T 0015/13 () of 22.5.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T001513.20180522
Datum der Entscheidung: 22 Mai 2018
Aktenzeichen: T 0015/13
Anmeldenummer: 07846987.1
IPC-Klasse: H05B 1/00
H05B 6/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Steuern von Induktionsheizeinrichtungen bei einem Elektrokochgerät
Name des Anmelders: E.G.O. Elektro-Gerätebau GmbH
Name des Einsprechenden: Fritsche, Rainer
Electrolux Rothenburg GmbH Factory and Development
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 83
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden betreffen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung gemäß dem damaligen Hilfsantrag 1.

II. Die beschwerdeführende Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1, 2, 5 und 6 aufrecht zu erhalten, wobei der Hilfsantrag 1 einem Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde des Einsprechenden gleichkommt.

III. Der beschwerdeführende Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:

"Verfahren zum Steuern von Induktionsheizeinrichtungen (13a-d) bei einem Elektrokochgerät (11), wobei die Induktionsheizeinrichtungen (13a-d) an einen Versorgungsanschluss mit mindestens einem Außenleiter angeschlossen werden, wobei der wenigstens eine Außenleiter eine Höchst-Last aufweist, wobei jeweils mindestens zwei Induktionsheizeinrichtungen (13) an einen Außenleiter (L1, L2) anschließbar sind und eine erste Induktionsheizeinrichtung (13a, 13c) mit sehr großer Soll-Leistung, insbesondere ihrer maximalen bzw. einer Boost-Leistung (PBoost ), betrieben werden soll und eine zweite Induktionsheizeinrichtung (13b, 13d) mit geringerer Soll-Leistung, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Induktionsheizeinrichtung mit Priorität und mit nahe an der gewählten Soll-Leistung liegender Ist-Leistung betrieben wird und die erste Induktionsheizeinrichtung so weit in ihrer Ist-Leistung reduziert wird, dass die Höchst-Last des Außenleiters (L1, L2) eingehalten wird."

V. Die bezüglich des Hauptantrags unter Artikel 100 b) EPÜ beanstandeten Merkmale "mit Priorität" und "mit nahe an der gewählten Soll-Leistung liegender Ist-Leistung" sind im jeweiligen unabhängigen Anspruch 1 der gültigen Hilfsanträge 1, 2, 5 und 6 ebenfalls enthalten.

VI. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung unter Artikel 15 (1) VOBK hatte die Kammer den Parteien mitgeteilt, dass aller Voraussicht nach Anspruch 1 des Hauptantrags das Erfordernis des Artikels 100 b) EPÜ nicht erfülle sowie die jeweiligen Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 6 das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllten.

VII. Mit Schreiben vom 20. April 2018 nahm die Patentinhaberin von ihren vormals mit der Beschwerdebegründung eingereichten zwölf Hilfsanträgen alle mit Ausnahme der Hilfsanträge 1, 2, 5 und 6 zurück.

VIII. Mit Schreiben vom 15. Mai 2018 hat die vormals beschwerdeführende Einsprechende 2 ihren Einspruch und ihre Beschwerde zurückgenommen.

IX. Die mündliche Verhandlung fand am 22. Mai 2018 vor der Kammer statt.

X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen

Laut Anspruch 1 werde die erste Induktionsheiz-einrichtung zuerst eingeschaltet. Es gelte die Höchst-Last von 3700 Watt pro Außenleiter zu berücksichtigen. Die Priorität der zweiten Induktionsheizeinrichtung bestehe darin, dass die zweite Induktionsheiz-einrichtung nicht lediglich die Differenz zwischen der von der ersten Induktionsheizeinrichtung aufgenommenen Leistung und der Höchst-Last zugewiesen bekomme, sondern darüber hinaus die erste Induktionsheiz-einrichtung in ihrer Leistung reduziert werde, um die frei werdende Leistung ebenfalls der zweiten Induktionsheizeinrichtung zur Verfügung zu stellen. Dabei rücke die zweite Induktionsheizeinrichtung im Rang auf. Dies sei durch das Merkmal "mit Priorität" in Anspruch 1 ausgedrückt. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag oder gemäß einem der Hilfsanträge 1, 2, 5 und 6 sei daher für den Fachmann ausführbar im Sinne des Artikels 100 b) EPÜ bzw. des Artikels 83 EPÜ.

XI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente des Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Einschaltreihenfolge der Induktionsheiz-einrichtungen sei im Anspruch 1 des Hauptantrags nicht vorgegeben. Die Adjektive "erste", "zweite" und "weitere" dienten lediglich der Unterscheidung der einzelnen Heizeinrichtungen und legten keine Einschaltreihenfolge fest. Das Patent enthalte nur Ausführungsbeispiele, welche das Gegenteil der beiden strittigen Anspruchsmerkmale "mit Priorität" und "mit nahe an der gewählten Soll-Leistung liegender Ist-Leistung" lehrten. Laut der Beschreibung des Patents erfolge hinsichtlich der zweiten Induktionsheizeinrichtung eine stärkere Leistungsreduktion, als hinsichtlich der ersten Induktionsheizeinrichtung. Die Leistung der ersten Induktionsheizeinrichtung werde maximal um 20% reduziert wohingegen die Leistung der zweiten Induktionsheizeinrichtung um mindestens 28% reduziert werde. Daher habe laut der Beschreibung des Patents und entgegen dem Wortlaut des Anspruchs 1 des Hauptantrags stets die erste Induktionsheizeinrichtung die Priorität. Das Patent enthalte weder zu Anspruch 1 gemäß Hauptantrag noch zu Anspruch 1 gemäß einem der Hilfsanträge 1, 2, 5 und 6 ein Ausführungsbeispiel und erfülle daher nicht das Erfordernis des Artikels 100 b) EPÜ bzw. des Artikels 83 EPÜ.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig

2. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) bzw. 83 EPÜ)

2.1 Die von der Patentinhaberin angeführte Reihenfolge beim Einschalten der ersten und zweiten Induktions-heizeinrichtung findet sich weder in Anspruch 1 noch in der Beschreibung wieder.

Vielmehr dienen die verwendeten Adjektive "erste" und "zweite" lediglich der Bezeichnung der unterschiedlichen Induktionsheizeinrichtungen. Auch das Adjektiv "weitere" auf Seite 2, Zeile 32 der Beschreibung dient augenscheinlich nicht der Festlegung einer Einschaltreihenfolge.

2.2 Laut Anspruch 1 des Patents wird "die zweite Induktionsheizeinrichtung (13b, 13d) mit Priorität und mit nahe an der gewählten Soll-Leistung liegender Ist-Leistung betrieben".

Zu diesem Gegenstand enthält das Patent jedoch keinerlei Ausführungsbeispiel.

In der Beschreibung ist in den Tabellen 1 und 2 auf der Seite 4 die Leistungsverteilung für die Kochstellen 1 bis 4 dargestellt, wobei die Kochstelle 4 in der Tabelle 2 offensichtlich fehlerhaft als Kochstelle 2 bezeichnet ist. Wie zweifelsfrei aus den Tabellen 1 und 2 zu erkennen ist, wird die Leistung der jeweils mit Boost-Leistung zu betreibenden Kochstellen 1 bzw. 3 um jeweils 0%, 10%, 15%, jedoch maximal um 20% reduziert. Die gegebenenfalls restliche verfügbare Leistung liegt lediglich zwischen 0% und 72% der maximalen Leistung der jeweils anderen Kochstelle 2 bzw. 4. Die Kammer schließt sich hierbei nicht der Auffassung der Einspruchsabteilung und der Patentinhaberin an, dass lediglich die letzte Zeile der Tabelle 2 eine Leistungsverteilung gemäß Anspruch 1 zeigt. Die Beschreibung trifft keine derartige Unterscheidung.

2.3 Auch ist die Annahme der Einspruchsabteilung, in der letzten Zeile der Tabelle 2 müsse die gewählte Soll-Leistung 75% sein, sodass 72% im Verhältnis zu 75% als "nahe an der gewählten Soll-Leistung" bezeichnet werden könne, reine Spekulation.

Die Leistung Pnormal in der Figur ist laut Absatz [0016] des Patents "im normalen Dauerbetrieb die maximale Leistung", fachüblich als Nennleistung bezeichnet. Der Ausdruck "gewählte Soll-Leistung" kommt in der Beschreibung des Ausführungsbeispiels nicht vor.

Laut der Ausführungsform wird die jeweilige zweite "Induktionsheizeinrichtung" im Sinne des Anspruchs 1, d.h. die Kochstelle 2 oder 4, allerdings nicht "mit Priorität" betrieben. Nach der Beschreibung des Ausführungsbeispiels wird lediglich die nach einer eventuellen geringen Reduktion von höchstens 20% der Ist-Leistung der ersten Induktionsheizeinrichtung als Differenz zur maximalen Leistung des Außenleiters verbleibende Leistung an die zweite Induktionsheiz-einrichtung abgegeben. Dies ist das genaue Gegenteil von "mit Priorität" betrieben.

Ob diese Restleistung dann "nahe an der gewählten Soll-Leistung" liegt, ist bereits dadurch in Zweifel gezogen, dass das beschriebene Verfahren die zweite Induktionsheizeinrichtung entgegen dem Wortlaut des Anspruchs 1 nicht mit Priorität betreibt.

2.4 Darüber hinaus findet sich in der gesamten Offenbarung des Patents kein Beispiel für eine gewählte Soll-Leistung der zweiten Induktionsheizeinrichtung, anhand welcher nachvollziehbar wäre, was unter dem Anspruchsmerkmal "mit nahe an der gewählten Soll-Leistung liegender Ist-Leistung" zu verstehen ist. Daher ist weder aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 noch aus der restlichen Offenbarung des Patents entnehmbar, wie das Merkmal "mit nahe an der gewählten Soll-Leistung liegender Ist-Leistung " auszuführen ist.

2.5 Daher enthält das Patent entgegen den Erfordernissen der Regel 42 (1) e) EPÜ keinen Weg zur Ausführung der beanspruchten Erfindung, so dass der Einspruchsgrund des Artikels 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegensteht.

2.6 Die Merkmale "mit Priorität" und "mit nahe an der gewählten Soll-Leistung liegender Ist-Leistung" sind in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1, 2, 5 und 6 ebenfalls enthalten. Die Änderungen in diesen Anträgen wirken sich nicht auf die vorgenannten Merkmale aus.

Daher ist im Patent auch für die in den Hilfsanträgen 1, 2, 5 und 6 beanspruchten Erfindungen kein Weg zur Ausführung gemäß Regel 42 (1) e) EPÜ enthalten, sodass die Hilfsanträge 1 bis 6 das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllen.

3. Da keiner der Anträge der Patentinhaberin gewährbar ist, ist das Patent zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

3. Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

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