel 1 von D2a offenbart ferner, dass die Abtrennung unvollständig getrockneter Polymerpartikel durch Sieben erfolgen kann, da die Teilchengröße wasserreicherer Partikel generell größer ist als diejenige von wasserärmeren Partikeln. Der Fachmann wird sich bei der Durchführung des beanspruchten Verfahrens somit diese Erkenntnis zunutze machen, was auch aus den Beispielen des Streitpatents hervorgeht.

Die Einsprechenden argumentierten, dass das Patent keine Anleitung enthalte, wie man im Schritt ii) eine vollständige (Hervorhebung durch die Kammer) Trennung von getrocknetem Hydrogel und unvollständig getrockneten Polymerpartikeln erreichen kann und dass dies durch das Siebverfahren auch nicht erreicht werden könne, da getrocknete Partikel teilweise als Überkorn auf dem Sieb liegenbleiben könnten.

Die Kammer hält dieses Argument nicht für überzeugend, da gemäß dem Wortlaut des Anspruchs 1 eine "Abtrennung unvollständig getrockneter Polymerpartikel aus dem getrockneten Hydrogel" erfolgen soll, was nicht zwingend eine vollständige Abtrennung bedeutet, sondern eine gewisse Toleranz bei der Vollständigkeit der Abtrennung zulässt. Zum anderen ist es für die Herstellung des Zielproduktes als Ergebnis des beanspruchten Verfahrens unerheblich, ob nach dem Abtrennungsschritt ii) noch kleinere Mengen an getrockneten Partikeln als Überkorn enthalten sind, da ja diese Fraktion anspruchsgemäß vor der Trocknung iii) nochmals einer weiteren Selektion mittels Zerkleinerung und einer zweiten Klassierung unterworfen wird.

Anspruch 1 definiert weder für das getrocknete Hydrogel nach der Trocknung i) noch für die unvollständig getrockneten Polymerpartikel vor der Abtrennung ii) einen Wassergehalt. Die Einsprechenden argumentierten hierzu, dass es dem Fachmann daher nicht möglich sei zu entscheiden, wann ein Hydrogel als getrocknet anzusehen sei.

Diese Argumentation kann ebenfalls nicht überzeugen. Es ist davon auszugehen, dass ein Fachmann, der mit dem Gebiet der wasserabsorbierenden Polymeren vertraut ist, deren Einsatzgebiete (siehe beispielsweise Abschnitt [0002] der Patentschrift) kennt und daher weiß, welcher Endwassergehalt für ein getrocknetes Hydrogel (vor dessen Einsatz als wasserabsorbierendes Substrat) im Hinblick auf einen bestimmten Zweck (beispielsweise im Sanitärbereich) erreicht werden muss. Damit im Einklang steht auch die Angabe im Abschnitt [0019] der Patentschrift, wonach der Wassergehalt des getrockneten Hydrogels 1 bis 20 Gew.-%, vorzugsweise weniger als 10 Gew.-% betragen soll. Der Fachmann, der innerhalb dieses Bereichs für einen bestimmten Anwendungsbereich einen individuellen Grenzwert auswählt, weiß dann aber auch, dass der Wassergehalt der unvollständig getrockneten Partikel über diesem Wert liegt. Somit weiß er auch, wann er im anspruchsgemäß als "getrocknet/unvollständig getrocknet" definierten Bereich arbeitet. Damit ist es ohne Bedeutung, dass sich der in Abschnitt [0021] angegebene Bereich für den Wassergehalt unvollständig getrockneter Partikel mit obigem Bereich überschneidet.

Die Kammer ist auch überzeugt, dass es dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens zuzumuten ist, für ein bestimmtes wasserabsorbierendes Polymer, definiert durch die Ausgangsmonomeren, den Polymerisationsgrad und Vernetzungsgrad, in Vorversuchen eine Relation zwischen dem Wassergehalt der nach der ersten Trocknung i) des krümeligen Polymergels und Zerkleinerung erhaltenen Partikelfraktionen und deren Partikelgröße nach üblichen Methoden zu bestimmen.

Die Erfindung ist daher ausführbar.

4. Neuheit

Das beanspruchte Verfahren ist gegenüber dem zitierten Stand der Technik neu. Insbesondere ist der Verfahrensschritt der Klassierung der unvollständig getrockneten Polymerpartikel vor der Nachtrocknung und die Rückführung nur des Grobkorns in die Nachtrocknung nicht offenbart in D3, insbesondere nicht für das Verfahren gemäß Figur 12.

Gegen die Neuheit des Gegenstands des neuen Hilfsantrags 3 wurde von den Einsprechenden auch kein Einwand mehr erhoben.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1 Das Patent betrifft ein Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel. Diese werden zur Herstellung von Hygieneartikeln und als wasser­rückhaltende Mittel im landwirtschaftlichen Bereich verwendet (Patentschrift, Abschnitte [0001/02]). Ziel ist die Bereitstellung eines Verfahrens zur kontinuierlichen Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel, das geeignet ist, die Kapazität bestehender Produktionsanlagen zu erhöhen (Abschnitt [0015]). Der Erfindung liegt die Beobachtung zugrunde, dass die üblicherweise auf Bandtrocknern getrockneten, durch Polymerisation hergestellten, Hydrogele infolge von Inhomogenitäten oft ungleichmäßig getrocknet werden, so dass Teile des Hydrogels entweder auf Kosten der Produktqualität übertrocknet werden müssen, oder unvollständig getrocknet werden (Abschnitt [0006]).

5.2 In Übereinstimmung mit den Parteien wird D2a als nächstliegender Stand der Technik angesehen. D2a liegt auf demselben technischen Gebiet und betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines getrockneten Hydrogels, das gemäß Anspruch 1 die folgenden aufeinanderfolgenden Stufen umfasst:

a) Trocknung des Hydrogels durch Kontakt- oder Konvektionstrockung

b) Vorzerkleinerung des entsprechend getrockneten Hydrogels

c) Mahlen des vorzerkleinerten Hydrogels mittels einer groben oder brechenden Walzenmühle

d) Abtrennen der feuchten elastischen Hydrogelpartikel mit einem Wassergehalt von mehr als 10 Gew.-%

e) Nachtrocknung der feuchten elastischen Hydrogelpartikel.

Mit dem Verfahren soll eine effektive Trocknung des Hydrogels bei Maximierung der Trocknerkapazität erreicht werden (Spalte 2, Zeilen 20 bis 23). Durch die Kombination der Vorzerkleinerungsstufe b) und der nachfolgenden Mahlstufe c) soll in der Stufe d) eine bessere Trennung der feuchten, elastischen Hydrogel­partikel von den spröden, trocknen Hydrogelpartikeln erreicht werden, wobei erstere nach deren Abtrennung in d) dann einer Nachtrocknung unterzogen werden können (Spalte 2, Zeilen 51 bis 60 und Spalte 3, Zeilen 15 bis 21).

5.3 Das im Lichte von D2a erfindungsgemäß zu lösende Problem ist darin zu sehen, die Nachtrocknung der abgetrennten feuchten elastischen Polymerpartikel im Hinblick auf eine kontinuierliche Verfahrensführung noch effektiver zu gestalten.

5.4 Zur Lösung des Problems schlägt Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 im Unterschied zu D2a vor, im Anschluss an die Abtrennungsstufe vor die Nachtrocknung der unvollständig getrockneten Polymerpartikel eine weitere Zerkleinerungsstufe und eine nachfolgende Klassierungsstufe zu schalten und nur das durch die Klassierung abgetrennte Grobkorn der Nachtrocknung zuzuführen. Anspruchsgemäß ist diese Schrittfolge vor der Nachtrocknung prinzipiell nicht auf einen Durchgang beschränkt und kann mehrfach wiederholt werden.

5.5 Die Beispiele 1 und 2 der Patentschrift zeigen, dass durch die Zerkleinerungsstufe und die nachfolgende Klassierung und Abtrennung des Grobkorns ohne Trocknungsschritt nochmals eine Selektion in getrocknetes Hydrogel und unvollständig getrocknete Polymerpartikel erzielt werden kann. So kann gemäß Beispiel 1 durch diese Maßnahmen die Menge der in der Abtrennungsstufe ii) erhaltenen unvollständig getrockneten Polymerpartikel von 21,9 kg auf 8,6 kg verringert werden (Abschnitte [0081] bis [0083]). Ein vergleichbares Ergebnis wird auch im Beispiel 2 erzielt. Dies bedeutet, dass im Endeffekt weniger unvollständig getrocknetes Grobkorn in den Trockner rückgeführt werden muss, was bei einer patentgemäß angestrebten kontinuierlichen Prozessführung (siehe Abschnitt [0015]) die Trocknungskapazität der Anlage erhöht.

Die Kammer ist daher überzeugt, dass die Aufgabe plausibel gelöst wird.

5.6 Wie die obige Analyse des nächstliegenden Standes der Technik D2a zeigt, enthält dieses Dokument selbst keinen Hinweis auf die anspruchsgemäße Lösung. Diese wird auch durch eine Kombination von D2a mit D1 nicht nahegelegt.

Zwar weist D1 in den Abschnitten [0022/23] der Beschreibung darauf hin, dass kleine hydrophile Polymerpartikel schneller trocknen als größere Partikel und empfiehlt eine Zerschlagung in Partikelgrößen von 20 mm oder weniger, um eine kurze Trocknungszeit zu erzielen. Dies würde aber den Fachmann, ausgehend von D2a, allenfalls dazu anhalten, zwischen der Abtrennungsstufe d) und der Nachtrocknung e) einen Zerkleinerungsschritt vorzusehen.

In D1 fehlt der Hinweis, dass eine auf die Zerschlagung folgende Klassierung ohne Trocknungsschritt eine weitere Auftrennung der Partikel in eine Feinkornfraktion mit geringem Wassergehalt und eine Grobkornfraktion mit höherem Wassergehalt erfolgen kann. Der Fachmann, ausgehend von D2a, konnte somit nicht erwarten, dass durch einen auf eine Zerkleinerung nachfolgenden Klassierungsschritt vor der Nachtrocknung e) die Rückführung einer verringerten Menge an unvollständig getrocknetem Grobkorn in die Trocknung möglich ist und damit Trocknerkapazität für eine kontinuierliche Verfahrensführung freigesetzt werden kann.

5.7 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist daher durch eine Kombination von D2a mit D1 nicht nahegelegt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 und der abhängigen Ansprüche 2 bis 18 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6. Aus Vorstehendem ergibt sich, dass der Hilfsantrag 3 gewährbar ist.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage der folgenden Dokumente aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1-18, eingereicht als Hilfsantrag 3 während der mündlichen Verhandlung am 20. August 2015 vor der Kammer

- Beschreibung

• Seiten 2-3, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 20. August 2015 vor der Kammer

• Seiten 4-8 der Patentschrift.

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